Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


Eingangsseite

Aktuelle Informationen

Jahrestagungen von Alemannia Judaica

Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft

Jüdische Friedhöfe 

(Frühere und bestehende) Synagogen

Übersicht: Jüdische Kulturdenkmale in der Region

Bestehende jüdische Gemeinden in der Region

Jüdische Museen

FORSCHUNGS-
PROJEKTE

Literatur und Presseartikel

Adressliste

Digitale Postkarten

Links

 


Zurück zur Seite über die Jüdische Geschichte/Synagoge in Hürben    
  

Hürben und Krumbach (Stadt Krumbach, Kreis Günzburg)
Texte/Berichte zur jüdischen Geschichte des Ortes / der Stadt

Die nachstehend wiedergegebenen Texte mit Beiträgen zur jüdischen Geschichte in Hürben / Krumbach wurden in jüdischen Periodika gefunden. 
Bei Gelegenheit werden weitere Texte eingestellt. Letzte Aktualisierung: 7.6.2014. 
    
Übersicht:   

Allgemeine Beiträge zur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
Gemeindebeschreibung (1842)  
"Geschichtliches von Hürben-Krumbach" - Artikel des jüdischen Hauptlehrers Isidor Kahn (1926)  
Rabbiner Dr. Israel Hildesheimer berichtet über Hürben (1866)  
Aus der Geschichte des Rabbinates 
Beiträge von stud.theol. Israel Schwarz (Sohn von Rabbiner Schwarz) und Rabbiner Haium Schwarz (1848)  
N
eue Publikationen von Rabbiner Joseph Schwarz (Jerusalem), des Bruders von Rabbiner Haium Schwarz (1847 / 1853) 
B
eilage in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums", Rabbiner Haium Schwarz und das Rabbinat in Hürben betreffend (1847)  
A
nzeige von Rabbiner Haium Schwarz gegen Dr. Ignaz Landauer (1853)  
Zum Tod von Rabbiner Dr. Joseph Schwarz in Jerusalem (1865)     
Rabbiner Chajim (Haium) Schwarz hat gesundheitliche Probleme (1865)  
N
eujahrsgedicht von Rabbiner H. Schwarz (1869  
Zum 70. Geburtstag von Rabbiner Haium Schwarz (1870)   
P
ublikation von Rabbiner Hayum Schwarz (1872)  
Zum Tod von Rabbiner Dr. Israel Schwarz in Köln (1875)  
Zum Tod von Rabbiner Haium Schwarz (1875)  
Zum Tod von Rabbiner Mordechai Rosenthaler (1894)  
Aus der Geschichte der jüdischen Schule und der Lehrer  
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1845 / 1871 / 1872 / 1909 / 1922    
Schwierigkeiten mit christlichen Büchern im jüdischen Religionsunterricht (1860)  
Kantor J. Lachmann wirbt für eine neue Publikation (1899)  
Rezension in der Zeitschrift "Der Israelit" (1900)  
Rezension in der Zeitschrift "Der Israelit" (1902)     
Zum Tod von Lehrer und Kantor J. Lachmann (1900)  
Todesanzeige für Hauptlehrer Isidor Kahn (1930)   
Zum Tod von Hauptlehrer Isidor Kahn (1931) 
Über Lehrer Walter Seligmann  
Kleinere Beiträge aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben   
Über den "Humanitätsverein" in Hürben (1838) 
Rabbiner Wechsler aus Schwabach ist zum Kuraufenthalt in Krumbach und predigt in der Synagoge in Hürben (1849)      
50jähriges Jubiläum des Israelitischen Frauenvereins (1887)  
Ausschreibungen der Synagogendienerstelle (1901 / 1904)      
Hürben empfiehlt sich für Erholungssuchende (1902)   
-  Hürben wird nach Krumbach eingemeindet (1902)   
Vortrag über die "Freie Vereinigung" (1908)  
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde  
Über den in Hürben 1783 geborenen und soäter in Osterberg ansässigen Moses Binswanger (Familiengeschichte)   
-  Zum Tod von Pessel Landauer (1862)  
-  Zum Tod von Josef Samuel Landauer (1877)   
Zum Tod von Joseph Raphael Landauer (1877)   
Zum Tod von Emilie Harburger (1878)  
Zum Tod des aus Hürben stammenden Hermann Buttenwieser (1893 in Ulm)  
Zum Tod von M. S. Landauer (1894)   
Privatdozent Dr. Samuel Landauer wird Honorarprofessor an der Universität Straßburg (1894)  
Zum Tod von Clara Landauer (1907)  
Zum Tod von Sally Oettinger (1908)  
Zum Tod von Kommerzienrat Heinrich Landauer (1917)  
T
odesanzeige für Rosa Oettinger (1924)    
Zum 70. Geburtstag von Louis Selinger (1928)   
Zum 85. Geburtstag von Prof. Dr. Samuel Landauer (1931)    
Zum 90. Geburtstag von Prof. Dr. Samuel Landauer (1936)  
Zum Tod von Prof. Dr. Samuel Landauer (1937 in Augsburg)   
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen   
Anzeige des Seifensieders Joseph Heilbronner (1860)   
Werbung für Schleifsteine aus der Firma J. Tachauer (1903/1904) 
T
odesanzeige für Dolce Oettinger (1934)       
Todesanzeige für Lisa Höchstädter geb. Guggenheimer (1936)  
Weitere Dokumente   
Briefumschlag an die Porzellanhandlung von S. S. Guggenheimer (1863)  
Postkarte, versandt von Heinrich Lippschitz von Hürben nach München (1882)  
Postkarte, versandt von Albert Stein in Hürben nach Augsburg (1882) 
Postkarte an Marx Rosenthaler (1888) 
Postkarte an Klärchen Neuburger in Hürben (1898) 
Dokument zum Bankgeschäft von Isaias Weißkopf     
Sonstiges  
Erinnerungen an die Auswanderungen im 19. Jahrhundert: Grabstein in New York für Maier Lemberger aus Hürben (gest. 1894)    
Berichte zum jüdischen Ferienheim des "Israelitischen Vereins für Ferienkolonien zu München..."  
Bericht über die jüdische Ferienkolonie als nachahmenswertes Beispiel (1902)     
Zum 70. Geburtstag von Frau Johanna Kohn geb. Villmann in München und ihre Verdienste für das Ferienheim (1911)  
Über das Ferienheim (1912)  
Bericht über die Ferienkolonie in Krumbach (1926)  
25 Jahre Ferienheim in Krumbach (1927)  
Bericht über die Ferienkolonie in Krumbach (1927)  
Bericht über die Ferienkolonie in Krumbach (1927) 
Bericht über die Ferienkolonie in Krumbach (1928)
Bericht über die Ferienkolonie in Krumbach (1929)  
Singwoche im Ferienheim in Krumbach (1931)   

     
     
     
Allgemeine Beiträge zur Geschichte der jüdischen Gemeinde 
Gemeindebeschreibung (1842)  
Anmerkung: die in der liberal geprägten "Allgemeinen Zeitung des Judentums" geäußerte Kritik richtet sich an konservativ-orthodoxe Kreisen, die im Gemeindeleben Hürbens nur sehr zögerlich auf die von den Liberalen geforderten "Reformen" reagierten.      

Huerben AZJ 07051842a.jpg (248906 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 7. Mai 1842: "Hürben (Bayern), im März. Unsere Gemeinde, eine der reichsten und zahlreichsten in Bayern, sie zählt ungefähr 120 Gemeindeglieder, schließt alle Keime des Bessern in sich, aber sie werden von denen gewaltsamer Weise niedergetreten, die zu ihrer Pflege berufen sind. Es befinden sich hier sehr viele Handwerker, die ausschließlich von ihrer Hände Fleiß leben, mehrere nicht unbedeutende Kaufleute; es herrscht sehr viel Sinn für Wohltätigkeit, wiewohl mehr für partielle als für großartige, allgemeine Zwecke. Es hat sich in kürzerer Zeit ein Holzverein gebildet, von welchem jährlich ein nicht unbedeutendes Quantum Holz an hiesige Arme verteilt wird; außer diesem Verein verfolgen noch vier andere ihr menschenfreundliches Ziel und ein Humanitäts- und Industrieverein, über welchen diese Blätter schon berichtet haben, lässt sich die Verbreitung jüdischer Schriften angelegen sein und ist nicht wenig bemüht, armen Jünglingen ein zweckmäßiges Handwerk erlernen zu lassen. 
An unserer Religions- und Elementarschule wirken drei Lehrer, und an unserem jungen Rabbiner Herrn Schwarz besitzen wir einen klugen, gebildeten Mann. 
Wie überall regt sich, besonders unter dem nachkommenden Geschlecht, der Geist des Fortschritts, der Wunsch nach zeitgemäßer Umgestaltung unserer Institutionen, nach Ersetzung abgelebter Formen durch lebensfrische Einrichtungen nach dem Beispiele anderer Gemeinden. Man ist für die Religion und ihre Interessen begeistert, muss aber schmerzlich gewahren, wie man die nichtssagendsten Gebräuche aufrecht zu erhalten, jede zeitgemäße Konzession hartnäckig verweigert und das durch die Notwendigkeit und gegen den Willen der Wortführer eingedrungene Bessere über die Achsel anschaut, und nach Umständen als religionswidrig darzustellen sucht. 
In unserer schönen Synagoge wird man, trotz der vorhandenen Mittel, weder durch Chorgesang, noch durch öfteres Predigen erbaut. Man glaubt sich vielmehr durch die vorgetragenen Ouvertüren und Triller bald in ein Theater, bald in eine polnische Synagoge des vorigen Jahrhunderts versetzt. Außer Schabbat Tschuwa (sc. Schabbat zwischen Neujahr und Versöhnungstag) und Schabbat HaGadol (sc. letzter Schabbat vor Pessach), wofür ein besonderes Honorar ausgesetzt ist, hören wir nur selten eine Predigt, auch an Rosch HaSchana und Jom Kippur blieb die Kanzel stumm. Am Sabbat und Feiertagen sieht man bei diesem eine Kappe, bei jenem einen Hut und bei einem dritten sogar noch eine so genannte breite Haube als Kopfbedeckung. Trifft es sich nun, dass ein Bekappter zur Tora berufen wird, so muss er entweder von seinem Nachbarn den Hut borgen, oder wenn ihm dieser nicht konveniert, zur allgemeinen Belustigung die reservierte Allerwelts-Breite-Haube aufsetzen. 
In den erwähnten Predigten werden nicht die Bedürfnisse der Zeit gewürdigt, sondern nur auf das Strafbare der Übertretung eines äußeren Gebrauchs oder die Nichtachtung irgendeiner religiösen Observanz mit Fingern hingewiesen. Das Rasieren wurde schon ein Dutzend Mal von der Kanzel geworfen. Wirklich unmoralische, unjüdische Handlungsweisen, die eine wahre Gotteslästerung veranlassen und durch deren Ausübung wir so manche Schmach und allgemeine Vorwürfe zu erdulden haben, werden gänzlich ignoriert. 
Die durch die Kreissynode verfasste und von der königlichen Regierung bestätigte Synagogenordnung schreibt unter anderem die Abhaltung einer öffentlichen Konfirmation vor. Sie wurde auch einige Mal zur Erbauung aller Bessergesinnten abgehalten. Unser Herr Rabbiner versteht es schon, auf die Herzen zu wirken. Auf den Antrag einiger Eiferer wurde sie aber wieder abgestellt. Die in eben dieser Synagogenordnung gebotene Verkündigung der Brautpaare aber, wofür Gebühren bezahlt werden, bleibt streng eingehalten.
Wir erkennen es mit Dank an, dass der Rabbiner unsere Lehrer fleißig moralisiert, dass er ihnen die Erfüllung ihrer hohen Pflichten ans Herz legt, dass er sie zum fleißigen Besuch der Synagoge etc. ermahnet, allein wir würden dem Rabbiner lieber raten, Taten an die Stelle der Worte treten zu lassen; wir würden ihm raten nicht wie bisher, nur alle 14 Tage einmal, sondern jeden Tag, oder wenigstens jede Woche zweimal
Huerben AZJ 07051842b.jpg (117702 Byte)die Schule zu besuchen und, wie wir von anderen Rabbinen wissen, den Kindern selbst einigen Unterricht zu erteilen. Wir wollen zwar von dem Rabbinen nicht Alles fordern und hätte er sich in früherer Zeit nicht ebenso verhalten, wir würden seine gegenwärtige prekäre Stellung recht wohl zu würdigen wissen. 
Aber eben darum ist es an dem Gemeindeausschuss mit Energie gegen die Bigotterie aufzutreten. Es fehlt diesem Ausschusse an Männern nicht, die Intelligenz und Sachkenntnis genug besitzen, gegen das Übel zu wirken, die es einsehen, dass es an der Zeit ist, etwas für Gott zu tun, damit der Riss zwischen dem Alten und Neuen nicht unheilbar werde. Dann wird auch unser Rabbiner – dessen sind wir gewiss – aus seiner Lethargie erwachen und in Hinblick auf den Lohn, der seiner bei dem Herrn des Lichtes wartet, eines kleinen pekuniären Schadens nicht achten, der ihm bei diesem, oder jenem erwachsen könnte. -
Lassen Sie mich meinen Bericht, der so wenig Erfreuliches bietet, mit etwas Traurigem schließen: am 9. Februar dieses Jahres hat es der Vorsehung gefallen, unseren Elementarlehrer Herrn Joseph Kahn, nach einem 27jährigen treuen Wirken an unserer Schule in seinem 54. Lebensjahre von diesem Leben zu einem besseren abzuberufen. Obwohl sein Leichenbegängnis nicht auf eine angemessene, würdige Weise begangen wurde, so wurde z.B. von Seiten des Rabbiners oder Vorstandes nicht einmal die Schuljugend angehalten, ihren Lehrer und Wohltäter zu seiner Ruhestätte zu begleiten, so gab doch die überaus zahlreiche Begleitung, so wie die unzähligen heißen Tränen, die an seinem Grabe fielen, den deutlichsten Beweis, welcher Liebe und Verehrung er sich von Seiten sämtlicher Gemeindeglieder, insbesondere von Seiten seiner Schüler zu erfreuen hatte.   …r."

   
"Geschichtliches von Hürben-Krumbach" - Artikel des jüdischen Hauptlehrers Isidor Kahn (1926)
  

Huerben BayrGZ 07051926.jpg (300334 Byte)Artikel in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 7. Mai 1926: "Geschichtliches von Hürben-Krumbach. Von Hauptlehrer J. Kahn (Krumbach). 
Nur wenige Urkunden und Aufzeichnungen geben uns Kunde über die alten schwäbischen Gemeinden, nur dürftige Berichte in den Chroniken der Städte geben und Einblick in die jüdischen Gemeinden zurzeit des Mittelalters. Donauwörth war seiner Lage gemäß ein Knotenpunkt für Handel- und Verkehrsleben auf Land- und Wasserstraßen. Aus Salzburg gingen seit Jahrhunderten große Mengen von Salz auf der Salzach und dem Inn nach Passau und von hier auf der Donau stromaufwärts zur Salzniederlage in Donauwörth, wo der Handel mit Salz einen regen Verkehr nach weiten Kreisen unterhielt (Steichele). Kaiser Otto III. verlieh dem Orte einen Wochenmarkt samt Münze und Zoll. Und Kaiser Konrad II. bestimmte 1030, dass jedes Jahr ein 3 Tage dauernder Markt gehalten werden dürfte. Um diese Zeit ließen sich auch viele Juden nieder, welche den Handel großenteils an sich brachten und reges Verkehrsleben nach Norden und Süden entfalteten. Sie besaßen eine Synagoge, Judenschul genannt, wo ein Rabbiner und Vorsänger auf das religiös sittliche Leben der Gemeinde und auf die Erziehung der Jugend einzuwirken suchte. Im Laufe der Jahre hatten sie sich den Unwillen der Bevölkerung zugezogen. ‚Sie waren keineswegs wohl gelitten’, berichtet der Chronist, ‚und mussten sich in eine eigene Gasse hinter der Stadtmauer, Judengasse genannt, zurückziehen’. Hass und Neid verbanden sich mit blindem Vorurteil und bewirkten, dass die Juden 1518 aus Donauwörth gänzlich ausgewiesen wurden. Die Vertriebenen wandten sich nach den südlich in der Hochebene gelegenen Ortschaften und seit dieser Zeit finden sich Juden in oberschwäbischen Gemeinden, wie Ichenhausen, Hürben, Neuburg a. K., Thannhausen, Hohenraunen und Veisenhausen. Eine Urkunde des Herrschaftsgerichts Neuburg a. Kammel bestätigt, dass die Juden daselbst um 1540 Feldbau betrieben. Mitte des 17. Jahrhunderts wohnten noch 6 Familien in Neuburg, welche freiwillig nach Hürben auswanderten. Das Alter der jüdischen Gemeinde Hürben, ihr Entstehen und Werden, ist in Dunkel gehüllt: nur soviel verkündet eine alte Urkunde des Landgerichts Urberg, dass 1504 vier jüdische Familien ansässig waren. Louis Lamm, Verlagsbuchhandlung in Berlin, besitzt ein Dokument, nach welchem Reb Moses aus Angelberg, Bezirksamt Mindelheim, 1568 nach Hürben übersiedelte und in einem Revers sich verpflichtete, auch nach seiner Domiziländerung sich der Angelberger Jurisdiktion zu unterwerfen. Der Kronzeuge, der Friedhof, auf einem bewaldeten Hügelrücken gelegen und so alt wie die Gemeinde, ist zum Schweigen verurteilt, da im Jahre 1800 bei einem Gefechte zwischen Franzosen und Österreichern dort lagernde österreichischem Soldaten die alten, eichenen Grabdenkmäler verbrannten.
Im Mittelalter bildete Krumbach-Hürben mit etwa 350 Ortschaften die Markgrafschaft Burgau, die großenteils durch österreichische Herzöge verwaltet wurde und in Günzburg a.d.D. ihren Wohnsitz nahm. Als 1570 die Rechte und Privilegien der Juden im Burgauischen geschmälert wurden, indem man sie mit neuen Steuern belegte und Zölle und Mautgebühren über alles Maß erhöht wurden, ja sogar Schuldner von der Bezahlung ihres von Juden geliehenen Kapitals los gesprochen wurden, erließ Kaiser Maximilian II. ein Mandat, in dem er gebot, dass die Juden in ihren Rechten und Privilegien beschützt und beschirmt und all ihre zuerkannten Rechte gewahrt werden müssen. Ebenso wurden dem Rabbiner Isaak zu Günzburg das Recht zuerkannt, die Rechtsstreitigkeiten der Juden nach jüdischem Gesetze zu behandeln und über Widerspenstige den Bann auszusprechen (Kohat). 1630 erhielten die Grafen von Lichtenstein durch Abtretung eines Gutes an Österreich die Herrschaft über Krumbach und Hürben. Nach einem Urbarium des Rentamts Ursberg gab Grab Maximilian von Lichtenstein 1675 die Erlaubnis zum Bau einer Synagoge, welche jährlich mit 6 Gulden Steuer belegt wurde. Für die Wohnung eines Vorsängers (zur damaligen Zeit waren die Rabbiner Schaz und Maz, d.h. Vorsänger und Rabbiner) wurde ein Nebenhaus bewilligt gegen jährlichen Grundzins von 1 Gulden. Die Lichtensteinsche Herrschaft währte nur bis Ende des 17. Jahrhunderts, worauf Krumbach-Hürben wieder der vorderösterreichischen Herrschaft angeschlossen wurden. Durch die Einwanderung jüdischer Familien aus Neuburg a.K., Hohenraunen und Deisenhausen, sowie durch die Aufnahme der 1718 aus Thannhausen vertriebenen Juden vergrößerte sich die jüdische Gemeinde dermaßen, dass die christliche Gemeinde Beschwerde einreichte bei der Vorderösterreichischen Herrschaft wegen Überschreitung der Normalzahl und wegen der neuen Häuserbauten, jedoch ohne Erfolg. Die 1675 erbaute Synagoge war zu klein geworden und musste 1710 und 1765 durch Anbauten vergrößert und erweitert werden. Im Jahre 1819 wurde sie gänzlich umgebaut im schönen Empirestil. Durch besondere Vergünstigung wurde die Anbringung großer abgerundeter Kirchenfenster genehmigt und auch die innere Ausstattung erfolgte in gleichem Stile. Die Synagoge besitzt zwei prächtige goldbestickte Toravorhänge (Paroches) mit der Jahreszahl 5483 und 5487, gestiftet von dem Goldsticker Jakob Ganz aus Höchstädt a.d.D. Über das Erwerbsleben der jüdischen Bewohner Hürbens gibt am prägnantesten die Aufzeichnung des Rabbiners Schwarz vom 26. April 1839 Ausschluss: ‚Anno 1839 zählt Hürben 116 Familien und 13 Witwen mit 576 Seelen, 289 männlichen und 287 weiblichen. Diese 116 Familien bestehen aus 1 Rabbiner, 2 Lehrern, 56 konzessionierten Kauf- und Handelsleuten, 11 Hausierhändlern, 1 Seifensieder, 4 Bäckern, 4 Metzgern, 2 Schustern, 1 Schneider, 4 Tuchmachern, 2 Uhrmachern, 1 Barbier, 6 Ökonomen, 1 Taglöhner, 1 Tuchscherer, 1 Hutmacher, 1 Buchbinder, 1 Glaser, 1 Drechsler, 1 Hafner, 1 Stricker, 1 Lebküchner, 6 Webers, 1 Weißgerber, 1 Kürschner, 1 Spengler, 1 Bürstenbinder, 2 Briefboten. Vor 2 Jahren sind 2 Jünglinge, in diesem Jahr 2 Mädchen nach Amerika ausgewandert. Die Jugend widmet sich einem Gewerbe. Einige Studierende und Handlungslehrlinge ausgenommen, sind fast sämtliche hiesige Jünglinge Handwerkslehrlinge oder Gesellen.’ Die den Schutzjuden auferlegten Steuern waren benannt:
1. Unbedingtes Schutzgeld, so genanntes Jägergeld, das vierteljährlich, nach vorhergegangener
Huerben BayrGZ 07051926a.jpg (116698 Byte)Bekanntgabe durch den Amtsdiener in der Synagoge beim Markgräflichen Burgauischen Rentamt zu Günzburg erlegt werden musste. Die ersten 12 Familien, die Zwölfer genannt, (Stamm der Gemeinde) zahlen zusammen jährlich 100 Gulden, jede weitere ansässige Familie 6 Gulden. 
2. Todesfallfeld. Für jede erwachsene Person, die stirbt 4 Gulden, für jedes Kind die Hälfte 2 Gulden, für jedes tot geborene Kind 1 Gulden zu zahlen. 
3. Gansgeld. Ein jeder Jude, der auch nur ein viertel Haus (für vermutlich. falsch: Gans) besitzt, hat jährlich 2 gemästete Gänse, ein nur ansässiger Juden 1 gemästete Gans zu liefern oder den festgesetzten Betrag zu zahlen. 
4. Weingeld. Wer Koscherwein in den Keller bringt, hat die 13. Maß oder den Preis derselben an die Herrschaft zu geben. Die Fässer müssen auf ihr Maß geprüft werden. 
5. Zahl. Von allen in der Herrschaft Krumbach er- oder verhandelten Pferden, Vieh, Tieren, Häut und Fellen ist der festgesetzte Zehnt zu entrichten. 
6. Maßgeld geben alle Untertanen von dem, was dem Maß unterworfen ist. 
7. Nachsteuer. Von jedem verkauften Haus ist die Nachsteuer zu erheben, von 100 Gulden Kaufschilling 10 Gulden Nachsteuer. 
8. Schächtgeld. Von jedem geschächteten Ochsen oder Rind ist die Zunge, von einem Schmalvieh das Gelüng abzuliefern.
Forum der Judenschaft. Die Angelegenheiten über die Veräußerung ihrer Realitäten, Haus und Güter betreffend, gehören vor das Herrschaftsgericht Hürben. In Schuldklagsachen Jud contra Jud wie auch in Zeremoniensachen, Erbschaft und Heirat vor den von der Landesherrschaft bestätigten und bei dem Oberamt der Markgrafschaft Burgau verpflichteten jüdischen Richter, den so genannten Landrabbiner, dermalen wohnhaft zu Pfersee; von dessen Bescheid geht die Appellation an bemeldetes Oberamt. Die von der Gemeinde gewählten zwei Vorstände (Parnosim), der Rabbiner und der Schulklopfer werden von der Herrschaft bestätigt."

        
Rabbiner Dr. Israel Hildesheimer berichtet über Hürben (1866)         

Huerben Israelit 23051866.jpg (108600 Byte)Aus einem Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Mai 1866: "Nicht weniger haben sich die Provinzialgemeinden Ichenhausen, Hürben, Pfersee, Buttenwiesen, Harburg, Mönchsdeggingen, Ederheim u.a. durch die Tätigkeit der Rabbinen, echt jüdischer Lehrer und Privaten, diese Liebe zur Tora und die Sehnsucht, ihre Kinder zu den Füßen der Großen Israels sitzen zu wissen, erhalten. Speziell verdient hervorgehoben werden a. Hürben (jetzt ca. 70 Familien), wo die edle Familie Landauer ein Beit HaMidrasch (Talmudschule) gründete und mit einem reichen Schatze von Torarollen versorgte, und mehrere Tausende zur Fondation hergab, einen talmudbeflissenen Lehrer Rabbiner Salmon ... seligen Andenkens akquirierte, den Schülern Freitische gab und die eigenen Söhne später auf größere Jeschiwot (auch hierher) sendete. Wohl mag durch den Wegzug der genannten Familie dieses Institut sehr viel an tatkräftigem Leben eingebüßt haben; indes besteht dasselbe meines Wissens noch heute fort."  
Anmerkung: Näheres zu der Talmudschule der Familie Landauer s.u. den Berichten zu einzelnen Personen, dort u.a. zum Tod von Pessel Landauer. 

  
  
Aus der Geschichte des Rabbinates
  
  
Über die Rabbiner in Hürben - Übersicht: 
   
Rabbiner Jakob ben Mordechai Kahn: bis 1777 Rabbiner in Hürben; ihm folgte sein Sohn Israel-Isser Kahn im Amt.  
Rabbiner Israel-Isser Kahn (geb. 1749 in Hürben, gest. 1827 in Hürben): lernte in Ichenhausen, Hohenems, Mannheim und Prag, war von 1777 bis 1827 Rabbiner in Hürben. 
Rabbiner Hayum Schwarz (geb. 1800 in Floß, Oberpfalz, gest. 1875 in Hürben): studierte an der Fürther Jeschiwa, ab 1823 an der Universität Würzburg; war seit 1827 Rabbiner in Hürben, seit 1828 Bezirksrabbiner ebd., verheiratet mit Henriette geb. Kahn, einer Tochter seines Amtsvorgängers. 
ein Bruder von Rabbiner Hayum Schwarz war der seit 1833 in Jerusalem ansässige Geograph Rabbiner Joseph Schwarz.
ein Sohn von Rabbiner Hayum Schwarz war Rabbiner Dr. Israel Schwarz (geb. 1828 in Hürben, gest. 1875 in Köln): lernte beim Vater und anderen Rabbinern, studierte seit 1846 in Heidelberg, Promotion 1851 in Jena; war seit 1853 Distriktsrabbiner in Bayreuth, seit 1857 Rabbiner in Köln.     
   
   
Beiträge von stud.theol. Israel Schwarz (Sohn von Rabbiner H. Schwarz) und Rabbiner H. Schwarz (1848)    

Beitrag in der Zeitschrift 
"Der treue Zionswächter" 
vom 4. August 1848
Huerben DtrZionswaechter 04081848.jpg (184728 Byte) Huerben DtrZionswaechter 04081848a.jpg (266702 Byte) Huerben DtrZionswaechter 04081848b.jpg (71196 Byte)
   "Sendschreiben an das teutsche Parlament in Frankfurt am Main, für die Aussprechung der Judenemanzipation, und ein offenes Wort an den christlichen Klerus. Von Israel Schwarz, stud.theol."
Beitrag wird nicht ausgeschrieben, bei Interesse: bitte Textabbildung anklicken. 
Anmerkung der Redaktion unten: "Wir verfehlen nicht, das geehrte Lesepublikum dieser Blätter auf das unter obigen Titel jüngstens in Heidelberg erschienene, vom Sohne des geschätzten Herrn Rabbiner Schwarz zu Hürben verfasste Schriftchen, dessen erster Teil wir hiermit ganz wiedergegeben, aufmerksam zu machen, und den Verfasser, der sich mit vollkommenem Herzen als der orthodoxen Partei angehörig, frei bekannt, sowohl in Bezug auf das zeitgemäße und gelungene Schriftchen, als auch auf fernere in diesen Blättern noch zu erscheinende Arbeiten, dem geneigten Wohlwollen unserer Leser bestens zu empfehlen."
Fortsetzung des obigen Beitrages in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 11. August 1848 Huerben DtrZionswaechter 11081848.jpg (233498 Byte) Huerben DtrZionswaechter 11081848a.jpg (64944 Byte)   
         
           
Beitrag in der Zeitschrift 
"Der treue Zionswächter" 
vom 18. August 1848
Huerben DtrZionswaechter 18081848.jpg (189126 Byte) Huerben DtrZionswaechter 18081848a.jpg (244557 Byte) Huerben DtrZionswaechter 18081848b.jpg (93494 Byte)
  "Arbeitsamkeit, eine Anforderung an den Israeliten. Aus dem Vortrage des Herrn Rabbiners 
H. Schwarz zu Hürben
" - Wird nicht abgeschrieben, bei Interesse: zum Lesen Textabbildung anklicken.
           
Anzeige in der Zeitschrift 
"Der treue Zionswächter" 
vom 18. August 1848
Huerben DtrZionswaechter 18081848c.jpg (32418 Byte)    
 

"Durch alle soliden Buchhandlungen, in Altona durch A. Lehmkuhl, ist zu beziehen: 
Drei Vorträge, gehalten in der Synagoge zu Hürben von H. Schwarz, Rabbiner. 
Wir verfehlen nicht auf die 'Drei Vorträge' etc. des bekannten, würden Herrn Rabbiner Schwarz zu Hürben aufmerksam zu machen, das Zeitgemäße mit wahrhaft Religiösen vereinend, den gerechten Ansprüchen des denkenden, frommen Lesers gewiss Genüge leisten werden."

    

    
Neue Publikationen von Rabbiner Joseph Schwarz (Jerusalem), des Bruders von Rabbiner Haium Schwarz (1847 / 1853)  

Artikel in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 16. Februar 1847: "Hürben. Von dem berühmten Rabbinern J. Schwarz in Jerusalem (Bruder unseres würdigen Rabbinen), der schon mehrfach durch archäologische Arbeiten, sowie durch Herausgabe mehrere Karten des heiligen Landes dem jüdischen Publikum hinlänglich bekannt ist, ist jetzt ein neues Werk erschienen. Dasselbe, geographische und antiquarische Skizzen des heiligen Landes enthaltend, ist bereits vor längerer Zeit in Jerusalem im Drucke erschienen, durch ein Missverständnis indes bisher dem europäischen Okzident vorenthalten worden. Da das Werk jetzt bereits in England angelangt ist, und alsbald nach Deutschland weiter versandt wird, haben wir schon zuvor die Leser dieses Blattes auf diese interessante, für jeden religiösen Juden so nützliche, wie unentbehrliche Arbeit des frommen und gelehrten Verfassers aufmerksam machen wollen. Wie wir vernehmen, bereitet unser Rabbiner zu gleicher Zeit eine deutsche Übersetzung dieses Werkes vor."   
   
Anzeige in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 23. Mai 1853: "Im Verlag der hebräisch ant. Buchhandlung von J. Kaufmann in Frankfurt am Main ist erschienen und durch alle Buchhandlungen, sowie beim Verfasser, derzeit in Hürben bei Augsburg, zu beziehen: 
Das heilige Land nach seiner ehemaligen und jetzigen geographischen Beschaffenheit, nebst kritischen Blicken in das Karl v. Raumer'sche 'Palästina' von Rabbi Joseph Schwarz aus Jerusalem. Deutsch bearbeitet von Dr. Israel Schwarz. Mit lithographischen Abbildungen und einer Karte von Palästina. gr. 8'. XIX. S. 452. Elegant brosch. Preis Rth. 2 - 3 fl. 36 kr.   
Dieses ausgezeichnete Produkt, welches die überraschendsten Forschungen und Entdeckungen in der alten und neuen Geographie Palästinas enthält, die Leistungen vieler Gelehrten in diesem Gebiete gewissenhaft prüft und verwirft, wird nicht verfehlen, das Interesse des Publikums im höchsten Grade zu erregen, zumal der berühmte Verfasser aus ganz unzugänglichen quellen geschöpft und bei seinem mehr als sechszehnjährigen Aufenthalte auf dem geweihten Boden seiner Väter derart vollkommen mit allen Hilfsmitteln zur Erreichung seines Zweckes ausgerüstet war, wie es vor ihm noch nie ein Geograph des heiligen Landes gewesen."     

 
Beilage in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums", Rabbiner Haium Schwarz und das Rabbinat in Hürben betreffend (1847)    

Huerben AZJ 04101847.jpg (299678 Byte) Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 4. Oktober 1847: 
der Beitrag ist noch nicht ausgeschrieben; zum Lesen bitte Textabbildungen anklicken.   
Huerben AZJ 04101847a.jpg (361393 Byte)  
Huerben AZJ 04101847b.jpg (275798 Byte)  
Huerben AZJ 04101847c.jpg (256640 Byte)  

 
Anzeige von Rabbiner Haium Schwarz gegen Dr. Ignaz Landauer (1853)   

Anzeige in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 27. Mai 1853: 
"Anzeigen. Wichtige Anzeige
Um zu verhüten, dass sich nicht Unbeschnittene untermischen in Israel, bin ich in die Notwendigkeit gesetzt, hiermit zu erklären, dass Dr. Ignaz Landauer von hier, gegenwärtig zu Speyer domizilierend, an seinem Sohne Robert Landauer, geboren den 24. November 1819 die Beschneidung nicht vornehmen ließ, dieser somit in jeder Beziehung als Unbeschnittener (= Nichtjude) zu betrachten ist. 
Hürben, den 19. Mai 1853. H. Schwarz, Rabbiner."   

     
Zum Tod von Rabbiner Dr. Joseph Schwarz in Jerusalem (1865)    

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 18. April 1865: "Jerusalem. Hier ist der auch in Europa rühmlichst bekannte Rabbiner Dr. Jos. Schwarz (aus Hürben in Bayern) verstorben. Seine geographischen Arbeiten über Palästina sind als Materialien schätzbar."           

 
Rabbiner Chajim Schwarz hat gesundheitliche Probleme (1865)  

Huerben Israelit 05071865.jpg (77819 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Juli 1865: "Hürben (Bayern). Wegen längeren Unwohlseins bin ich außer Stand, eigenhändig zu schreiben und muss mich daher der Hand eines anderen bedienen, was Sie gefälligst entschuldigen wollen. – In Folge einer Zuschrift des wohllöblichen Zentralkomitees für den Bau von Armen- und Pilgerwohnungen habe ich am 2. Tage des Schawuotfestes in einem leider sitzend abgehaltenen Vortrage meine Gemeinde zu abermaligen Spenden für diesen Zweck aufgefordert. Dieselbe hatte schon vor einiger Zeit 240 Gulden 45 Kreuzer für diesen Zweck gespendet und die neue Kollekte ergab ein Resultat von 258 Gulden 32 Kreuzer.
Dieses Ergebnis verdient umso mehr Anerkennung, als meine Gemeinde durch Auswanderung und durch Übersiedelung in Städte in den letzten Jahren bedeutend abgenommen hat. Nicht weniger ist der Eifer der zwei Herren Pfleger für Erez Israel, Joseph Landauer und G. Löffler, lobenswert, welche willig der Mühe des Kollektierens sich unterzogen. Genehmigen Sie etc. etc. Rabbiner Chajim Schwarz."

   
Neujahrsgedicht von Rabbiner H. Schwarz (1869)    

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. September 1869:  
Zum Lesen bitte Textabbildungen anklicken    
Huerben Israelit 08091869a.jpg (53292 Byte)

 
Zum 70. Geburtstag von Rabbiner Hayum Schwarz (1870)  

Huerben Israelit 24081870a.jpg (138575 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. August 1870 (der Beitrag ist abgekürzt zitiert): "Hürben, 31. Juli (1870). Geehrter Herr Redakteur! Es mag den Lesern Ihres geschätzten Blattes vielleicht nicht unwillkommen sein, wenn sie für einige Augenblicke aus der sie umgebenden kriegerischen Tagesstimmung herausgerissen nach einem Orte geleitet werden, in welchem sich ein rührendes Bild des stillen Friedens vor ihren Augen entrollt, wo unseren Glaubensgenossen, trotz der Wucht der Zeit, die auf Jedem lastet, dennoch der Sinn offen blieb, eine seltene erhebende Feier zu begehen. Dem teueren Manne, dem es galt, unserem allverehrten, weit über die Grenzen Bayerns und Deutschlands hinaus berühmten Rabbiner, Herrn H. Schwarz, dem gottergebenen, für Sein heiliges Gesetz begeisterten und durch Wort und Beispiel begeisternden Seelsorger, war sie umso überraschender, als er selbst in seiner bekannten und selbstverleugnenden Bescheidenheit Alles sorgfältig vermied, was im entferntesten sie veranlassen könnte, ja sogar seinen Kindern, die am 70. Geburtstage ihres innig geliebten Vaters in seiner Nähe zu weilen beabsichtigten, den Wunsch zu erkennen gab, sie möchten doch ihren Besuch auf einige Wochen später festsetzen. Lediglich einem religiösen Drange seines frommen Herzens glaubte er sich entledigen zu müssen, als er am Schlusse seiner gestrigen, uns ewig denkwürdigen Predigt, über Psalm 111, Vers 1 ‚Ich danke dem Herrn von ganzem Herzen im Rate der Frommen und in der Gemeinde’, anknüpfend an die Talmudstelle Moed Katan 28 'Als R. Joseph sechzig Jahre alt wurde, veranstaltete er ein Fest für die Rabbanan...", seinem Schöpfer den tief empfundenen Dank aussprach, dass es ihm vergönnt war als Jüngling, als Mann und auch als Greis, schon 43 Jahre lang 'Jung war ich, bin auch alt geworden' (Psalm 37,25), an einer und derselben heiligen Stätte Sein geoffenbartes göttliches Wort zu verkünden, und sich nun beim Eintritt in sein höheres Lebensalter doppelt verpflichtet an die geliebte Gemeinde den Mahnruf ergehen zu lassen, sie mögen ihren Namen als Stadt und Mutter in Israel aufrecht erhalten und wahren alle Zeit; die Verwirk-
Huerben Israelit 24081870b.jpg (326644 Byte)lichung dieses Gedankens allein vermöge ihm dann einst die Scheidestunde, die jetzt mehr als sonst vor seinem Auge schwebe, denn leicht und froh zu machen.
In solch echt patriarchalischer Weise gedachte er seinen 70. Geburtstag zu feiern, und in einer würdigeren Form konnte es in der Tat nicht geschehen; nur irrte er sich, wenn er glaubte, damit wäre die Sache abgemacht. Die Gemeinde hatte es längst anders beschlossen, sie wollte nicht passiv bleiben an dem Ehrentage ihres wie ein Vater von seinen Kindern geliebten Lehrers.
Nach Beendigung des Gottesdienstes, als der Jubilar wie gewöhnlich zur Abhaltung eines Vortrages in der Chewra Hachnassat Kala in das Gemeindelokal ging, siehe, das war’s in einen schmucken Festsaal umgewandelt, an den Wänden prangten herrliche Blumengewinde und Inschriften und hunderttönig wurden dem Eintretenden Willkommengrüße, Danksagungen und Segenswünsche entgegen gerufen. Der Saal war angefüllt bis auf den letzten Mann, aber auch das ganze Haus war umringt; mochte doch Niemand zurückstehen, alt und jung, hoch und niedrig, Frauen und Mädchen, Männer und Jünglinge, die Schüler wie die Lehrer wollten ihre ungeheuchelten Gefühle der tiefsten Verehrung und Dankbarkeit ihrem geliebten Rabbinen ausdrücken. Erst nachdem die verschiedenen Exklamationen beendigt waren, traten die Mitglieder des Kultus-Vorstandes und der Verwaltung vor, um auch ihrerseits und zugleich im Namen der ganzen Gemeinde ihre Huldigungen darzubringen. Zu ihrem Sprecher ernannten sie Herrn Gumpertz – der nebenbei gesagt ein ingeniöser Mensch ist, ein gelehrter und streng frommer Jude – dessen geistreiche Ansprache wir hiermit auszüglich mitteilen.
Hochgeehrter Herr Rabbiner! Der Gedanke an das zurückgelegte 70. Lebensjahr kann ein doppeltes veranlassen, ein wehmütiges, wie das bei den meisten Menschen vorherrschend ist, da die weitaus größere Zeit ihres Daseins verflossen, oder auch ein beglückendes, frohes und beseligendes, wenn der Jubilar sich gestehen darf: ich besitze sie alle noch diese dahingeschwundenen 70 Jahre, sie stehen noch lebendig vor mir, es ist keines, ja es ist kein Tag von ihnen verloren gegangen (nachfolgendes hebräisches Zitat aus einem Midrasch in Jalkut Chai Sara drückt denselben Gedanken aus). Ein Gleiches gilt auch von Ihnen, hoch verehrter Herr Rabbiner! denn wer wüsste es nicht, wie Sie während der langen Zeit Ihres amtlichen Wirkens, einer Zeit, die schon mehr als sechs Jahrwochen umspannt und wir hoffen zu Gott, sie wird noch Jahrzehnte hindurch sich fortdehnen – ganz und hingebend Ihrem heiligen Berufe lebten, Tag und Nacht nur der heiligen Tora und den Wissenschaften oblagen, die Jugend in der Gotteslehre unterrichteten, die Gemeinde in der Gottesfurcht heranzogen, und Tugend an Tugend, wohl tun an wohl tun gereiht haben, unermüdlich. Wahrlich keiner Ihrer Tage ging verloren, jeder brachte Gewinn und Segen... Ein echter treuer Diener Gottes, ein wahrer Priester des Ewigen Israelis weideten Sie nach der Vorschrift unserer heiligen Religion das Ihrer Leitung anvertraute Volk in strenger Gewissenhaftigkeit nach dem Willen und Geiste unserer Propheten. – Wenn der heilige Leuchter mit seinen sieben Lichtern das Symbol für die sieben Jahrzehnte ist, die der Ewigkeit entgegenleuchten sollen – und Salomo hat vielleicht eben darum zehn Leuchter mit sieben Flammen aufgestellt (1. Könige 7,19), – so dürfen wir es verkünden, dass Ihre 70 Jahre voll und ganz dem göttlichen Lichte zugewendet waren, dass Sie selbst die geistigen Lichter angezündet haben, die den Weg nach dem Allerheiligsten und der ewigen Glückseligkeit zeigen. Erlauben Sie uns bei dieser Gelegenheit den Wunsch auszusprechen, dass Sie Ihr lehrreiches Werk, aus dem Sie die wöchentlichen Sabbat-Vorträge halten, den ‚Orech Chajim’ recht bald durch den Druck zu veröffentlichen belieben, damit sich auch das Gesamtjudentum Ihres geistigen Lichtes erfreue.
Und so empfangen Sie denn Herr Rabbiner, die Versicherung unserer unaussprechlichen Liebe und Hochachtung. Als einen kleinen Tribut unserer Dankbarkeit bringen wir Ihnen die auf diesem Tische stehenden silbernen Leuchter dar, gedenkend einerseits an das Licht der Tora und die Sonnenstrahlen der Tugend, Wahrheit und Menschenliebe, die Sie uns allezeit leuchten ließen – denn der Leuchter des Gebotes und der Tora ist das Licht, und betend andererseits zum allgütigen Vater, dass er auch das Licht Seiner Gnade auf Ihr teures Haupt herabsende, dass dem edelsten Greise, den unsere ganze Gemeinde als ihre Krone und ihr köstlichstes Geschmeide verehrt, ein heiterer, klarer und glücklichen Lebensabend beschieden sein möge … Amen.
Nachträglich bemerke ich, dass der Redner im Laufe seines Vortrages auf das seltene Vaterglück des Jubilars hinzudeuten verstand. Sohn und Tochter seien beide bestrebt, in die Fußstapfen ihres frommen Vaters zu wandeln. (Ersterer ist Herr Israel Schwarz, Rabbiner in Köln, letztere die Gattin des gelehrten Bankiers H. Salomon Hirschinger in München.).
Herr Rabbiner Schwarz, den die frohe Überraschung sichtlich sehr angegriffen, entgegnete in kurzen, aber herzlichen und gemütvollen Worten. ‚Gewiss, ich verdanke die hohen mir widerfahrenen Ehren an diesem schönen, unvergesslichen Tage zunächst nur der mir längst bekannten Liebe und Anhänglichkeit meiner teuren Gemeinde, jedenfalls mehr der nachsichtsvollen Anerkennung meines guten Willens, als den geringen
Huerben Israelit 24081870c.jpg (73746 Byte)Verdiensten meiner schwachen Kraftentfaltung und Wirksamkeit.
Die prachtvollen silbernen Leuchter enthalten in lateinischen Buchstaben die Inschrift: Seiner Ehrenwürden Herrn Rabbiner Schwarz zum 70. Geburtstag von der israelitischen Kultusgemeinde Hürben dankbarst gewidmet. Die Vorsteher des Talmud-Tora-Vereins überreichten nun ein von Herrn Benjamin Lippschütz in klassischem Hebräisch verfasstes Gedicht und die Gratulationsbesuche dauerten fast den ganzen Tag hindurch. Die für den Abend anderweitigen Festveranstaltungen wurden auf den ausdrücklichen Wunsch des Jubilars, teils wegen der 9. Aw – Woche, teils wegen der ernsten Zeitverhältnisse inhibiert. Wir schließen unseren Bericht mit der Hoffnung, dass die gegenseitigen frommen Wünsche sowohl an dem verehrten Seelsorger wie auch an der würdigen Gemeinde Hürben ihre bestätigende Erfüllung finden mögen."

   
Publikation von Rabbiner Hayum Schwarz (1872)    

Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 15. Oktober 1872: "Soeben hat die Presse verlassen: Sefer Orach Haim... (Religions- und Sittenlehre für die reifere israelitische Jugend, zunächst ein Erbauungsbuch für Schulen und Familien) von 
H. Schwarz
, Rabbiner in Hürben (Bayern). 16 Bogen. g. 8. Preis 1 fl. 30 Kr. oder 26 Sgr. Zu beziehen bei dem Verfasser und der Buchhandlung von J. Kauffmann in Frankfurt am Main
Obstehendes Werk eignet sich ganz besonders zu Vorträgen in Chewaroth (Vereinen)".           
Orach Chaim 010.jpg (58015 Byte)Hinweis: dieses Buch ist als reprint weiterhin (seit 2012) erhältlich; siehe 
http://www.amazon.de/Sefer-Orach-Chaim-Schwartz/dp/B008QSG0OS
 
und http://www.amazon.com/Sefer-Orach-Chaim-Hebrew-Edition/dp/B008QSG0OS    


Zum Tod von Rabbiner Dr. Israel Schwarz in Köln (1875)  

Huerben Israelit 31031875.jpg (49704 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 31. März 1875: "Hürben, 21. März (1875). Die hiesige Heimatgemeinde des dem irdischen Leben so früh entrissenen Dr. Israel Schwarz – seligen Andenkens, Rabbiner zu Köln, veranstaltete jüngst eine Gedächtnisfeier in hiesiger Synagoge. Herr Dr. Aaron Cohn, Rabbiner von Ichenhausen, hielt die Trauerrede in einem einstündigen, wahrhaft würdigen und alle Gemüter tief erschütternden Vortrage, wobei es ihm gelang, dem tief gebeugten und greisen Vater des Verstorbenen, dem hiesigen Rabbiner Herrn H. Schwarz, balsamischen Trost einzuflößen."

  
Zum Tod von Rabbiner Haium Schwarz (1875)     

Huerben Israelit 19051875.jpg (262758 Byte) Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. Mai 1875: "Hürben, 3. Mai (1875). Schon wieder hat der unerbittliche Tod uns tiefe Wunden geschlagen. Noch ist der Schmerz lebendig um das so frühe Hinscheiden des so allbeliebten und hoch geschätzten Rabbiners Dr. J. Schwarz in Köln, und heute ging leider auch dessen Vater, unser hoch verehrter Rabbiner, Herr H. Schwarz – er ruhe in Frieden – im Alter von 75 Jahren zur ewigen Ruhe ein. Das ganze Leben dieses Mannes war der Tora und der Weisung geweiht. Eine Fülle des Wissens vereinte sich in ihm mit der seltensten Bescheidenheit. Das segensreiche 48jährige Wirken und Leben des Verblichenen in hiesiger Gemeinde bildet eine ununterbrochene Reihe edler Handlungen, die ihm in unserem Herzen ein bleibendes Andenken sichern. Stets unermüdlich in der Verbreitung von unserer Heiligen Tora, selbst Tag und Nacht ihrem Studium ergeben, verband er mit einer echten, innigen Frömmigkeit ein edles, allem Guten zugängliches Herz. Viele Wohltätigkeitsvereine unserer Gemeinde betrauern in ihm ihren Gründer und Leiter, denn er pflegte sie mit der größten Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt. Sein Leichenbegängnis bewies die allgemeine Trauer um den teuren Toten. Aus der Nähe und Ferne waren viele Verwandte und Freunde herbeigeeilt, sämtliche Beamten, Geistliche und der Magistrat von Krumbach, wie die Verwaltung von Hürben und die Kultusverwaltung von Ichenhausen schlossen sich aus reiner Pietät für den Verstorbenen dem unabsehbaren Zuge an. Herr Rabbiner Dr. Cohn in Ichenhausen, vom hiesigen Kultusvorstand mit Abhaltung der Leichenrede betraut, lieh in einem tief empfundenen, warmen Nachrufe, worin er die seltenen Tugenden und Vorzüge des Verklärten schilderte, der schmerzlichen Stimmung der äußerst zahlreichen Trauerversammlung beredten Ausdruck. Dann sprach Herr Rabbiner Bamberger auf Fischach über die Stelle … und hob in seiner vorzüglichen Rede besonders hervor, welche große Anerkennung und Verbreitung das Werk des Verblichenen Sefer Orech Chajim allseitig gefunden. Einen erhabenen Abschluss fand diese Feier durch die Abschiedsrede des Dahingeschiedenen an seine Gemeinde, welche, auf besonderen Wunsch durch ein Mitglied des Wohltätigkeitsvereins, wozu Herr Gumperz bestimmt wurde, vorgetragen werden sollte: Wir geben dieselbe hier dem Inhalte nach wieder:
Zunächst nahm darin der ehrwürdige Rabbiner rührenden Abschied von der Herde, der er so lange ein treuer Hirte gewesen, dankte für alle ihm erwiesene Liebe und Treue und bat jeden, den er etwa aus Berufseifer oder privatim beleidigt haben sollte, um Verzeihung; dann ermahnte er die Gemeinde, stets eine fromme Kehilla (Gemeinde) zu bleiben, Einigkeit und Eintracht zu bewahren und die Kinder in Gottesfurcht zu erziehen; auch dafür Sorge zu tragen, dass die Vereine und Wohltätigkeitsanstalten in voller Blüte erhalten werden, damit die Gemeinde in Bezug auf Tora und Gemilut Chassadim (Wohltätigkeit) ihren altbewährten Beruf sich bewahre. Schließlich führte der ehrwürdige Greis Worte des Segens hinzu, die von der innigen Liebe zeugten, welche er stets für seine Gemeinde gehegt hatte.
Diese Worte sowohl wie auch die von den beiden genannten Rabbinen gehaltenen Trauerreden fanden ungeteilte Aufmerksamkeit und machten auf alle Anwesenden den tiefsten, hoffentlich bleibenden Eindruck. Der Verlust solcher Männer, die als hell leuchtende Sterne, Führer und Steuerlenker nicht bloß dem engen Kreise der eigenen Gemeinde, sondern dem gesamten Israel belehrend und ratend vorangingen, stellt an die jüngere Generation die ernste Pflicht, die großen Lücken auszufüllen. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."
  
Huerben AZJ 25051875.jpg (158970 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 25. Mai 1875: "Augsburg, 10. Mai (1875). Wir haben heute über das Hinscheiden eines sowohl durch seine Gelehrsamkeit, wie durch seinen Charakter und seine Wirksamkeit ehrwürdigen Greises, des Rabbiners H. Schwarz zu Hürben zu berichten: Herr H. Schwarz war geboren im Jahre 1800 zu Floß in der Oberpfalz. Nachdem er seine Studien in Würzburg vollendet hatte, trat er seine erste und einzige Stelle als Rabbiner in Hürben an, woselbst er nun seit 48 Jahren segensreich wirkte. Dieser würdige Seelsorger hat besonders vorzügliche Resultate in seiner Eigenschaft als tüchtiger Schulmann erzielt; früh und spät war er tätig in der Schule und in seinem Hause, sodass mit Recht von ihm gesagt werden kann: ‚Er stellte viele Schüler aus.’ Vergangenen Montag nun, den 4. Mai, wurde er in die ewige Heimat abberufen, nachdem ihm vor 6 Jahren seine Gattin, vor wenigen Monaten erst sein einziger, allverehrter Sohn, der selige Dr. Isr. Schwarz, Rabbiner zu Köln, vorangegangen waren. Dieser herbe Schlag, der den alten Vater so schmerzlich getroffen, mag wohl das Herannahen seiner Todesstunde beschleunigt haben. Dienstagnachmittags 5 Uhr wurde die teure Leiche zu Grabe geleitet, nicht nur von den sämtlichen Mitgliedern der Gemeinde, sondern auch von Deputationen der politischen Gemeinden Hürben und Krumbach und von den Königlichen Beamten des Bezirksamtes und Landgerichtes. Ein stattlicher Zug ging hinter dem, vor kurzem auf Veranlassung des Verlebten, neu erbauten, prächtigen Leichenwagens, in schönster Ordnung einher. Auf dem Gottesacker angelangt, hielt Herr Dr. Cohn aus Ichenhausen in schwungvollen Worten die Leichenrede. Nach ihm sprach Herr Rabbiner Bamberger aus Fischach, in pietätvoller Weise den Text einem, vom Verstorbenen vor einiger Zeit herausgegebenen Werke entnehmend. Hierauf verlas Herr Gumperts, ein Mitglied des Sterbevereines Hürben, auf speziellen Wunsch des nun Verblichenen, rührende, trostvolle und ermahnende Abschiedsworte, die dieser selbst vor einigen Wochen, als er das Todesnahen fühlte, an seine Gemeinde gerichtet hatte. Ich kann wohl sagen, dass kein Auge trocken blieb bei Verlesung dieser Worte, welche so recht Zeugnis davon ablegen, dass ein Vater gestorben sei, dessen Verlust die Gemeinde Hürben die Gemeinde Hürben schmerzlich empfinde. L.K."

 
Zum Tod von Rabbiner Mordechai Rosenthaler (1894) 
Rabbiner Mordechai Rosenthaler war nicht mehr Bezirksrabbiner von Hürben. 

Huerben Israelit 15021894.jpg (110514 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. Februar 1894: "Hürben, 20. Januar (1894). Nachdem unsere Gemeinde erst kürzlich unseren allgeliebten Herrn M.S. Landauer durch den unerbittlichen Tod verloren hat, traf uns schon nach einigen Wochen ein ebenso harter Schlag; unser Lehrer, Rabbiner Mordechai Rosenthaler, unsern unvergesslichen Magid Mescharim hat der allgütige Vater zu sich in ein besseres Jenseits abberufen! Ein Vierteljahrhundert war der edle Verblichene ein eifriges Mitglied der Chewrat Schass, fast ebenso lange entzückte er durch seine herrlichen Vorträge in den Vereinen Talmud Tora und Hachnassat Kala allsabbatlich die Zuhörer. Zu den Gebetszeiten in der Synagoge erschien er als Erster und verließ sie als Letzter, bis in die tiefe Nacht hinein forschte er in der von ihm so heiß geliebten Lehre unseres Gottes, die auch, als schon die Krankheit ihn ans Haus fesselte, nicht aus seinem Munde wich, als ihn endlich der Tod am 6. Schewat im 74. Jahre seines Lebens von dem schmerzhaften leiden, das er mit frommer Ergebung in den Willen Gottes trug, befreite. Wie in Ausübung der religiösen Satzungen, so war er auch im Handel und Wandel der Prototyp eines echt religiösen Jehudi. – Da Herr Rabbiner Dr. Cohn – sein Licht leuchte – aus Ichenhausen erkrankt war, hielt Herr Lehrer Heinemann dem teuren Heimgegangenen die Grabrede. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens.
Möge Gott unsere nun fast verwaiste Gemeinde vor harten Schicksalsschlägen in Zukunft bewahren! J."

    
    
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer und der Schule  
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1845 / 1871 / 1872 / 1909 / 1922

Huerben AZJ 10021845.jpg (102749 Byte)Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 10. Februar 1845: "Bekanntmachung. Auf hoher Anordnung der königlichen Regierung von Schwaben und Neuburg soll die durch den Tod des Religionslehrers und Vorsängers erledigte Stelle wieder besetzt werden. Das Einkommen beträgt 550 Gulden in Gold und einer freien Wohnung im Schulhause. Hiervon sind auf die Dauer von zehn Jahren 55 Gulden als Absenz, der Witwe des jüngst verlebten Vorsängers Sänger alljährlich bar zu leisten, welche Abgabe aber auf 27 Gulden 30 Kreuzer vermindert wird, wenn sich genannte Witwe innerhalb der ersten zehn Jahre wieder verehelichen sollte. Bewerber um diese Stelle werden hiermit aufgefordert, ihre Gesuche längstens bis zum 16. März dieses Jahres mit ihren legalen Zeugnissen und Qualifikations-Noten portofrei an den unterfertigten Kultus-Ausschuss einzuschicken, wobei aber bemerkt wird, dass Vorstellungen ohne amtlich gefertigte Zeugnisse durchaus nicht berücksichtigt werden. Die Konkurrenzen haben vor der Wahl noch eine Probe über ihre Fähigkeiten als Vorsänger an den, von dem Ausschuss zu bestimmenden Tagen, wofür keine Entschädigung für Reisekosten etc. geleistet wird, zu erstehen und die von der Gemeinde noch besonders festgesetzten Bedingungen durch ihre Unterschriften zu akzeptieren. Hürben, den 26. Januar 1845. Der israelitische Kultus-Ausschuss."
1875 wurde ein qualifizierter Schochet gesucht:   
Huerben Israelit 23081871.jpg (52817 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. August 1871: "Ein Schochet, welcher von einer anerkannten religiösen Autorität Kabbala hat, wird von hiesiger Kultusgemeinde vorerst auf ein halbes Jahr unter annehmbaren Bedingungen engagiert. Wenn derselbe die Befähigung besitzt, auch Kantorstelle zu versehen, so wäre für denselben Aussicht geboten, späterhin eine definitive Anstellung dahier zu erlangen. Bewerber wollen sich melden beim israelitischen Kultusvorstand. Hürben, den 18. August 1871."
  
Huerben Israelit 14081872.jpg (67879 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. August 1872: "Die Stelle eines Kantors, Toravorlesers und Schächters kommt in hiesiger Gemeinde bis Mitte März kommenden Jahres in Erledigung. Fixer Gehalt 800 Gulden, freie Wohnung mit Benützung eines Gartens und nicht unbedeutenden Nebenverdiensten. Wünschenswert, aber nicht Bedingung wäre, wenn der Reflektierende seinerzeit öffentliche Vorträge in der Synagoge halten könnte, wofür ein weiterer Gehalt von 100 Gulden zugesichert würde. Qualifizierte, religiöse und musikalisch gebildete Bewerber belieben sich unter Anschluss ihrer Zeugnisse innerhalb 6 Wochen an den Vorstand der hiesigen Gemeinde zu wenden. Hürben (bei Augsburg), 26. Juli 1872."
  
Krumbach Israelit 26081909.jpg (47534 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. August 1909: "In hiesiger Gemeinde ist alsbald die Stelle eines Schächters und Synagogendieners zu besetzen. Fester Gehalt bei freier Wohnung 650 Mark mit annähernd gleichem, jedoch nicht garantiertem Nebenverdienst. Bewerber wollen sich unter Angabe ihres Familienstandes und Beilage von Zeugnisabschriften bei der Unterzeichneten melden. Krumbach (bayerisch Schwaben (Rabbinat Ichenhausen). Israelitische Kultusverwaltung."
  
Krumbach Israelit 04051922.jpg (55643 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Mai 1922: "In hiesiger Gemeinde ist die Stelle eines Schächters, Hilfskantors und Kultusdieners sofort zu besetzen. Mindesteinkommen Mark 13.000.- und freie Wohnung. Nebeneinkünfte nicht eingerechnet. Die Stelle gestattet Ausübung eines Nebenberufes. Meldungen unter Vorlage von Zeugnissen an Israelitische Kultusgemeinde Krumbach (Schwaben)."  

 
Schwierigkeiten mit christlichen Büchern im jüdischen Religionsunterricht (1860)  

Huerben Israelit 12121860.jpg (73552 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Dezember 1860: "Aus Schwaben, im Dezember (1860). Sie schenken dem jüdischen Schulwesen so viele Aufmerksamkeit, dass Sie gewiss auch folgendem Artikel die Aufnahme nicht versagen. Die für Elementarschulen in Bayern gesetzlich vorgeschriebenen Lesebücher sind ausschließlich in katholischem Sinne geschrieben und größtenteils von katholischen Geistlichen verfasst. Dieses gilt aber ganz vorzüglich, von der, wie ich glaube, in allen Schulen eingeführten biblischen Geschichte von Chr. v. Schmid. Wenn auch dieses Buch in echt kindlicher und wahrhaft gemütlicher Sprache geschrieben ist, so ist doch gewiss nicht in Abrede zu stellen, dass die Tendenz desselben eine speziell katholische ist. Die neueste Auflage dieser biblischen Geschichte ist aber so umgearbeitet, dass sie für jüdische Schulen geradezu unbrauchbar wurde. Schon seit Jahren trägt der Unterzeichnete, der diesen Missstand aus eigener Erfahrung genau kennt, den Wunsch in sich, in jüdischen Elementarschulen geeignetere Lesebücher eingeführt zu
Huerben Israelit 12121860a.jpg (232829 Byte) sehen, und schon öfters wurde dieser Wunsch von mir öffentlich geäußert; doch bis jetzt leider ohne Erfolg. – Durch die schon oben erwähnte neueste Ausgabe der Schmid’schen biblischen Geschichte sind auch viele Herren Rabbiner auf diesen Missstand aufmerksam gemacht wurden und Herr Rabbiner Schwarz aus Hürben (Anmerkung: ebenso Herr Bezirksrabbiner Bamberger zu Würzburg, wie wir seinerzeit berichtet haben. Die Redaktion) richtete deshalb eine Eingabe an die königliche Regierung von Schwaben und Neuburg, worauf beschieden wurde, dass fortan der Unterricht in der biblischen Geschichte ausschließlich Gegenstand der Religionsschule sein soll; doch damit ist dem Übel gar nicht abgeholfen, denn es handelt sich ja um Einführung anderer Lesebücher in Elementarschulen für jüdische Kinder. Der Gegenstand ist wichtig genug und gemeinsames Handeln würde bald zum erwünschten Ziele führen. Unser Kultusministerium ist loyal genug, um geeignete in Vorschlag gebrachte Bücher in Einführung zu bringen, oder doch gewiss die Einführung zu bewilligen. Bisher wurde die Sache, obwohl oft dazu angeregt wurde, sehr lau betrieben – wir haben ja Eisenbahnen und nicht Schneckenposten. – Solche Bücher wirken nach meinem Dafürhalten nicht weniger nachteilig als Missionsbibeln, und darum verdient der Gegenstand von allen denen, die ein Wort mitzureden haben, wohl beachtet zu werden. Folgende Bücher dürften nach meiner unmaßgeblichen Meinung als sehr zweckmäßig einer königlichen Regierung vorzulegen und zu empfehlen sein: Für die I. Klasse: kleine Erzählungen aus der biblischen Geschichte von Flehinger, Rabbiner in Meisenheim. Für die II. Klasse: Kinderfreund von Rabbiner Herxheimer oder biblische Geschichte von Emanuel Hecht. Für die III. Klasse: Erzählungen und Belehrungen aus den heiligen Schriften von Rabbiner Flehinger in Meisenheim. Tun wir das Unsrige! Der liebe Gott wird seine Hilfe dazu geben. H….r.
(Wir könnten uns mit allen vorgeschlagenen Büchern nicht unbedingt einverstanden erklären, am wenigsten mit denen sub. Nr. 2; überhaupt ist uns kein jüdischer Lesebuch bekannt, das nur den billigsten Anforderungen gesetzestreuer Juden genüge; wir möchten daher unsere fähigen und begabten orthodoxen Rabbiner und Lehrer, an denen wir ja Gott sei Dank nicht arm sind, dringend auffordern, dem vorhandenen tief gefühlten Bedürfnisse abzuhelfen. Bei verhältnismäßig geringer Mühe wird das Werk äußerst lohnend, wenn es mit Takt und pädagogischer Umsicht ausgeführt wird; es müsste außer den üblichen Lesestücken zur Belehrung und Unterhaltung, einen Abriss der jüdischen Geschichte bis auf unsere Zeit enthalten und müsste auch der jüdisch-deutschen Schrift Rechnung tragen. Würde jemand ein solches Buch orthodoxen Männern von Ruf zur Begutachtung vorlegen und deren Empfehlung erlangen, so versprechen wir unsererseits zur Beförderung und Verbreitung desselben nach Kräften beizutragen. Die Redaktion)."

  
Kantor J. Lachmann wirbt für eine neue Publikation (1899)  

Huerben Israelit 28121899.jpg (57970 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Dezember 1899: "Im Selbstverlage des Unterzeichneten ist soeben erschienen: Awodat Jisrael – der israelitische Vorbeterdienst. Vollständige Sammlung traditioneller Synagogengesänge und Rezitative des süddeutschen Ritus. 1. Teil: Wochentags-Gottesdienst. Fol. 101 S., 170 Nr. Gesammelt und bearbeitet von J. Lachmann, Kantor in Hürben (Bayern). Preis 5 Mark, für Kantoren und Lehrer 4 Mark."
 
Rezension in der Zeitschrift "Der Israelit" (1900)  
Huerben Israelit 17051900.jpg (127388 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Mai 1900: "Awaudas Jisroeil. Der israelitische Vorbeterdienst. Traditionelle Synagogengesänge des süddeutschen Ritus. I. Teil. Wochentagsgottesdienst. Gesammelt und bearbeitet von J. Lachmann, Kantor in Hürben. Selbstverlag. Preis Mark 5. 
Durch die Einflüsse der Reform, der Orgel, des Chorgesangs, ist der jüdische Gottesdienst in seinem musikalischen Teil in den meisten jüdischen Gemeinden seiner Ursprünglichkeit mehr oder weniger entkleidet worden, und die Gefahr lag nahe, dass wir bald nicht mehr wissen, das 'traditionell' ist, welche die von unserem Vorvätern überlieferte Melodie ist. Mit einer seltenen Sach- und Fachkenntnis, mit einem Fleiße, der Bewunderung und Staunen erregt, hat der Autor sich der Mühe unterzogen, das ungeheure Material zu sammeln und zu suchten und mit verblüffendem Kennerblick, mit einer Sicherheit, die man nur durch ständige, jahrzehntelange Beschäftigung mit dem Gegenstande erwirbt, unterschied er aus den zahllosen Variationen das Echte von dem später hingefügten Beiwerk. 
Die uns vorliegende erste Abteilung, 'Wochentags-Gottesdienst', ist umfassend. Da fehlt nichts. Jedem Lernenden, Lehrenden und Ausübenden im Kantorate wird Lachmanns 'Awaudas Jisroeil' ein unentbehrlicher Führer, eine Schatzkammer der Gesänge, in der er nach keinem Nigun (= Melodie, melodischer Akzent) vergeblich suchen wird, sein. Wir haben an dem so sehr verdienstvollen Werke nichts auszusetzen, dass dass die Textkorrektur etwas sorgfältiger hätte vorgenommen werden dürfen. Mit Spannung erwarten wir das Erscheinen der übrigen Teile, die, wie wir dem Vorworte entnehmen, im Manuskripte beendet sind. Möge Lachmanns 'Awaudas Jisroeil' die ihm gebührende, weiteste Verbreitung finden und den traditionellen Synagogengesang, der nur Zibbur und Sch'liach-Zibbur (Vorsänger) kennt und fei ist von Orgel und Chorballast, da, wo er im Niedergang ist, neu beleben und, wo er lebendig ist, ihn in seiner ursprünglichen, durch viele Jahrhunderte geheiligten Schönheit, erhalten."  
 
Rezension in der Zeitschrift "Der Israelit" (1902)   
Huerben Israelit 14081902.jpg (387502 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. August 1902: "Awaudas Jisroeil.' Der israelitische Vorbeterdienst. Traditionelle Synagogengesänge des süddeutschen Ritus. I. Teil. Wochentags-Gottesdienst. Gesammelt und bearbeitet von J. Lachmann, Kantor in Hürben. (In Kommission bei Goldschmidt, Hebräische Buchhandlung, Basel.).  
Beitrag wird nicht ausgeschrieben - bei Interesse bitte Textabbildungen anklicken.       
Huerben Israelit 14081902a.jpg (172008 Byte)     

      
Zum Tod von Lehrer und Kantor J. Lachmann (1900)   

Huerben Israelit 23051900.jpg (111333 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Mai 1900: "Hürben (Bayern). Am Dienstag, den 17. Mai entschlief zu seinen Vätern der allseits hoch geehrte und geschätzte Kantor Herr Js. Lachmann, im Alter von 62 Jahren. Dem Schmerze und der Trauer um den Dahingeschiedenen gab Herr Rabbiner Dr. Cohn - Ichenhausen am Grabe beredten Ausdruck. Mit tränenerstickter Stimme schilderte er dessen pflichtgetreues Wirken als Kantor in hiesiger Gemeinde, wie der Verblichene voll Andacht und Inbrunst die traditionellen Weisen vortrug und durch seinen Gesang und Vortrag die Besucher des Gotteshauses begeisterte. An allen Vorgängen des gemeindlichen Lebens, von der Wiege bis zum Grabe, teilnehmend, erwarb er sich die Achtung und die Gunst seiner Gemeinde, die sich auch durch die zahlreiche Beteiligung bei der Beerdigung auch seitens der nichtjüdischen Bevölkerung bekundete; galt es doch, einem treu besorgten Gatten und Vater, pflichttreuen Beamten und aufrichtigen Menschenfreunde die letzte Ehre zu erweisen. - Ein besonderes Verdienst erwarb sich der Verstorbene durch die Sammlung und Bearbeitung der traditionellen Synagogengesänge im süddeutschen Ritus, welche er mit großem Fleiße und seltener Fachkenntnis vollführte. Der vor kurzem erschienene 1. Band fand die beifälligste Aufnahme und wurde auch im 'Israelit' rühmend beurteilt."   

  
Todesanzeige für Hauptlehrer Isidor Kahn (1930)  

Krumbach BayrGZ 01121930.jpg (59679 Byte)Anzeige in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 1. Dezember 1930: "Unser allverehrter Lehrer und Kantor Herr Hauptlehrer Isidor Kahn wurde heute, allzu früh für unsere Gemeinde, aus seinem Wirkungskreise abgerufen. Mehr als drei Jahrzehnte hat der Verblichene in vorbildlicher Pflichterfüllung, hingebender Treue und wahrer Nächstenliebe seines Amtes als Lehrer und Seelsorger gewaltet. In tiefer Wehmut stehen wir an der Bahre dieses schlichten, vornehmen und gütigen Mannes, dessen Andenken in verehrungsvoller Dankbarkeit und unauslöschlicher Erinnerung in uns fortleben wird. Krumbach, den 20. November 1930. 
Die israelitische Kultusgemeinde. J. Spanier, Vorstand."  
Huerben Synagoge 010.jpg (74568 Byte) Links: Isidor Kahn in der Synagoge in Hürben.  

  
Zum Tod von Lehrer Isidor Kahn (1930)  

Krumbach BayrGZ 01011931.jpg (202947 Byte)Artikel in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 1. Januar 1931: "Hauptlehrer Kahn (Krumbach) – er ruhe in Frieden. Am 20. November ist Herr Hauptlehrer Isidor Kahn von Krumbach (geboren zu Burgpreppach) im 67. Lebensjahre aus seinem Wirkungskreise abberufen worden, ‚allzu früh für seine Gemeinde, der er mehr als drei Jahrzehnte in vorbildlicher Pflichterfüllung, hingebender Treue und wahrer Nächstenliebe als Lehrer und Seelsorger’ gewidmet hatte. Kein Wort in dem warm empfundenen Nachruf des Vorstandes seiner Gemeinde ist ohne tiefste innere Wahrheit und Berechtigung ausgesprochen. Hauptlehrer Kahn – er ruhe in Frieden – gehörte zu der alten Garde aufrechter, liberal denkender Lehrerpersönlichkeiten, deren Stolz ihr Beruf, deren Stärke ihr Charakter und deren Größe ihr reines Menschentum ausmachte. Er war begeistert für die Ideale seines Standes, ein Lehrer von vorbildlichem Streben nach Vervollkommnung und Berufstüchtigkeit, ein Chasen (Vorbeter) von feinem Verständnis und beachtlichem Können, ein Menschenfreund und Seelenarzt – und dabei allzeit ein froher Kamerad und ein treuer Freund jedem, der, von der Güte seines Herzens oder dem Zauber seiner geschlossenen, abgerundeten Persönlichkeit bezwungen, sich ihm erschloss. Kahn hat fast seine ganze gesegnete unterrichtliche Tätigkeit an der jüdischen Volksschule (zuerst in Fellheim, dann in Hürben bzw. Krumbach), sich auswirken lassen können. Als vor wenigen Jahren seine Volksschule von der Regierung von Schwaben aufgelöst wurde, blieb er der Religionslehrer seiner Gemeinde. Er war verwachsen mit seiner Gemeinde und all ihren Institutionen wie selten einer; daneben bewahrte er sich die Weite des Blicks für alle Fragen des Gesamtjudentums, dem er sich unlöslich verkettet fühlte, wie für die Schicksalsfragen seines deutschen Vaterlandes, dessen treuester Söhne einer er gewesen ist. Darüber hinaus fand er Zeit für mannigfache soziale Betätigungen, insbesondere für die Betreuung des Münchener Ferienheims in Krumbach. – So ist die Trauer seiner Gemeinde um den Verlust dieses seltenen Mannes nur zu begreiflich. Man muss es gesehen haben, wie dem Verewigten die Hochschätzung und Verehrung seiner Gemeindeangehörigen wie eine reife Frucht zufiel, um die Aufrichtigkeit ihrer Klage in ihrer ganzen Tiefe zu erfassen. Aber auch die Schar seiner Kollegen trauert um den frühen Heimgang ihres Amtsbruders; denn sein Herz schlug warm für alle ihre Bestrebungen, sein gastliches Haus stand jedem offen, den der Weg ins Schwabenland führte, seines Rates und seiner Hilfe konnte sicher sein, wer ihrer bedurfte.
Nun ruht er aus im stillen Frieden des so idyllisch gelegenen Besolom (‚Haus der Ewigkeit’ = Friedhof) der alten Hürbener Gemeinde, der andächtige Verehrer der Kunst, der begeisterungsfähige Bewunderer der Natur, der schlichte Diener seines Gottes, der gütige Gatte und Vater, der liebenswerte Mensch und Freunde. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens. Bl., Nürnberg.
Am Grabe widmete Kollege Hammelburger (Ichenhausen) im Namen des Jüdischen Lehrervereins für Bayern und der Bezirkskonferenz Schwaben dem heimgegangenen Freunde herzliche Abschiedsworte des Dankes und der Verehrung."

 
Über Lehrer Walter Seligmann 

Walter Seligmann war nach dem Tod von Isidor Kahn der letzte Lehrer an der jüdischen Schule in Hürben. Nach 1935 zog die Familie nach Gailingen, wo Walter Seligmann Direktor des jüdischen Altersheims "Friedrichsheim" wurde. Nach den Ereignissen beim Novemberpogrom 1938, in deren Verlauf Walter Seligmann in das KZ Dachau verschleppt wurde, entschloss sich die Familie zur Auswanderung. Sie wollten nach Palästina emigrieren, doch waren für die damals illegale Einwanderung keine Kinder an Bord der Schiffe erlaubt. Nachdem Walter Seligmann und seiner Frau Berta zugesagt wurde, dass ihre Tochter Henny (geb. 1927) und der Sohn Herbert (geb. 1935) zusammen mit einigen anderen Kindern in die Schweiz nach Diessenhofen gebracht würden, verließen sie am 20. Februar 1939 Deutschland. Aus ungeklärten Gründen konnten die Kinder nicht in die Schweiz gebracht werden und kamen einige Zeit später in das Jüdische Kinderheim nach Köln. Die Tochter Henny konnte dank einer Frau, die sich als ihre Tante ausgab, Deutschland noch verlassen. Der Sohn Herbert wurde von Köln 1942 nach Minsk deportiert und ermordet.   
Quelle: Gailingen. Geschichte einer Hochrhein-Gemeinde. Band 98 der Reihe Hegau-Bibliothek des Hegau-Geschichtsvereins. Gailingen 2004. S. 446-447.
       
Huerben PA 07121996.jpg (297430 Byte)Links: Artikel im "Mittelschwäbischen Boten vom 7. Dezember 1996: "'Ich sagte ihm nicht Auf Wiedersehn'. Henny Selig aus Krumbach floh vor den Nazis: Zwei Bücher über Juden in Schwaben. 
Krumbach
(ltz). 'Wenn ich in Krumbach bin und die Leute alle so nett und freundlich sind, dann denke ich: Ja, das ist heute so. Aber was ist damals gewesen? Da hätte keiner einen Finger für einen gerührt, keiner.' Henny Seligmann heißt die Frau, die das sagt. In den dreißiger Jahren lebte sie in Krumbach. Am 26. Februar 1935 wurde ihr Bruder Herbert geboren, in Krumbach. Heute lebt die Jüdin in Israel. Ihr Bruder ist tot. Der damals siebenjährige Herbert wurde von den Nazis ermordet..." 
Zum weiteren Lesen des Artikels bitte Textabbildung anklicken. 
(Der Artikel wurde zur Verfügung gestellt von Rudolf V. Ruter)   
Der Artikel oben zur Geschichte der Tochter von Lehrer Walter Seligmann erschien anlässlich des Erscheinens eines Buches von:
Gernot Römer: "In der Fremde leben meine Kinder...". Lebensschicksale kindlicher jüdischer Auswanderer aus Schwaben unter der Naziherrschaft. 134 S. Verlag Wißner 1996. 18,00 €.  

    
    
Kleinere Beiträge aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben  
vgl. Berichte zur Geschichte der Synagoge in Hürben   
   
Über den "Humanitätsverein" in Hürben (1838)  

Huerben AZJ 27021838.jpg (218668 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 27. Februar 1838: "Aus Bayern, Februar. Humanitätsverein zu Hürben. Zu Hürben haben mehrere Israeliten, in der Überzeugung, dass die aufstrebende Jugend, namentlich die armen Jünglinge, für Gewerbstätigkeit und Bürgersinn empfänglich gemacht werden müsse, wenn anders sich dieselbe zu einem echt bürgerlichen Leben entfalten solle, einen ‚Verein für Industrie und Humanität’ gestiftet, dessen Statuten unterm 28. März 1837 von Seiner Majestät dem Könige genehmigt worden sind. Der Zweck dieses Vereins ist einerseits die Gewerbstätigkeit, und andererseits die bürgerliche Bildung unter den Israeliten – vorzüglich im Orte selbst – zu befördern. Die Bestimmung des Vereines ist also: arme israelitische Jünglinge zur Erlernung irgendeines bürgerlichen Handwerkes durch Geldunterstützung behilflich zu sein, und unter den Vereinsgliedern selbst in wöchentlichen Versammlungen und durch sonstige Veranstaltungen Bürgersinn und gesellige Bildung zu verbreiten. Ordentliche Mitglieder sind diejenigen, die sowohl dem Wohltätigkeits- als dem Bildungszwecke beipflichten; Ehrenmitglieder aber diejenigen, welche aus ehrenwertem Wohltätigkeitssinne bloß den Gewerbefleiß armer Israeliten befördern wollen. Wenn es die Beschaffenheit des disponiblen Fonds gestattet, so hat der Verein sein Augenmerk auch darauf zu richten, einen oder mehrere talentvolle Jünglinge, die er aus seinen Mitteln in die Lehre zu einem Handwerke tun will, jährlich in die Kreisgewerbs- oder auch in die Weberschule nach Augsburg zu senden. Der vom Vereine begünstigte Jüngling und dessen Vorgesetzter haben sich schriftlich zu verpflichten, dass er das einst erlernte Handwerk auch bürgerlich betreiben, und dass, im Falle er sein Handwerk nicht ausübe, und keine unübersteigbaren Hindernisse da sind, die ihn desselben entledigen könnten, er das vom Vereine bezahlte Lehrgeld, diesem wieder zurückzahlen müsse. – Zur Beförderung der Humanität versammeln sich die ordentlichen Mitglieder jeden Sabbat- und Feiertag in einem besonderen Lokale, und werden zu diesem Behufe zweckmäßige Bücher, Gewerbsbücher und Zeitschriften, welche über die bürgerlichen und religiösen Angelegenheiten der Israeliten abhandeln, und zu belehrenden Vorträgen sowie zur geselligen Bildung benutzt, und unter den Mitgliedern verbreitet werden, angeschafft. – Die Mittel des Vereines sind die Beiträge seiner Mitglieder, wöchentlich jede Person sechs Kreuzer. Es werden aber Spenden und Stiftungen von jeder anderen Person angenommen. Diese Stiftungsgelder, sowie die wöchentlichen Beiträge der Ehrenmitglieder dürfen nur zu Lehrgeldern für arme Israeliten verwendet werden. Der Vorstand besteht aus einem Vorsteher, der stets ein Handwerker sein muss, einem Sekretär, einem Kassierer und einem Ausschuss von vier Personen. Das aufgenommene, ordentliche Mitglied muss wenigstens zwei Jahre im Vereine bleiben, und also ebenso lange die Pflichten und Lasten des Vereines mittragen. – Wir schließen mit dem Wunsche, dass der Verein herrlich gedeihen und sich ausbreiten möge, und dass noch viele andere Gemeinden diesem gewiss guten Beispiele nachfolgen sollten. ‚Wenn du dich nährst von deiner Hände Arbeit, wohl dir! Du hast es gut.’ Psalm 128,2."

      
Rabbiner Wechsler aus Schwabach ist zum Kuraufenthalt in Krumbach und predigt in der Synagoge in Hürben (1849)      

Artikel in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 31. August 1849: "Hürben, 25. Juli (1849). Wir haben schön längere Zeit einen ehrenwerten Gast in unserer Mitte. Herr Rabbiner Wechsler aus Schwabach beehrte das eine Viertelstunde von hier liegende Bad Krumbach. Vergangenen Schabbat hielt er auf Einladung unseres geschätzten Herrn Rabbiners Schwarz eine Predigt, die an zwei Stunden dauerte. Wenn in derselben auch auf oratorische Ausschmückung weniger Gewicht gelegt wurde, so empfahl sie sich doch durch Tiefe des Gefühls, durch Wärme des Ausdrucks, durch wahrhafte Überzeugung, und war in dem Munde solches würdigen Mannes eine sehr ergreifende. Er behandelte darin die Vernachlässigung mehrerer frommer Gebräuche."     

  
50-jähriges Jubiläum des Israelitischen Frauenvereins (1887)   

Huerben Israelit 14021887.jpg (31626 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Februar 1887: "Hürben. Am Schabbat Paraschat Toledot feierte der hiesige israelitische Frauenverein sein 50-jähriges Jubiläum. Herr Rabbiner Dr. Cohn aus Ichenhausen hielt anlässlich dieser Feier eine mit allgemeinem beifalle aufgenommene Rede."

  
Ausschreibungen  der Synagogendienerstelle (1901 / 1904)   

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. Juni 1901: "In der hiesigen Gemeinde ist die Synagogendienerstelle alsbald zu besetzen. Festes Gehalt 400 Mark, freies Brennmaterial und nicht unerhebliche Nebenverdienste. Ledige Bewerber und solche, welche eventuell als Schochet und Baal Kore Aushilfe leisten können, werden bevorzugt.
Reflektanten wollen unter Angabe ihrer Personalien ihre Gesuche innerhalb drei Wochen anher richten.   
Hürben (bayerisch Schwaben), 18. Juni. 
Israelitische Kultusverwaltung."    
 
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Mai 1904: "Die israelitische Gemeinde Krumbach (früher Hürben) sucht zum baldigen Eintritt einen 
Schochet und Synagogendiener

Festes Gehalt 600 Mark nebst erheblichem Nebeneinkommen, sowie Brennmaterial- und Wohnungsentschädigung. Bewerber wollen sich unter Angabe ihres Familienstandes anher melden. 
Krumbach
(Bayern), den 24. Mai (1904). Israelitische Kultusverwaltung."    

     
Hürben empfiehlt sich für Erholungssuchende (1902)  

Huerben Israelit 07051902.jpg (66621 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Mai 1902: "Hürben (bayerisch Schwaben) wird bei der bevorstehenden Reisezeit Erholungsbedürftigen, die in gesunder, waldreicher Gegend einige Zeit verbringen wollen, angelegentlichst empfohlen. Der Ort ist umgeben von den herrlichsten Buchen- und Fichtenwäldern, durch die ausgedehnte Spazierwege führen. Die Luft ist sehr rein und außerordentlich reich an Ozon. Das 20 Minuten vom Orte entfernte Krumbad, 550 Meter über dem Meeresspiegel gelegen, weist großartige Heilerfolge auf, namentlich bei rheumatischen Leiden und Frauenkrankheiten. Hürben besitzt gut eingerichtete Gasthäuser und billige Privatwohnungen. Das Cafe- und Weinrestaurant von S. Weil ist streng koscher und stehen beste Referenzen zur Seite. Allenfallsige Anfragen beantwortet bereitwilligst die Vorstandschaft des Verschönerungsvereins Hürben."

  
Hürben wird nach Krumbach eingemeindet (1902)   

Huerben AZJ 15101902.jpg (138650 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 15. Oktober 1902: "Hürben, im Oktober (1902). Die letzten Tage unseres dahingegangenen Jahres haben der einst so berühmten ‚frommen Gemeinde’ Hürben – in politischer Beziehung wenigstens – das Lebenslicht gelöscht. Hürben hat sich mit der Nachbargemeinde Krumbach unter diesem Namen zur Stadt vereinigt. Die anlässlich dieser Vereinigung auf den 1. Oktober angesetzten Feierlichkeiten wurden durch anerkennenswertes Entgegenkommen der Behörden den jüdischen Mitbürgern zuliebe bereits am 28. und 29. vorigen Monats begangen und verliefen im Beisein des Regierungspräsidenten, des Bezirksamtmannes, der sonstigen königlichen und städtischen Beamten, der Geistlichkeit aller Bekenntnisse, der Kultusvorsteher etc. in glänzender Weise. Dem Gottesdienste in der Synagoge folgte der in der Kirche, und daran schlossen sich die mancherlei sonstigen Festveranstaltungen. Wir wünschen, dass das seit vielen Menschenaltern mustergültige Zusammenleben und Zusammenwirken christlicher und jüdischer Bürger der bisher politisch getrennten Gemeinden Krumbach und Hürben für alle Zeiten in der nunmehrigen Vereinigung bestehen bleiben möge. – Wie selten schön diese Harmonie oft zu Tage trat, davon nur ein Beispiel, an das Schreiber dieses gelegentlich seiner Sommerfrische kürzlich in Hürben erinnert wurde. Auf das Hungerjahr 1847 folgte 1848 in Bayerisch-Schwaben eine überreiche Ernte. Die Krumbacher und Hürbener Bauern wollten sich durch einen besonderen Festgottesdienst dankbar erweisen, aber der unwirsche Pfarrer von Krumbach verweigerte das Öffnen der Kirche; da wandte man sich an den damaligen Rabbiner Schwarz, und der veranstaltete in der Synagoge, nachdem die Bauern mit ihren geschmückten Erntewagen vorgefahren, einen noch heute von den Alten viel besprochenen Dankgottesdienst. Vieles dergleichen ließe sich noch erzählen – wenn der Verfasser ihrer ‚Reiseplaudereien’ einmal in das vormalige Hürben käme, er entdeckte dort eine wahre Fundgrube fesselnden Stoffes aus alter und neuer Zeit. Und von dieser letzteren möchte ich zum Schlusse nur das in diesem Sommer erbaute Münchener Ferienheim erwähnen, um das sich nicht nur Münchener Herren und Damen, sondern auch die Hürbener Frauen ganz besonders verdient gemacht haben."   
   
Huerben Israelit 24111902.jpg (143934 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. November 1902: 
derselbe, etwas gekürzte Bericht erschien in der Zeitschrift "Der Israelit"    

       
Vortrag über die "Freie Vereinigung" (1908)  

Krumbach Israelit 12031908.jpg (61458 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. März 1908: "Krumbach (Bayern), 9. März (1908). Gestern Abend beehrte uns Herr stud. med. Ehrman aus München in der 'Restauration Weil' mit einem hochinteressanten Propagandavortrag über die 'Freie Vereinigung', Nach einigen schönen einleitenden Worten gab uns der Redner in kurzen Umrissen ein klares Bild von den Zielen und Erfolgen der Vereinigung. Seine von Herzen kommenden Ausführungen machten auf die Versammlung einen tiefen Eindruck, und reicher Beifall seitens der Versammlung lohnte den Redner. Nach der regen Debatte, die dem jugendlichen begeisterten Redner Gelegenheit gab, sich als großartiger Diskussionsredner zu zeigen, traten beinahe alle anwesenden Damen und Herren dem Vereine als Mitglieder bei."    

    
    
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde  
   
Über den in Hürben 1783 geborenen und später in Osterberg ansässigen Moses Binswanger (Familiengeschichte)
   

Augsburg Binswanger Dok 020.jpg (181999 Byte) Um 1835/40 lebte in der Judengasse 22 in Osterberg der in Hürben 1783 geborene  Handelsjude Moses Binswanger mit seiner Familie (vgl. Übersicht oben). Er war mit Blümle (Schenle) geb. Goetz verheiratet. Seine Söhne Jacob und Oswald Binswanger verzogen mit ihren Familien 1863 nach Augsburg.  Die beiden waren Teilhaber der bereits in Osterberg gegründeten Firma "Jacob Binswanger & Cie., Augsburg. Dampfbrennerei, Likör- u. Essigfabrik - Cigarren, Weine, Fruchtsäfte" (siehe Briefbogen links, aus der Sammlung von Peter Karl Müller, Kirchheim/Ries). 
Die Firma bestand bis zur zwangsweisen Schließung in der NS-Zeit 1938. 
Rolf Hofmann hat Übersichten zur Familiengeschichte/Genealogie erstellt:   
Family Sheet Moses Binswanger of Huerben + Osterberg (pdf-Datei)   
Family Sheet Oswald Binswanger of Osterberg + Augsburg
(pdf-Datei)
.   

    
Nachruf zum Tod von Pessel Landauer (1862)
  

Huerben Israelit 01011862a.jpg (361183 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. Januar 1862: "Nachruf! Wenn nicht die moderne, sondern die Jahrtausende hindurch ausschließlich herrschende Auffassung von der Aufgabe des einzelnen Juden eine wahre und richtige ist; wenn Entfaltung äußeren Prunkes und blendenden Glanzes ein dem Judentum fremdes Element ist, und das wahre jüdische Wesen in dem Leben in Gott besteht, in dem Anbau der inneren Welt, in der Geistespflege und Gemütsveredelung; wenn demnach die wesentlichen Merkmale einer jüdischen Größe nicht die Umfangsgröße der so genannten jüdischen Novellen und Romane, nicht die Zahl der Petitionen, nicht die lange Reihe von Jahren stadträtlicher Funktion – auch nicht der kostspielige Bau prachtvoller ‚Tempel’, sondern Frömmigkeit, Bescheidenheit, Liebe zu Gott, ungeheuchelte Treue gegen seine heilige Lehre, wahre Ehrfurcht vor deren Trägern, Wohltätigkeit im wahren Sinne des Wortes jene talmudisch jüdische Wohltätigkeit, die ihren Ausdruck in der Förderung der Tora, der Brautaussteuer usw. findet, wenn diese Eigenschaft die wesentlichsten Merkmale einer jüdischen Größe bilden: so hat die zwar kleine, aber wegen ihrer Wohltätigkeit weit bekannte Gemeinde Hürben – und mit ihr die gesamte jüdische Orthodoxie – gegen Ende vorigen Monats durch den Tod ihres allgemein geachteten, geehrten und geliebten Mitgliedes, der Frau Pessel Landauer, den Verlust einer jüdischen Größe ersten Ranges erlitten. Schon früh in dem Alter, wo die meisten Menschen noch tändeln, hatte diese edle Seele, angeregt und gehoben von dem innigen, gefühlvollen Familienleben im elterlichen Hause, das unter den bedeutendsten, durch Glaubensstärke und die ausgedehnteste Gastfreundschaft ausgezeichnetsten jener Gegend eine hervorragende Stellung einnahm, die auch für ein reiferes Alter nicht leicht zu fassende Aufgabe einer jüdischen Frau in der ganzen Bedeutung des Wortes erfasst; und von nun an kannte sie keinen höheren Wunsch, hatte sie kein anderes Ziel, als ihr Leben durch eine Verwirklichung jener hohen Aufgabe zu verklären. Und da ihr bald – sie heiratete nämlich nach damaliger jüdischer Sitte im sechzehnten Jahre – das große Glück zuteil geworden, in den bedeutenden Glücksgütern und der Aufopferungsbereitwilligkeit ihres nicht weniger wegen seines frommen Wirkens als seines Reichtums namhaften Mannes, Raphael Landauer, die größte Aufmunterung und die sicherste Stütze gegen alle Hindernisse, die sich einer solchen Lebensaufgabe entgegenzustellen pflegen, zu finden; so vermochte ihren, namentlich bei ihrem Geschlechte so seltenen willensstarken Charakter, der zwischen Wille und Handlung keine Brücke kannte, für den Gedanke und Tat zusammenfielen, während ihres langen, ereignisreichen Lebens Nichts, kein Opfer, kein noch so gewaltiges Ereignis von der einmal eingeschlagenen Bahn abzulenken. Diese glänzende Laufbahn eröffnete sie damit, dass sie das von ihrem Vater und ihrem Manne mit großem Kostenaufwand errichtete und mit einem entsprechenden Legate bedachte Beth HaMidrasch (Toralehrhaus) in Hürben – woran selbst sie keinen geringen Anteil hatte – mit Betten, Polstern und Bettflaschen versag und mehrere mittellose Talmudbeflissene dieser Anstalt beständig, das ganze Jahr hindurch an ihrer Tafel hatte. Diese, sich aufs Kleinste erstreckende und ins Einzelne gehende Fürsorge war bei ihr aber nicht, wie man es sonst im Leben gewöhnlich bei den in der Regel mit Launen geplagten Reichen findet, eine ausschließliche Lieblingsbeschäftigung, auf die sie sich gar viel zu gut getan und alles Andere vernachlässigt hätte; vielmehr erfreuten sich alle Hilfsbedürftigen, die sich einmal an sie gewandt und ihre Unterstützung in Anspruch genommen hatten, ununterbrochen und pünktlich ihrer vertraulichen, warmen und wohltätigen Teilnahme. Wie manchem Armen wird nicht die so Geistesstärkende und Gemütserhebende sabbatliche Feier zur wahren Qual durch die ihn die ganze Woche peinigende Sorge, am Sabbat, dem Tage der Ruhe und Erholung, die an sich schon so drückende Leiden der Entbehrung noch durch das demütigende Bewusstsein, mitten in der freudigen Gemeinschaft und vergnügten Gesellschaft sein Elend zur Schau tragen zu müssen; bis zur Verzweiflung gesteigert zu sehen! Vielen Dürftigen Hürbens aber war dieses traurige Gefühl ganz fremd; denn sie wussten, die für sie unermüdliche Frau Landauer habe schon für Kiddusch Wein, Fische, Mehl und Öl gesorgt. Auch konnten sich dieselben den angenehmen Augenblick des Freudenfestes, des Sukkot (Laubhüttenfest), welches Fest durch den Hinblick auf sein Gefolge, den Winter, für so viele der Unglücklichen seine Bedeutung verliert, ganz ungestört hingeben; in der festen Überzeugung, dass auch diesmal, wie alljährlich ihre Wohltäterin für das beste Holz gesorgt habe; hatte doch dieselbe ihren Wald zu ihrem Gebrauch bestimmt! Als besonders bezeichnend für die Art und Weise, wie ihr heller Geist den tiefen Gehalt der väterlichen Religion aufgefasst, verdient wohl folgender Zug hervorgehoben zu werden. Ohne Unterschied der Konfession erhielten alle unvermögenden kranken Hürbens Suppen und zur Zeit der Rekonvaleszenz Fleisch. Aber ihr wohltätiges, wachsames Auge beschränkte sich nicht nur auf Hürben allein. Die von ihr in die Nähe und die Ferne regelmäßig geschickten, bedeutenden Spenden verbreiteten so ihren Namen, erweckten solches Vertrauen auf ihre wohltätige Hand, dass man sie höchst selten ohne drei Gäste aus den entferntesten Gegenden in der vertraulichsten Tischgesellschaft fand. Bei solchen Gelegenheiten wäre es dem Ankömmling durch die Einfachheit ihrer Kleidung, da sie als echte Jüdin keinen anderen Luxus, als der der Gerechtigkeit kannte, durch eine ungezwungene Haltung schwer gefallen, unter den Anwesenden die gepriesene Frau herauszufinden. Musste man aber ihr ungekünsteltes Wesen, ihre Leutseligkeit und Demut schon im gewöhnlichen Umgange bewundern, so glaubte man seinen Augen nicht trauen zu dürfen, wenn man ihr Benehmen eine Talmudschüler gegenüber betrachtete. In solche Augenblicken nahm ihre schlanke, große Figur, die durch den Seelenadel und des Bewussten eines sittlich reinen, tugendhaften Lebens eine in unserer Zeit höchst seltene imponierende Erscheinung dar-  
Huerben Israelit 01011862b.jpg (211173 Byte)bot, den diesem Alter und dieser Bildung fremdartigen, und doch für ihr Wesen so zierlichen, lieblichen und interessanten Ausdruck der kindlichen Ehrerbietung und ehrfurchtsvollen Scheu an, mit der größten Spannung und der unschuldigen gemütlichen Wissbegierde horchte sie auf jeden Laut des gottesfürchtigen und gelehrten Mannes; im Bewusstsein der geistigen Überlegenheit ihres Schützlings wagte sie es nicht, demselben mit eigener Hand die reichliche Spende zu überreichen, aus Furcht, diesen dadurch sein unbeneidenswertes Los recht fühlbar zu machen. Vergnügen, die sie sich selbst nicht gönnte, wurden dem Gelehrten ohne besondere Aufforderung bereitet; Gefälligkeiten, die sie ihren eigenen Kindern versagt haben würde, erhielten jene in reichlichster Fülle.
Nicht die Furcht, es möchte die fernere Schilderung dieser fast beispiellos frommen und tugendhaften Frau übertrieben gefunden werden, verbietet die genaue Beschreibung alles dessen, was sie für das Gotteshaus, was sie für unbemittelte Bräute getan, deren es nicht wenige gab, der der reichlichen Beisteuer der unermüdlichen Wohltätigkeit dieser edlen Frau eine glückliche Ehe zu verdanken haben – eher habe ich von allen denen, die das Glück hatten, sie genauer zu kennen, den Tadel der Überschätzung eigener Kraft zu erwarten; ein Tadel, der meine schwache und dieser Aufgabe gewiss nicht gewachsene Feder mit Recht treffen würde, wenn ich nicht erst nach ziemlich langem vergeblichem Warten auf einen Nachruf von einer anderen geschickteren Hand endlich eingedenk jenes poetischen, auch hier, wenn auch in einem anderen Sinn, anwendbaren Satzes: ‚si natura negat, facit indignatio versum,’ meine Feder hierzu geliehen hätte – sondern die Rücksicht auf den einem Nekrolog zugemessenen Raum, die ich ohnedies schon überschritten haben dürfte. Doch, geehrter Herr Redakteur! Im Vertrauen auf Ihren echt jüdischen Sinn, vermittelst dessen allein man die Gefühle eines den Verlust einer solchen Person betrauernden Freundes zu würdigen imstande ist, erlaube ich mir noch folgende Schlussbemerkung. Wenn man nach dem kurz gezeichneten Umrisse dieses seltenen Lebens von der Hingeschiedenen mit vollem Recht sagen kann, dass durch ihren Tod der Familie die Krone, der Gemeinde die Zierde, den unbemittelten Gelehrten die Zufluchtsstätte, den Armen die Mutter, als die musterhafteste menschenfreundliche Seele entrissen worden ist, so glaube ich auch nicht im Mindestens übertrieben zu haben, wenn ich gleich im Anfange diesen Verlust als einen für die gesamte jüdische Orthodoxie fühlbaren und herben bezeichne. Denn, wenn irgendeine individuelle irdische Erscheinung, so war sie ein lebendiger Beweis für den göttlichen Ursprung des orthodoxen Judentums. Ihr langes – sie hat in der besten Gesundheit und Geistesfrische das hohe Alter von 78 Jahren erreicht – gottgeweihtes, von Tugend und Gebet durch und durch geheiligtes Leben hatte ihr eine solche Festigkeit und Sicherheit, eine solche freudige und feierliche Ruhe verliehen, der Ausdruck der inneren Überzeugung war in so großartigen Zügen auf ihrem verklärten Gesichte ausgeprägt, dass nur die tiefste Bildungsstufe von diesem Anblick unberührt blieb; auf das fein gebildete fromme Gemüt übte ihre Nähe einen unaussprechlichen Zauber und eine unwiderstehliche Anziehungskraft; aber auch der frostige Zweifler fühlte, wenn der göttliche ästhetische Funke nicht ganz in seinem Herzen erloschen war, in ihrem Gesichtskreise eine ihm so fremde, unerklärliche, aber wohltuende erwärmende religiöse Regung. Ehre ihrem Andenken."

  
Zum Tod von Josef Samuel Landauer (1877)  

Huerben Israelit 21111877.jpg (128308 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. November 1877: "Hürben. Freitag, am 9. November (1877), ging Herr Josef Samuel Landauer in ein besseres Jenseits über. Der Verblichene ist uns noch als ein teurer Überrest übrig geblieben von jenen wahrhaft guten, ausgezeichneten Männern der alten Zeit, die Tora, Gottesdienst und Wohltätigkeit zu schützen und zu pflegen wussten. Schon als Jüngling widmete er sich fleißig dem Torastudium und dessen Begeisterung und Eifer für diese brachte derselbe auch in seiner Lebensweise durch Gottesdienst und Wohltätigkeit vielfach Ausdruck. Er war von der innigsten Liebe zu den Geboten Gottes erfüllt; mit der genauesten Pünktlichkeit, mit der größten Freude und mit wahrer Freude an den Geboten erfüllte er die Gebote unserer heiligen Tora. Kein körperliches wie materielles Opfer war ihm dafür zu kostbar. Während er viele Jahre als Beschneider und Baal Tokea (Schofarbläser), Baal Tefila (ehrenamtlicher Vorbeter) hervorragend wirkte, war er als Vorstand der Chewra Gemillut Chassadim eifrigst bemüht, deren Gedeihen und Wachstum zu fördern. Was der Dahingeschiedene im Allgemeinen in wohltätiger Liebe geleistet und gewirkt hat, hierin war er ja in unseren Kreisen berühmt und hat sich dadurch auch ein sicheres Andenken bewahrt. So verliert die Gemeinde in ihm einen verdienstreichen Mann und die Armen besonderes des Landes Israel einen Unterstützer und Helfer zur Zeit ihrer Not. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."

  
Zum Tod von Joseph Raphael Landauer (1877)  

Huerben Israelit 12121877a.jpg (168569 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Dezember 1877: "Hürben. Wiederum ist einer der Besten aus Israel geschieden! Den 20. November (1877) verschied Herr Joseph Raphael Landauer in Hürben, im Alter von 73 Jahren. Mit ihm endete ein tatenreiches, der wahren Frömmigkeit von frühester Jugend an geweihtes Leben, und weit über die Grenzen seiner Heimat hinaus verlieren Hunderte einen Wohltäter, einen Mann der Gerechtigkeit in des Wortes edelster Bedeutung. Noch sehr jung war er eifrig bemüht, in die Tiefe unserer heiligen Religion einzudringen, sodass ihm schon im 15. Lebensjahr in Ansbach der Chawer-Titel vom Dajan erteilt wurde. In seinem ganzen Leben hat er diese Wissenschaften nicht nur gepflegt, sondern sie auch zum Anhalt für alle seine Handlungen genommen. 
Wie viele Tränen Unglücklicher hat er getrocknet, und mit einer seltenen Bescheidenheit und Anspruchslosigkeit liebte er da wohl zu tun, wo seine Wohltätigkeit im Verborgenen blieb, wo sein Name nicht zu ermitteln war. Dass ein solcher Mann auch ein zärtlicher Gatte und liebender Vater gewesen, liegt nahe. Der unerbittliche Tod hat eine 53-jährige Ehe gelöst, welche, wie er sich selbst vor seinem Ende äußerte, durch kein lautes Wort getrübt war. – Alle seine Kinder, so zahlreich auch seine Familie war, haben außer einer gründlichen, echt jüdischen Erziehung, für welche ihm keine Opfer zu groß waren, bei jeder Gelegenheit Beweise seiner Liebe und väterlichen Zuneigung empfangen. 
Zu der großen Frömmigkeit, mit welcher der Verstorbene alle Vorschriften unserer erhabenen Religion erfüllte, gesellte sich auch ein äußerst strenger Rechtlichkeitssinn, und alle, die je mit ihm in Berührung kamen, müssen bezeugen, dass er ein ebenso braver Mensch, ein ebenso ehrenhafter Bürger, als frommer Israelite war. Deshalb ist auch die Trauer um ihn eine allgemeine, und wir, die wir auch schon oft Gelegenheit hatten, Vermittler seiner Wohltätigkeit zu sein, rufen seiner edlen Gattin und Allen die um ihn trauern, aus vollem Herzen zu. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."

 
Zum Tod von Emilie Harburger (1878)  

Huerben Israelit 13031878.jpg (75982 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. März 1878: "Hürben. Am 3. März wurde die irdische Hülle eines Biederweibes, Frau Emilie Harburger, zu Grab getragen, die durch die Frömmigkeit ihres Wandels und durch die Menschenfreundlichkeit ihres Wirkens sich so wohltätig und nützlich machte, dass es ein allgemeiner Verlust ist, den wir durch ihren Tod erlitten. Sie vereinigte in sich die Tugenden des häuslichen Lebens, der Einfachheit, Bescheidenheit und Anspruchslosigkeit mit der seltensten Treue, Liebe, Aufopferung und Hingebung, für Kranke und leidende Wesen widmete sie unermüdet ihre Kräfte und darin fand sie schon ihre ganze Lebensaufgabe. Sie verband alle Vorzüge, die ein jüdisches Weib schmücken. Das letzte Ehrengeleite und die allgemeine Trauer hier um den Verlust dieser Frau gibt das beredteste Zeugnis, dass eine fromme Seele aus diesem Leben geschieden ist. Friede ihrer Asche!"

   
Zum Tod des aus Hürben stammenden Hermann Buttenwieser (1893 in Ulm) 
Anmerkung: Hermann (Hirsch) Buttenwieser ist am 23. Juli 1834 in Hürben geboren als Sohn von Benedikt Buttenwieser und der Vögele geb. Neuburger. Er heiratete 1859 in Hürben Bertha geb. Maier (geb. 1839 in Ichenhausen). Die beiden sind im September 1863 von Hürben nach Ulm verzogen (Bürgerrecht seit März 1864); sie hatten zwölf Kinder, von denen zwei noch in Hürben geboren und mehrere früh verstorben sind. Hermann Buttenwieser starb am 20. Oktober 1893 in Ulm, seine Frau am 8. Juli 1920.  

Ulm Israelit 27111893.jpg (83695 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. November 1893: "Ulm. Am 20. Oktober (1893), starb dahier Herr Hermann Buttenwieser im Alter von 59 Jahren. Durch strenge Redlichkeit, größte Gewissenhaftigkeit und biederes bescheidenes Wesen erwarb sich der Verstorbene Achtung und das Vertrauen aller derer, mit denen er während seiner Lebenszeit in nähere Berührung trat. Er bekleidete viele Jahre bis zu seinem Ende das Amt eines Ausschussmitgliedes der hiesigen Männer-Wohltätigkeitsvereine mit Gewissenhaftigkeit und Treue. Einer angesehenen und frommen Familie aus Hürben entsprossen, blieb er dem Gesetze der Väter zugetan und trug auch sein lang andauerndes Leiden mit Geduld und Ergebenheit. Bei seiner Beerdigung, an der sich viele Nichtjuden beteiligten, hielt Herr Rabbiner Dr. Fried eine ebenso tröstende wie tief ergreifende Grabrede. Möchte der Allgütige der tief betrübten Familie zu ihrem schweren Verluste seinen Trost spenden. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."         


Zum Tod von M. S. Landauer (1894)  

Huerben Israelit 11011894.jpg (162537 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Januar 1894: "Hürben (Bayern), 28. Dezember. Am 25. dieses Monats ist Herr M. S. Landauer, Chef der renommierten gleichnamigen Firma M.S. Landauer, hier und in Augsburg, die Zierde und der Stolz unserer Gemeinde wie des ganzen Ortes, nach längerem schweren Leiden im 86. Lebensjahre verschieden. In seinen Jugendjahren ein schlichter Webergeselle, hat der Verblichene sich allmählich durch Fleiß und Redlichkeit zum höchst achtbaren Fabrikanten auf dem Gebiete der Textilbranche emporgearbeitet, dessen Fabrikate den Wettkampf auf dem Weltmarkte stets mit Ehren und Auszeichnung bestanden und ihm Reichtum und Ansehen eingetragen haben. Aber obgleich von weit ausgebreiteten Geschäften immer in Anspruch genommen, fehlte er niemals im Gotteshause, oblag er mit Eifer und Verständnis dem Torastudium, betätigte er regestes Interesse für alle die jüdische Gesamtheit betreffenden Angelegenheiten. Er war ein Mensch in des Wortes schönstem Sinn. Edelsinn und Biederkeit, Leutseligkeit und Menschenliebe, das waren die Grundzüge seines Charakters. Wo es galt, das Judentum zu fördern und Humanität zu üben, da gab er reichlich, mit vollen Händen, und hat dabei niemals sein Reichtum das Herz übertroffen. Ihm genügte es aber nicht, seine reichen Mittel in den Dienst der Allgemeinheit zu stellen, er hat auch seine Tatkraft freudigst zur Verfügung gestellt. So war er denn auch zugleich langjähriger Vorstand der jüdischen und Beitrat im Kollegium der politischen Gemeinde, sowie bis vor kurzem ein sehr tätiges Mitglied der Chewra Kadischa. An dem Leichenbegängnisse beteiligten sich alle Konfessionen und Korporationen, sowie die Behörden. Herrn Rabbiner Dr. Groß aus Augsburg (in Vertretung unseres erkrankten Herrn Rabbiners Dr. Cohn) und der hoch verehrte greise Herr Gumpertz feierten in ergreifenden Reden die vielfachen Verdienste des Heimgegangene. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."

  
Privatdozent Dr. Samuel Landauer wird Honorarprofessor an der Universität Straßburg (1894)  

Huerben Israelit 26071894.jpg (55266 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. Juli 1894: "Straßburg (Elsass), Herr Dr. Landauer, Privatdozent an der hiesigen K.K. Universität und Bibliothekar der hiesigen Universitäts- und Landesbibliothek ist wegen seiner außerordentlichen wissenschaftlichen verdienste um die arabisch-jüdische Literatur auf Vorschlag von Professor Dr. Noeldecke zum Honorar-Professor an der hiesigen K. Universität ernannt worden. Herr Dr. Landauer ist in Hürben in Bayern geboren."  

  
Zum Tod von Clara Landauer (1907)  

Krumbach Israelit 31011907.jpg (46729 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 31. Januar 1907: "Krumbach (Bayern), 20. Januar (1907). Vor kurzem starb hier im hohen Alter von 96 Jahren Frau Clara Landauer, eine durch ihre tiefe Religiosität und ihre vortreffliche, allezeit praktisch bewährte Menschenliebe ausgezeichnete Frau. Sie machte vermöge ihrer hohen Tugenden einen wahrhaftig patriarchalischen Eindruck auf jeden in ihre Umgebung Gelangenden. Ihr Andenken wird als ein Segen in ihren guten Werken weiter fortleben. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."  
 
Anzeige im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 22. März 1907: "Krumbach. Im Alter von 96 Jahren starb Frau Clara Landauer, die älteste Frau der Gegend". 

  
Zum Tod von Sally Oettinger (1908)  

Krumbach Israelit 07051908.jpg (33145 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Mai 1908: "Krumbach, 4. Mai (1908). Ein braver Mann und guter Jehudi wurde am Freitag unter tiefer Trauer seiner Familie und unserer ganzen Gemeinde zu Grabe getragen. Herr Sally Oettinger ist nach langem schwerem Leiden im Alter von nur 58 Jahren gestorben. An der Bahre widmete ihm Herr Lehrer Cahn einen kurzen, würdigen Nachruf. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."    

    
Zum Tod von Kommerzienrat Heinrich Landauer (1917)  

Huerben AZJ 16021917.JPG (171676 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 16. Februar 1917: "Augsburg, 9. Februar. Am 4. dieses Monats verstarb hier im 79. Lebensjahr Herr Kommerzienrat Heinrich Landauer. Einer streng religiösen Familie aus Hürben im Regierungsbezirke Schwaben entstammend, war er Mitbegründer der Webereifirma M. S. Landauer, die er durch seinen klaren Verstand und seine rastlose zielbewusste Arbeit aus bescheidenen Anfängen zu großer Blüte empor brachte, sodass sie seit langer Zeit zu den angesehensten Unternehmungen der Augsburger Textilindustrie zählt. Über ein Vierteljahrhundert war er Mitglied des städtischen Gemeindebevollmächtigtenkollegiums, vielfach mit wichtigen Referaten betraut und stets eifrig bemüht, die Interessen der Stadt zu fördern. Bei seinem Ausscheiden aus dem Gemeindekollegium wurde ihm die goldene Bürgermedaille verliehen, die höchste Auszeichnung, welche die Stadt für Verdienste ihrer Bürger zu verleihen hat. Schon früher hatte er für seine Verdienste um die bayerische Industrie den Michaelsorden vierter Klasse mit der Krone erhalten. Fünfundvierzig Jahre gehörte er der Verwaltung der Israelitischen Kulturgemeinde an, um deren Entwicklung und Einrichtungen er sich in seltenem Maße verdient gemacht hat. Allen Notleidenden und Bedrängten war er hilfreich, wie er auch allezeit die geistigen und wissenschaftlichen Bestrebungen innerhalb des Judentums werktätig förderte. Auch außerhalb seiner Gemeinde und seines Heimatlandes hatte sein Name in der jüdischen Welt einen guten Klang, u.a., war er auch Mitglied des Zentralausschusses des Verbandes der deutschen Juden. Seinen Verwandten und Freunden hat er stets die liebevollste Gesinnung und die größte Treue erwiesen. Er war von ganzem Herzen ein guter Jude, der sich treu auch nach außen hin zum Judentum bekannte und unbeschadet seiner liberalen Gesinnung die jüdischen Traditionen hochhielt und in seinem Familienleben zur Geltung brachte, wobei er an seiner hochsinnigen Gattin Bettina, einer Tochter des seligen Rabbiners Dr. Leopold Stein, eine gleich gesinnte Lebensgenossin gefunden hatte, sodass sein glückliches, harmonisches, häusliches Leben den reichen Segen der jüdischen Familie voll und ganz in die Erscheinung treten ließ. Leider war es dem Verewigten nicht mehr beschieden, an der bevorstehenden Einweihung der neuen Synagoge teilzunehmen, zu deren Ausschmückung er großherzig eine große Stiftung gemacht hatte. Seitens der Verwaltung der Kultusgemeinde wurden ihm bei verschiedenen Anlässen Ehrungen zuteil, welche dem Danke für seine vieljährigen Verdienste Ausdruck verleihen sollten; er war Inhaber der silbernen Medaille für fünfundzwanzigjähriges verdienstvolles Wirken in der Gemeinde und wurde bei seinem vor wenigen Monaten erfolgten Austritte aus der Gemeindeverwaltung zu deren Ehrenmitglied ernannt. Sein Name wird für alle Zeiten mit der Geschichte der Augsburger Gemeinde verknüpft bleiben und in hohen Ehren fortleben."

  
Todesanzeige für Rosa Oettinger (1924)    

Anzeige in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des "Central-Vereins") vom 17. April 1924: "Unsere herzensgute Mutter, Schwiegermutter, Großmutter, Schwester, Schwägerin und Tante Frau Rosa Oettinger 
ist am 7. dieses Monats nach längerem Leiden sanft verschieden. 
Krumbach (Schwaben), 8. April 1924. Namens der in tiefer Trauer Hinterbliebenen: Familie Julius Oettinger."      


Zum 70. Geburtstag von Louis Selinger (1928)  

Huerben BayrGZ 15121928.jpg (137525 Byte)Artikel in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15. Dezember 1928: "70. Geburtstag. Am 21. Dezember (1928) begeht Herr Louis Selinger seinen 70. Geburtstag. Der Jubilar entstammt einer seit Generationen in Krumbach-Hürben ansässigen Familie. Im Jahre 1906 übersiedelte er aus seiner Heimat, wo er als Fabrikdirektor tätig war, nach München. Hier widmete er sich bald der jüdischen Wohlfahrtsarbeit, in deren Dienst er seine ganze Persönlichkeit stellt. Er gehört dem Vorstand der Krankenfürsorge, der Vereins für Krankenpflege, Bestattungswesen und religiöse Belehrung, des Vereins zur Unterstützung von Brennmaterialien und des Vereins zur Unterstützung durchreisender armer Israeliten an, wie er auch in einer Reihe anderer Vereine eine unermüdliche opferfreudige Tätigkeit entfaltet. Enge Freundschaft verband ihn mit seinem Landsmann Albert Landauer, dem im vorigen Jahre verstorbenen Ehrenmitglied der Gemeinde. Dieser wusste ihn auch für die Arbeit in der gemeindlichen Verwaltung zu interessieren, sodass er, als im Jahre 1924 der Ruf an ihn erging, in den Vorstand der Gemeinde eintrat. Hier wirkt er ebenfalls mit einer seltenen Pflichttreue. Tagaus, tagein ist er auf seinem Platz in der Gemeindekanzlei zu finden, wo er als Referent für das Synagogen- und Beerdigungswesen die anfallenden Geschäft persönlich erledigt. Der Jubilar lässt es sich auch nicht nehmen, die Gemeinde bei jeder Beerdigung zu vertreten. Daneben gehört er zahlreichen Ausschüssen an. So ist er Vorsitzender des Wohltätigkeits- und Waisenstiftungsausschusses und seit dem Tode seines Freundes Landauer auch erster Beauftragter für das Israelitische Pensionat in der Kaulbachstraße. Ferner ist er Mitglied des Sozialen Ausschusses, des leitenden Ausschusses des Wohlfahrtsamtes und der Verwaltung der Lipschützschen Versorgungsanstalt. Überall entfaltet der Jubilar eine segensreiche Tätigkeit. Mögen ihm an der Seite seiner Gattin, seiner getreuen Gefährtin und Helferin, noch zahlreiche Jahre voll Glück und Gesundheit beschieden sein, die es ihm gestatten, seine Arbeitskraft weiter in den Dienst unserer Gemeinde und insbesondere ihrer Wohlfahrtseinrichtungen zu stellen."

   
Zum 85. Geburtstag von Prof. Dr. Samuel Landauer (1931)  

Huerben BayrGZ 15031931.jpg (193343 Byte)Artikel in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15. März 1931: "Professor Samuel Landauer 85 Jahre. Professor Dr. Samuel Landauer in Augsburg vollendete am 22. Februar in bester geistiger und körperlicher Frische das 85. Lebensjahr. Der hoch angesehene Gelehrte zählt zu den ersten Autoritäten auf dem Gebiete der orientalischen Sprachen, namentlich des Arabischen, Persischen und Aramäischen. Geboten in Hürben bei Krumbach (Schwaben), besuchte der Jubilar, nachdem er das Gymnasium in Mainz absolviert hatte, die Universitäten München, Leipzig und Straßburg. In München promovierte er 1872 auf Grund seiner arabischen Dissertation: ‚Über die Psychologie des Ibn Sina’. 1875 wurde der junge Gelehrte Privatdozent für orientalische Sprachen in Straßburg, 1884 Bibliothekar der Universitäts- und Landesbibliothek dortselbst, 1894 Honorarprofessor und 1905 Oberbibliothekar in Straßburg. Seit Ende 1918, wo er als Deutscher über Nacht Straßburg verlassen musste, hat er sein Domizil in Augsburg. Von seinen zwölf außerordentlichen Werken und Arbeiten seien besonders genannt: ‚Kitab al Amanat von Saadja’, das ist eine Veröffentlichung des arabischen Urtextes des religionsphilosophischen Werkes von Saadja (933), betitelt: ‚Emunot we – deot, Glaubenslehre und Philosophie’; ferner die ‚Masorah zum Onkelos’ sowie Studien zu Merx ‚Chrestomathia Targumica’, außerdem verschiedene ‚Kataloge der orientalischen Handschriften’ der Universitäts- und Landesbibliothek in Straßburg und der Großherzoglich badischen Bibliothek in Karlsruhe. Vor einigen Tagen brachte der unermüdliche Gelehrte zu seiner und der Wissenschaft großen Freude noch ein Hauptwerk zur Vollendung, an dem er seit acht Jahren im ehrenvollen Auftrage der Berliner ‚Akademie für die Wissenschaft des Judentums’ gearbeitet hat: ‚Das Targum der Prophetae Posteriores’. Durch diese Edition der aramäischen Übersetzung der Propheten ‚Jesajas’, ‚Jeremias’, ‚Ezechiel’, ‚Daniel’ und der so genannten 12 ‚Kleinen Propheten’ hat die Wissenschaft nunmehr zum ersten Male einen einwandfreien aramäischen Targumtext dieser genannten Prophetenbücher. Der Gelehrte war Gegenstand mannigfacher Ehrungen, sowohl lokaler Art als auch ganz besonders seitens seiner vielen heute in höchsten Ämtern und Würden stehenden Schüler und sonstigen Verehrer des In- und Auslandes. Mögen sich an ihm die Worte des Psalmisten auch weiterhin ganz erfüllen: Noch im hohen Alter sprossen und grünen sie… Dr. Fränkl".

   
Zum 90. Geburtstag von Prof. Dr. Samuel Landauer (1936)  

Huerben BayrGZ 15021936a.jpg (142765 Byte)Artikel in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15. Februar 1936: "Der Nestor der Bayerischen Judenheit: Professor Dr. Samuel Landauer. Von Bezirksrabbiner Dr. Ernst Jacob, Augsburg. Am 22. Februar hat das bayerische Judentum die Freude, einen der bedeutendsten Gelehrten, der aus seinen Reihen hervorgegangen ist, in voller geistiger und körperlicher Frische das 90. Lebensjahr vollenden zu sehen. Professor Dr. Samuel Landauer. Dieser Mann, den heute die jüdische gelehrte Welt, aber auch die orientalische Sprachwissenschaft als einen ihrer ältesten Vertreter feiern darf, wurde in Hürben (jetzt Krumbach) geboren, einer Gemeinde, die dem südbayerischen Judentum viele verdiente Männer gestellt hat; seit 1918 verbringt er seinen Lebensabend in Augsburg, nah der Stätte seiner Geburt. Dies 90jährige Leben war ausschließlich gelehrter Arbeit gewidmet und spiegelt doch in seinem Gange den Wandel der jüdischen Welt im laufe des letzten Jahrhunderts und ein Stück des weltgeschichtlichen Geschehens wider. Samuel Landauer stammte aus dem alten, streng gläubigen und bodenständigen süddeutschen Landjudentum, für das es nichts Höheres gab als das Studium des Talmuds. Er ist mit seinem erstaunlichen Gedächtnis einer der letzten Zeugen, die von jenen alten, in der Schlichtheit des Lebens und Geradheit des Sterbens ehrwürdigen Zeiten zu erzählen vermögen. In einer solch kleinen Gemeinde gab es weit über ein Dutzend Hausväter, die den Talmud studieren konnten. Man lebte in Frieden und Freundschaft mit der nichtjüdischen Umwelt. Der elfjährige Knabe wurde auf die Jeschiwa, die Talmudhochschule nach Eisenstadt in Ungarn geschickt, wo er sich bald durch umfassende Kenntnisse der talmudischen Literatur auszeichnete. Wenn sich auch später die Interessen Professor Landauers anderen Gebieten zuwandten, so hat er doch bis jetzt nicht aufgehört, Talmud zu studieren und ist zweifelsohne einer der besten Kenner dieser Literatur, gewiss aber eine der ersten Autoritäten für die Sprache dieses alten jüdischen Schrifttums. Landauer folgte dem Zuge der Zeit, der die Juden aus ihrem engen Eigenbezirk in die weite Welt allgemeinen Wissens führte. Er ging nach der Jeschiwa auf das
Huerben BayrGZ 15021936b.jpg (158334 Byte)Gymnasium und auf Universitäten, er wurde nicht Rabbiner, sondern Doktor der Philosophie. Im Jahre 1875 wurde er Privatdozent der semitischen Sprachen an der Universität in Straßburg, später Bibliothekar der dortigen Universitätsbibliothek und Titularprofessor. Er wirkte in diesen Ämtern als einer der vielen hervorragenden Vertreter der deutschen Wissenschaft im Elsass. So wurde er auch im Jahre 1918 als Deutscher aus Haus und Amt in Straßburg vertrieben, musste sogar seine Bibliothek zurücklassen und nach Deutschland zurückkehren. Er ließ sich damals mit der Gattin, die er dann nach wenigen Jahren verlor, in Augsburg nieder. Die wissenschaftlichen Arbeiten Professor Landauers erstrecken sich auf weite Gebiete der orientalischen Sprachen und sind ihrer Natur nach einem allgemeinen Publikum kaum zugänglich. Es sei hier nur das Wichtigste erwähnt: die für die Kenntnis der jüdischen Philosophie so bedeutsame Ausgabe des arabischen Originaltextes von Saadjas ‚Glauben und Wissen’, die Kataloge der hebräischen, arabischen, persischen und türkischen Handschriften der kaiserlichen Landesbibliothek zu Straßburg und der orientalischen Handschriften der Karlsruher Bibliothek, die Mitarbeit an der noch unvollendeten Ausgabe von Firdusi’s persischem Heldengedicht ‚Schahname’, die Targumstudien, die ihre Bekrönung fanden in einer durch die Not der Zeit leider noch nicht zum Druck gelangten fertig vorliegenden Ausgabe des Prophetentargums und die wichtigen Beiträge zur Aristotelesforschung. Diese außerordentlichen wissenschaftlichen Leistungen ließen das Jüdisch-theologische Seminar in Amerika in New York, das ihn am 10. Januar 1935 zum Ehrendoktor der hebräischen Literatur erhob, in der Ehrenurkunde hierüber schreiben: ‚Sein Leben ist dem Studium und der Vermittlung der jüdischen und orientalischen Beiträge zum Denken der Menschheit gewidmet gewesen. Er ist eine der hervorragendsten Autoritäten der Grammatik der aramäischen Sprache geworden’. Ebenso bezeichnete ihn erst vor wenigen Wochen ein deutscher Gelehrter als den Altmeister der Irankunde. Es sei auch nicht unerwähnt gelassen, was das Jüdisch-theologische Seminar für Amerika in folgenden Worten andeutet: ‚Er ist beständig trotz seines hohen Alters durch seine Korrespondenz eine Quelle der Anregung und Förderung.’ Denn Professor Landauer war sein Leben lang nicht nur ein Büchergelehrter, sondern ein Mann des lebendigsten wissenschaftlichen Gedankenaustausches. Er war Schüler und Freund Nöldekes, der erst vor wenigen Jahren weit über 90 Jahre alt gestorben ist. Er war der Lehrer zahlreicher Orientalisten, die heute über die ganze Welt zerstreut sind und einst bei ihm studiert haben oder noch jetzt brieflich von ihm Rat und Belehrung erbitten und empfangen. Die Israelitische Kultusgemeinde Augsburg, das gesamte bayerische und deutsche Judentum sind stolz auf Professor Samuel Landauer. Sie vereinigen sich in diesen Tagen mit seinen Kindern und seinen vielen Freunden und Verehrern, die er sich durch sein herzgewinnendes und stets hilfsbereites Wesen geschaffen hat und die heute aus ganz Deutschland, wie aus Erez Israel, aus Holland und aus Amerika hierher denken, in dem Wunsche, dass ihm die 120 Jahre unseres Lehrer Mose vergönnt seien, dass aber auch weiter von ihm, wie von jenem gelte: ‚seine Augen sind nicht erloschen und seine Kraft ist nicht verfallen’."

      
Zum Tod von Prof. Dr. Samuel Landauer (1937 in Augsburg)          

Artikel in "Jüdisches Gemeindeblatt für das Gebiet der Rheinpfalz" vom 1. Januar 1938: "Zum Heimgang von Prof. Dr. S. Landauer - Augsburg. Am 18. Dezember 1937 starb im 92. Lebensjahr nach schwerer Krankheit Herr Professor Dr. S. Landauer in Augsburg. Er ist in Hürben (Krumbach) geboren, einer Gemeinde, aus der dem bayerischen Judentum viele verdienstvolle Männer erwachsen sind. Er war Oberbibliothekar und Professor für orientalische Sprachwissenschaft an der Universität in Straßburg im Elsass."        

   
        
Anzeigen jüdischer Familien und Gewerbebetriebe    
Anzeige des Seifensieders Joseph Heilbronner (1860)   

Huerben AZJ 16101860.jpg (59048 Byte)Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 16. Oktober 1860: "Ein oder zwei Seifensieder-Gehilfen, die im Geschäft tüchtig sind, finden bei mir gegen gute Bezahlung dauernde Beschäftigung. Schabbat und Feiertag wird nicht gearbeitet, daher ich einen Israeliten vorziehe. Auch wäre ich nicht abgeneigt, einen gut erzogenen Jungen in die Lehre zu nehmen. Joseph Heilbronner, Seifensieder in Hürben bei Augsburg."

 
Werbung für Schleifsteine aus der Firma J. Tachauer (1903 / 1904)

Krumbach Israelit 24121903.jpg (37249 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Dezember 1903: "Für Schochetim. Echte russische Glattsteine - scharf und glatt - , echt belgische Glattsteine - scharf und glatt - , prima gelbe Abziehsteine, Ia. Ölsteine, Ia belgische Brocken, blaue Wasserabziehsteine. Aufreibsteine sind bei mir zu haben, Lieferzeit drei Wochen. J. Tachauer. Schochet. Krumbach (Schwaben)."
   
Krumbach Israelit 04021904.jpg (47015 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Februar 1904: "Für Schochetim... Text wie oben." 

    
Todesanzeige für Dolce Oettinger (1934)   

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Oktober 1934: "Am 9. Ellul (= 20. August 1934) ist unsere teure Mutter 
Frau Dolce Oettinger
- seligen Andenkens
ruhig eingeschlafen. Im Namen der Familie: Ricka Oettinger. Krumbach (Schwaben)."    

   
Todesanzeige für Rosa Höchstädter geb. Guggenheimer (1936) 

Krumbach BayrGZ 01081936.jpg (31740 Byte)Anzeige in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 1. August 1936: "Unsere heißgeliebte, herzensgute Mutter, Schwester, Schwägerin und Tante, 
Frau Rosa Höchstädter geb. Guggenheimer 
ist am 19. dieses Monats im 48. Lebensjahr sanft entschlafen.  
Krumbach (Schwaben), New York, Zürich. 
In tiefer Trauer: Im Namen der Hinterbliebenen Hans, Artur, Lis Höchstädter."  

   
   
Weitere Dokumente  
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller, Kirchheim/Ries)     

Briefumschlag an die Porzellanhandlung 
von S. S. Guggenheimer (1863)
 
  
Huerben Dok 1211.jpg (180695 Byte)
  Der Brief an S.S. Guggenheimer wurde nach dem Aufgabestempel der Post in München 
am 10. August 1863 von einer Münchner Firma verschickt. Zur Porzellanhandlung von 
S. S. Guggenheimer liegen noch keine weiteren Informationen vor.   
       
Postkarte, versandt von Heinrich Lippschitz 
in Hürben nach München (1882)
  
Huerben Dok 150.jpg (97391 Byte) Huerben Dok 150a.jpg (122325 Byte) Huerben Dok 150b.jpg (99302 Byte)
    Die Postkarte wurde am 3. August 1882 von Hürben aus versandt.
     
Postkarte, versandt von Albert Stein 
in Hürben nach Augsburg (1882)
  
Huerben Dok 1605.jpg (145897 Byte) Huerben Dok 1605a.jpg (112932 Byte)

Die Postkarte, geschäftlicher Art, wurde versandt am 5. Juni 1882 von Herrn Albert Stein in Hürben an die Herrn Wernecker & Farnbacher in Augsburg. Albert Stein wurde 1845 im böhmischen Halladei* geboren. Er war verheiratet mit Sophie geb. Harburger, eine am 21. Juli 1854 geborene Tochter von Seligmann Harburger und Mathilde Kahn. Albert Stein, der als Glasermeister tätig war, starb am 5. Februar 1923 in Krumbach, seine Frau Sophie ist bereits am 1. Juli 1918 gestorben. Das Ehepaar hatte neun Kinder: Klara (1878, verh. Coblans), Juli (1880), Seligmann (1881), Jeanette (1883), Max (1884), Wilhelm (1885), Hedwig (1887, verh. Bauer), Rosa (1888), Sigmund (1890). In der NS-Zeit sind von den genannten Personen umgekommen: Jeanette Stein (1883), Hedwig Bauer geb. Stein (1887) und Sigmund Stein (1890).
Quellen: https://www.geni.com/people/Albert-Stein/6000000007454024249  und Website Jewish Genealogy in Bavarian Swabia    

*) einen Ort Halladei gibt es in Böhmen nicht, möglicherweise Lesefehler für Kaladey bzw. Kaladai, heute: Koloděje nad Lužnicí, wo es eine große jüdische Gemeinde gab (1899 94 jüdische Familien, darunter mindestens eine Familie Stein). Siehe geni.com "Jewish Families from Koloděje nad Lužnicí".        

     
Postkarte an Marx Rosenthaler 
in Hürben (1888)
   
Huerben Dok 027.jpg (93135 Byte) Huerben Dok 027a.jpg (160838 Byte)
  Die Postkarte mit geschäftlichem als auch privatem Hintergrund wurde von München aus am 29. Juli 1888 nach Hürben geschickt. Die Karte enthält eine Bestellung an Herrn Marx Rosenthaler sowie private Zeilen von Kusine Auguste an Frau Fanni Rosenthaler (geb. Kahn).    
      
Postkarte an Klärchen Neuburger
in Hürben (1898)
   
Huerben Dok 370.jpg (194132 Byte) Huerben Dok 370a.jpg (117779 Byte)
    Die Lithographie Karte aus Frankfurt wurde an Frl. Klärchen Neuburger bei Benno Neuburger in Hürben am 19. Dezember 1898 von Heidelberg aus verschickt. Da in genealogischen Seiten mehrere Personen mit Namen Klara (Klärchen) Neuburger mit Bezug zu Hürben genannt werden (der Geburtsjahrgänge 1868, 1882 und 1883) und auch Benno (= Bernhard oder Benedikt?) Neuburger mehrfach vorkommt, kann derzeit keine eindeutige Identifizierung vorgenommen werden (nach Recherchen von Peter Karl Müller).     
     
Dokument zum Bankgeschäft von 
Isaias Weiskopf
Krumbach Dok 390.jpg (212800 Byte) Krumbach Dok 390a.jpg (74518 Byte)
Krumbach Weiskopf 010.jpg (38162 Byte) Bankier Weiskopf (auf Foto links mit seiner Frau Frieda geb. Gump) hatte ein Bankgeschäft in Krumbach(-Hürben) mit Filialen in Thannhausen, Fischach, Mindelheim und Türkheim. Von Altenstadt her kommend, hatte Weiskopf 1888 die Filiale des Augsburger Bankgeschäfts Gerstle & Bühler in Hürben übernommen. Er baute das Geschäft völlig um. 1910 nahm er seinen Schwiegersohn Jakob Spanier in das Bankgeschäft auf. Seine Frau Frieda starb noch in Krumbach. 1938 war Weiskopf gezwungen, die Bank zu schließen; sie wurde von der Bayerischen Hypotheken- und Wechsel-Bank übernommen. Isaias konnte mit der Familie der Tochter über London in die USA emigrieren (Quelle: "Ein fast normales Leben - Erinnerungen an die jüdischen Gemeinden Schwabens" Ausstellung der Stiftung Jüdisches Kulturmuseum Augsburg-Schwaben 1995. S. 100.161)

    
    
    
Sonstiges 
Erinnerung an die Auswanderungen im 19. Jahrhundert: Grabstein in New York für Maier Lemberger aus Hürben (gest. 1894)   

Huerben NY Cyprus 1751.jpg (79995 Byte)   Huerben NY Cyprus 1751a.jpg (150033 Byte)   Grabstein für "My dear wife and our beloved mother  
Amelia Lemberger 
born in Gailingen Baden 
 who departed this life May 15th 1893 in her 71st year"  
und für "Our beloved father  
Maier Lemberger  
born in Huerben Bavaria 
who departed this life Nov 11th 1894 in his 76th year."  

  
  
  
Berichte zum jüdischen Ferienheim des Israelitischen Vereins für Ferienkolonien zu München 
  
Hinweise:
Das Gebäude der Ferienkolonie für jüdische Kinder befand sich in Krumbach im Gebäude Brunnenstraße 5. Im Haus war im Ersten Weltkrieg zeitweise ein Lazarett. In der NS-Zeit wurde es als Ausbildungsstätte für Fliegerkorps zweckentfremdet. Nach 1945 war in ihm für wenige Jahre ein Lager für jüdische DPs (Displaced Persons) und auch eine Talmudschule / Rabbinatsschule. 
Das Gebäude wurde 2008 abgebrochen. Auf dem Grundstück wurde ein Neubau für eine Wohngruppe für Menschen mit erworbener Hirnschädigung erstellt (Träger: Ursberger Dominikus-Ringeisen-Werk). 
Zum Abbruch des historischen Gebäudes  erschein ein Artikel in der Augsburger Allgemeinen vom 13. Juli 2008.  
Am Neubau befindet sich eine Gedenktafel zur Erinnerung an die jüdische Ferienkolonie.    
Zur Geschichte der DP-Lagers und der Talmudschule siehe einen Beitrag von Jim. G. Tobias bei haGalil.com vom 25. Juli 2011 (mit weiterem Literaturhinweis). 
    
 
Bericht über die jüdische Ferienkolonie als nachahmenswertes Beispiel (1902)  

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. September 1902: "Nürnberg, 28. August (1902). Bei einem Besuche in Hürben nahm ich Gelegenheit, die jüdische Ferienkolonie der Münchner israelitischen Gemeinde kennen zu lernen. Was ich da sah und hörte, bereitete mir große Freude. Der Verein besitzt dort sein eigenes Heim, welches für diesen Zweck umgebaut wurde. Dasselbe hat eine vorzügliche Lage, einen großen Tummelplatz an der Kammel, wo die Kinder baden können, so viel sie wollen. Zuerst waren 25 Mädchen da mit einer Lehrerin und jetzt sind 25 Knaben mit einem Lehrer angekommen.  
In allen Städten sind die Volksfreunde an der Arbeit, die große Wohltat eines Landaufenthalts immer mehr armen Kindern zuteil werden zu lassen, welches Streben nicht genug anzuerkennen ist. Von Seiten der großen israelitischen Gemeinden hört man da aber noch sehr wenig. Und wie groß ist das jüdische Proletariat in den Großstädten! München hat den Weg gewiesen, möge dies Beispiel bald recht viele Nachahmung finden. Überall gibt es edle, hochherzige Menschen, und nicht zum wenigsten hier in Nürnberg, die gern bereit wären, ihr Scherflein zu diesem wahrhaft edlen Zwecke beizutragen, wenn sich die richtigen Personen an die Spitze stellen. Unter der Leitung eines tüchtigen Pädagogen kann der Einfluss dieser Kolonien auch für die jüdische Erziehung nur ein sehr ersprießlicher sein. Also auf, ihr Philanthropen, und erbarmt Euch der bedauernswerten israelitischen Jugend, die in den elendesten Wohnung nur zu oft den Keim für späteres Leiden in sich aufnehmen muss. Machen wir sie wenigstens widerstandsfähig. Ach, schon das freudestrahlende Gesicht dieser glücklichen Kinder wäre Lohn, der reichlich lohnt."     

          
Zum 70. Geburtstag von Frau Johanna Kohn geb. Villmann in München und über ihre Verdienste für das Ferienheim (1911)   

Huerben AZJ 31031911.jpg (161149 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 31. März 1911: "Am 18. dieses Monats beging Frau Johanna Kohn geb. Villmann in aller Stille fern von München ihren 70. Geburtstag; sie hat sich zwar alle Ehrungen verbeten, gleichwohl möge hier der bisherigen Bestrebungen der Genannten auf karitativem Gebiete in Kürze gedacht werden. Frau Johanna Kohn ist seit dem Jahre 1873 Mitglied des Frauenausschusses des Israelitischen Frauenvereins, des größten jüdischen Vereins in München, seit 1888 zweite und seit 1899 erste Vorsteherin desselben; damit im Zusammenhang ist sie seit fast 40 Jahren tätiges Mitglied der Frauenchewra, die sie seit vielen Jahren ebenfalls in vorbildlicher Weise leitet. Am 27. Dezember 1910 beging der israelitische Verein für Ferienkolonien und zur Bekleidung von Schulkindern in München sein 25-jähriges Jubiläum; der Verein hatte nach seinem ersten Jahresbericht einen Etat von 1.560 Mark, ein Vermögen von 400 Mark und 195 Mitglieder, bekleidete im ersten Jahre 50 Kinder und schickte 1892 zum erstenmal 4 Kinder in die Ferien. 1910 wurden 318 Kinder vollständig gekleidet, 106 Kinder auf mehrere Wochen in das schöne Ferienheim des Vereins nach Hürben-Krumbach (Schwaben) entsendet; der Verein hat jetzt ein Vermögen von 38.000 Mark und etwa 700 Mitglieder. Frau Johanna Kohn ist Mitbegründerin dieses Vereins und jetzt seit Jahren Kassiererin und zweite Vorsteherin desselben. Sie gehört auch dem Kuratorium des Israelitischen Schwesternheims seit dessen Gründung an und dem Ausschuss der Ortsgruppe München des Vereins für das liberale Judentum in Deutschland. Mögen der allseits verehrten Frau in ihrem bescheidenen verdienstvollen Wirken auf dem Gebiete echt jüdischer opferfreudiger Menschen- und Nächstenliebe noch ungezählte Jahre in Gesundheit beschieden sein!"  

  
Über das Ferienheim (1912)  

Huerben AZJ 23081912.jpg (50803 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 23. August 1912: "Der Israelitische Verein für Ferienkolonien zu München hat dieses Jahr je 53 Knaben und Mädchen in das ihm gehörige Ferienheim in Krumbach-Hürben (Schwaben) geschickt und besonders erholungsbedürftige 28 Kinder unter Beihilfe des Israelitischen Vereins für Kindergärten und Frauenhilfe als Vorkolonie vor Beginn der Schulferien dorthin entsandt. Der erstere Verein kann nunmehr bereits auf ein 28jähriges segensreiches Wirken zurückblicken."

 
Bericht über die Ferienkolonie in Krumbach (1926)  

Krumbach BayrGZ 08091926.jpg (283839 Byte)Artikel in der "Bayerischen israelitischen Gemeindezeitung" vom 8. September 1926: "Die Ferienkolonie in Krumbach. Am Sonntag, dem 14. August, in aller Herrgottsfrüh, um 6 Uhr, machte sich eine Reihe von Damen und Herren, welche in München fürsorgerisch tätig sind, auf, um das in vollem Betrieb befindliche Ferienheim in Krumbach (Schwaben) des Münchener israelitischen Vereins für Ferienkolonien und zur Bekleidung von Schulkindern, zu besuchen. Sie wurden dort freudig vom Lokalkomitee, von Schwester Laura, welche heuer zum achtzehnten Male Ferienkolonisten betreut, und ihrer Nichte als Helferin, sowie von der neuen Hausverwalterin Frau Adler, empfangen. Auch die Kinder, 54 an der Zahl, zeigten eine herzliche Freude über den Besuch, welcher ja in erster Linie ihnen galt. Sie bewiesen nachmittags durch Vorführung von reizenden Tänzen, humorvollen Deklamationen und Gesang und einem kleinen, gut gespielten Theaterstück, dass Schwester Laura und ihre Nichte nicht nur auf die körperliche Erholung ihrer Schutzbefohlenen achten, sondern durch geistige Anregung Munterkeit und Lebensfreude in der Jugend wecken. Es war rührend, mit welch ungekünstelter, herzlicher Liebe die Kinder an beiden hängen, wie auch an der Frau Verwalterin, welche mit größtem Eifer und Verständnis Haus und Küche in Ordnung hält. Ein Gang durch alle Räume überzeugte uns von tadelloser und praktischer Einteilung allenthalten. Ein Teil des Hauses steht während der Monate außerhalb der Ferien für erholungsbedürftige Frauen und Mädchen bereit. Es wäre wohl zu überlegen, ob nicht innerhalb der Schulzeit besonders schwächliche Schuler oder vor der Schulpflicht stehende Kinder, wie das schon vor der Kriegszeit war, das Ferienheim genießen könnten. Räume sind ja genügend da. Um bei etwa vorkommender ansteckender Erkrankung die anderen Kinder zu bewahren, wurde auf Anregung des Herrn Bezirksarztes, welcher mir bei einer Unterredung seine vollste Zufriedenheit mit unseren Einrichtungen kundgab, eine eigene Absonderungsabteilung geschaffen, aus welcher ein rasch genesendes, nicht mehr ansteckungsfähiges Kind bald wieder zu seinen Kameraden zurückkehren oder ein längerer Behandlung bedürftiges, ohne die Mitbewohner des Hauses zu gefährden, dem Krankenhause zugeführt werden kann. Schwester Laura ist durch ihre beruflichen Kenntnisse in der Lage, die Gesundheit der Zöglinge zu überwachen und rechtzeitig ärztlichen Rat einzuholen. Dass die Verköstigung reichlich und entsprechend ist, dafür spricht das gute Aussehen der Kinder. Dem lebhaften Dank für die Bemühungen des Krumbacher Ortsausschusses um die Kolonie, für die Tätigkeit der Schwester Laura und der Verwalterin gab Herr Albert Landauer trefflichen Ausdruck. Ihm, dem geistiger Urheber und Förderer der segensreichen Einrichtung, wie auch der Münchener Vorstandschaft und den anderen Gästen wurden liebe Worte gewidmet. Neben guter Verpflegung und Wartung bieten Luft- und Lichtgenuss auf dem Spielplatz, Spaziergänge in den schönen Wäldern beim Krumbad, Badegelegenheit in der sehenswerten städtischen Badeanstalt, alle Möglichkeiten der Erholung und Kräftigung. Haben doch nicht nur die Kinder der Ärmsten, sondern die aller Stände, besonders des finanziell gesunkenen Mittelstandes, nach langer, anstrengender Unterrichtszeit einen richtigen Genuss der Ferien so nötig! Ihr Wert an körperlicher Stärkung und geistiger Erfrischung ist überaus hoch. Vor Jahren konnte ich gerade an Krumbacher Ferienkolonisten nachweisen, dass richtig angewandte Ferientage denen, welche während des Schuljahres unter schlechten Wohnungs-, Ernährungs- und manchmal Familienverhältnissen leiden, innerhalb einiger Wochen einen Zuwachs an körperlicher Gesundheit bringen, welcher oft das während der Schulzeit gegenüber Gleichaltrigen bestehende Mindermaß einholt, namentlich, wenn ein öfterer Genuss der Ferienkolonie ermöglicht wird. Doch auch die Schule zieht von dieser Förderung Nutzen. Durch leibliche Gesundheit und geistige Frische wird der Schulerfolgt begünstigt. Als auswählender und vorschlagender Arzt und Schularzt bedauere ich immer wieder, dass die Ferienkolonienvereine, auch unsere Münchener, für jüdische Kinder nicht so viel Mittel haben, um alles Erstrebenswerte zu leisten, namentlich auch zu wenig, um Kränkliche, sehr Schwächliche, welche besonderer Obsorge bedürfen, in geeignete Heime und Heilstätten genügend lange zu schicken. Den sich mit solch edler Menschenliebe befassenden Vereinen sollten weit mehr Spenden zufließen. Segensreiche Stiftungen – zum großen Teil sind sie ja der bösen Zeit zum Opfer gefallen – sollten erhöht oder neu geschaffen werden. Gesundheit und damit Glück für einzelne, für die Familie, für die Gesamtheit erwächst hier. Welch erhebendes, beglückendes Gefühl ist es, blasse Wangen wieder erblühen, magere Gesichtchen sich wieder runden, müde Augen erglänzen, schwache Glieder wieder erstarken zu sehen! Gibt es ein schöneres Geschenk? Doernberger."


25 Jahre Ferienheim in Krumbach (1927)  

Krumbach BayrGZ 15041927.jpg (277510 Byte)Artikel in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15. April 1927: "25 Jahre Ferienheim in Krumbach. Am 1. April ist ein Vierteljahrhundert verflossen, seit die Münchener israelitische Wohlfahrtspflege Besitzerin eines Hauses ist, aus dem unendlich viel Segensreiches hervorgegangen: das Ferienheim in Krumbach des israelitischen Vereins für Ferienkolonien und zur Bekleidung von Schulkindern. Der Verein, 1884 zunächst für Bekleidung armer Kinder gegründet, hat 1892 ganz klein den zweiten Teil seiner Wirksamkeit begonnen, zuerst mit Beisteuern zum Landaufenthalt von 4 Schulkindern, dann, gefördert durch gute Menschen, stetig fortschreitend, bis 1900 die erste Kolonie unter eigener Führung in gemietete Räume nach Krumbach entsandt wurde. 1902, am 1. April erwarb der Verein ein Anwesen in diesem freundlichen, schwäbischen Ort, von dessen jüdischer Gemeinde herzlichst begrüßt. Der Bau wurde nach Möglichkeit der finanziellen Lage und den Bedürfnissen angepasst; am 16. Juli erfolgte die Einweihung des Heims, das in jenem Jahre in 2 Ferienhälften je 25 Münchener Kinder beherbergte. Die Knabenkolonie wurde in den ersten Jahren von einem Lehrer, die Mädchenkolonie von einer Dame betreut, denen eine Krankenschwester zur Seite stand, während ein Verwalterehepaar das Wirtschaftliche versah. 1908 konnte eine weitere bauliche Verbesserung ausgeführt werden; der Wunsch nach einem Umbau auch des letzten alten Flügeln ließ sich aus pekuniären Gründen bis heut noch nicht erfüllen. Im letzten Jahre ist mit Unterstützung der Münchener Kultusgemeinde ein Isolieraufbau errichtet worden.
Es war trotz mancher Sorgen möglich, beide Kolonien stets reichlich zu beschicken; allmählich waren es zweimal 50 Kinder, die die Wohltat der Landerholung genießen konnten. Das Jahr 1914 sollte wieder eine Steigerung der Vereinsleistungen bringen; im Juni wurde eine Vorkolonie von schwächlichen und daher vom Unterricht dispensierten Kindern gepflegt, und hierauf sollten zwei Ferienkolonien folgen. Da kam der Krieg; am 3. August schon kehrten die Knaben heim, und die Mädchenkolonie musste unterbleiben. Aber 1915 und in den folgenden Jahren gelang es wieder, den Vollbetrieb zu führen, sogar zweimal mit einer Vorkolonie. Die Rationierung der Lebensmittel und die Verteuerung beeinträchtigen natürlich vieles; aber guter Wille aller Mitwirkenden und verschiedener Vereine, sowie größere Auslandsspenden schafften einen kleinen Ausgleich. Als dann die Teuerung auch bei der Bahn, die Verkürzung der Ferien und endlich der bedauerliche Rückgang der Kinderzahl die Vereinstätigkeit zwingend beschränkten, schickte man in den letzten Jahren allsommerlich nur eine Kolonie von 53 Knaben und Mädchen, die demgemäß die ganze Ferienzeit Erholung und dadurch großen Vorteil genossen. Die Vereinsleitung hofft aber mit Bestimmtheit, die Ferienzeit verlängern und dadurch wieder 2 Serien von Kindern aufnehmen zu können, da die Schulbehörde wohl sicher schwächlichen Kindern einen Dispens von 2 Wochen vor den großen Ferien gewähren, andern Schülern eine Überweisung gestatten wird. Dadurch wird es auch möglich sein, Kinder aus weiteren Kreisen aufzunehmen, aus Familien, wo aus gesundheitlichen, beruflichen oder sonstigen Gründen die Eltern nicht verreisen, wohl aber die Kosten der Erholung für ihre Kinder tragen können.
Gleich den Wünschen und Plänen für das Ferienheim ist aber auch seine Wirksamkeit nicht stehen geblieben. Der Verein hat seine heizbaren Räume außerhalb der Ferienzeit dem Münchener israelitischen Frauenverein von 1830 für erholungsbedürftige weibliche Personen zur Verfügung gestellt, und der Frauenverein zahlt, eventuell mit Zuschüssen der Betreffenden, für diese Frauen und Mädchen die Verpflegungskosten und nach Möglichkeit eine Pauschale für Licht, Heizung, Inventarbenützung. Im Jahre 1926 sind bei 19 Frauen und Mädchen die besten Erholungsresultate erzielt worden. Dieses schöne Zusammenarbeiten zweiter Vereine beweist, wie Einigkeit stark macht. Der Frauenverein ist auch gern bereit, weibliche Personen von außerhalb Münchens aufzunehmen, wozu ein Anfang schon gemacht ist. Die Vorzüge des Heims sind seine schöne Lage mit großem Garten, gute Verpflegung und gemütlicher Anschluss im Hause, der freundliche Ort selbst, in dem eine jüdische Gemeinde und ein liebenswürdiges Lokalkomitee sich befinden, eine schöne Synagoge mit regelmäßigem Gottesdienst besteht, also all das, was Behagen und Heimatgefühl schaffen kann.
An leiblicher und seelischer Förderung, an liebreicher, verständnisvoller Erziehung ist aus diesem heim schon viel Gutes in diesen 25 Jahren entsprossen, und manche, die jetzt Väter und Mütter sind, gedenken dankbar der schönen Ferienwochen ihrer Schulzeit im Krumbacher Heim. Dass alles sich weiter gesegnet entwickle und beglückend wirke, dass der Verein in die Lage komme, innerlich und äußerlich auf- und auszubauen und immer mehr leisten zu können für diejenigen, denen zu dienen ihm liebe Pflicht ist, dazu gebe Gott seinen Segen für weitere Jahrzehnte! Rosa Werner."

   
Bericht über die Ferienkolonie in Krumbach (1927)  

Krumbach BayrGZ 24081927.jpg (264679 Byte)Artikel in der "Bayrischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 24. August 1927: "Ein Besuch im Kinderlande von Direktor Dr. Elias (Fürth) (Zum 25jährigen bestand der Münchener Ferienkolonie in Krumbach). Umsäumt von den heimlich rauschenden Wassern der Kammel, wohl geborgen im Schoß der altehrwürdigen Gemeinde Hürben, dehnt sich an der Peripherie des Ortes, dem Staube der Landstraße entzogen, ein großer, grüner Rasen vor mir aus, und darüber erhebt sich ein freundliches Haus mit der Aufschrift: Ferienkolonie München. Und längst verklungene alte Bilder tauchen wieder empor aus der Vergessenheit und führen die bewegte Seele zurück ins Land meiner Kindheit. Wie zählten wir die Wochen und Tage bis zu dem Moment, wo die Kolonien abgingen, nach Wassertrüdingen oder Hürben oder Ingolstadt!
Und während wir uns schon wie selbstverständlich der Freude hingaben, war das Komitee in größter Sorge, da es nicht wusste, wie es die Gruppen legen und teilen sollte, um Platz zu bekommen. Bis vor 25 Jahren die ideale Lösung erfolgte. Da kam er, der vor kurzem in die Erde gebettet wurde, Albert Landauer, und kaufte den Platz hier und schuf den Kindern ein festes geräumiges Heim.
Eine Fülle reinster Glückseligkeit und echter Kinderfreude liegt in diesem Gebäude geborgen. Die Großen und Reichen mögen sich ihre Kurplätze noch so viel kosten lassen, nie werden sie die Freude an der Sommerfrische so natürlich erleben, nie so die Begeisterung fühlen, die wie ein elektrischer Funke durch die jungen Seelen geht, alle miteinander verbindet und den Ankömmling unwillkürlich in den Strudel kindlichen Erlebens hineinreißt.
Es ist morgens. Der grüne Anger wimmelt von einem Rudel wilder Gesellen, kleiner und großer, von Buben und Mädels. Ist es nicht, als ob die Seelen aufjauchzten, weil sie der Natur zurückgegeben, weil sie nicht mehr beengt sind von dicker Stadtluft, vom Drucke bitterernster Sorge, die über Vätern und Müllern lagert, weil sie entronnen sind den unerquicklichen Familienverhältnissen, die manche von ihnen das Jahr über beschatten?
Sechs Wochen lang dürfen sie Kinder sein, dürfen sie sich sonnen in der Farbenpracht, wie sie nur das Land zeigt, und die doch so unendlich wichtig ist für die geistige und seelische Entwicklung eines gesunden Kindes. Und um jede Spur von sozialer Verbitterung zu tilgen, sind soundso viele Mittelstandskinder dabei und niemand weiß, wer zahlt und wer nicht.
Da geht bald eine merkwürdige Metamorphose vor sich: Die Wangen röten sich, die Backen füllen sich und die Sonne bräunt die Leiber. Wie sie Purzelbäume schlagen, Zelte bauen, Wasser treten (das Bad ist gerade davor), Wettkämpfe ausfechten im Laufen und Springen, da rächen sie sich für 11 Monate der Kopfarbeit und quetschender Enge. Und erst die Kinderfeste! Die Tanten wissen gar nicht, welche Quelle der Freude ihre Geburtstage werden können. Das sind Gelegenheiten für Spiel und Gesang, Für Reigen und Aufführungen. Da schütten sie alle Anhänglichkeit, deren so ein Kind fähig ist, alle Phantasie und alle Talente, die wir unter uns bergen, aus und alles mit entzückender Naivität: Oberschwester hat einen Mückenstich bekommen. Ganz begeistert erzählt mir da so ein Dreikäsehoch: ‚das trifft sich ganz gut, ich hoffe, dass ihre Kopfschmerzen noch anhalten, damit sie nichts von den Vorbereitungen merkt, die für ihren Geburtstag am nächsten Sonntag getroffen werden.’
In der Tat wird hier Liebe gespendet und zur Liebe erzogen. Mit unendlicher Geduld und bewundernswerter Energie hält die Oberschwester und ihre treuen Gehilfinnen diese Schar zusammen, mit hausmütterlicher Gewissenhaftigkeit sorgt die Frau Verwalter für die leiblichen Bedürfnisse und Behaglichkeit. Und kommt gar der Sabbat, da senkt sich eine zweite Seele hernieder, ein Stäubchen Ambra erfüllt die Luft und ein besonderes Gewürz liegt in den Speisen. Dann kommt nach Mincha der vertraute Gast des Hauses, Herr Weißkopf, und erzählt den Lauschenden von der Sidra. Manch feiner Gedanke blitzt da auf, manch ernster Entschluss reift da zur Tat, so mancher Plan erwacht fürs Leben.
Oft komme ich da vorüber, und immer bleibe ich stehen und weide mich an der natürlichen Anmut und Lieblichkeit der Gestalten. Oft aber sind sie längst vom Rasen verschwunden, während ich noch bei ihnen bin. Wer auch, der Herz und Sinn hat für Kinder, der eine Ahnung hat von der Tragik von Großstadtkindern, kann sich dem Zauber entziehen, der da gewoben wird aus Kinderträumen und Jugendglück? Möge es noch vielen Kindern zugute kommen, möge es vor allem der rührigen Protektorin, Frau Professor Werner, beschieden sein, die fernere Entwicklung der Kolonie noch lange zu verfolgen und zu leiten!"

 
Bericht über die Ferienkolonie in Krumbach (1927)
  

Krumbach BayrGZ 11111927.jpg (52809 Byte)Artikel in der "Bayrischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 11. November 1927: "Ferienheim Krumbach. Der Israelitische Frauenverein von 1830 hat ein übereinkommen mit dem israelitischen Verein für Ferienkolonien und zur Bekleidung von Schulkindern in München getroffen und nimmt außerhalb der großen Ferien und des Pesachmonates in das Ferienheim in Krumbach Frauen und Mädchen auf, die der Erholung bedürfen. Auch weibliche Personen, die nicht in München wohnen, kommen in Betracht, jedoch nur Erholungsbedürftige und Rekonvaleszenten, aber keine Kranken. Das Heim bietet gesunde, behagliche Zimmer, gute Verpflegung, schönen Garten. Nähere Auskünfte sind zu erhalten bei der Vereinsleitung, München, Herzog-Max-Straße."

  
Bericht über die Ferienkolonie in Krumbach (1928) 

Krumbach BayrGZ 04091928.jpg (173626 Byte)Artikel in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 4. September 1928: "Von der Ferienkolonie München in Krumbach (Schwaben). Im lieblichen Kammeltal, dessen Talwände ausgebreitete Laub- und Nadelwälder tragen, liegt idyllisch schön das Ferienheim des ‚Münchener Vereins für Ferienkolonien und zur Bekleidung von Schulkindern’. Große schöne Räume, helle Schlafsäle, Speise- und Spielsaal, die im Vorjahre mit großem Kostenaufwand neu ausgestattet wurden, stehen der Kinderschar zur Verfügung. Unmittelbar vor dem Gebäude zieht sich eine große Grasfläche hin, die mit Obstbäumen aller Art bewachsen ist und den Kindern Halbschatten bietet. Hier tummeln sich die Kinder und führen Spiele aller Art aus. Am Südende des Gartens hat die Stadtgemeinde ein der Neuzeit entsprechendes Flussbad eingerichtet mit Schwimm- und Sonnenbad. Das von ärztlicher Seite gerühmte milde Kammelwasser lädt zum Bade ein, und besonders in diesem heißen Sommer können die Koloniekinder sich erfreuen und stärken, durch fleißiges Baden in der Kammel. Die derzeitige Verwalterin, Frau Regina Adler, setzt ihren Stolz darin, gute kräftige Kost zu verabreichen, und so waren alle Vorbedingungen gegeben, dass die aus 54 Köpfen, Knaben und Mädchen bestehende Ferienkolonie unter Führung der Oberschwester Frl. Laura Hahn und der zum ersten Male sich betätigenden Tante, Frl. Kohn, einer Enkelin des verewigten Gründungsmitgliedes, Frau Johanna Kohn, Erholung und Stärkung suchen und finden konnte. Am 22. August fand die Schlussfeier statt, die in diesem Jahre ein festliches Gepräge erhielt, da die Oberschwester das 20. Mal die Kolonie hierher begleitete. Gesänge und Vorträge wechselten ab mit kleinen Theaterstücken und rhythmischen Tänzen. Ein Mädchen trug ein zu Ehren des Tages verfasstes Gedicht vor, das die Liebe und Güte der Oberschwester Preist, und überreichte ein Blumenbukett. Hauptlehrer Kahn dankte im Namen des Vereins und der Vorstandschaft der verehrten Oberschwester für alle Mühe und Hingebung, die sie der Kolonie erwiesen, rühmte besonders ihre Verdiente um das gute Gelingen der edlen Sache und überreichte ihr, da sie sich jedes Geschenk verbeten hatte, ein in schönem Rahmen gefasstes Bild der Ferienkolonie, als Andenken an die Stätte ihrer ersprießlichen Tätigkeit. Sichtlich gerührt dankte die Jubilarin für die Huldigung. Möge die Ferienkolonie sich weiter der Gunst ihrer Mitglieder erwerben und neue Freunde und Gönner gewinnen!
Der Israelitische Frauenverein von 1830 bietet außerhalb der Koloniezeit im Ferienheim in Krumbach, erholungsbedürftigen Frauen und Mädchen liebevolle Aufnahme zu billigem Verpflegplatz (Unbemittelte gratis)."

   
Bericht über die Ferienkolonie in Krumbach (1929) 

Krumbach BayrGZ 01091929.jpg (234693 Byte)Artikel in der "Bayerischen israelitischen Gemeindezeitung" vom 1. September 1929: "Ein Besuch in der Ferienkolonie Krumbach. Wehende Fahnen und Taschentücher, ein hebräischer Sang aus hellen Knabenkehlen, poetischer Willkomm aus fröhlichem Mädchenmund begrüßten uns, die wir der freundlichen Einladung des ‚Israelitischen Vereins für Ferienkolonien und zur Bekleidung von Schulkindern’ gefolgt waren, das Heim in Krumbach zu besichtigen. Ein stimmungsvoller Auftakt zu all dem schönen und Wertvollen, das unser noch harrte. Unter sachkundiger Führung der Leiterin, Frau Adler, und der unermüdlich wirkenden Oberschwester Laura, die heuer zum zwanzigsten Male die Ferienkolonie betreut, wanderten wir durch die freundlich-hellen Räume des Heims, standen bewundernd in den bildergeschmückten hygienischen Schlafräumen, die augenblicklich 54 Kindern Ruhe und Erholung gewähren wollen vom Lärm und Getriebe, aber auch von den Entbehrungen des Großstadtlebens und –Hastens. Und dass dieser Zweck erreicht wird, das bezeugten uns die glückstrahlenden Augen der jugendlichen Schar, die ihre roten Wangen neben der frischen Luft des schönen Schwabenstädtchens, das bekanntlich auch anderen Heilbedürftigen in seinem ‚Krumbade’ Genesung bringt, nicht zum mindestens der vorzüglichen Verpflegung verdankt, die ‚Mutter Adler’ ihnen zuteil werden lässt. Wir können auch davon ein Liedchen singen, denn das ‚einfache Mahl’ , das uns angeboten wurde, legte Zeugnis ab von dem hervorragenden Können dieser trefflichen Fau. Und mit Recht feierte in gewohnt-gewandter Weise Frau Rabbiner Dr. Baerwald mit allen übrigen Rednern die Verdienste der Leiterin und ihrer bewährten Helferinnen und gedachte pietätvoll-dankbar der beiden Verstorbenen, deren Name und Wirken mit der Geschichte und dem Aufstieg des Ferienheims unlösbar verbunden bleiben werden: Rosa Werner und Albert Landauer, der aus seinem Bilde glücklich lächelnd hernieder schaute auf die festliche Schar der Erwachsenen und Kleinen. Und als nun nach dem Mahle aus Kindermund das Tischgebet in vollendeter Weise erscholl, als man hörte, wie fröhlich die ganze Schar von groß und klein in die Chöre einstimmte, da merkte man, dass neben dem Leib auch nicht der Geist, vor allem der religiöse, vernachlässigt wird. (Wie mir nachher berichtet wurde, versammelte an jedem Schabbosnachmittag der Vorsteher der Gemeinde, Herr Weißkopf, die Jugend, um ihr vom Wochenabschnitt und seinen Lehren zu erzählen). Und nun noch eine Überraschung: im Nebensaal wurden die Stühle zusammengerückt, man nahm Platz und lauschte erstaunt den auf seltener Höhe stehenden künstlerischen Darbietungen der Kinder, die sich als Sänger, Tänzer und Schauspieler von erstaunlich-natürlicher Begabung zeigten und Zeugnis davon ablegten, dass die ‚Tanten’ des Heims es meisterlich verstehen, Jugendlust und -freude zu erwecken. Unwillkürlich fiel mir Jean Pauls Wort ein: ‚Heiterkeit ist der Himmel, unter dem alles gedeiht, Gift ausgenommen!’ Allzu schnell verflossen die Stunden, und schweren Herzens nahm man Abschied mit innigem Dank für Herrn und Frau Louis Selinger, die in so mustergültiger Weise die Vorbereitungen der Besichtungsfahrt durchgeführt und die uns auch im Laufe des Vormittags mit berechtigtem Stolz freudestrahlend die Sehenswürdigkeiten ‚ihres’ Krumbachs gezeigt hatten. Man schied mit dem Bewusstsein: Im Ferienheim Krumbach wird unter bewährter Leitung Vorbildliches geleistet zum Segen einer erholungsbedürftigen Jugend. Und ich bin sicher: Alle Kinder, die jemals das Glück hatten, in der Ferienkolonie Krumbach weilen zu dürfen, scheiden aus dem Heime mit dem Bedauern, dass diese schöne Zeit vorbei ist, und mit der Hoffnung, dass sie im kommenden Jahre wieder nach Krumbach dürfen. Tun wir das Unsrige, ihnen diese Sehnsucht zu verwirklichen! Dr. S. Kessler."  


Singwoche im Ferienheim in Krumbach (1931)  

Krumbach BayrGZ 01071931a.jpg (212389 Byte)Artikel in der "Bayerischen israelitischen Gemeindezeitung" vom 1. Juli 1931: "Aus bayerischen Gemeinden. Die Singwoche in Krumbach (Bayerisch Schwaben) vom 2. bis 9. September 1931. In anderen Gegenden Deutschlands ist die Abhaltung von so genannten Singwochen schon zu einer ständigen Einrichtung geworden. Hier in Süddeutschland und vor allem in den jüdischen Kreisen kennt man dagegen kaum den Namen, geschweige denn das Wesen einer solchen Singwoche. Daher mag es berechtigt sein, zunächst hievon eine Darstellung zu versuchen:
Ein Kreis von Menschen – sowohl junge wie auch erwachsene -, die Freude am ungekünstelten, natürlichen Singen und an der Erarbeitung alter und neuer Lieder haben, verbringt eine Freizeit von etwa einer Woche möglichst abseits vom allgemeinen Trubel in einer schönen Gegend zur körperlichen und seelischen Erholung: das nennt man dann eine Singwoche. Etwas theoretischer Unterricht, Singen, Instrumentalmusik, Gymnastik, viel Aufenthalt in der freien Natur, so genannte Volkstänze und Vorträge mit Aussprachen sind einem festen Tagesplan eingegliedert, in dem auch für Ausspannung gesorgt ist. Hierbei kommt es aber vor allem darauf an, dass die Teilnehmer ein großes Maß von Selbstdisziplin und die Fähigkeit, sich einem vom Geiste der Gemeinschaft getragenen Kreis harmonisch einzufügen, mitbringen. Das Gelingen einer solchen Singwoche liegt also großenteils an den Teilnehmern selbst. Alles so genannte ‚Gesellschaftliche’, wie z.B. moderne Tänze, elegante Gesellschaftskleidung usw. hat hier keinen Raum; denn diese Freizeiten sind auf Natürlichkeit und Einfachheit abgestellt, ganz im Sinne der Jugendbewegung, aus deren Geist heraus sie seit 1923 entstanden sind, wo Walther Hensel die erste Singwoche hielt.
Allerdings besagt eine Beschreibung recht wenig. Man sollte meinen, dass es kaum möglich sein kann, diese ganze Zeit von einer Woche nur in dieser Weise zu verbringen. Dass dies aber sehr wohl möglich ist, das beweist die immer größer werdende Zahl solcher Singwochen, die mit immer größerer Beteiligung heute schon ins ehr vielen Gegenden abgehalten werden. Mancher wird nun denken: hier möchte ich ja auch ganz gerne mittun, aber ich habe keine besondere Singstimme. Darauf kommt es nun gar nicht in erster Linie an; wer Freude zum Singen hat, auch wenn die Stimme selbst zunächst nur schwach ist, der wird sich besser für das Ganze eines solchen Chores eignen wie die glänzende Stimme, die stets alle anderen übertönen möchte.
Solche Singwochen wollen aber nicht nur eine musikalische Angelegenheit sein: in einer Zeit der Mechanisierung auf allen Gebieten wollen sie zugleich eine Selbstbesinnung wecken, dass wir nicht nur dem Menschlichen, sondern auch dem Göttlichen wieder unseren Sinn erschließen. Das Religiöse im allgemeinen Sinn, ohne dass eine bestimmte Festlegung erfolgen soll und ohne dass eine bestimmte Richtung besonders betont wird, soll die tragende Idee sein.
Da wird es nun begreiflich erscheinen, wenn nun auch einmal für jüdische Kreise der Versuch einer solchen Singwoche gewagt wird, und zwar ist es durch das weitgehende Entgegenkommen der Münchener Vorstandschaft wie der Hausverwaltung der Ferienkolonie in Krumbach (Bayerisch Schwaben) gelungen, in der Zeit vom 2. bis 9. September 1931 im dortigen Heim eine Singwoche zu halten. Unterkunft und gemeinsame Verpflegung ist in den Räumen der Krumbacher Ferienkolonie geboten. Die schöne Umgebung mit ihren hübschen Laub- und Nadelwäldern, ein Schwimmbad und ein gesundes Klima verbürgen auch eine körperliche Erholung. (Der Verschönerungsverein in Krumbach – Bayerisch Schwaben – versendet auch gerne gratis einen illustrierten Prospekt über Stadt und Umgebung).
Um nun vielen die Teilnahme zu ermöglichen (Höchst-Teilnehmerzahl etwa 50 Personen), ist die Teilnehmergebühr möglichst niedrig festgesetzt worden; sie beträgt für die ganze Zeit 30 RM. Darin ist inbegriffen
Krumbach BayrGZ 01071931b.jpg (121822 Byte)Verpflegung (rituell), bestehend aus drei Mahlzeiten, sowie Unterkunft, die im Heim unentgeltlich ist, ferner die Teilnahme an der Singwoche, die ebenfalls unentgeltlich erfolgt. Auf besonderen Wunsch können auch Privatquartiere besorgt werden, die aber in obigem Preis nicht inbegriffen sind. Es wäre jedoch wünschenswert, wenn möglichst viele Teilnehmer im Hause selbst wohnen würden, das mit seinen Schlafsälen und einigen Einzelzimmern alle Teilnehmer beherbergen kann (für Jungens und Männer sowie für Mädchen und Frauen in je einem besonderen Flügel des Gebäudes). Wer es vermag, soll vielleicht etwas mehr Beitrag entrichten, um anderen, die es beantragen, eine Ermäßigung gewähren zu können. Überschüsse fallen dem Heim zu.
Anfragen und Anmeldungen (unter Beifügung einer Freikarte oder eine Freikuverts) an Herrn Dr. Arthur Reichenberger, Ichenhausen bei Ulm. Die Teilnehmerliste wird am 1. August geschlossen. Es wollen sich jedoch nur solche Teilnehmer melden, die sich der Singwochen-Ordnung freiwillig einfügen; dazu gehört z.B. auch der Verzicht auf alkoholische Getränke (Freitagabend und Samstag ausgenommen und auch hier in kleineren Mengen) sowie auf das Rauchen während dieser ganzen Zeit.
Je weniger der einzelne von dieser Singwoche erwartet und je mehr er sich dem Ganzen einfügt, desto wertvoller kann sie uns allen werden. Wer sich amüsieren will, der bleibe fern; denn er kommt bestimmt nicht auf seine Rechnung. Wer aber sinn für Freude und echten Frohsinn hat, der wird diese bei unserer Singwoche ebenso finden wie den Ernst, den erste Arbeit erfordert; denn wir wollen uns etwas erarbeiten. Nicht willkommen ist uns ein vorlautes, anmaßendes, anspruchsvolles oder unerträgliches Wesen; denn dies zerstört jegliche Harmonie. Und die Langschläfer wie die Nachtbummler sind auch sehr schlecht bei uns daran: spätestens 10 Uhr abends ist Nachtruhe und morgens um 6 Uhr geht es schon wieder aus den Federn. Also überlegt es Euch, bevor Ihr Euch meldet! Aber überlegt es Euch auch nicht zu sehr, denn es ist vielleicht doch nicht so schlimm, wie Ihr befürchtet. Wie aus eigener Erfahrung versichert werden kann, ist so eine Singwoche etwas sehr Schönes, wenn… aber auf dieses ‚wenn’ kommt es nun eben bei jedem von Euch an. Wollen wir also sehen! Dr. Arthur Reichenberger, Ichenhausen bei Ulm."    

        

       

       

       

 

Senden Sie E-Mail mit Fragen oder Kommentaren zu dieser Website an Alemannia Judaica (E-Mail-Adresse auf der Eingangsseite)
Copyright © 2003 Alemannia Judaica - Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum
Stand: 29. April 2016