Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Ingenheim (Ortsgemeinde Billigheim-Ingenheim, VG Landau-Land, Kreis Südliche Weinstraße) 
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge 
   
Hinweis: bitte besuchen Sie auch die Website www.juedisches-leben-in-ingenheim.de

Übersicht:

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Allgemeiner Bericht zur Geschichte der Juden in Ingenheim  
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer und Kantoren      
Über das "Knabeninstitut Ingenheim"  
Aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben    
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde   
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen   
bulletLinks und Literatur   

       

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version)    
    
In Ingenheim bestand eine große jüdische Gemeinde bis 1940. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 16./17. Jahrhunderts zurück, wenngleich bereits 1347 vorübergehend einige aus Landau vertriebene jüdische Familien hier Aufnahme fanden. 
  
Im 16. Jahrhundert werden erstmals 1548 und 1550 jüdische Familien am Ort genannt. Im 18. Jahrhundert nahm die Zahl jüdischer Einwohner zu: 1784 werden bereits 206 Juden am Ort gezählt. Auf Grund der französischen Revolutionskriege ging die Zahl um 1800 auf nur 47 zurück. 
 
1808 wurden wieder 316 jüdische Einwohner gezählt, 1825 448. Die höchste Zahl jüdischer Einwohner wurde 1848 mit 578 Personen erreicht (etwa ein Drittel der Ortsbevölkerung; damals die größte jüdische Gemeinde im Bereich der Pfalz). Die jüdischen Familien lebten vom Handel mit Vieh, Waren und Landesprodukten. 1869 gab es 24 jüdische Viehhändler am Ort. 1877 eröffnete ein jüdischer Unternehmer eine Zigarettenfabrik, in der noch in den 1930er-Jahren etwa 150 Personen einen Arbeitsplatz hatten. 1860 bis 1884 hatte Ingenheim einen jüdischen Bürgermeister (Bernhard Roos). 1903 wurde 207 jüdische Einwohner in 73 Haushaltungen (von insgesamt 1295 Einwohnern) gezählt.  
  
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde insbesondere eine große, 1832 im maurischen Stil erbaute Synagoge (s.u.), eine israelitische Konfessionsschule, ein rituelles Bad und einen Friedhof. Das jüdische Schulhaus stand neben der Synagoge. In ihm war auch das Rabbinat (Bezirksrabbinat Ingenheim) untergebracht. Nach dessen Auflösung gehörte die Gemeinde zum Bezirksrabbinat Landau. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde waren neben dem Rabbiner weitere Personen angestellt: im 19. Jahrhundert war es an der Konfessionsschule ein Elementarlehrer, der zugleich den Synagogenchor zu leiten hatte (siehe unten Ausschreibung von 1860 in Nachfolge des damals pensionierten Lehrers Dreyfuß) sowie in der Gemeinde ein Kantor und Schochet (siehe unten die Ausschreibung von 1881 in Nachfolge des 45 Jahre - von 1836 bis 1881 - in der Gemeinde tätigen Kantors Stern sowie die Ausschreibung von 1883 in Nachfolge des erkrankten Kantors Jaffe). Seit 1883 war Kantor und Schochet der Gemeinde der im ganzen Ort (späteren Ehrenpräsident des örtlichen Männergesangvereines) hoch angesehene Raphael Mandel. 1903 war Lehrer E. Strauß, Kantor und Schochet R. Mandel, Synagogendiener J. Kahn. 1903 besuchten 20 Kinder die jüdische Volksschule.  
 
Gemeindevorsteher waren 1903: J. Weil. B. Marx und J. Haas.
 
An jüdischen Vereinen gab es (Verzeichnis 1903) einen Israelitischen Armen- und Krankenverein (1903 unter Leitung von J. Haas), einen Frauenverein (unter Leitung von Frau P. Kaufmann), den Synagogen-Chorverein (unter Leitung von A. Deutsch) und den Friedhofsverein (unter Leitung von J. Weil). Es gab mehrere Stiftungen: die Marks'sche Stiftung, die Altschul-Stiftung, die Roos'sche Stiftung, die Meyer'sche Stiftung und die Rothschild'sche Stiftung. 
  
Nach 1864 bestand in Ingenheim ein gemeinsam durch den jüdischen Oberlehrer Bärmann und den protestantischen Pfarrer geleitetes "Knabeninstitut Ingenheim", das längere Jahre mit großem Erfolg eine solide Grundausbildung für verschiedene Berufe vermittelte (vgl. Ausschreibungen und Bericht unten). 
   
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Alfred Blum (geb. 23.2.1876 in Billigheim, gef. 9.11.1914), Max Haas (geb. 12.11.1874 in Ingenheim, gef. 21.12.1916), Max Marx (geb. 3.9.1884 in Ingenheim, geb. 22.1.1917) und Leutnant Viktor Moritz (geb. 13.2.1884 in Ingenheim, gef. 22.10.1915). Außerdem sind gefallen: Eugen Müller (geb. 9.2.1892 in Ingenheim, vor 1914 in Görlitz wohnhaft, gef. 11.9.1917). Unteroffizier Emil Siegel (geb. 14.2.1878 in Ingenheim, vor 1914 in Speyer wohnhaft, gef. 2.11.1914) und Vize-Wachtmeister Wilhelm (Willy) Roos (geb. 5.3.1894 in Ingenheim, vor 1914 in Neustadt wohnhaft, gef. 24.10.1917).      
  
Um 1925, als noch 75 jüdische Einwohner gezählt wurden (dazu die in Heuchelheim (18), Göcklingen (3) und Klingenmünster (4) lebenden jüdischen Personen), waren die Vorsteher der Gemeinde Eugen Weil, Heinrich Joseph, Marx Leon und Karl Marx. Als Kantor, Schochet und Religionslehrer wirkte Raphael Mandel. Er unterrichtete in Religion die damals noch fünf schulpflichtigen jüdischen Kinder (1932: noch vier). An jüdischen Vereinen gab es einen Israelitischen Armen- und Krankenverein (gegründet 1884, Ziele: Unterstützung Ortskranker, Ortsarmer und Durchreisender), den Israelitischen Armen-, Kranken- und Wohlfahrtsverein (Ziele: Unterstützung Hilfsbedürftiger, Bestattung), den Synagogenchor, einen Israelitischen Frauenverein und eine Ortsgruppe des Centralvereins (CV). Die jüdische Gemeinde verfügte auch über eine Gemeindebibliothek. 
   
1933
gehörten zur Gemeinde noch 90 Einwohner. Eingeschlossen in diese Zahl waren die jüdischen Bewohner der genannten Filialen. 1938 lebten noch 57 Juden in Ingenheim. Nach dem Novemberpogrom 1938 verließen die meisten jüdischen Einwohner die Stadt. Am 22. Oktober 1940 wurden noch drei ältere jüdische Frauen nach Gurs deportiert. Zwei von ihnen starben dort, die dritte nach dem Transport nach Auschwitz. 
   
Von den in Ingenheim geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"; bitte beachten: evtl. könnten einzelne der genannten Personen auch aus Hoenheim-Ingenheim, Elsass stammen; die in den Listen gemachten Angaben sind in einigen Fällen nicht eindeutig): Justine Beckhardt geb. Fried (1851), Emile Behr geb. Marx (1860), Albert Deutsch (1864, Foto des Grabsteines in Gurs siehe unten), Babette Dreyfuß geb. Marx (1848), Ernst Eisemann (1891), Leo (Leon) Eisemann (1873), Joseph Emil (1873), Isabella Engel geb. Mayer (geb. 1879 in Ingenheim, Suizid in Köln am 24.3.1941), Elisabeth Fett geb. Kaufmann (1875), Emil Fried (1883), Johanna Gottschalk geb. Fried (1881), Rosa Günzburger geb. Müller (1876), Berthold Haas (1866), Erich Albert Haas (1899), Rosa Haas geb. Siegel (1873), Rosa Haas geb. Schmitz (1911), Rosa Hene geb. Dreyfuss (1864), Bertha Jeremias geb. Haas (1867), Anna Joseph geb. Hockenheimer (1879), Emil Joseph (1873), Julius Joseph (1870, Fotos des Grabsteines in Gurs siehe unten), Richard Joseph (1882), Siegfried Joseph (1882), Ida Koppel geb. Eiffeler (1907), Julius Koppel (1900), Erna Kossmann geb. Haas (1900), August Levy (1880), Bertha Levy geb. Marx (1874), Max Levy (1876), Elisabeth (Elsa) Lindauer geb. Moritz (1880), Samuel (Simon) Loeb (1862), Sigmund Löb (1869), Berthold Marx (1861), Emma Marx geb. Teutsch (1886), Karoline Marx geb. Baruch (1881), Leo(n) Marx (1875), Melanie Marx geb. Moritz (1855), Otto Jakob Marx (1905),  Emilie Mendelssohn geb. Bieler (1897), Katharina Meyer geb. Herz (1882), Elvira Michel geb. Josef (1869), Klara Moritz geb. Chan (1865), Rebecka Müller (1873), Elvira Michel geb. Josef (1869), Ernest Roos (1893), Siegmund Roos (1854), Pauline Samuelsohn geb. Mayer (1880), Mathilde Schmidt geb. Fischel (1859), Auguste Sophia Schwarz geb. Bieler (1893), Fritz Siegel (1908), Lina Siegel geb. Mayer (1880), Edmund Stern (1862), Florentine Stern geb. Stern (1860), Moses Weil (1876), Sally Weil (1887), Leo Weiss (1866), Martin Weissmann (1876), Ernestine Wertheimer geb. Weiß (1870), Frieda Wolf (1883), Jakob Albert Wolf (1879), Wilhelm Wolf (1875), Karoline (Lina) Zivi geb. Haas (1870). 
  
*Anmerkung: In einigen Listen werden noch Rosa Stern geb. Schloss (1894) und Doris Trier geb. Schloss (1867) mit Geburtsort Ingenheim genannt. Dies sind fehlerhafte Angaben, die beiden sind in Sugenheim geboren, wo es mehrere Familien Schloß bzw. Schloss gegeben hat. Durch einen Lesefehler dürfte aus dem unbekannteren "Sugenheim"  "Ingenheim" geworden sein. 
   
   
   
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
 

Allgemeiner Bericht zur Geschichte der Juden in Ingenheim      

Artikel in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des "Centralvereins") vom 15. Oktober 1936: "Ingenheim, ein altes Judendorf in der Südpfalz
In der Südpfalz, zwischen Landau und der elsässischem Grenze, etwa 15 km vom Rheinstrom entfernt, liegt das Dorf Ingenheim. Es hat 1300 Einwohner und ist heute ein Bauerndorf wie viele andere. Wenige Judenfamilien mögen es sein, die noch in diesem Dorf leben.
Die Hauptstraße zieht in gerader Linie mitten durch den Körper des Dorfes und spaltet ihn in zwei Hälften. Auf dieser Dorfgasse stehen vereinzelt Häuser, die aus dem üblichen Rahmen herausfallen. Wenn sie auch die Patina ihres Alters nicht verleugnen, heben Sie sich doch durch vornehmere Bauart und besondere Note von den Nachbarhäusern ab. Breit und behäbig stehen sie am Straßenrand, als wollten sie die solide Bürgerlichkeit ihrer einstigen Bauherren in die Jahrhunderte tragen. Zierliche Eisengitterbalkone unterbrechen die Fassade der zweistöckigen Gebäude. Diese Patrizierhäuser sind von Juden erbaut, deren Nachkommen heute in alle Welt zerstreut sind.
Im Jahre 1857 schrieb der pfälzische Schriftsteller und Dichter August Becker in seinem Werke 'Die Pfalz und die Pfälzer': 'Im Klingenthal wohnen ziemlich viele Juden, aber nirgends so viel als in Ingenheim selbst, das die stärkste Judengemeinde der Pfalz ist. Die Juden geben dem Orte erst seine rechte Bedeutung, Handel und Wandel, und einzelne haben sich große städtische Häuser im Dorfe gebaut.
Ein ausgezeichneter Dorfchronist, Altbürgermeister Jakob Bohlender beschäftigt sich in seiner Kurzgeschichte der Gemeinde Ingelheim (1932, Kaußlersche Verlagsanstalt, Landau, Pfalz) mit den Ingelheimer Juden eingehender. Nach Bohlenders Angaben sind die Juden schon im ersten Jahrhundert nach Christi Geburt im Gefolge der Römer in das Gebiet der heutigen Pfalz gekommen. Die auffallend stark jüdische Besiedlung des Dorfes führt Bohlender auf die Judenverfolgung, die im Jahre 1347 in Landau stattfand, zurück. Die Juden wurden damals aus Landau ausgewiesen und erst 1517 wieder zugelassen. Die Kurfürsten der Pfalz duldeten in ihrem Gebiet keine Juden, so dass sie gezwungen waren, gegen Erlegung von Leibzoll und sonstigen Sonderabgaben in kleineren geistlichen oder weltlichen Herrschaften sich niederzulassen. Der heute noch vorhandene alte Judenfriedhof, in dem die Juden der ganzen Südpfalz bei gesetzt wurden, besteht schon seit dem 16. Jahrhundert. Die ersten jüdischen Gemeinderäte erscheinen im Jahre 1820. 1832 wurde die Synagoge, die größte und schönste in der Pfalz, fertig gestellt. Von 1869 bis 1884 ist ein Jude, Bernhard Roos, Bürgermeister der Gemeinde, in der die Juden fast ein Drittel der Bevölkerung ausmachen. In der Blütezeit der Gemeinde waren neben den christlichen Schulen zwei jüdische Volksschulen und außerdem ein von Juden geleitetes Knabeninstitut, das Schüler aus ganz Deutschland und sogar aus dem Auslande an sich zog. Zwischen 1850 und 1880 setzt aber schon Auswanderung in die Vereinigten Staaten ein. Nach 1880 folgt im großen Ausmaße die Abwanderung nach Landau, Mannheim, Frankfurt usw.. Heute ist die Zahl der Juden auf einen kleinen Rest zusammen geschmolzen.
Die Synagoge von Ingenheim, ein hoher, langgestreckter Bau, von dem im gleichen Stile gehaltenen jüdischen Schulhaus flankiert, fügt sich harmonisch in den Rahmen des Dorfbildes ein. Seine Fassade ist gut gestaltet von der Freitreppe bis zu den Podesten des Treppengiebels, der auf der Spitze als feierlicher Abschluss die zwei Zehngebotetafeln trägt. Das Innere der Synagoge hat das, was man Raumwirkung nennt. Es strömt die gelassene Feierlichkeit eines klassischen Tempels aus. Höhe und Weite, Platzverteilung, Säulengliederung, Fensterbestückung und Belichtung und schließlich die von Rundbögen getragene Empore der Frauen sind aufs vornehmste zueinander abgestimmt und zeigen, dass der Baumeister vor 105 Jahren seiner Aufgabe in einer Weise gerecht wurde, die noch heute uneingeschränkte Bewunderung verdient. Eugen Fried."     

    
   

Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer und Kantoren 
Ausschreibungen der Stelle des Elementarlehrers sowie der Stelle des Kantors (Vorbeters) und Schochet 1860 / 1881 / 1883  

Ingenheim AZJ 24011860.jpg (154258 Byte)Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 24. Januar 1860: "Ingenheim, Kantons Bergzabern, bayerische Pfalz. (Schuldienst-Erledigung.). Durch die Pensionierung des Lehrers Dreyfuß ist die hiesige Knabenschule in Erledigung gekommen, und soll zu deren Wiederbesetzung geschritten werden. Die Einkünfte dieser Stelle bestehen: 1) in bar 300 Gulden. 2) Wohnungsentschädigung 50 Gulden. 3) 225 Dezimalen Ackerland, einen Ertrag abwerfend von  80 Gulden. Zusammen: 430 Gulden. 
Ferner werden für Beheizung des Lehrsaales 30 Zentner Steinkohlen und 10 Gulden Renumerationsgeld gegeben. Dem bisherigen Lehrer wurden aus der Kultuskasse die Jahresbeiträge zur Lehrerpensions- und Witwenkasse bezahlt, welche Begünstigung auch dem künftigen Lehrer in Aussicht steht, sobald er durch ein vorzügliches Prüfungsresultat seine pädagogische Tüchtigkeit an den Tag gelegt haben wird. 
Es ist selbstverständlich, dass der umsichtige und tätige Lehrer in der hiesigen Gemeinde, der größten in der Pfalz, auf ein Nebeneinkommen, teilweise durch Privatunterricht, von mindestens 150 Gulden rechnen kann. 
Praktische, im jüdischen Wissen erfahrene, und entweder in einem bayerischen Lehrerseminar gebildete oder von einer kompetenten bayerischen Prüfungskommission zu Lehrern qualifizierte Schulmänner werden anmit eingeladen, ihre Gesuche, mit den vorschriftsmäßigen Zeugnissen belegt, längstens bis zum 1. Februar dieses Jahres an den unterfertigen Kultusbeamten gelangen zu lassen. 
Bemerkt wird, dass der anzustellende Lehrer musikalische Kenntnisse besitzen muss, da er bei Übernahme der Stelle auch gleichzeitig die Verpflichtung übernimmt, den hier bestehenden Synagogenchore mitzuwirken. Ingenheim, 1. Januar 1860. Der Präses des Synagogenvorstandes, Bernhard Roos."
 
Ingenheim AZJ 06121881.jpg (68779 Byte)Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 6. Dezember 1881: "Erledigung der Kantor- und Schächterstelle zu Ingenheim (Pfalz). Durch das Ableben des Kantors Stern ist obbezeichnete Stelle erledigt und soll baldmöglichst wieder besetzt werden. Mit derselben sind folgende Gehaltsbezüge verbunden: 1) Bar aus der Kultuskasse vorerst Mark 700, 2) Anschlag der Schächtergebühren ca. Mark 800, 3) Anschlag der Synagogenkasualien ca. Mark 300. 
Bemerkt wird, dass die hiesige Kultusgemeinde 110 Familien zählt und die Kasualien nicht hoch veranschlagt sind. Der verlebte Kantor Stern fungierte 45 Jahre in hiesiger Gemeinde. Gut qualifizierte musikalisch gebildete Bewerber mit angenehmer Stimme wollen ihre Gesuche mit Zeugnissen belegt, nebst kurzer Beschreibung ihres bisherigen Lebensganges längstens bis 15. Dezember bei unterfertigter Stell einreichen.
Ingenheim, 24. November 1881. Der Kultusvorstand Bernhard Roos."
 
Ingenheim AZJ 05061883.jpg (63051 Byte)Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 5. Juni 1883: "Erledigung der Kantor- und Schächterstelle zu Ingenheim, Pfalz. Durch die Erkrankung des Kantors Jaffe wurde obbezeichnete Stelle erledigt und soll sofort wieder besetzt werden. 
Mit derselben sind folgende Gehaltsbezüge verbunden: 
1. bar aus der Kultuskasse Mark 700. 2. Anschlag der Schächtergebühren ca. Mark 800.  3. Anschlag der Kasualien ca. Mark 300. 
Bemerkt wird, dass die hiesige Kultusgemeinde 110 Familien zählt. Gut qualifizierte, musikalisch gebildete Bewerber mit angenehmer Stimme wollen ihre Gesuche, mit Zeugnissen belegt, nebst kurzer Beschreibung ihres bisherigen Lebensganges, längstens bis 20. Juni bei unterfertigter Stelle einreichen. Ingenheim, 28. Mai 1883. Der Kultusvorstand: Bernhard Roos."
   
Ausschreibung der Synagogendienerstelle (1901) 
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. März 1901: "Synagogendienerstelle
Die Synagogendienerstelle in Ingenheim bei Landau, Pfalz, wird hiermit zur Bewerbung ausgeschrieben. Einkommen circa Mark 800. Bewerber, welche den Kantor eventuell vertreten können und das 35. Lebensjahr noch nicht überschritten haben, wollen ihre Gesuche mit kurzer Lebensbeschreibung bis 15. April laufenden Jahres persönlich Sonntags bei dem unterfertigten Kultusvorstande einreichen. Reisespesen werden nicht vergütet. 
Ingenheim, 21. März (1901). Der Kultusvorstand: Julius Weil."     

   
Der Bruder von Kantor Raphael Mandel - Michael Mandel - wird Bürgermeister von Alubquerque in Neu-Mexiko (USA, 1890)
   

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. April 1890: "Ingenheim, 16. April (1890). Nach einer hierher gelangten Nachrichten wurde unterm 1. laufenden Monats Herr Michael Mandel, 32 Jahre alt, Sohn von August Mandel aus Dauendorf im Unterelsass und Bruder des hiesigen Kantors Herrn R. (Raphael) Mandel zum Bürgermeister der etwa 8.000 Einwohner zählenden Stadt Albuquerque in Neu-Mexiko (Amerika) gewählt."    

      
Vermächtnis von Julius Weil an die katholische Kirchenverwaltung (1906)
   

Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 23. November 1906: "Ingenheim (Pfalz; statt Jugenheim). Der Synagogenvorstand Julius Weil hat der katholischen Kirchenverwaltung testamentarisch 3000 Mark mit der Bestimmung vermacht, dass aus den Zinsen Brot zur Verteilung an die Ortsarmen angeschafft werde."    

  
25jähriges Jubiläum von Kantor Raphael Mandel (1908)  

Ingenheim Israelit 06081908.jpg (36703 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. August 1908: "Ingenheim, 31. Juli (1908). Am Schabbos Dewarim (Schabbat mit der Toralesung Dewarim = 5. Mose 1,1 - 3,22, das war Samstag, 1. August 1908) waren es 25 Jahre, seit Herr Raphael hier als Chasan seine Stelle angetreten hat. Es wusste sich in dieser Zeit die Achtung und Liebe seiner hiesigen jüdischen und nicht minder auch der christlichen Mitbürger zu erwerben. Möge es dem Jubilar vergönnt sein, noch viele Jahre zum Segen unserer Gemeinde seines Amtes zu walten."

  
Kantor Mandel wird Ehrenmitglied im "Männergesangverein" in Ingenheim (1926)  

Ingenheim BayrGZ 01071926.jpg (47673 Byte)Artikel in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 1. Juli 1926: "Ingenheim. Herr Kantor Raphael Mandel, von hier, geboren am 2. September 1859, der schon seit Juli 1883 in unserer Kultusgemeinde als Kantor vorbildlich tätig ist, steht bei der hiesigen Bevölkerung in solch hohem Ansehen, dass er vom hiesigen Männergesangverein, dessen Mitgliederzahl überwiegend aus Katholiken und Protestanten besteht, dessen aktives Mitglied er schon seit 40 Jahren ist, im vorigen Jahre zu dessen 'Ehrenmitglied' ernannt wurde. Vor kurzem wurde ihm vom Speyer-Gausängerbund, der sich über die ganze Pfalz erstreckt, die 'goldene Ehrensängernadel' überreicht."
 
Ingenheim BayrGZ 07081926.jpg (13051 Byte)Artikel in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 7. August 1926: "Ingenheim. Berichtigung. Herr Mandel ist seit 1908 Ehrenmitglied des Männergesangvereins und wurde 1924 zum Ehrenvorsitzenden ernannt."

 
Auszeichnungen für Kantor Mandel (1927)   

Ingenheim BayrGZ 22061927.jpg (38816 Byte)Artikel in der Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 22. Juni 1927: "Ingenheim (Rheinpfalz). Vom Männergesangverein. Auf der am Sonntag, dem 22. Mai, in Neustadt a.d. Haardt abgehaltenen Tagung der Pfälzer Sängerbünde wurde bei der Ehrung unser Ehrenvorstand Mandel mit der goldenen Sängernadel des Pfälzischen Sängerbundes nebst Ehrenbrief vom deutschen Sängerbund für sein fünfzigjähriges Sängerjubiläum ausgezeichnet. Herr Mandel wirkt schon 44 Jahre als Kantor hier, weshalb ich Ihnen diesen Artikel einsende."

 
51jährige Dienstzeit von Kantor Mandel (1927)  

Ingenheim BayrGZ 13121927.jpg (20046 Byte)Artikel in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 13. Dezember 1927: "Ingenheim. Jubiläum. Raphael Mandel kann auf eine über 51jährige Dienstzeit als Kantor und israelitischer Religionslehrer zurückblicken. Aus diesem Anlass hat der Reichspräsident Glückwunsch und besondere Anerkennung ausgesprochen."

  
70. Geburtstag von Kantor Mandel (1929)  

Ingenheim BayrGZ 15091929.jpg (77133 Byte)Artikel in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15. September 1929: "Ingenheim (Pfalz). Herr Kantor und Religionslehrer Mandel, hier, feierte am 2. September in voller körperlicher und geistiger Frische seinen 70. Geburtstag. Seit über 46 Jahre ist er in unserer Gemeinde zur allgemeinen Zufriedenheit tätig. Die Vorstandschaft hat es sich nicht nehmen lassen, ihm persönlich ihre Glückwünsche zu überbringen. Herr Kommerzienrat Joseph, der Vorsitzende des Verbrandes israelitischer Kultusgemeinden der Pfalz, übermittelte im eigenen Namen, sowie im Namen des Verbandes brieflich seine Glückwünsche. - So hat ihm auch die 'Freie Vereinigung der Lehrer und Kantoren der Pfalz durch deren Vorstand ihre Gratulation übermitteln lassen. Auch der Männergesangverein Ingenheim, dessen Ehrenpräsident Herr Mandel ist, brachte ihm abends ein Ständchen. Fast die ganze Gemeinde, ohne Unterschied der Konfession nahm an dieser Feier teil. Herr Mandel wurde von der Israelitischen Kultusgemeinde sowie von seinen Freunden reichlich beschenkt."

  
Über das "Knabeninstitut Ingenheim" 
Allgemeiner Bericht (1867)  

Ingenheim Chananja 15111867.jpg (198726 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Ben Chananja" vom 15. November 1867: "Schulwesen. Aus der Pfalz. Zu den in der Pfalz seit längeren Jahren bereits bestehenden Knaben-Instituten unter der Leitung von Israeliten ist in der neueren Zeit in Ingenheim, einem in reizender, sehr gesunder Gegend der Pfalz gelegenen Orte mit einer zahlreichen jüdischen Gemeinde ein weiteres ins Leben gerufen worden, das sich verdientermaßen schon einer bedeutenden Frequenz erfreut. Der dortige tätige und aufgeweckte, besonders auch im Fache des kaufmännischen Rechens tüchtige israelitische Ober-Knabenlehrer, Herr Bärmann, leitet die Anstalt gemeinschaftlich mit dem protestantischen Pfarrer, Herrn Brion daselbst, und dieser, ebenso wie der gleichmäßige Besuch derselben von Knaben aller Bekenntnisse mag Ihnen zugleich einen Beweis liefern, von der gleichsam schon in Fleisch und Blut unserer Pfälzer übergegangenen innigen Verbindung der christlichen und jüdischen Bevölkerung unserer Pfalz. In dieser Anstalt wird aber nicht bloß für das kaufmännische Fach, sondern auf Verlangen auch in den klassischen Sprachen zur Vorbereitung auf eine höhere gelehrte Anstalt Unterricht erteilt. Auch in der englischen Sprache wir Vortreffliches geleistet. Ein wissenschaftliche gebildeter Mann, der 15 Jahre an höheren Lehranstalten in Amerika tätig war, gibt darin den Unterricht und der Berichterstatter muss gestehen, dass er bei einer jüngst stattgefundenen öffentlichen Prüfung, der er beiwohnte, über die Fortschritte der Knaben in dieser Sprachen staunen musste, die erst seit einem Jahre die Anstalt besuchten und früher nie ein Wort davon gehört hatten. Ebenso überraschend war die Gewandtheit der Zöglinge im Rechnen, das von Herrn Bärmann unterrichtet wird. Physik etc. wird von einem protestantischen Geistlichen in der Nähe, der früher Professor an einer Staatsanstalt war, und wenn wir nicht irren, auch die klassischen Sprachen an einzelne Zöglinge, deutsche Sprache, Stilistik etc. von Herrn Pfarrer Brieu, Buchführung von einem jungen gebildeten Kaufmanne unterrichtet. Es wäre wünschenswert, dass Herr Bärmann den Lehrplan der Anstalt in diesen Blättern veröffentlichte, wir glauben überzeugt sein zu dürfen, dass der Anstalt, in welcher auch ausreichend für den Religionsunterricht der verschiedenen Konfessionen gesorgt ist, umso mehr auch Zöglinge aus weiter Ferne zugeführt wurden, als Herr Bärmann jetzt ein neues Haus in gesündester Lage zur Aufnahme einer größeren Anzahl von Pensionären baut, und diese in dem von einer wackeren Hausfrau geleiteten Haus die beste mütterliche Fürsorge finden."

Anzeigen für das "Knabeninstitut Ingenheim" (1879)
Anmerkung: Anzeigen für das Knabeninstitut erschienen sowohl in der liberalen "Allgemeinen Zeitung des Judentums" wie auch in der orthodoxen Zeitschrift "Der Israelit":  

Ingenheim AZJ 26081879.jpg (34783 Byte)Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 26. August 1879: "Knabeninstitut Ingenheim (Rheinpfalz). Vollständige Ausbildung für Eisenbahn, Post und Handelsfach, sowie für Einjährigen-Freiwilligen-Examen. Mäßigste Preise. Beginn des neuen (XIV.) Schuljahres: Montag, 6. Oktober. Näheres über Schule und Pensionat mit Prospekt gratis durch die Direktion (israelitisch)."
  
Ingenheim Israelit 27081879.jpg (36862 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. August 1879: "Knabeninstitut Ingenheim (Rheinpfalz). Vollständige Ausbildung für Eisenbahn, Post und Handelsfach, sowie für Einjährigen-Freiwilligen-Examen. Mäßigste Preise. Beginn des neuen (XIV.) Schuljahres: Montag, 6. Oktober. Näheres über Schule und Pensionat mit Prospekt gratis durch die Direktion (israelitisch)."

    
    
Aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben   
E. Straus erbittet aus Landau die Statuten des Israelitischen Frauenvereins zur Gründung eines Frauenvereines in Ingenheim (1897
)  

Landau Dok 193402.jpg (168707 Byte) Landau Dok 193402a.jpg (189985 Byte)   
Es handelt sich um eine Postkarte an die Frau von Abraham Dreyfuß in Landau, versandt aus Ingenheim am 21. April 1897 von E. Straus. Im rückseitigen Text finden sich Hinweise, die auf die Gründung des Israelitischen Frauenvereins von Ingenheim Rückschlüsse geben. Die Frau von Abraham Dreyfuß war vermutlich die Vorsteherin des Israelitischen Frauenvereins in Landau
Der rückseitige Text lautet:  
"Ingenheim, den 21.4.97.
Wertheste Frau Dreyfuß !
Es soll hier ein Frauenverein gegründet werden und wären wir Ihnen sehr dankbar,
wenn Sie uns die Statuten Ihres Vereins auf kurze Zeit überlassen würden. Ihr
Porto wird Ihnen zur Zeit übermittelt werden, für Ihre Mühe besten Dank. Sollte mir falsch
ihre Adresse als Vorsteherin angegeben sein, so 
bitte ich Sie die Karte an die richtige Adresse gelangen zu lassen.
Mit Hochachtung ergebenst - Straus
Adr.: E. Straus, Ingenheim." 
 

  
  
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde  
Erfolge für israelitische Kandidaten bei den "Urwahlen" (1855)  

Ingenheim AZJ 10091855.jpg (140494 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 10. September 1855: "Aus der bayrischen Pfalz, 2. September (1855). Jetzt, wo die Tätigkeit des bayrischen Landtages beginnt, dürfte es von Interesse sein, auch einiges über die Wahlen in der Pfalz zu vernehmen. Wenn schon wir auf das Glück verzichten müssen, sagen zu können, dass auch aus unserem Kreise ein Abgeordneter jüdischen Glaubens zu den Männern zählte, die die Pfalz zu vertreten berufen sind, so lieferten die Urwahlen (d.h. die Wahlen zu den Wahlmännern) doch den deutlichsten Beweis, dass in dem Pfälzer nichts weniger als Judenhass wurzelt. In dem Wahlbezirke Ingenheim, zu welchem noch zwei Ortschaften geschlagen worden waren, in denen nicht ein Israelit wohnt, ging Herr Bernard Roos, Gutsbesitzer und Präses des israelitischen Vorstandes in Ingenheim, mit einer eklatanten Majorität als Wahlmann aus der Wahlurne hervor; von 246 Stimmen gingen Herrn Roos nur 6 verloren! Auch in anderen Wahlbezirken, in welchen die jüdische Bevölkerung im Verhältnis zur christlichen wie 1 zu 100 steht, wurden Israeliten als Wahlmänner gewählt; in Edenkoben: Herr Wolf Isaak; in Edesheim: Herr Wachel. Auch in Rülzheim, in Germersheim und an anderen Plätzen hatten Israeliten dieses Vertrauens sich zu erfreuen. 
Hoffen wir nun, dass unsere humane Staatsregierung in einer etwaigen Änderung des Wahlgesetzes unsere Rechte wahren werde. Möchte Herr Dr. Arnheim, der einzige Abgeordnete mosaischen Glaubens in der bayerischen Kammer, während der Dauer dieses Landtages nie in die Lage kommen, Israels gutes Recht verteidigen zu müssen.... Sollten aber auch diesmal unsere Widersacher ihre giftigen Geschosse gegen uns schleudern, wahrlich, wir brauchen Herrn Dr. Arnheim nicht zuzurufen. Sei stark und mutig."

  
Bernhard Roos als Bürgermeister in Ingenheim (Artikel von 1870)  

Ingenheim Israelit 25051870.jpg (111248 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Mai 1870 (aus einem längeren Artikel über die Verhältnisse in der Pfalz): "In wenigen Staaten Deutschlands genießen die Israeliten solche Freiheiten und solche Gleichberechtigung mit ihren christlichen Mitbürgern wie in der Pfalz, und man darf es zum Ruhme Israels behaupten, dass die Israeliten durch Moralität und Bürgertugenden sich im Allgemeinen die Achtung und Anerkennung ihrer christlichen Mitbürger erworben haben. - 
Dies zeigt sich recht deutlich bei jeder Wahl der Gemeinderäte, Geschworenen etc. etc. In den Städten wie in den Dörfern finden sich, und mitunter eine beträchtliche Zahl Israeliten im Gemeinderate.
In dem nahen Ingenheim ist sogar, und dies ist vielleicht der einzige Fall in Deutschland, ein Israelit und zwar ein streng gläubiger, frommer Jehudi, Herr B. Roos als Bürgermeister gewählt und genehmigt worden, und genießt derselbe durch pünktliche und gerechte Verwaltung seines Amtes in hohem Grade die Achtung seiner Gemeinde und Vorgesetzten. - 
Abermals ein Beweis, dass man seiner Religion getreu sein und doch in schöner Eintracht mit seinen christlichen Mitbürgern leben und deren Achtung erwerben und besitzen kann. - Auch als Landtagsabgeordneter ward in dem Wahlkreise Edenkoben ein Israelit und zwar der in der Pfalz hoch geehrte Herr Simon Levy aus Landau gewählt."

  
Auszeichnung für Bürgermeister Roos (1883)  

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 27. März 1883: "Dem Bürgermeister Bernhard Roos von Ingenheim wurde in Anerkennung seines langjährigen pflichttreuen Wirkens im Gemeindedienste das silberne Ehrenzeichen des Verdienstordens der bayerischen Krone verliehen. Der dekorierte Bernhard Roos zählt hinsichtlich seiner unerschütterlichen religiösen Grundsätze zu denjenigen Männern, welche heutzutage leider immer seltener werden; derselbe ist seit mindestens 40 Jahren Vorstand der israelitischen Kultusgemeinde zu Ingenheim und seit 1869 Bürgermeister der Gemeinde Ingenheim. Er ist jetzt fast 90 Jahre alt."   

      
Über den 1869 in Ingenheim geborenen Obermedizinalrat Dr. Isidor Dreyfuß 
Siehe weitere Informationen auf der Seite zu Frankenthal und auf der Textseite zu Ludwigshafen    
   
Über den 1875 in Ingenheim geborenen Apotheker und Unternehmer Richard Weil
Richard Weil ist am 28. April 1875 in Ingenheim geboren als drittes Kind des Kaufmanns und Großgrundbesitzers Julius Weil (1843-1920) und seiner Frau Juliana Mathilde geb. Wolf (1840-1905). Richard Weil heiratete 1905 in München Paula geb. Hochstetter (1885-1970). Nach dem Besuch der Volksschule besuchte der die höhere Schule in Bad Bergzabern. Er studierte Pharmazie (in Straßburg?) und wurde zum Dr. phil. promoviert. Bis 1902 wissenschaftliches Arbeiten am hygienischen Institut in Hamburg. Ab 1902 kurzzeitig Inhaber der Einhorn-Apotheke in Frankenthal, dann der Schwanen-Apotheke in Frankfurt am Main; Gründung der Endopharm Frankfurter Arzneimittelfabrik. Nach seinem Tod 1917 führten seine Söhne Hans-Joseph und Edgar das Unternehmen fort. In der NS-Zeit wurde es enteignet. Weitere Informationen siehe Wikipedia-Artikel  https://de.wikipedia.org/wiki/Richard_Weil_(Unternehmer).  
   
  
70. Geburtstag des aus Ingenheim stammendn Kommerzienrat Albert Joseph (geb. 1866 in Ingenheim, gest. 1936 in Landau)  

Landau BayrIsrGZ 15011936a.jpg (149625 Byte)Artikel in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15. Januar 1936: "Zum 70. Geburtstag vom Kommerzienrat Joseph (20. Januar 1936). Unter den Männern, die dem Verband Bayerischer Israelitischer Gemeinden seit seiner Begründung im Jahre 1920 das Gepräge gegeben haben, steht Kommerzienrat Albert Joseph in der vordersten Reihe. Wie das Trauben gesegnete Pfälzer Land im bayerischen Staatsgebiet stets eine besondere Stellung eingenommen hat, zugehörig und doch selbständig, dem Allgemeinen verflochten und in seiner Eigenart doch stark betont, so hat der Verband der Israelitischen Kultusgemeinden der Pfalz in dem Landesverband der bayerischen Gemeinden von Anfand an, ungeachtet der treuen und hingebenden Tätigkeit für die allgemeinen Interessen, im Einverständnis aller Beteiligten seine Selbständigkeit behauptet. Der echte Repräsentant dieses Genius der Pfalz, die Verkörperung seiner besten Kraft, der unermüdliche opferwillige Vertreter der allgemeinen jüdischen Interessen des Landes, wie der sorgsame Behüter der pfälzischen Eigenart ist jederzeit Albert Joseph gewesen. Es gereicht uns stets zur besonderen Freude, die Ausführungen dieses Mannes zu hören, getragen von durchschlagenden sachlichen Beweisgründen, aber auch vorgebracht mit einer Überzeugungskraft und inneren Wärme, dass man fühlt, Person und Amt sind hier nicht voneinander zu trennen. In der Tat, unbeschadet der ausgezeichneten Leistungen seiner Mitarbeiter, ist Joseph das Pfälzer Gewissen, und der Pfälzer Verband ist Joseph. So tritt er als ‚der Vater seines Landes’, der für seine pfälzische Familie sorgt und für die großen wie für die kleinen Angelegenheiten seiner Angehörigen das gleiche Verständnis hat und den gleichen Eifer entfaltet, im Rate unseres Verbandes auf und er wird von uns allen verehrt, geschätzt und geliebt. Diese seine selbstlose aufopfernde Fürsorge für die Interessen seines Bezirks wird auch von den staatlichen Zentralstellen anerkannt und gewürdigt und so ist er bei den höchsten Instanzen des Landes gerne gesehen und sein Wort hat Einfluss und Bedeutung.   Und wenn dieser allverehrte Mann nunmehr das 70. Lebensjahr vollendet, so werden ihm die herzlichsten Wünsche von der Leitung unseres Verbandes, der er stets der getreueste Helfer gewesen ist, wie aus allen Gauen des bayerischen Landes entgegengebracht. Wir wünschen unserem lieben Freunde, dass er noch Jahre des Glückes in seiner Familie verbringe, dass er uns gesund bleibe, dass er noch lange Zeit unserem jüdischen Gemeinwesen erhalten werde mit seinem klugen Rat, seiner aufopfernden Fürsorge und seiner liebenswerten Persönlichkeit. Dr. Neumayer.       
Zum 70. Geburtstag von Kommerzienrat Albert Joseph in Landau wird uns von besonderer pfälzischer Seite noch geschrieben:  Am 20. Januar 1936 vollendet Herr Kommerzienrat Albert Joseph in Landau in der Pfalz, der Präsident des Verbandes der israelitischen Kultusgemeinden der Pfalz, das 70. Lebensjahr.
Landau BayrIsrGZ 15011936b.jpg (149952 Byte)Der Jubilar ist in Ingenheim bei Landau geboren und entstammt einem angesehenen, echt jüdisch-religiösen Hause. Er trat früh in den kaufmännischen Beruf, konnte sich aber infolge seiner ungewöhnlichen Tüchtigkeit und der dadurch erzielten Erfolge schon in jungen Jahren vom Geschäft zurückziehen. Seitdem widmet er seine ganze Kraft dem Dienst am Judentum, dem schon immer sein Herz gehörte. Er war 22 Jahre Mitglied des Synagogenrates Landau, zuerst als Beisitzer, später als Vorsitzender. Es muss rühmend hervorgehoben werden und ist in Landau unvergessen, dass die Finanzen der Gemeinde nie in so guter Ordnung waren als in jener Zeit.    
Sein Lebenswerk ist aber der Pfälzer Verband. An den Vorarbeiten zu dessen Gründung, die in das Jahr 1916 zurückreichen, war er maßgebend beteiligt und als es am 18. März 1918 in einer denkwürdigen Versammlung zur Gründung des Verbandes kam, wurde Herr Kommerzienrat Joseph einstimmig zum Präsidenten des Vorstandes gewählt und ist es seitdem geblieben zum Segen des pfälzischen Judentums. Unter ihm entwickelte sich der Pfälzer Verband zu dem, was er heute ist. Aus einem eingetragenen Verein des bürgerlichen Rechts, der auf kümmerliche Mitgliederbeiträge angewiesen war, wurde durch Verleihung der Staatsregierung eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, bei welcher die Kultusumlagen sämtlicher pfälzischen Juden zusammenfließen und ohne deren Mitwirkung im gemeindlichen und religiösen Leben der Pfalz nichts mehr geschieht. Wenn heute alle Gemeinden der Pfalz ihren Verband, der doch auf freiwilligem Zusammenschluss beruht, als eine nicht mehr wegzudenkende Einrichtung betrachten, so ist das im Wesentlichen ein persönliches Verdienst des Jubilars, der all die Jahre hindurch seine ganze Kraft dafür eingesetzt hat, die Überzeugung von der Notwendigkeit des Verbandes in den Verbandsgemeinden zu wecken und zu erhalten. Unter seiner Leitung ist Bedeutendes erreicht worden. Die Finanz- und Gehaltsverhältnisse der Gemeindebeamten, die teilweise recht im Argen lagen, wurden befriedigend geregelt, die Notlage der kleinen Gemeinden wurden durch laufende Zuschüsse weitgehend behoben, für Gottesdienst und Religionsunterricht in
Landau BayrIsrGZ 15011936c.jpg (150320 Byte) allen Gemeinden wurde gesorgt und die auf dem flachen Lande wohnenden Hilfsbedürftigen wurden der Fürsorge des Verbandes unterstellt. Vor allem aber wurde das Gemeinschaftsgefühl in den pfälzischen Juden geweckt und gestärkt, ein Erfolg, der gerade heute nicht hoch genug veranschlagt werden kann. Die derzeitigen Verhältnisse haben noch zu einer wesentlichen Erweiterung des Tätigkeitsbereichs des Verbandes geführt. Die seit mehr als zwei Jahren bestehende Wohlfahrtsstelle des Verbandes hat die Fürsorge für Arme und Kranke nach modernen Grundsätzen neu organisiert, eine Berufsberatung und Stellenvermittlung eingerichtet, kümmert sich um die so wichtige Berufsumschichtung, berät und hilft bei Auswanderung und eine eigene Darlehenskasse bestrebt sich, gefährdete Existenzen zu erhalten und zu retten. Es ist bewundernswert, mit welcher geistigen Frische und mit welchem Eifer sich der Jubilar diesen neuen Aufgaben zugewendet hat und sich bemüht, sie zu meistens. Man sieht ihm sein Alter nicht an. Von früh bis spät steht sein gastliches Haus Ratsuchenden offen und niemand kommt zu dem hilfsbereiten und warmherzigen Manne vergebens. Es wird wenige Gemeinden in der Pfalz gehen, die Herr Kommerzienrat Joseph nicht besucht hat und deren Synagogen und Friedhöfe er nicht kennt und unter seinem Schutze genommen hat. Wenn eine Gemeinde seinen Rat und seinen besuch wünscht, ist ihm kein Weg zu weit und kein Wetter zu schlecht. Die Zahl der Sitzungen und Besprechungen, besonders in den letzten Jahren, ist Legion geworden.     Dass einem so tätigen Leben der äußere Erfolg nicht versagt blieb, ist begreiflich. Der Jubilar ist heute und seit langem die populärste Persönlichkeit in der pfälzischen Judenheit, allgemein gekannt, geachtet und geehrt. Nun ist er 70 Jahre alt geworden und hätte gewiss das Recht erworben, nach einem so reichen und gesegneten Leben sich zurückzuziehen und sich der lange entbehrten Ruhe im Kreise der Familie hinzugeben. Aber es wird ihm nicht vergönnt sein. Sein Rat und seine Arbeitskraft sind unersetzlich. Dass ein so seltener Mann auch außerhalb der Pfalz die gebührende Anerkennung gefunden hat, ist nur natürlich. So wirkt der Jubilar höchst segensreich in engster Fühlung mit dem Präsidium des Verbandes bayerischer israelitischer Gemeinden. Auch dem Beitrat der Reichsvertretung der Juden in Deutschland gehört er als Mitglied an. Möge dem allverehrten und trefflichen Manne noch ein langer und glücklicher Lebensabend an der Seite seiner Gattin und im Kreise seiner Mitarbeiter beschieden sein! Dr. R. - Frankenthal."   

    
     
Erinnerung an die Auswanderungen im 19. Jahrhundert - Grabsteine für Samuel Fischel aus Ingenheim in New Orleans (1829-1895) sowie für Moritz Kaufmann aus Ingenheim
 
Anmerkung: das Foto wurde von Rolf Hofmann (Stuttgart) im April 1994 im 1860 eröffneten Hebrew Rest Cemetery in New Orleans, 2100 Pelopidas at Frenchman Street, near Elysian Fields and Gentilly Blvd., aufgenommen.     

Grabstein im "Hebrew Rest Cemetery" in New Orleans: 
"Hier ruht  
Samuel Fischel 
 
Born at Ingenheim, Germany  
April 9, 1829   
Died Oct. 11, 1895     
 
Grabstein im "Hebrew Rest Cemetery" in New Orleans: 
"Hier ruht 
Moritz Kaufmann
 
Born in Ingenheim, Germany  
January 9, 18x9 
Died ..." 
Die Lebensdaten sind auf dem Foto nicht klar erkennbar.  

   
Erinnerung an einen Gefallenen des Ersten Weltkrieges aus Ingenheim    

Der Unteroffizier Emil Siegel ist am 2. November 1914 bei den Kämpfen bei Senones gefallen. Er war Soldat im Bayerischen Brigade-Ersatz-Bataillon 4, 1. Kompanie. Er stammte aus Ingenheim (geb. 14. Februar 1878; vor 1914 in Speyer wohnhaft). Vgl. Verlustlisten Erster Weltkrieg http://des.genealogy.net/search/show/1034762.
Links Foto des Grabsteines im Soldatenfriedhof in Senones (Foto und Informationen von Otmar Frühauf).
Vgl. https://www.volksbund.de/kriegsgraeberstaette/senones.html

    
90. Geburtstag von Karoline Weil geb. Mayer (1927)  

Ingenheim BayrGZ 08031927.jpg (14955 Byte)Artikel in der Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 8. März 1927: "Ingenheim (Rheinpfalz). Die älteste Bürgerin der Gemeinde, Frau Karoline, genannt 'Hannchen' Weil geborene Mayer, feierte am 5. März 1927 ihren 90. Geburtstag."  

   
Erinnerung an die Deportation in das südfranzösische Internierungslager Gurs im Oktober 1940: Grabsteine für Albert Deutsch und Julius Joseph in Gur 

Ingenheim Gurs BK 020.jpg (203613 Byte)Grabstein im Friedhof des ehemaligen Internierungslagers Gurs für  
Julius Joseph, 
geb. am 11. Juli 1870 in Ingenheim, später wohnhaft in Mannheim, 
am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert, wo er am 18. November 1940 umgekommen ist.      
Ingenheim Gurs BK 021.jpg (150035 Byte)Grabstein im Friedhof des ehemaligen Internierungslagers Gurs für  
Albert Deutsch, 
geb. am 16. Februar in Ingenheim, später wohnhaft in Heidelberg, 
am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert, wo er am 1. Dezember 1940 umgekommen ist.  

    
    
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen  
Verlobungsanzeige von Betty Roos und Abraham Roos (1903)
  

Anzeige im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 28. August 1903: "Statt jeder besonderen Anzeige. 
Betty Roos - Abraham Roos. Verlobte. 
Ingenheim - Frankfurt am Main, Fahrgasse 17 I." 

   
   
   
Zur Geschichte der Synagoge        
    
Eine erste Synagoge, über die nichts weiteres bekannt ist, stammte vermutlich aus dem 18. Jahrhundert. In den 1820er-Jahren plante die jüdische Gemeinde den Bau einer neuen Synagoge. 1827 konnte der Gemeindevorstand von der Witwe des Brigadegenerals Mercier ein Grundstück für einen Neubau erwerben. Zum Bau der neuen Synagoge wurden mehrere Entwürfe diskutiert. 1830 wurde der dritte Entwurf des Münchner Architekten Friedrich Gärtner als Grundlage für den Neubau ausgewählt. Die Planung für den Innenausbau übernahm August von Voit. 1831 konnte mit dem Bau begonnen werden; der Rohbau war im Dezember 1831 fertiggestellt. Weil der Bauplatz sumpfig war, mussten als Fundament 320 Stahlpfähle 4 m tief in die Erde gelassen werden. Am 10. Dezember 1832 erfolgte die Einweihung der Synagoge. Rabbiner Jakob Aaron Ettlinger hielt die Einweihungsrede. Das Gebäude umfasste eine Fläche von 125 m². Der Innenraum war über 10 m hoch und hatte Plätze für 240 Männer und 170 Frauen (auf der Empore). Der Toraschrein hatte einen zweisäuligen altarartigen Aufbau mit Flachgiebel und reiches Ornamentik. Die Ingenheimer Synagoge wurde zum Vorbild für mehrere andere jüdische Gotteshäuser in und außerhalb der Pfalz (z.B. Böhl-Iggelheim, Binswangen, Weingarten).        
    
Ein Höhepunkt in der Geschichte der Synagoge in der Mitte des 19. Jahrhunderts war der Besuch des Bischofs von Speyer (es war der seit Juli 1842 amtierende Bischof Nikolaus von Weis) in der Synagoge in Ingenheim im Juni 1844.   

Ingenheim AZJ 29071844.jpg (65736 Byte)Erster Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 29. Juli 1844: "Speyer, 10. Juli (1844). Bei einem neulichen Besuch unseres Bischofs in Ingenheim wurde er am Eingang des Orts von den Notabeln aller Konfessionen, von Protestanten, Katholiken und Israeliten empfangen, und er benutzte diese Gelegenheit es auszusprechen, wie erhebend es sei, alle Konfessionen friedlich mit und nebeneinander leben zu sehen. Auch besuchte er die Synagoge und hielt sogar dort eine kleine Rede über die Vorzüge der hebräischen Sprache beim Gottesdienst. Die Jugend ermahnte er, dass sie festhalten möge an die Religion ihrer Väter usw." 
  
Ingenheim AZJ 05081844a.jpg (125729 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 5. August 1844: "Aus der bayerischen Pfalz, 10. Juli. Wir haben zwar den Gegenstand des Folgenden bereits in voriger Nummer berichtet, können uns aber nicht enthalten, diesen ausführlichen Artikel dem "Landauer Eilboten" zu entlehnen: "Ingenheim, im Juni 1844. Bei der im verflossenen Monate stattgehabten Umreise des Herrn Bischofs von Speyer war kaum die Kunde von dessen bevorstehender Ankunft in Ingenheim erschollen, als schon Alle sich bereit hielten, den würdigen Prälaten auf würdige Weise zu empfangen. Der Gemeinderat, bestehend aus Bürgern evangelisch-protestantischer, katholischer und israelitischer Konfession, hatte sich am Eingang des Ortes, den Bürgermeister an der Spitze, versammelt, und beim Einzuge schon äußerte sich der Herr Bischof, wie wohl es seinem Herzen tue, alle Konfessionen so friedlich mit und nebeneinander leben zu sehen. Nach abgehaltenem Gottesdienste äußerte der Herr Bischof den Wunsch, auch die Synagoge zu sehen, welche, als kaum dieser Wunsch laut geworden, wie durch einen Zauberschlag prachtvoll erleuchtet dastand. Bald darauf begab sich der Herr Bischof, in Begleitung des Herrn Distriktsschulinspektors, des Herrn Lokalinspektors, vieler anderer Herren Geistlichen und der Ortsbehörde, in das israelitische Gotteshaus, in welchem sich an 2.000 Menschen aller Konfessionen, alle festlich gekleidet, versammelt hatten. In der Vorhalle empfing den Erwarteten der Vorstand, dessen Präsident, Herr B. Roos, eine kurze passende Anrede hielt, welche von dem Herrn Bischof auf eben so kurze als herzliche Weise erwidert wurde. Bei dem Eintritte in den Tempel wurde von dem, durch den sehr tätigen Kantor, Herrn Stern, der auch das gebührende Lob für seine Leistungen erntete, neu eingerichteten Sängerchor und der Schuljugend der 26. Vers des 118. Psalms: "Gesegnet, wer da kommt im Namen Gottes, wir segnen euch aus dem Hause Gottes!" mit vieler Präzision abgesungen. 
Ingenheim AZJ 05081844b.jpg (170709 Byte)Der Eindruck, welchen dies auf alle Anwesenden, besonders aber auf den gefeierten Gast und die Herren Geistlichen, welche den Sinn dieses, in hebräischer Sprache abgesungenen Verses und die Absicht der Wahl erfassten, hervorbrachte, war sichtbar. Hierauf sprach der Herr Bischof in kräftigen Worten sich über den Geist der hebräischen Poesie aus, deren Höhepunkt von keiner andern Sprache noch erreicht worden, über das in den hebräischen Gebeten liegende tiefe Gefühl, das durch keine Übersetzung wieder gegeben werden könne, und über den Wert der heiligen Sprache im Allgemeinen, woraus der Schluss auf deren göttlichen Ursprung gezogen werden müsse. Nachdem nun von dem Chor und der Schuljugend der 133. Psalm, und zwar auf ausdrückliches Verlangen, in hebräischer Sprache abgesungen worden, und der Herr Bischof die Jugend besonders deshalb belobt, dass sie den Sinn der hebräischen Gebete und Gesänge so richtig auffasste, sprach der Gefeierte wiederholt sein Wohlgefallen an dem Geiste des Friedens aus, der hier die Bekenner so verschiedener Konfessionen, gleich Kindern eines Vaters, belegt. Er ermahnte die Anwesenden zu fernerer Eintracht und brüderlicher Liebe, indem man nur dadurch Gott gefällig leben könne; sodann, sich an die Schuljugend wendend, legte er ihr ans Herz, wie sie durch Befolgung der göttlichen Lehre glücklich werden könne, und wie sie ja festhalten möge an der Religion der Väter usw. Zum Schlusse wurde ein Schul- und Synagogenlied abgesungen, was auf die Versammlung so ergreifend wirkte, dass wenige Augen nur tränenleer waren; und so endete diese Feier, welche der zahlreichen israelitischen Einwohnerschaft Ingenheims um so unvergesslicher sein wird, als der Impuls dazu durch einen hochstehenden Geistlichen anderer Konfession gegeben ward, dessen schönes Beispiel alle Intoleranz, wenn sie je auftauchen wollte, im Keim ersticken und das Streben der Proselytenmacher lähmen muss. - Der Herr sei mit dem Würdigen auf allen seinen Wegen!"  

Im Frühjahr 1932 konnte die jüdische Gemeinde das 100jährige Bestehen der Synagoge feiern. Auf Grund der "misslichen wirtschaftlichen Krise" (siebe Bericht) setzte man feierlich keine besondere Festfeier an. Im "Bayerischen Israelitischen Gemeindeblatt" vom 1. Mai 1932 erschien zum Jubiläum der folgende Artikel:  

Ingenheim BayrIsrGZ 01051932.jpg (83238 Byte)"100jähriges Bestehen der Synagoge in Ingenheim (Rheinpfalz). In diesen Tagen sind 100 Jahre verflossen seit der Einweihung der hiesigen Synagoge. Am 27. September 1827 wurde Grund und Boden dazu von der Witwe des Brigadegenerals Mercier durch die damalige Vorstandschaft der israelitischen Kultusgemeinde erworben. Der Vertrag wurde von folgenden Herren unterzeichnet: '1. Bernhard Roos, 1. Vorstand und Bürgermeister, 2. Salomon Roos, 3. Moses Altschul, 4.Jonas Marx, 5. Jonathan Kaufmann, 6. Markus Altschul, sämtliche Handelsleute und in Ingenheim wohnhaft.' Damals wohnten 150 Familien in Ingenheim. Wie groß der Opfersinn der Gemeinde war, bezeugte heute noch der monumentale Prachtbau, den der pfälzische Dichter August Becker in seinem Roman 'Nonnensusel' als die schönste Synagoge der Pfalz bezeichnet, ferner die vielen wertvollen Kultusgegenstände, von den einzelnen Mitgliedern gestiftet. Schade, dass dieses herrliche Gotteshaus, einst bis auf den letzten Platz gefüllt, heute, auch an den hohen Feiertagen, eine gähnende Leere aufweist, da die Gemeinde nur noch 27 Familien zählt. Früher hatten wir 2 Beamte, 2 Elementarlehrer, 1 Kantor und 1 Synagogendiener, während wir heute gar keinen Beamten mehr halten können. Der Gottesdienst wird durch Privatpersonen in uneigennütziger Weise abgehalten, nur an den hohen Feiertagen benötigen wir einen bezahlten Hilfskantor von auswärts. Den Religionsunterricht erteilt unser pensionierter Kantor, Herr Mandel. Leider müssen wir infolge der misslichen wirtschaftlichen Krise von einer Feier Abstand nehmen."  

Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge am frühen Morgen des 10. November angezündet. Die Feuerwehr wurde nicht zum Löschen zugelassen. Das Gebäude brannte im Laufe des Vormittags völlig aus. Im Polizeibericht dieses Tages hieß es: "Die Synagoge dürfte schon vor 5 Uhr angezündet worden sein. In aller Eile entfernte man einen Tankwagen aus der Nähe der Brandstelle, um eine Explosion zu verhüten. Die Feuerwehr wurde nicht zum Löschen zugelassen. Erst gegen 10 Uhr bekam das Feuer in der Synagoge Luft, darauf stürzte sehr schnell der Dachstuhl ein und das Gebäude brannte völlig aus." Beim Brand wurde die gesamte Inneneinrichtung zerstört, darunter vier Predigerpulte, eine Orgel, Kronleuchter, Hängelampen, Wandlampen, Kokosläufer, Garderobeneinrichtungen, die Einrichtungen des Gemeinde und des Rabbinerzimmers. An rituellen Gegenständen wurden vernichtet: 20 Torarollen, 60 Toramäntel, 15 Sätze Toraschmuck, 100 Torawimpel, zehn Toravorhänge, eine ewige Lampe, vier Chanukkaleuchter, vier silberne Altarleuchter, drei Sätze Becher, zwei Trauhimmel, zwei Megillot, zwei Schofarhörner, 50 Gebetsmäntel, 80 Gebetsbücher, 60 Festtagesgebetsbücher und 60 Exemplare des Pentateuch. 
   
Die Synagogenruine wurde während des Krieges durch Artilleriebeschuss weiter beschädigt und durch Witterungseinflüsse weiter zerstört. Schließlich wurde es abgebrochen. Das Grundstück wurde 1951 an einen Ingelheimer Bürger verkauft. Eine Gedenktafel wurde am 9. November 1986 in Anwesenheit des damaligen Landesrabbiners von Rheinland-Pfalz Dr. Meier Ydit eingeweiht.          
    
    
Standort der SynagogeHauptstraße 17-19 in Ingenheim          
    
    
Fotos 
Historische Pläne / Fotos:  
(Quelle: Pläne obere Zeilen in: "Und dies ist die Pforte des Himmels" s.Lit.; die Außen- und Innenansichten finden sich in zahlreichen Darstellungen zur Geschichte der Synagogen)

Ingenheim Synagoge 003.jpg (42671 Byte) Ingenheim Synagoge 017.jpg (52020 Byte) Ingenheim Synagoge 018.jpg (72125 Byte)
Fassadenskizze zur Synagoge 
in Ingenheim. Zeichnung des
 Architekten Friedrich von Gärtner,
 1830.   
Fassade der Synagoge: Plan von Friedrich von Gärtner, 1830. Rechts Ausschnitt des Portales mit Inschriften. Über
 dem Eingang Zitat aus Psalm 118,20 (abgekürzt): "Die ist das Tor zum Herrn, Gerechte ziehen durch es hinein".
 Darüber im Rundbogenfenster (?) der auf Hochzeitssteinen (Chuppastein) übliche Spruch aus Jeremia 7,34: "Die
 Stimme der Wonne und die Stimme der Freude, (das sind) die Stimme des Bräutigams und die Stimme der Braut".
   
Ingenheim Synagoge 019.jpg (85505 Byte) Ingenheim Synagoge 022.jpg (86663 Byte) Ingenheim Synagoge 021.jpg (57646 Byte)
Seitenansicht  
  
Querschnitt  
  
Grundriss im Bereich des Betsaales: die Bima (Vorlesepult) ist noch 
traditionell im Mittelpunkt  
     
Ingenheim Synagoge 015.jpg (17902 Byte) Ingenheim Synagoge 023.jpg (53001 Byte) Ingenheim Synagoge 002.jpg (73440 Byte) Ingenheim Synagoge 024.jpg (56128 Byte)
Rabbinerhaus (links) und Synagoge in Ingenheim   Blick auf die Fassade und das Eingangsportal  
     
Ingenheim Synagoge 511.jpg (43722 Byte)     Ingenheim Synagoge 016.jpg (67247 Byte)  Ingenheim Synagoge 510.jpg (51941 Byte)
Weitere Ansicht - Blick auf Fassade
und Eingangsportal
   
 Ortsansicht Ingenheim 1879 mit Synagoge
und den beiden Kirchen (aus der
Sammlung von Bernhard Kukatzki)
Innenansichten der Synagoge: Blicke zum Toraschrein, davor
das Lesepult (Schulchan); rechts und links die Frauenemporen.
Auf dem Foto rechts ist auch der Kantor zu sehen.   
       
 Ingenheim Synagoge 020.gif (55737 Byte)   
  Modell der Ingenheimer Synagoge von "Bet Tfila" - Forschungsstelle für jüdische Architektur in Europa:     
Modell der Ingenheimer Synagoge
   
  

    
Fotos nach 1945/Gegenwart: 
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 31.8.2004) 

Ingenheim Synagoge 101.jpg (44793 Byte) Ingenheim Synagoge 100.jpg (51607 Byte)
Standort der ehemaligen Synagoge   Gedenktafel  
   
Denkmal für die Gefallenen der Gemeinde Ingenheim
mit den Namen der fünf jüdischen Gefallenen
(vgl. oben; Foto: Bernhard Kukatzki 2020)
 
   

   
   
 
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte       

April 2916: Einladung zur Präsentation der neuen Website zur jüdischen Geschichte Ingenheims     
Einladung des Bürgermeister der Ortsgemeinde Billigheim-Ingenheim vom 11. April 2016 zur Vorstellung der neuen Homepage der Ortsgemeinde Billigheim-Ingenheim mit dem Titel: "Jüdisches Leben in Ingenheim..."   

    
      

Links und Literatur  

Links:

bulletWebsite der Gemeinde Billigheim-Ingenheim    
bulletWebsite http://www.juedisches-leben-in-ingenheim.de/de/     
bullet Zur Seite über den jüdischen Friedhof in Ingenheim (interner Link)  
bulletInformationsseite zur Synagoge in Ingenheim: hier anklicken 
bulletSeite der Protestantischen Kirchengemeinden Billigheim-Ingenheim zur Synagoge in Ingenheim: hier anklicken  

Literatur:    

bulletJakob Aaron Ettlinger: Rede gehalten zur Einweihungsfeier der neuen Synagoge zu Ingenheim im königlich baierischen Rheinkreise, Mannheim 1833.
bulletKarl Fücks / Michael Jäger: Synagogen der Pfälzer Juden. Vom Untergang ihrer Gotteshäuser und Gemeinden. 1988.
bulletAlfred Hans Kuby (Hg.): Pfälzisches Judentum gestern und heute. Beiträge zur Regionalgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Neustadt a.d. Weinstraße 1992.
bulletLandesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Mainz 2005. S. 105-106 (mit weiteren Literaturangaben).  

  
    


 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.

Ingenheim Palatinate. Jews settled in a local castle belonging to the counts of Gemmingen after the expulsion from Landau in 1347. The 19th century community was the largest and most important in the Palatinate with a peak population of 578 (a third of the total) in 1848. In 1869, Jewish merchants included 24 cattle dealers active throughout Germany. Jews also traded in grain and farm produce. A Jewish-owned cigarette factory set up in 1877 employed 150 people in the 1930s. A synagogue in the Moorish style, the largest in the Palatinate, was consecrated in 1832 with a Jewish school attached to it. In 1933, the Jewish population was 90 with three other communities (Goecklingen, Heuchelheim, Klingenmuenster) part of the congregation. In 1938, 57 Jews remained. The synagogue was set on fire on Kristallnacht (9-10 November 1938). Most of the remaining Jews left the town. On 22 October 1940, three elderly Jewis women were deported to southern France, two dying in the Gurs concentration camp and the other in Auschwitz.  
    
     

                   
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Stand: 30. Juni 2020