Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Offenbach am Main 
Jüdische Friedhöfe  
   

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde            
    
Siehe Seite zur Synagoge in Offenbach am Main bis zur NS-Zeit (interner Link) 
Siehe Seite zur Synagoge in Offenbach am Main nach 1945 (interner Link)  
    
    
Zur Geschichte der jüdischen Friedhöfe             
   
Die Toten der jüdischen Gemeinde wurden im 17. Jahrhundert und bis um 1725 in Bürgel beigesetzt. 
  
Seit der Zeit um 1708/09 bestand ein jüdischer Friedhof in Offenbach, auf dem auch die jüdischen Gemeinden Sprendlingen, Hain (Dreieichenhain) und Götzenhain sowie Offenthal ihre Toten beisetzten. Graf Johann Philipp zu Ysenburg und Büdingen hatte der jüdischen Gemeinde in Offenbach das Privileg erteilt, einen Friedhof anzulegen. 1709 fand das erste Begräbnis statt. 1787/88 wurde der Friedhof bis zum Bereich des späteren Bahndammes erweitert und in den Jahren 1857-60 geschlossen. Beim Bau der Bahnlinie, des Bahnhofes und der Neuanlage der Straße musste trotz massiver Proteste der jüdischen Gemeinde ein Teil des Friedhofsgeländes an die Stadt abgetreten werden. Ein Teil der Gräber wurde zu einem neuen jüdischen Friedhof (am jetzigen Alten Friedhof) überführt, den die jüdische Gemeinde als Ersatzgelände für ihre Beisetzungen zur Verfügung gestellt bekam. Während des Zweiten Weltkrieges wurden die noch vorhandenen Grabsteine auf den neuen Friedhof überführt und dort an der Mauer aufgestellt beziehungsweise in zwei Pyramiden am Eingang aufgerichtet. Das Gelände des alten Friedhofes wurde eingeebnet und zu einer Grünanlage umgestaltet; ein kleiner Teil wurde mit einem Bunker überbaut..  
  
Der beim allgemeinen städtischen Friedhof (heute Alter Friedhof) liegende neuere jüdische Friedhof konnte 1861 eingeweiht werden. Er umfasst eine Fläche von 57,51 ar und wurde bis in die 1990er-Jahre belegt. Auf dem Friedhof befindet sich ein Gefallenendenkmal für die im Ersten Weltkriege gefallenen jüdischen Soldaten. Der Friedhof ist durch eine Hecke vom christlichen Friedhofsteil getrennt.  
Die denkmalgeschützte 263 m lange Mauer entlang der Unteren Grenzstraße wurde 2005 renoviert.  

Seit den 1990er-Jahren besteht als Teil des "Neuen Friedhofes" an der Mühlheimer Straße 425 ein neuester jüdischer Friedhof. Die Trauerhalle des Neuen Friedhofes ist so ausgestattet, dass in ihr auch jüdische Trauerfeiern stattfinden können. 
   
   
   
Aus der Geschichte der jüdischen Friedhöfe   
   
Kritische Stimme gegen die Teilauflösung des jüdischen Friedhofes (1872)  

Offenbach Israelit 08051872.jpg (62299 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Mai 1872: "Offenbach am Main. Bei Anlegung der 'Hanau-Offenbacher Eisenbahn' soll ein Teil des hiesigen israelitischen Friedhofs benützt werden. Die israelitische Gemeinde hat hiergegen Protest erhoben. Hoffen wir, dass diese Einsprache an maßgebender Stelle gehört und ein anderes Arrangement getroffen werde. Es handelt sich hierbei nicht allein um die Verhütung der Profanation der Gräber, sondern auch um einen Umstand von großer Tragweite. Es würde nämlich, falls die Bahn den israelitischen Friedhof passierte, die Benutzung dieser Bahnstrecke den Kohanim für alle Zeiten unmöglich gemacht werden. Da ein großer Teil des reisenden Publikums stets aus Juden besteht, so läge es auch im Interesse der Bahnverwaltung, ihre Einnahmen nicht einer solchen Verkürzung auszusetzen."    
 
Offenbach Israelit 15051872.jpg (52495 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. Mai 1872: "Offenbach am Main. Der Vorstand der hiesigen israelitischen Gemeinde hat den in voriger Nummer erwähnten Protest gegen die Benutzung des israelitischen Friedhofes behufs Erbauung einer neuen Eisenbahn zurückgenommen. Derselbe opfert die Religion Israels auf dem Altare der vaterständischen Interessen!! Warum aber nimmt die orthodoxe Gemeinde in Offenbach die Sache nicht in die Hand und erneuert den Protest, den die Reformer haben fallen lassen?"     

   
Auflösung eines Teiles des alten jüdischen Friedhofes (1885)  

Offenbach Israelit 10121885.JPG (148573 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Dezember 1885: "Offenbach am Main, 3. Dezember (1885). Ein feierlicher Akt fand heute dahier statt. In Folge einer Straßenverlängerung musste die Ausgrabung vieler Gräber des alten israelitischen Friedhofes vollzogen werden, und wurden daher die Überreste längst Verstorbener nach dem neuen Friedhofe überführt. Unter diesen Überresten befanden sich die der gelehrten Oberrabbinen Metz (Vater und Sohn). Eine Anzahl Gemeindeangehöriger, sowie der Sohn, respektive Enkel, waren dem Zuge gefolgt, um den Dahingeschiedenen die gebührende Ehre zuteil werden zu lassen.  
Der Vorstand der israelitischen Gemeinde hatte Sorge getragen, damit diesen hochgeachteten Männern seligen Andenkens spezielle Grabstätten zugewiesen werden, und zukünftige Geschlechter jene Ruhestätten auffinden können. Herr Kantor Vogel schilderte in beredten Worten die hohen Eigenschaften der Verblichenen und hob hervor, dass der im Jahre 1821 verstorbene Rabbi Amschel Metz - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen - von Nancy in den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts nach Offenbach berufen wurde, und spricht dies deutlich genug dafür, in welchem hohen Grade der Ruf der Gelehrsamkeit jenes Mannes gestanden, wenn man die damaligen schwierigen Verkehrsverhältnisse bedenkt. Im Jahre 1817, fährt Redner fort, designierte er seinen Jüngern (von 4 Söhnen) Rabbi Getschlick Metz - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen - zum Nachfolger, welcher bis zu seinem Dahinscheiden (1842) segensreich wirkte, viele Schüler heranbildete und durch Herausgabe verschiedener gelehrter Kommentare sein talmudisches Wissen kundgab.  
Nach vollzogener Feier trennte sich die andächtige Versammlung im Bewusstsein, einen erhabenen Akt vollzogen zu haben."       

      
Friedhofschändung (1931)
   

Offenbach Israelit 27081931.jpg (49212 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. August 1931: "Darmstadt. In Hessen haben sich in den letzten Tagen zwei Fälle von Schändungen jüdischer Friedhöfe ereignet. In dem oberhessischen Dorf Griedel bei Butzbach haben sich zwei 11-jährige Schüler in der Dämmerung in den jüdischen Friedhof eingeschlichen und dort drei Grabsteine beschädigt. Die zweite Schändung ereignete sich in Offenbach, wo auf dem jüdischen Friedhof zwei Grabsteine vom Sockel gestürzt wurden. Hier fehlt von den Tätern noch jede Spur."    

    
    
Lage der Friedhöfe  
   
Der alte Friedhof befand sich an der Bismarckstraße (frühere Groß-Hasenbachstraße); der neuere Friedhof am allgemeinen städtischen Friedhof an der Friedhofstraße; der neueste Friedhof im "Neuen Friedhof" an der Mühlheimer Straße.  
   
   
   
Fotos 
(Fotos des alten Friedhof: Stadt Offenbach, Bildergalerie des alten jüdischen Friedhofes; Fotos des neuen Friedhofes: Jürgen Hanke, Kronach)  

Der ältere Friedhof 
von 1861 
Offenbach Friedhof a190.jpg (98475 Byte) Offenbach Friedhof a191.jpg (93459 Byte)
  Grabsteine des in der NS-Zeit abgeräumten alten jüdischen Friedhofes, 
zu zwei Pyramiden zusammengestellt  
   
Offenbach Friedhof a193.jpg (76112 Byte) Offenbach Friedhof a192.jpg (93646 Byte) Offenbach Friedhof a194.jpg (92611 Byte)
Grabstein von Rabbiner 
Dr. Salomon Formstecher
(1808-1889,
 1842-1889 Rabbiner in Offenbach) 
Grabmal von Eugen Wallerstein 
(Teilhaber einer Schuhfabrik) 
  
Grabstätte Ludo Mayer, Fabrikant 
(Lederfabrik Mayer & Feistmann), Wohltäter 
und Ehrenbürger der Stadt
     
Offenbach Friedhof a195.jpg (90795 Byte)     
Ehrenmal für die 25 im Ersten Weltkrieg gefallenen Männer der jüdischen Gemeinde mit
 ergänzender Gedenkinschrift für die in der NS-Zeit ermordeten jüdischen Personen 
auf Offenbach.
    
      
  
Der neueste jüdische Friedhof im "Neuen Friedhof" an der Mühlheimer Straße
   
Offenbach Friedhof n112.jpg (57314 Byte) Offenbach Friedhof n110.jpg (83039 Byte) Offenbach Friedhof n114.jpg (87859 Byte)
Plan des Neuen Friedhofes Teilansichten des Friedhofes
   
Offenbach Friedhof n115.jpg (72304 Byte) Offenbach Friedhof n111.jpg (66652 Byte) Offenbach Friedhof n113.jpg (87277 Byte)
Neue Grabstätten auf dem Friedhof (Familiennamen sind gelöscht) 
     

     
     
Neuere Berichte zur Geschichte der Friedhöfe  

August 2009: Eine umfassende Sanierung des älteren Friedhofes ist notwendig   
Artikel von Jörg Muthorst vom 25. August 2009 in der "Frankfurter Rundschau" (Artikel): 
Jüdischer Friedhof - Viele Grabmale sind baufällig.  
Ein Flatterband umgibt seit Mai den jüdischen Teil des Alten Friedhofs. Der Zutritt ist damit provisorisch gesperrt. Viele der alten Grabmale sind nicht mehr standsicher. Säulen und Steine wackeln stellenweise so bedrohlich, dass sie eigentlich umgelegt werden müssten. Die Stadt Offenbach hat davon aus Pietätsgründen abgesehen. Dem Jüdischen Friedhof, einem von Dreien in Offenbach, steht auch eine Umgestaltung bevor: Die beiden großen Grabstein-Pyramiden müssen abgetragen werden. Die Instandsetzung der unbefristeten Grabstätten obliegt der örtlichen Jüdischen Gemeinde beziehungsweise dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden in Hessen. Er betreut insgesamt 350 jüdische Grabstätten. Ihm gehört auch dieser östliche Offenbacher Friedhofsteil entlang der Mauer zur Unteren Grenzstraße. 
Bund und Land zahlen eine Pauschale für die Erhaltung. Pflege und Unterhaltung besorgt allerdings der städtische Eigenbetrieb ESO. Bund und Land stellen ihm dazu jährlich eine Pauschale von 52 Cent pro Quadratmeter zur Verfügung, sagt Daniel Neumann vom Landesverband. Jüdische Friedhöfe gelten nach den hessischen Landesrichtlinien von 1992 als zu bewahrende Kulturdenkmäler. Die Grabmale dürften auch aus religiösen Gründen nicht dem Verfall überlassen werden, das wäre respektlos, sagt der Friedhofsexperte des Landesverbandes, Klaus Werner. Die Pflegesumme wird in diesem Jahr aber kaum reichen, um alle schadhaften Steine umgehend wieder standsicher herzurichten, wie dies der städtischen Verkehrssicherungspflicht, aber auch den Anforderungen der Gartenbauberufsgenossenschaft entspricht. "Wir müssen deshalb den Friedhof schrittweise sanieren", sagt Neumann. 10.000 Euro aus der Pauschale stehen dafür noch dieses Jahr zur Verfügung. Gemeinsam mit Vertretern der Steinmetzinnung wurden jetzt 20 besonders wackelige Grabsteine ausgewählt. Nicht mehr reparabel, so Werner, sind die beiden großen Pyramiden, zu denen Grabsteine des 1708 angelegten, wegen des Eisenbahnbaus jedoch 1860 aufgegebenen Jüdischen Friedhofs an der Bismarckstraße aufgetürmt worden waren. Aufgespannte Netze vermögen die beiden Denkmale nur notdürftig zu sichern. Der Mörtel, der sie fast 150 Jahre lang zusammenhielt, ist porös. Und für eine neue Aufschichtung sind die Steine inzwischen zu zerbrechlich. Werner schlägt vor, sie am Wegrand aufzustellen. 
Gemeinsam bestattet. Auch andere Grabsteine, die die Jüdische Gemeinde Offenbach 1872 von der Bismarckstraße umsetzte, erinnern noch an ihre alte Begräbnisstätte an der Ecke zur Groß-Hasenbach-Straße. 1860 war der 1832 angelegte allgemeine Friedhof (heute: Alter Friedhof) Richtung Osten erweitert worden. Als Ausdruck bürgerlicher Liberalität und gelungener Integration jüdischer Offenbacher in die Stadtgesellschaft wurden hier erstmals nicht mehr Angehörige jüdischen und christlichen Glaubens räumlich getrennt voneinander, sondern auf ein und demselben Friedhof bestattet. Lediglich ein Weg teilt bis heute die beiden Abteilungen voneinander. In beachtlicher formaler Geschlossenheit finden sich auf den jüdischen Grabfeldern überwiegend typisch flache Stelen aus rotem Sandstein. Teils einfach, teils aufwendig gestaltet und seit dem frühen 20. Jahrhundert bis auf die Schrift kaum mehr von der Optik christlicher Grabdenkmäler zu unterscheiden. Nur figürlich-bildhafte Darstellungen finden sich hier aus religiösen Gründen nicht. Mit Ausnahme des kunstvollen Wandgrabes des jüdischen Ehrenbürgers Ludo Mayer im späten Jugendstil, das die Nazis unter einem Bretterverschlag verbargen.
    
Januar 2011: Führung über den jüdischen Friedhof  
Artikel von Anne Jäger in der "Frankfurter Rundschau" vom 30. Januar 2011 (Artikel):  
"Jüdischer Friedhof - Grabstein zeigt nach Jerusalem
Auf dem alten jüdischen Friedhof in Offenbach erinnern Gedenksteine an die Opfer des Nationalsozialismus. Der ehemalige Stadtarchivar Hans-Georg Ruppel führt Besucher über das Areal
.
Blumenschmuck, farbige Inschriften und Engelsfiguren – all das gibt es auf jüdischen Friedhöfen eigentlich nicht. Eigentlich. 'Hier in Offenbach ist alles ein bisschen anders', scherzt der ehemalige Stadtarchivar Hans-Georg Ruppel. Anlässlich des Internationalen Gedenktages an die Opfer des Nationalsozialismus und des Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz führt er am Sonntag Besucher über den alten jüdischen Friedhof in Offenbach. 
Ruppel ist mit dem jüdischen Friedhofskult vertraut. 'Normalerweise dürfen die Inschriften nur in Hebräisch stehen', erklärt der Fachmann, 'außerdem sollten die Steine Richtung West-Osten, nach Jerusalem, zeigen.' Und wenn ein Grabstein umfällt, bleibe er auch liegen – das habe Gott dann so gewollt. Doch in Offenbach werden die jüdischen Traditionen nicht so genau genommen und von der deutsch-christlichen Kultur beeinflusst. Auf dem Hauptweg bilden zwei Pyramiden aus Grabsteinen den Eingang zum jüdischen Teil des Alten Friedhofs. Moos überwuchert die mehr als 100 Jahre alten Steine. An manchen Stellen ist die äußere Schicht abgeplatzt und der rötliche Sandstein kommt hervor. Beide Skulpturen bestehen aus Grabsteinen des jüdischen Friedhofs Bismarckstraße Ecke Groß-Hasenbach-Straße, der wegen der Ausbreitung der Stadt nach Süden 1860 geschlossen wurde. Die jüdische Gemeinde erhielt dafür im östlichen Teil des Friedhofs, der fast bis zur Unteren Grenzstraße führt, Platz für ihre Verstorbenen. Zu manchen Denkmälern fand man keine Angehörigen mehr, bei anderen war die Inschrift nicht mehr zu entziffern. 
Neben vielen jüdischen Vertretern der Offenbacher Sozial-, Wirtschafts- und Geistesgeschichte wie Hofrat Wolf Breitenbach, Rabbiner Salomon Formstecher, Siegfried Guggenheim und Max Willner hat auch Ehrenbürger Ludo Mayer hier seine letzte Ruhe gefunden. Seine Grabstätte ist die mit Abstand pompöseste des jüdischen Friedhofs. Vier menschliche Skulpturen, die an vier Säulen angelehnt stehen, Kränze, Flammen und Schlangen zieren das weiße Denkmal des 1917 verstorbenen Lederfabrikanten. Ein Darmstädter Bildhauer entwarf die Grabstätte, die zwischen den schlichten Steinen mit hebräischer Schrift ins Auge fällt. 
Auf dem Grabmal von Lehrer Jakob Strauss liegt ein einfacher Stein. 'Das bedeutet: Ich war hier und habe an dich gedacht', erklärt der ehemalige Stadtarchivar Ruppel. 'Im Gedenken an die im Osten umgekommene Tochter', steht ganz unten auf dem Grabstein. Eine von vielen Inschriften, die an NS-Verbrechen erinnern. 
Marion Coates gehört zu den rund 40 Besuchern, die hinter Ruppel über den mit Raureif bedeckten Boden laufen. Schon öfter habe sie Führungen des ehemaligen Stadtarchivars besucht. 'Ich bin in der Altstadt geboren und viele Orte, die Ruppel erwähnt, kenne ich von früher', sagt Coates begeistert. Auch wenn Coates mit dem Namen Rosenberg geboren wurde, ist sie keine Jüdin. Dennoch sei ihr Großonkel wegen seiner dunkleren Hautfarbe ins Arbeitslager geschickt worden. 'Es ist wichtig, dass man daran erinnert, was damals passiert ist', mahnt die Offenbacherin. "
   
August 2022: Das Grundstück des alten jüdischen Friedhofes ist von der Überbauung bedroht   
Artikel von Barbara Scholze in "op-online.de" vom 29. August 20022: "Offenbach - Tote mussten Wachstum der Stadt weichen
Im Bereich um den 'Platz am Stellwerk' in Offenbach sollen Wohnungen entstehen. Dieses Vorhaben ist umstritten, da sich dort früher ein jüdischer Friedhof befand.
Offenbach
– Es ist nicht nur ein geschichtsträchtiges, sondern vielmehr ein zum Teil hoch-kultisches Areal, das die Gemeinnützige Baugesellschaft Offenbach (GBO) aktuell in der Entwicklung hat. Rund um den 'Platz am Stellwerk' in der Bismarckstraße östlich des Hauptbahnhofes soll gemeinschaftliches Wohnen entstehen, erste Ergebnisse aus entsprechenden Wettbewerben liegen bereits vor. Dass ein großer Teil des Gebietes als ehemaliger jüdischer Friedhof einen historisch sensiblen Untergrund hat, erläuterte Michael Lenarz, zweiter Vorsitzender der Max Dienemann/Salomon Formstecher Gesellschaft und stellvertretender Direktor des jüdischen Museums in Frankfurt, nun mit einem informativen Rundgang über das Gelände. Dieser war Teil der laufenden GBO-Präsentationen zu dem Bauvorhaben.
Offenbach bekam 1708/1709 jüdischen Friedhof. Es war in den Jahren 1708/09, als Graf Johann Philipp zu Ysenburg und Büdingen der jungen jüdischen Religionsgemeinde in Offenbach das Privileg erteilte, auch einen Friedhof anzulegen. 'Im Jahr 1708 fand das erste Begräbnis statt, auch die Umlandgemeinden wie Sprendlingen und Dreieichenhain nutzten die Ruhestätte', berichtete Lenarz. Bereits wenige Jahrzehnte später war allerdings der Bedarf in Offenbach so groß, dass das Begräbnisfeld bis zum Bahndamm erweitert werden musste. Indes kollidierte der Friedhof bald mit der städtischen Entwicklung Offenbachs. 'Ab 1830 begann ein Wachstum Richtung Süden', so der Referent. Schon damals rückte das Schaffen von Wohnraum für die Lebenden vor die Möglichkeiten zur ewigen Ruhe, zudem sollte eine Eisenbahntrasse bessere Anbindungen schaffen.
Friedhof musste Areal für Offenbachs städtische Entwicklung abgeben. Erneut sollte die jüdische Gemeinde Grund abgeben. Dass sie heftig protestierte angesichts des Gedenkens an die Toten, das untrennbar mit einer dauerhaften Ruhestätte verknüpft ist, brachte keinen Erfolg. 'Es blieb nichts übrig, als in den sauren Apfel zu beißen und das Gelände zur Verfügung zu stellen', schilderte Lenarz. 1872 musste die Gemeinde den südlichen Teil des Friedhofs abtreten, die Toten wurden exhumiert und die Gebeine auf den damals neuen, heute alten städtischen Friedhof gebracht. 'Leider haben wir keine genauen Angaben zu der Zahl der Toten, die damals umgebettet wurden, wir schätzen, dass es etwa 200 waren', sagte der Vortragende. Die meisten Grabsteine seien mit auf die Reise in eine neue Ewigkeit gegangen, etwa 68 seien heute noch erhalten. Durchaus mit einer 'gewissen Hektik' hätten vor allem die großen und bekannten Familien der Gemeinde im Rahmen der Umbettungen Familiengräber angelegt.
1885/1886 mussten Tote innerhalb Offenbachs umgebettet werden. Aber der Streit um den Boden für die Toten sollte nicht lange ruhen. Die Groß-Hasenbach-Straße entstand und zunächst musste die Gemeinde einen Fußweg tolerieren. 'Aber der Druck wurde zu groß und in den Jahren 1885/86 mussten anlässlich des Durchbruchs der Straße wieder Tote umgebettet werden', erzählte Lenarz. Die jüdische Ruhestätte war nun endgültig in zwei Teile zerschnitten, die jeweils mit Zäunen umgeben wurden. Nur 420 Grabstätten konnten verbleiben, dokumentiert sind sie dank der damaligen Arbeit des Kantors und Lehrers Abraham Vogel.
Zur Nazi-Zeit wurde den Juden das Gebiet in Offenbach komplett entzogen. Der Höhepunkt der erschreckenden Friedhofsgeschichte näherte sich jedoch, wie soll es anders sein, mit der Naziherrschaft. Im Jahr 1941 wurde die jüdische Religionsgemeinde gezwungen, das Friedhofsgelände komplett an die Stadt abzutreten. 'Das war die letzte große Phase der Zerstörung', stellte Lenarz fest. Das komplette Gebiet wurde eingeebnet, die Zäune abgerissen. Anstatt eines Ortes der Ruhe und des Gedenkens wurde das Areal zum Platz eines Hochbunkers als Schutz vor Kriegshandlungen. Ein kleines Stück des Grundstückes wandelte sich zu einem Mini-Park, der den Namen 'Am alten Judenfriedhof' trägt.
'So ist die Situation noch heute', sagte der Referent beim Rundgang. Nun, da wieder gebaut werden soll, gelte es, genau zu überlegen, wie sich das Vorhaben gestalte. Trotz anderer Vorgaben seien im Rahmen des Gestaltungswettbewerbes Vorschläge zur Blockrandbebauungen eingereicht worden. 'Das ist für uns ein No-Go', betonte Lenarz. Aber der Prozess bleibe nun sicher spannend."  
Link zum Artikel   
  

   
    

Links und Literatur

Links:   

bulletWebsite der Stadt Offenbach am Main mit  Seite zum Alten Friedhof mit jüdischem Teil  sowie
bullet             Bildergalerie zum jüdischen Friedhof Offenbach (von 1861)  
bulletWebsite  www.dienemann-formstecher.de 
bulletZur Seite über die Synagoge in Offenbach (interner Link)   

Quellen:  

Hinweis auf online einsehbare Familienregister der jüdischen Gemeinde Offenbach 
In der Website des Hessischen Hauptstaatsarchivs (innerhalb Arcinsys Hessen) sind die erhaltenen Familienregister aus hessischen jüdischen Gemeinden einsehbar: 
Link zur Übersicht (nach Ortsalphabet) https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/llist?nodeid=g186590&page=1&reload=true&sorting=41              
Zu Offenbach sind vorhanden (auf der jeweiligen Unterseite zur Einsichtnahme weiter über "Digitalisate anzeigen"):    
HHStAW 365,675   Geburtsregister der Juden von Offenbach am Main  1806 - 1820  https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v2924725       
HHStAW 365, 726   Geburts-, Trau- und Sterbebescheinigungen für Juden aus der Gemeinde Offenbach am Main 1827 - 1846: Nachweise über Geburten, Trauungen und Sterbefällen in der jüdischen Gemeinde mit Angaben zum Betragen und/oder zum Gewerbe - mit alphabetischem Namensregister  https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v3500086    
HHStAW 365, 676   Geburts-, Trau- und Sterberegister der Juden von Offenbach am Main 1835 - 1839   https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v825443      
HHStAW 365, 677   Geburts-, Trau- und Sterberegister der Juden von Offenbach am Main 1840 - 1843   https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v3031401        
HHStAW 365, 724   Abschrift des Trauregisters der Juden von Offenbach am Main 1842 - 1876 - mit alphabetischem Namensverzeichnis  https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v825444    
HHStAW 365, 678   Geburts-, Trau- und Sterberegister der Juden von Offenbach am Main 1844 - 1877   https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v290019      
HHStAW 365, 679   Geburts-, Trau- und Sterberegister der Juden von Offenbach am Main 1849 - 1852   https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v1245118   
HHStAW 365, 727   Verzeichnis jüdischer Familien in Offenbach am Main 1850 - 1850: enthält ein Verzeichnis jüdischer Einwohner nach Familien geordnet und mit Angaben zu Trauungen, Sterbefällen und Gewerbe  
https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v1510962   
HHStAW 365, 683   Geburts-, Trau- und Sterberegister der Juden von Offenbach am Main (4 Teile) 1853 - 1863: Teil 1-3 (S. 1-321) Jüdisches Geburtsregister, Teil 3 (S. 323-440) Jüdisches Trauregister, Teil 3-4 (S. 441-675)  Jüdisches Sterberegister  https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v5135975     
HHStAW 365, 725   Abschrift des Sterberegisters der Juden von Offenbach am Main 1861 - 1941: mit Anmerkungen auf Hebräisch  https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v290020   
HHStAW 365, 684   Geburts-, Trau- und Sterberegister der Juden von Offenbach am Main (2 Teile) 1864 - 1867: Teil 1  1864 - 1866, Teil 2  1866 - 1867   https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v4782885    
HHStAW 365, 723   Geburts-, Trau- und Sterberegister der Juden von Offenbach am Main (2 Teile) 1868 - 1875: Teil 1  1868 - 1871, Teil 2  1871 - 1875   https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v5135976      

Literatur:  

bullet Arnsberg II,160-180.  

   
   

                   
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Copyright © 2003 Alemannia Judaica - Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum
Stand: 30. Juni 2020