Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Jebenhausen (Stadt Göppingen, Kreisstadt) 
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge

Übersicht:

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
   Siehe weitere Seite (interner Link)      
bulletZur Geschichte des Betsaales / der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen  
bulletErinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte   
bulletLinks und Literatur   

    

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde       
   
In dem bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts den Freiherren von Liebenstein gehörenden Jebenhausen bestand eine jüdische Gemeinde bis 1899. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 18. Jahrhundert zurück. 1777 wurden die ersten 20 Familien am Ort aufgenommen wurden. 
   
Die höchste Zahl jüdischer Einwohner wurde um 1845 mit 550 Personen erreicht (über 46 Prozent der Gesamteinwohnerschaft). In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ging die Zahl durch Aus- und Abwanderung (insbesondere nach Göppingen und Stuttgart) schnell zurück, sodass 1891 nur noch 52 und 1910 nur noch vier jüdische Einwohner in Jebenhausen gezählt wurden. 
    
Die jüdischen Familien betätigten sich vorzugsweise im Vieh- und Pferdehandel (1863 noch 25 Viehhändler) sowie im Handel mit verschiedenen Waren. Auch gab es in den 1830er- und 1840er-Jahren mehrere Fabriken (Manufakturgeschäfte) in der Textilbranche. 
  
Von 1778/79 bis 1868/74 war Jebenhausen Sitz eines Rabbinats. Danach wurde es nach Göppingen verlegt.
    
Von den in Jebenhausen geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Sofie Bodenheimer geb. Dettelbacher (1863), Johanna Frey (1872), Rosa Herzberger geb. Mannheimer (1870), Pauline Israel geb. Gutmann (1852), Thekla Kahn geb. Rohrbacher (1868), Betty Lauchheimer geb. Leiter (1883), Friederike Lehmann geb. Raff (1857), Julius Raff (1868), Marta (Martha) Schwenzer geb. Oppenheimer (1879), Hedwig Weil geb. Rosenthal (1881), Adolf Zürndorfer (1874).
  
  
   
Zur Geschichte des Betsaales/der Synagoge        
   
Seit 1777 wurden die Gottesdienste in einem einfachen Betsaal abgehalten. Dieser erwies sich bald als zu klein. 1779 wird berichtet, dass inzwischen mehr Beter vor dem Betraum stehen mussten, als innen Platz fanden.  
       
1779 wurde eine erste Synagoge in der Aichgasse erbaut. Bei der Finanzierung halfen auch andere Gemeinden mit. Die beiden Vorsteher Abraham Sandel Lauchheimer und Beerle Weil hatten sich mit zwei Sammelbüchern auf den Weg gemacht und kamen mit Spenden aus über 60 jüdischen Gemeinden zurück. Die Zimmerleute Johannes Martin und Andreas Müller in Göppingen fertigten die Pläne an und führten den Bau zusammen mit anderen Handwerkern aus. Seit Herbst 1779 konnten die Gottesdienste in der Synagoge gefeiert werden.
       
Allerdings war diese erste Synagoge für die um 1800 auf 40 jüdische Familien angewachsene Gemeinde schnell zu klein geworden. Seit 1798 beschäftigten sich mehrere Gemeindeversammlungen mit dem Bau eines größeren Gotteshauses. Im Juni 1800 konnte für 148 Gulden ein geeignetes Grundstück am späteren Postplatz (Boller Straße 36, hier nach 1900 das Rathaus von Jebenhausen) zum Bau einer neuen Synagoge gekauft werden. Da für den Neubau wiederum die bescheidenen Mittel der jüdischen Familien nicht ausreichten, war erneut eine Kollekte nötig, die diesmal von Elias Gutmann und Moses Faist Rosenheim durchgeführt wurde. Sie begaben sich von Frühjahr 1803 immer wieder auf Rundreisen zu jüdischen Gemeinden einer weiten Umgebung. Da durch die Kollekte nur ein Teil der veranschlagten Gesamtkosten von 3130 Gulden erbracht werden konnten, mussten mehrere Darlehen aufgenommen werden. 1803 und 1804 wurde die Synagoge erbaut und wenige Tage vor den Hohen Feiertagen im Herbst 1804 feierlich eingeweiht. Zeitgenossen rühmten die Synagoge als einen sehr schönen und würdigen Bau. Die Inneneinrichtung im Betsaal selbst bestand neben dem Toraschrein und einer tragbaren Kanzel zunächst aus den damals üblichen beweglichen Betpulten (Ständer). 1841 sollten auf Anregung der Israelitischen Oberkirchenbehörde statt der bisherigen Ständer einige Bänke angeschafft werden. Damit wollte man "nicht nur Raum gewinnen, sondern auch die Bildung eines Gesangs-Chores erleichtern". Dagegen wehrte sich jedoch mit Erfolg eine Gruppe von Gemeindegliedern unter Anführung des Vorstehers Hayum Bernheimer.  
        
Eine umfassende Renovierung der Synagoge wurde 1862 notwendig, die einen Gesamtaufwand von 7433 Gulden verursachte. Die von Stadtbaumeister Schmohl aus Göppingen durchgeführten Baumaßnahmen betrafen eine völlige Neugestaltung des Innen- und Außenbereiches. An Stelle der bisherigen Pulte wurde ein neues Gestühl angefertigt, bestehend aus 38 Bänken mit zusammen 248 Sitzplätzen, die teilweise Klappsitze waren. Rabbiner und Vorbeter erhielten neue eichene Einzelsitze. Zur Innenausstattung trugen zahlreiche Stiftungen von Gemeindegliedern und Vereinen bei. Zum wertvollsten gehörten die von Gemeindevorsteher Daniel Rosenthal gestifteten fünf Kronleuchter und zwei Kandelaber, die einen Wert von 600 Gulden hatten oder die von Gemeindevorsteher Leopold Einstein gestifteten Vorhänge aus rotem Samt für den Toraschrein und die Kanzeldecke im Wert von 200 Gulden. Am 20. Dezember 1862 konnte die Synagoge  feierlich eingeweiht werden. Rabbiner Herz hielt die Weiherede. 
    
Die Synagoge wird neu eingeweiht (1862)  

Jebenhausen AZJ 27011863.jpg (43771 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 27. Januar 1863: "In Jebenhausen wurde die Synagoge neu restauriert und am 19. Dezember vorigen Jahres feierlich eingeweiht. Die Stuttgarter Liturgie wurde zugleich dort eingeführt und ein Harmonium aufgestellt, das den Gesang begleitet. Die christlichen Bezirks- und Gemeindebeamten nahmen freundlichen Anteil an der Feier, die der Ortsrabbiner leitete und der seiner Rede die schönen Worte Psalm 26,6 zugrunde legte."         

  
Veröffentlichung der Predigten von Rabbiner Herz zur Einweihung der Synagoge (1863
)   

Jebenhausen AZJ 18081863.jpg (88392 Byte) Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 18. August 1863: "Zwei Predigten bei der Synagogenweihe zu Jebenhausen von Rabbiner Herz. An Psalm 26,8 knüpft der Redner in der ersten Predigt, der eigentlichen Weihepredigten, die Mahnungen: 1) in dem Gotteshause weihevoll und andächtig zu sein und sich zu verhalten; 2) das Gotteshaus zu lieben und oft zu besuchen; 3) den Wandel im Leben nach den im Gotteshause empfangenen Lehren einzurichten. In der zweiten, am darauffolgenden Sabbat-Chanukka gehaltenen Predigt deutet der Sacharja 2,14 auf die drei Stätten, die außer dem Gotteshause dem Herrn geweiht werden müssen, und versteht darunter das Herz, die Familie und den Sabbat, letzteren als die rechte Heiligung für das ganze Leben. Die Sprache des Redners ist warm und herzlich, einfach und fließend, wie ein würdiger Seelensorger zu der ihm anvertrauten Gemeinde spricht und bei ihr auf willi8ges Entgegenkommen rechnen darf."        

          
Nur wenige Jahrzehnte diente die Synagoge Jebenhausens als Gotteshaus der örtlichen jüdischen Gemeinde Gemeinde. Im Laufe der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verzogen fast alle der jüdischen Gemeindeglieder in die Städte, insbesondere nach Göppingen. So musste bereits am 31. Dezember 1899 der letzte Gottesdienst in der Synagoge gefeiert werden. Am 14. Januar 1900 erfolgte die Übergabe des Vermögens der aufgelösten Gemeinde an die israelitische Kirchengemeinde Göppingen. Dabei wurden unter anderem zehn Torarollen, der silberne Toraschmuck und weitere kultische Einrichtungen übergeben. Das Gebäude der ehemaligen Synagoge wurde zunächst noch als Lager einer jüdischen Firma verwendet, 1905 abgebrochen. 
  
Das Synagogen-Gestühl ist zu verkaufen (1900)  

Jebenhausen Israelit 13081900.jpg (95818 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. August 1900: "Synagogen-Gestühl. 
Aus der Synagoge der aufgelösten Gemeinde Jebenhausen hat das Unterzeichnete das gesamte Gestühl zu verkaufen: es besteht in: 
1) 18 Stühle à 6 Plätze, ca 3,50 lang, mit Klapp-Sitzen und Kästchen.  
2) 8 Stühle à 5 Plätze ca. 2,80 lang, mit 3 ohne Kästchen; 
3) 10 Stühle à 8 Plätzen 4,70 lang, feste Sitze und ohne Kästchen; 
4) 2 Stühle à 6 Plätzen 3,50 lang, feste Sitze und ohne Kästchen; 
5) 2 eichene Einzel-Stühle (Vorsteher usw.). 
6) eichene Kanzel, mit 2 eichenen Treppen.  Das Gestühl ist 1863 neu angeschafft worden und sehr gut erhalten; Nr. 1-4 sind die Docken eichen, sonst tannen. Es ist hier günstige Gelegenheit geboten, für Gemeinden, die ein neues Gestühl anzuschaffen gewillt sind. 
Zu weiteren Auskünften und Entgegennahme von Offerten ist gerne bereit. 
Das Israelitische Kirchen-Vorsteher-Amt Göppingen: I.A. Rabbiner Straßburger. P
.S.: Ebenso sind abzugeben 5 Torarollen (nicht koscher) und eine schöne Haftara."   
 
Jebenhausen Israelit 20091900.jpg (120175 Byte) Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. September 1900: "Synagogengestühl
Aus der Synagoge der aufgelösten Gemeinde Jebenhausen hat das Unterzeichnete, das gesamte Gestühl zu verkaufen; es besteht in 40 Stühlen mit 240 Plätzen; die einzelnen Stühle haben je 5-8 Plätze und sind 2,80 bis 4,70 Meter lang und durchschnittlich 1 m 12 cm hoch; das Gestühl ist sehr gut erhalten, hat teilweise (48 Plätze) Klappsitze und Bücherkästchen. 
Aus gleichem Anlasse hat das Unterzeichnete einige Torarollen, sowie fünf größere Leuchter abzugeben. 
Da wir den Wunsch haben, diese Gegenstände ihrem bisherigen Zweck zu erhalten, so werden die Preise demgemäss gestellt.
Israelitisches Kirchen-Vorsteher-Amt Göppingen."   

       
Aus der Inneneinrichtung der Synagoge sind in der (alten) evangelischen Kirche (Boller Straße 82) noch erhalten: zehn Bänke mit charakteristischen Läden, in denen Gebetstücher und –bücher aufbewahrt wurden, sowie fünf Kronleuchter. 1905 hatte die Gemeinde dies der evangelischen Kirche geschenkt. Diese Kirche dient inzwischen als Gedenkstätte mit Museum für die jüdischen Gemeinden Göppingen und Jebenhausen.  
     
     
    
Fotos 
Historische Fotos / Plan:
(Quelle: Stadtarchiv Göppingen; Foto des Grundsteines: Jüdische Gotteshäuser und Friedhöfe in Württemberg. 1932. S. 80; die Fotos sind verschiedentlich in den Publikationen des Stadtarchives, insbesondere dem Reprint des Buches von Aron Tänzer, publiziert worden) 

Jebenhausen Synagoge Plan 001.jpg (12931 Byte)
Plan des Synagogengrundstückes und der Umgebung: Schulhaus 
der israelitischen Gemeinde und der dazugehörige Garten
   
Historische Ansichtskarte von Jebenhausen 
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller, Kirchheim/Ries) 
Jebenhausen Dok 1601.jpg (237801 Byte) Jebenhausen Dok 1601a.jpg (324265 Byte)
   Die Ansichtskarte von Jebenhausen mit einer Straßenpartie bei der Synagoge wurde von Moritz Rosenthal am 25. Mai 1900 nach Schorndorf geschickt. Der Inhalt ist persönlicher Art, u.a.: "Liebe Bertha. Erst heute komme ich dazu, deine liebe Karte zu beantworten, denn an dem Tage, als dieselbe kam, erkrankte ich nochmals an Darmentzündung, jetzt ist alles vorbei. Heute schrieb ich auch an deine Lieben... auf baldiges Wiedersehen in Schorndorf... dein Freund Moritz Rosenthal"
     
Jebenhausen Synagoge 001.jpg (101628 Byte) Jebenhausen Synagoge 005.gif (83563 Byte) Jebenhausen Synagoge 004.jpg (40209 Byte)
Die Synagoge in Jebenhausen 
um 1900
Innenaufnahme: 
Blick zum Toraschrein 
 Grundstein der Synagoge Jebenhausen 
von 1804, nach Abbruch in die 
Synagoge Göppingen verbracht
     
     
Jebenhausen_Synagoge_004.jpg (31893 Byte)  Jebenhausen4.jpg (7724 Byte)
Toravorhang, gestiftet 1804 von Simon 
Faist Rosenheim und seiner Frau
Leuchter aus der Synagoge Jebenhausen,
 jetzt in der (alten) evangelischen Kirche
Stickerei: Bord 
eines Toravorhanges
     
   Jebenhausen Synagoge 010.jpg (12905 Byte)   
   Der Abbruch der Synagoge 1905   

  
Fotos nach 1945/Gegenwart - erstellt bei der Jahrestagung der "Alemannia Judaica" im Oktober 2012 :  

Im Jüdischen Museum in
 Göppingen-Jebenhausen 
(Fotos: Hahn)  
Kirchheim JT 2012043.jpg (154239 Byte) Kirchheim JT 2012026.jpg (120407 Byte) Kirchheim JT 2012020.jpg (153889 Byte)
  Alte evangelische Kirche in
 Jebenhausen: jetzt jüdisches
 Museum
Begrüßung durch Stadtarchiv Dr. Karl-Heinz Rueß 
   
       
Kirchheim JT 2012029.jpg (146873 Byte) Kirchheim JT 2012030.jpg (134870 Byte) Kirchheim JT 2012032.jpg (125845 Byte) Kirchheim JT 2012027.jpg (98554 Byte)
Besichtigung des jüdischen Museums mit Dr. Karl-Heinz Rueß  
       
Kirchheim JT 2012031.jpg (107275 Byte) Kirchheim JT 2012021.jpg (168425 Byte) Kirchheim JT 2012022.jpg (132090 Byte) Kirchheim JT 2012023.jpg (118672 Byte)
Wirtshausschild des
 "König David"
Leuchter aus der Synagoge, die nach deren Abbruch 1905 
in die Kirche kamen 
Erinnerungen an 
Rabbiner Dr. Aron Tänzer 
       
Kirchheim JT 2012028.jpg (109072 Byte) Kirchheim JT 2012025.jpg (107391 Byte) Kirchheim JT 2012024.jpg (179280 Byte)   
Erinnerungen an die 1938 
zerstörte Göppinger Synagoge 
Erinnerungen an Ereignisse
 in der NS-Zeit  
Zur Beteiligung jüdischer Kriegs-
 teilnehmer im Ersten Weltkrieg  
 
       
Rundgang durch 
Jebenhausen 
Kirchheim JT 2012033.jpg (185337 Byte) Kirchheim JT 2012034.jpg (156943 Byte) Kirchheim JT 2012035.jpg (224521 Byte)
  Am Standort der 1905 abgebrochenen Synagoge   
       
Kirchheim JT 2012036.jpg (150500 Byte) Kirchheim JT 2012037.jpg (160658 Byte) Kirchheim JT 2012038.jpg (166253 Byte) Kirchheim JT 2012039.jpg (134493 Byte)
Ehemaliges Haus 
des Rabbiners 
Blick auf die Häuser am 
früheren "Judenberg"
Vor dem früheren Armenhaus 
der jüdischen Gemeinde 
Gang über den früheren
 "Judenberg" 
       
   Kirchheim JT 2012040.jpg (200332 Byte) Kirchheim JT 2012041.jpg (186221 Byte) Kirchheim JT 2012042.jpg (194881 Byte)
  Vor dem Haus der Familie Lauchheimer, die letzte jüdische Familie
in Jebenhausen nach 1933 
"Stolperstein" für Betty
 Lauchheimer geb. Leiter (1883)
       

      
      
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte   

Oktober 2010: Vortrag von Inge Auerbacher in Jebenhausen   
Jebenhausen Inge Auerbacher 010.jpg (25083 Byte)Foto links: Ein Bild aus glücklichen Zeiten: Inge Auerbacher (auf der Bank) mit Eltern und Großeltern vor dem Haus der Großeltern Lauchheimer in Jebenhausen
Artikel in der "Südwestpresse" vom 10. Oktober 2010 (Artikel): "Engagement gegen das Vergessen 
Göppingen.
Inge Auerbacher aus New York ist für zwei Wochen in Deutschland zu Besuch, um in Vorträgen über das Schicksal ihrer Familie zu berichten. 
Die erste Veranstaltung findet morgen ab 19.30 Uhr im Jüdischen Museum in Jebenhausen statt. Dort lebten ihre Großeltern Lauchheimer. Das Haus steht noch am Vorderen Berg, seit 2007 erinnert ein "Stolperstein" im Gehweg davor, dass Inges Großmutter Betty Lauchheimer nach der Deportation in Riga ermordet worden ist. 
Inge Auerbacher war als Kind mit ihren Eltern im KZ Theresienstadt inhaftiert, die Familie hatte das Glück zu überleben. Ihre Kindheit im KZ schilderte Inge Auerbacher später in dem Buch "Ich bin ein Stern", das in acht Sprachen übersetzt wurde. Für ihr Engagement für Toleranz und Menschenrechte hat Inge Auerbacher in den USA zahlreiche Auszeichnungen erhalten. 
Bei dem mit Bildern illustrierten Vortrag im Jüdischen Museum wird Inge Auerbacher über ihr Schicksal unter der Verfolgung im Nationalsozialismus berichten. Begleitet wird sie von ihrer Freundin Gardy-Käthe Ruder, eine Enkelin eines Opfers der NS-Euthanasie. Die Beschäftigung mit dem Schicksal der Großmutter veranlasste Gardy-Käthe Ruder, gegen Widerstände das Projekt "Stolpersteine" in Lahr sowie weitere Projekte, die sich mit der Integration von Randgruppen befassen, auf den Weg zu bringen. 
Inge Auerbacher und Gardy-Käthe Ruder lernten sich 1999 in der ehemaligen Synagoge Kippenheim kennen. Die Dreharbeiten zum Film "The Olympic Doll" sind Grundlage von Ruders Publikation "Holocaust im Gedächtnis einer Puppe - unterwegs auf Lebensspuren von und mit Inge Auerbacher". Brücken bauen über Generationen hinweg und einen Beitrag leisten zur Sensibilisierung gegenüber Unrecht und Gewalt sind erklärte Anliegen beider Frauen, die ihr Engagement gegen das Vergessen an diesem Abend vorstellen. Die Veranstaltung wird von Bürgermeister Jürgen Lämmle mit einem Grußwort eröffnet."   
    
April 2016: Im jüdischen Museum wird zum 25-Jahr-Jubiläum die Ausstellung erneuert  
Artikel von Karen Schnebeck in den "Stuttgarter Nachrichten" vom 27. April 2016: "Jüdisches Museum in Göppingen Neue Ausstellung zum 25-Jahr-Jubiläum .
Die Stadt investiert 280 000 Euro in die Erneuerung der Schau im Jüdischen Museum. Die Stadträte sind von dem Konzept begeistert, das vor allem die Bewohner der einst größten jüdischen Gemeinde Württembergs in den Fokus rückt.
Göppingen -
Es gebe viele neue Forschungsergebnisse und auch viele neue Möglichkeiten, Wissen auf spannende Weise zu vermitteln, sagt der Göppinger Stadtarchivar Karl-Heinz Rueß. Deshalb, und weil im Jüdischen Museum in Jebenhausen ohnehin einiges renoviert werden muss, soll die Ausstellung im Herbst kommenden Jahres für rund 280 000 Euro komplett überarbeitet werden – pünktlich zum 25-jährigen Bestehen des Museums. Den Sozialausschuss des Gemeinderats hat Rueß mit seinem Konzept bereits überzeugt, die endgültige Zustimmung am 12. Mai scheint nur noch eine Form­sache zu sein. Im Ausschuss schwärmten die Stadträte von der 'Strahlkraft des Museums', die weit über Göppingen hinausreiche (Christine Lipp-Wahl, Grüne). Es sei sehr gut, dass das Museum nun auf den Stand der Zeit gebracht werde, sagte Heidrun Schellong (SPD) und Rudolf Bauer (FWG) wünschte Rueß einen ebenso großen Erfolg wie mit dem Umbau des Städtischen Museums im Storchen.
Viel zu sehen für Schulklassen. Einige Stadträte träumen bereits davon, dass die neue Ausstellung im Verein mit dem geplanten Erinnerungsweg zahlreiche Schulklassen in den Göppinger Stadtteil locken wird. Wenn erst das geplante Märklin-Museum in der Stuttgarter Straße fertig sei, ergebe das ein spannendes Programm für einen kompletten Wochenendausflug, frohlockte etwa Felix Gerber (CDU). Dem Konzept zufolge wird es zusätzliche inhaltliche Schwerpunkte sowie Film- und Tonbandaufnahmen geben, auch die Schicksale einzelner Menschen bekommen einen größeren Raum. Einen wichtigen Teil der neuen Schau soll die Zeit nach 1945 und die Aufarbeitung der Verbrechen der Nazis in Göppingen ausmachen. Es wird um den Prozess gegen die Männer gehen, die Göppingens Synagoge in Brand gesteckt haben und um Untersuchungen, wer für die Deportation der Juden verantwortlich war.
Schicksale und Menschen, die Verfolgten halfen. Auch die Geschichte des in Göppingen hoch angesehen Apothekers Victor Capesius wird erzählt. Er hatte als SS-Führer die Lagerapotheke im KZ Dachau und dem KZ Auschwitz geleitet und war an Kriegsverbrechen in Auschwitz beteiligt. Im Jahr 1965 wurde er im 1. Frankfurter Auschwitz-Prozess zu neun Jahren Zuchthaus verurteilt. Als er nach Göppingen zurückkehrte wurde er von den Bürgern mit großer Begeisterung empfangen. Unter der Rubrik 'Lebensschicksale' wird die Ausstellung zeigen, wie der Antisemitismus in den 20er Jahren in Göppingen und Jebenhausen immer mehr überhand nahm. Aber auch, wie sich Menschen der Barbarei entgegenstellten. So wird die berühmte Schlacht am Walfischkeller 1922 thematisiert, bei der sich Nazis und Kommunisten mehrere heftige Schlägereien lieferten. Es wird von dem Feuerwehrkommandanten Keuler erzählt, der die brennende Synagoge löschen wollte, aber daran gehindert wurde, und von Gebhard Müller, der nach dem Krieg Württembergs erster Staatspräsident wurde. Auch er versuchte damals, die Synagoge zu retten und sagte im Prozess gegen die Täter aus.
Abenteuerliche Flucht und Erinnerungen auf Tonband. Bilder zeigen die abenteuerliche Flucht der Kinder der Familie Frankfurter. Ein Pfarrer und eine Diakonisse fuhren sie mit dem Auto bis Genua, von dort ging es per Schiff nach Palästina. Auf Tonbandaufnahmen erzählt Werner Ottenheimer von seiner Flucht nach Kuba als junger Mann und wie er dort schließlich festsaß. Der Göppinger Stadtarchivar Rueß pflegte viele Jahre lang einen Austausch mit Ottenheimer, dessen Familien seit Generationen in Jebenhausen gelebt hatte. Er hat für Rueß eine Kassette mit der Geschichte seines Lebens besprochen – im besten 30er Jahre Jebenhausener Schwäbisch.
Ein Spaziergang durch die Geschichte. Göppingen - Einst gab es in Jebenhausen eine Synagoge, eine jüdische Schule, einen jüdischen Friedhof und natürlich die Wohnhäuser der armen und reichen Juden. Heute ist die Geschichte vieler dieser Gebäude und ihrer Bewohner nur noch Eingeweihten bekannt. Der Verein Haus Lauchheimer will das ändern. Für rund 54 000 Euro schafft er einen Erinnerungsweg, der Besuchern von der Geschichte der Juden im Ort erzählt. Die Stadt bezuschusst das Projekt voraussichtlich mit 27 000 Euro. Im Herbst 2017 soll der Weg zusammen mit der neuen Ausstellung im Museum fertig gestellt sein.
Kammersänger, Hitler-Attentäter, Nobel-Preisträger. Die Planungen für den Erinnerungsweg sind schon weit gediehen: An neun Stationen werden mit Infotexten auf Glasstelen wichtige Gebäude und ihre Bewohner der jüdischen Gemeinde vorgestellt. Außerdem gibt es dort jeweils Hintergrundinformationen zu Themen rund um das Judentum. Der Weg beginnt am Schloss, dort beginnt die Geschichte der Juden in Jebenhausen: Die Ortsherren, die Freiherren von Liebenstein, begannen im 18. Jahrhundert, Juden anzusiedeln – in Württemberg war eine so große Ansiedlung damals beispiellos. Die Schutzbriefe, die den rechtlosen Juden erlaubten, sich niederzulassen, wurden im Schloss unterzeichnet.Die nächste Stele berichtet, wie aus der Dorfkirche in den 80er Jahren das jüdische Museum wurde. Eine Station ist neben dem Feuerwehrmagazin. Dort befand sich bis 1905 die Synagoge. Als immer mehr Juden wegzogen, wurde das Gebetshaus aufgegeben. Für viele neu wird auch die Geschichte des Gasthofs König David an Station sieben sein, der heute nicht mehr erhalten ist. Er war die erste koschere Gaststätte im Ort. Dort wurde der Kammersänger Heinrich Sontheim geboren, dessen späteres Wohnhaus, die Villa Wieseneck, ebenfalls auf dem Weg liegt. Noch weitere jüdische Jebenhäuser werden erwähnt: Elsa Härlen, die mit dem Hitler-Attentäter Georg Elser befreundet war und Pauline Koch, die Tochter eines Jebenhäuser Bäcker-Paares. Sie hat den Ulmer Kaufmann Herrmann Einstein geheiratet. Ihr Sohn Albert wurde 1879 in Ulm geboren."
Link zum Artikel    
 
März 2017: Ein Erinnerungsweg Jüdisches Leben soll angelegt werden 
Artikel von Margit Haas in der "Südwestpresse" vom 28. März 2017: "Geschichte Lernweg soll an jüdische Geschichte erinnern
Jebenhausen.
Großformatige Glasstelen, wie sie bereits an die ehemalige Synagoge in Baisingen bei Tübingen erinnern oder über das Bundesarchiv zur Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg informieren, werden im Laufe des Jahres auch in Jebenhausen aufgestellt. Ein Jahr lang hatte eine Gruppe von zehn Geschichtsinteressierten die inhaltliche Gestaltung der Tafel erarbeitet. Gemeinsam werden sie den Lern- und Erinnerungsweg 'Jüdisches Leben in Jebenhausen' bilden. Er entsteht auf Initiative des 'Vereins Haus Lauchheimer – Erhalt und Förderung des jüdischen Kulturerbes Jebenhausen' und wird von zahlreichen Gewerbetreibenden und privaten Spendern aus Jebenhausen, der Stadt Göppingen – der Gemeinderat hatte einstimmig beschlossen, einen Zuschuss zu gewähren – und dem Bezirksbeirat unterstützt. Auch die Landeszentrale für politische Bildung beteiligt sich an dem Projekt im Rahmen ihrer Gedenkstättenarbeit. 'Entlang der Gebäude der ehemaligen jüdischen Siedlung in Jebenhausen sollen neun Informationstafeln aufgestellt werden, die die jüdische Geschichte des Ortes und das damalige christlich-jüdische Zusammenleben beschreiben', erläutert Vereinsvorsitzende Christine Lipp-Wahl. 'Die jüdische Gemeinde in Jebenhausen verfügte über wichtige Gemeindeeinrichtungen wie Synagoge, Tauchbad, Rabbinat, Schule, koschere Gasthäuser und einen jüdischen Friedhof.' Die meisten Gebäude aus dieser Zeit 'sind fast unverändert erhalten. Dies gilt auch für den Friedhof', fährt sie fort. Nicht nur die Geschichte der Gebäude erfahren die Besucher des Erinnerungsweges. 'Wir weisen auch auf besondere Persönlichkeiten in Jebenhausen hin.' Zu ihnen zählen die Holocaust-Überlebende Inge Auerbacher, der Widerstandskämpfer Georg Elser und der Tenor Heinrich Sontheim. Gleichzeitig informieren die Tafeln über wichtige Elemente der jüdischen Religion wie den Schabbat, koscheres Essen, die Thora und das Schulwesen sowie die jüdische Bestattungskultur. Die Tafeln werden, ausgehend vom ehemaligen Liebensteinschen Schloss und dem Jüdischen Museum, in der früheren evangelischen Kirche entlang der Boller Straße und des Vorderen Berges bis zum Jüdischen Friedhof einen umfassenden Einblick in das Leben einer jüdischen Landgemeinde geben und auch die Reibungspunkte im Zusammenleben von Christen und Juden thematisieren. 'Der Erinnerungsweg wird eine anschauliche Ergänzung zum Jüdischen Museum sein und eine attraktive Verbindung zwischen Museum und Jüdischem Friedhof bilden', ist Lipp-Wahl überzeugt. 'Wir wollen Geschichte erlebbar machen und Interesse an der örtlichen Vergangenheit wecken.' Der Erinnerungs- und Lernweg könne dazu beitragen, 'Vorurteile ab- und Toleranz aufzubauen'. In jedem Falle sei er 'eine Aufwertung des Ortsbildes von Jebenhausen', ist die Vereinsvorsitzende überzeugt.
Link zum Artikel   siehe auch  www.haus-lauchheimer.de."  
 
Oktober 2017: Erinnerungsweg Jüdisches Leben eingeweiht     
Artikel von Peter Buyer in der "Südwestpresse" vom 16. Oktober 2017: "GÖPPINGEN. Erinnerungsweg jüdischen Lebens eingeweiht
In Jebenhausen hat Inge Auerbacher den Erinnerungsweg jüdischen Lebens eingeweiht. Auch ein Stolperstein erinnert an Max Lauchheimer, den Großvater der KZ-Überlebenden.

Dort oben am Fenster hat er gestanden, die Straße noch einmal hinauf- und hinuntergeschaut. Opa hat sein Jebenhausen geliebt. Dann ist er gestorben.' 1939 war das, im Mai. Max Lauchheimer hatte sich nicht mehr von seiner Haft im KZ Dachau erholt. Er war der letzte Jude, der auf dem jüdischen Friedhof in Jebenhausen beerdigt wurde. 'Auf dem Friedhof geht alles zu Ende', sagt Inge Auerbacher, deren Opa Max Lauchheimer war. 'Aber ich will nicht, dass es zu Ende geht, ich will, dass es weitergeht.' Die 82-jährige Auerbacher hat einige Jahre ihrer Kindheit in Jebenhausen im Haus ihrer Großeltern verbracht, darunter auch glückliche Tage. Bis die große Katastrophe auch ihre Familie einholt: Oma Betty Lauchheimer wird 1941 ins lettische Riga deportiert und dort ermordet. Die kleine Inge Auerbacher, sie ist sieben Jahre alt, verfrachten die Nazis im August 1942 mit ihren Eltern ins KZ Theresienstadt im heutigen Tschechien. Sie überleben, gehen 1946 nach New York. Jetzt ist Auerbacher wieder in Jebenhausen, steht vor dem ehemaligen Haus ihres Großvaters an der Kreuzung Vorderer Berg/Herdweg und enthüllt zur Einweihung des Erinnerungsweges jüdischen Lebens in Jebenhausen eine Stele. Darauf wird an das 'Haus Lauchheimer' erinnert. Über 100 Jahre lang hatte die Familie Lauchheimer dort am Vorderen Judenberg 23 gewohnt. Jetzt ist es nur noch der Vordere Berg 23, aber das Haus ist noch da. Der Verein Haus Lauchheimer, der sich seit Jahren um die Geschichte der Juden in Jebenhausen, einst eine der größten jüdischen Gemeinden im Königreich Württemberg, kümmert, hat den Erinnerungsweg gemacht. 'Wir wollen erinnern, aufklären, der Geschichtsklitterung vorbeugen und neugierig machen auf das jüdische Leben im Ort', sagt Vorstandsmitglied Ilona Abel-Utz. 'Und zwar dort, wo das jüdische Leben stattfand.' Und das fand auch im und vor dem Haus von Viehhändler und Metzger Max Lauchheimer statt.
Als Inge Auerbacher den grünen Stoff von der Stele gezogen hat, küsst sie ihre eigenen Finger und berührt damit die beiden Schwarz-Weiß-Fotos auf der Stele. Auf dem einen sitzt sie als kleines Kind zwischen ihren Großeltern auf einer Bank vor dem Haus. Auch ihre später in Polen getötete Cousine Lore ist auf dem Bild zu sehen. 'Danke für die Ehrung meiner lieben Großeltern', sagt Auerbacher. Deswegen bin ich aus New York gekommen, ich wollte dabei sein'. Auerbacher geht es auch und vor allem um das Weiterleben. Sie berichtet von ihrem Reihenhäuschen in New York und ihren Nachbarn. Eine streng muslimische Familie wohne gleich nebenan, Hindus und Christen auch. Und es klappt, 'denn es gibt nicht ‚die Anderen‘, wir können nur zusammen leben'. Damit das auch in Jebenhausen funktioniert, bittet sie alle Anwesenden, sich an den Händen zu nehmen und ein fröhliches 'Schalom' zu wünschen. Einige schauen etwas irritiert, dann rufen alle 'Schalom' in das abendliche Jebenhausen. Auerbacher lächelt und erinnert sich, dass sie nicht nur in New York zu Hause ist: 'Ich bin ein Jebenhauser Mädel.' Dann entdeckt sie Martin Bender. Der hat vor einigen Jahren das alte Haus Lauchheimer gekauft, renoviert und wohnt jetzt dort, wo früher Inge Auerbacher ein- und ausging. 'Du sollst glücklich werden in dem Haus', sagt Auerbacher und nimmt Bender in den Arm. Bender nickt. Direkt vor seiner Haustür erinnern jetzt zwei 'Stolpersteine' an die ehemaligen Bewohner. Der für Betty Lauchheimer liegt dort seit 2007. Und seit Freitag auch einer für Max Lauchheimer, der nach seiner KZ-Haft auch an gebrochenem Herzen starb.
Öffentliche Führung am kommenden Sonntag: Erinnerungsweg: Auf neun Stelen wird über das jüdische Leben in Jebenhausen berichtet. Die erste steht am Schloss, dann folgt der Weg der Boller Straße und führt über den Vorderen Berg bis zum jüdischen Friedhof. Am Sonntag, 22. Oktober, um 15 Uhr gibt es eine öffentliche Führung, Start ist um 15 Uhr beim Parkplatz des Staufers-Marktes in der Boller Straße." 
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Februar 2019: Neueröffnung des Museums mit neuem Ausstellungskonzept 
Artikel von Hans Mayer in der "Jüdischen Allgemeinen" vom 7. Februar 2019: "Göppingen. Erinnerung an Vergessenes. Das Jüdische Museum eröffnet mit einem neuen Ausstellungskonzept
Nach einer größeren konzeptionellen Umgestaltung hat das Jüdische Museum Göppingen am 23. Januar mit einem Festakt seine neue Dauerausstellung eröffnet. Jiddische Lieder, gesungen von Dorothea Baltzer und auf dem Klavier begleitet von Hanno Bötsch, gaben der Veranstaltung den feierlichen Rahmen. Nach der Begrüßung durch den Göppinger Oberbürgermeister Guido Till erinnerte Jehuda Puschkin, Rabbiner der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg (IRGW), in seinem kurzen Grußwort an die reichen Wurzeln des jüdischen Lebens im Neckar- und Filstal Württembergs. Dieses Museum, betonte er, sei etwas Besonderes für die Aufarbeitung der gemeinsamen Vergangenheit im Südwesten der Bundesrepublik.
Das Jüdische Museum Göppingen wurde 1992 als eines der ersten Jüdischen Museen in der Bundesrepublik eröffnet. Sibylle Thelen von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg rief in ihrer Rede in Erinnerung, dass in den 80er-Jahren Gedenkstätten 'oftmals gegen massive Widerstände vor Ort' durchgesetzt werden mussten. Hier hingegen habe 'die Stadt entscheidende Impulse gesetzt'. Seinen Platz hatte es in der profanierten evangelischen Kirche von Jebenhausen gefunden, einem Ortsteil von Göppingen, in dem sich im 18. Jahrhundert die ersten Juden nach den Vertreibungen im späten Mittelalter wieder angesiedelt hatten.
1777 hatten die Freiherren von Liebenstein einen Schutzbrief für Juden ausgestellt, und binnen weniger Jahrzehnte war die jüdische Gemeinde auf mehr als 500 Mitglieder angewachsen. Sie war damit eine der größten jüdischen Gemeinden Württembergs. Mit der Industrialisierung zog es viele Juden in die wachsende Industriestadt Göppingen. 1874 wurde dann der Rabbinatssitz dorthin verlegt, und 1881 erfolgte die Einweihung der Synagoge. Die Synagoge in Jebenhausen wurde im Jahr 1900 verkauft. Mit dem Nationalsozialismus wurde die Geschichte der Göppinger jüdischen Gemeinde ausgelöscht. 92 Göppinger Juden wurden ermordet, 233 konnten sich durch Auswanderung retten.
Gedenkbuch Den Ermordeten ist im Museum ein Gedenkbuch jeweils mit Bild und Kurzbiografie gewidmet. Heute gibt es keine jüdische Gemeinde mehr in Göppingen. Die Erinnerung an die Göppinger Juden und ihren Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung des Ortes aber blieb und wird im heutigen Jüdischen Museum dokumentiert.
Dank des frühen Interesses des Stadtarchivleiters Karl-Heinz Rueß, dem richtigen Mann für die Aufgabe, wie Sibylle Thelen ausdrücklich hervorhob, und dank der Unterstützung ehemaliger Göppinger Juden verfügt das Museum heute über eine ansehnliche Sammlung an Ausstellungsstücken, darunter ein Kidduschbecher von 1870 oder ein Schächtmesser mit Lederscheide. Die außergewöhnlichsten Exponate sind jedoch die Bänke und der Deckenleuchter aus der ehemaligen Synagoge. Beides wurde der evangelischen Gemeinde 1906 von Jebenhausener Juden nach der Auflösung ihrer Gemeinde geschenkt und zeugt von dem guten Verhältnis zur christlichen Gemeinde.
Erfolgsgeschichte Mit mehr als 70.000 Besuchern in 25 Jahren war die bisherige Dauerausstellung eine lokale Erfolgsgeschichte. Es sei jetzt aber an der Zeit, sagte Archivleiter Rueß, 'die Ausstellung auf den aktuellen inhaltlichen Stand zu bringen'. Zudem seien bauliche Instandsetzungen nötig geworden. Die Stadt Göppingen stellte für die Gestaltungsmaßnahmen 305.000 Euro zur Verfügung. Auch die museale Didaktik änderte sich hin zu biografischen Erzählungen und Lebensschicksalen, um auf diese Weise das Leben der Juden in Göppingen für die Museumsbesucher lebendiger und erfahrbarer zu machen.
Beispielhaft ist hier die Visualisierung des Lebens von Aaron Tänzer. Dieser war nicht nur Rabbiner, sondern auch Wissenschaftler, Heimatforscher und Patriot, der als 'nicht arisch' 1933 aus dem 'Kriegerverein' ausgeschlossen wurde, was er sarkastisch mit 'Vaterlands Dank' kommentierte. Auch die stillen Helfer während der Nazizeit kommen zu Wort. Die Darstellung der religiösen Bräuche und Traditionen mit ihren beispielhaft ausgestellten Kultgegenständen blieb weitgehend in der früheren Form erhalten. Neu ist hier ein Aufrissmodell der Göppinger Synagoge, die 1938 zerstört wurde.
In der alten Dauerausstellung war die Zeit nach 1945 nicht berücksichtigt worden. Dem wird nun in der Neukonzeption Rechnung getragen. Ein eigenes Kapitel ist der juristischen Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen gewidmet, darunter der Auschwitz-Prozess, in dem der Göppinger Auschwitz-Apotheker Victor Capesius auf der Anklagebank saß. Ergänzend wurde auch die Geschichte der Erinnerungskultur aufgenommen, beginnend mit der Errichtung eines Denkmals 1954 in der jüdischen Abteilung des Friedhofs, damals finanziert von der IRGW selbst, und der von der Stadt Göppingen aufgestellten Gedenktafel am Synagogenplatz 1967.
Stolpersteine In den 80er-Jahren hatte der damalige Oberbürgermeister dann verstärkt den Kontakt zu ehemaligen jüdischen Göppinger Bürgern gesucht. Daraus haben sich bleibende Beziehungen entwickelt. Immer wieder besuchten die Überlebenden und ihre Nachfahren in den vergangenen Jahren die Stadt, oftmals im Zusammenhang mit der Verlegung von Stolpersteinen. Thomas Thiemeyer, Professor für Museumswissenschaften an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen, betonte in seinem Vortrag 'Zur Erforschung und Vermittlung jüdischer Geschichte', dass neue Ansätze erforderlich seien, 'um die Geschichte über das Verhältnis von Juden, Christen und eben auch Muslimen in Deutschland weiterhin zu vermitteln, und deshalb müssen sich Bildungsinstitutionen wie Museen aktuell neu erfinden'.
Vor allem soziale Medien veränderten das gesamte Alltagshandeln der Menschen, 'das Smartphones und Tablets inzwischen ganz selbstverständlich bestimmen', sagte Thiemeyer. Viele Museen müssen sich aktuell auch deshalb neu aufstellen. Dem trägt das Jüdische Museum mit seiner Neukonzeption nun Rechnung. Ein viereinhalb Minuten langer Animationsfilm (deutsch und englisch) führt in die Geschichte der Jebenhäuser Juden in der Zeit zwischen 1777 und 1900 ein. VHS-Kassetten und Diaprojektionen wurden durch Hörstationen und Touchscreens ersetzt. Das Museum bietet in der neuen Dauerausstellung Recherchestationen zum jüdischen Glauben oder zu den Wohnorten und Geschäften jüdischer Bürger in Göppingen. Hörstationen erklären den Ablauf eines jüdischen Gottesdienstes oder die Architektur der Synagoge. Historische Filme zeigen Ausschnitte aus dem Leben der jüdischen Familie Rohrbacher und ihrer Auswanderung nach Palästina. Zudem werden Aufnahmen eines Gesprächs zwischen Schülern und der KZ-Überlebenden Inge Auerbach aus dem Jahr 2017 gezeigt.
Begleitprogramm Das Begleitprogramm mit Vorträgen, Diskussionen, Filmen und Lesungen – über 200 Veranstaltungen haben bis dato stattgefunden − wird fortgeführt und weiter ausgebaut. Eine Publikationsreihe mit allgemeinen Darstellungen zur jüdischen Lokalgeschichte und zahlreichen Einzeluntersuchungen vermittelt vertiefende Einblicke und Einsichten. Seit 2017 gibt es aufgrund einer bürgerschaftlichen Initiative auch einen mit Informationsstelen markierten Rundweg durch die ehemalige jüdische Siedlung Jebenhausen. Mitte dieses Jahres soll ein überarbeiteter Museumsführer in deutscher und englischer Sprache vorliegen."  
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Links und Literatur

Links:  

bulletInformationsseite des Stadtarchives Göppingen zur jüdischen Geschichte in Jebenhausen und Göppingen: hier anklicken  
bulletÜbersicht über die in den "Central Archives for the History of the Jewish People" (CAHJP) in Jerusalem vorhandenen Archivalien der jüdischen Gemeinde Jebenhausen: pdf-Datei hier anklicken  
bulletZur Seite über den jüdischen Friedhof in Jebenhausen (interner Link)       

Quellen:         

Hinweis auf online einsehbare Familienregister der jüdischen Gemeinde Jebenhausen 
In der Website des Landesarchivs Baden-Württemberg (Hauptstaatsarchiv Stuttgart) sind die Personenstandsregister jüdischer Gemeinden in Württemberg, Baden und Hohenzollern einsehbar: https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php?bestand=5632     
Zu Jebenhausen sind vorhanden:    
J 386 Bü. 298 Jebenhausen Geburten 1845 - 1875 http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-445906    
J 386 Bü. 299 Jebenhausen Sterbefälle 1808 - 1874  http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-445907   
J 386 Bü. 300 Jebenhausen Geburten 1808 - 1844  http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-445908 
J 386 Bü. 301 Jebenhausen Eheschließungen 1808 - 1877  http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-445909   
J 386 Bü. 302 Jebenhausen Familienbuch 1771 - 1853 http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-445910    
J 386 Bü. 393 Jebenhausen Eheschließungen 1845 - 1858 http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-445911   
J 386 Bü. 304 Jebenhausen Familienbuch 1791 - 1865 http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-445912    
J 386 Bü. 305 Jebenhausen Familienbuch 1767 - 1877 http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-445913     
 
Hinweis auf die Dokumentation der jüdischen Grabsteine in Baden-Württemberg des Landesdenkmalamtes Baden-Württemberg   
Im Bestand  https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php?bestand=24368  auf der linken Seite bei "Jebenhausen" über das "+" zu den einzelnen Grabsteinen; es sind 358 Grabsteine dokumentiert (mit Fotos).     
Im Bestand EL 228 b I Bü. 200 finden sich zum Friedhof Jebenhausen Belegungslisten und eine Dokumentation Grabstein 1 bis 358    http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=2-1905317                 

 Literatur (Auswahl): 

bulletPaul Sauer: Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern. 1966. S. 82-84.  
bulletAaron Tänzer: Geschichte der Juden in Jebenhausen und Göppingen. Berlin/Stuttgart/Leipzig 1927. Reprint und zusätzliche Beiträge von Karl-Heinz Rueß über "Die Israelitische Gemeinde Göppingen 1927-1945" und "Dr. Aron Tänzer - Leben und Werk des Rabbiners" Weißenhorn 1988.
bulletDieter Kauß: Juden in Jebenhausen und Göppingen 1777 bis 1945. (= Veröffentlichungen des Stadtarchivs Göppingen Band 16). Göppingen 1981.
bulletGeorg Munz/Walter Lang: Die Jebenhäuser Judengemeinde und ihre Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt Göppingen, in: Geschichte regional. Quellen und Texte aus dem Kreis Göppingen 2 (1982) S. 134-153.
bulletStefan Rohrbacher: From Wuerttemberg to America: a 19th-century village on its way to the New World. 1989.
bulletders.: Die jüdische Landgemeinde im Umbruch der Zeit. 2000.  
bulletNaftali Bar-Giora Bamberger: Die jüdischen Friedhöfe Jebenhausen und Göppingen. 1990.  
bullet Jüdisches Museum Göppingen in der Alten Kirche Jebenhausen. (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Göppingen Band 29). Weißenhorn 1992.  

    
    

                   
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Stand: 17. April 2020