Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Schlipsheim (Stadt Neusäss, Kreis Augsburg)
Jüdische Geschichte / Synagoge

Übersicht:

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde   
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen   
bulletLinks und Literatur   

    

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde             
    
In Schlipsheim bestand eine kleine jüdische Gemeinde bis um 1860. Ihre Entstehung geht in die Zeit Anfang des 18. Jahrhunderts zurück, als die Ortsherrschaft mehrere jüdische Familien aufnahm und für ihre Unterbringung ein großes "Judenhaus" erstellen ließ. Erstmals wird 1701 ein Abraham Leve aus Schlipsheim genannt, 1710 Benjamin Leve und 1712 Berle Leve und Isaac Leve von Schlipsheim. 1744-46 liegen Dokumente zu dem Pferdehändler Santer Guggenheimer zu Schlipsheim vor. 
    
Die Zahl der jüdischen Familien / Einwohner am Ort betrug jeweils zwischen 35 und knapp 50 Personen: 1743 38 jüdische Einwohner, 1784 neun bis zehn jüdische Familien, 1811/12 36 jüdische Einwohner, 1830 47, 1852 18 (im Judenhaus, eventuell weitere außerhalb des Hauses).
  
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde einen Betsaal / Synagoge (s.u.), ein Zimmer für den Religionsunterricht der Kinder sowie eine Mikwe, an die noch der Flurname "Judendauche" erinnert. Die Toten der jüdischen Gemeinde wurden auf dem jüdischen Friedhof in Kriegshaber beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war.  
  
Die jüdischen Familien wohnten noch bis Mitte des 19. Jahrhunderts in dem oben genannten "Judenhaus", das von der Ortsherrschaft für sie gebaut worden war. Es handelte sich um den Gebäudekomplex Schlipsheimer Straße 124, 126 und 128. 1808 kauften die damals neun jüdischen Familien jeweils ein Neuntel des "Judenhauses". 1840 hatten folgende Familien je ein Neuntel Anteil an dem "Judenhaus": Jakob Löffler, Isak Weil, Isak Wölsch, Abraham Gruber, Sara Fränkl, David Heinemann, Lazarus Groß, Gottlieb Michl (vor 1823 Jonas Hirschmann) und Karoline Gruber. Es ist möglich, dass es sich bei der einen oder anderen Familie bereits um eine zugezogene christliche Familie handelte, die das Haus bewohnte, nachdem eine jüdische Familie weggezogen war. 1852 lebten 40 Personen im "Judenhaus", davon 18 Juden, 22 Christen. Bis um 1865 sind fast alle jüdischen Familien von Schlipsheim verzogen, insbesondere nach Augsburg (u.a. der Metzger Leopold Hirschmann, der 1865 nach Augsburg übersiedelt). 
  
Von den in Schlipsheim geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen ist in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Charlotte Gruber (geb. 1853 in Schlipsheim, später in Augsburg wohnhaft, umgekommen in Theresienstadt).
  
  
   
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde  
  
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde   
Fahndung nach jüdischen Gaunern - u.a. Leopold Heinemann aus Schlipsheim - und zwei "Beihälterinnen" (1827)      

Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den See-Kreis" von 1827 S. 735 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen):  "Fahndung. Zufolge sicherer Anzeige sollen 2 Beihälterinnen der dahier verhafteten, berüchtigten jüdischen Gauner Marx Dreyfuß von Polzenheim im Elsaß (= Bolsenheim), Isaak Itzig, auch Isaak Levi, volgo Fußgängerle, von Beuren bei Paderborn, und Leopold Feinemann (vermutlich: Heinemann) von Schlipsen (= Schlipsheim), Königlich bayerischen Landgerichts Göggingen, im Großherzogtum Baden herumziehen.   
Wahrscheinlich besitzen dieselben Pässe oder sonstige Ausweise aus dem Elsass; eine ist 25 bis 28 Jahre und die andere 20 bis 23 Jahre alt; beide sind ziemlich wohlgewachsen und haben ein sauberes Aussehen. Die Eine hat eine Gitarre bei sich, und beide treiben die Musik, nämlich Singen und Gitarrespielen.  Die Großherzoglichen Ämter und Ortsvorgesetzten werden daher ersucht, auf die oben bezeichneten Weibsleute, besonders in Gemeinden, wo Juden ansässig sind, genau fahnden, und sie im Betretungsfall hierher liefern zu lassen zu wollen.  
Kenzingen, am 6. Dezember 1827. Großherzoglich badisches Bezirksamt. Wolfinger."         



David Heinemann (geb. 1819 in Schlipsheim, gest. 1902 in München): Maler und Kunsthändler. War ein geschätzter Porträtmaler. Bekannt sind die Gemälde "Die Schmückung der Braut" sowie ein Selbstportrait, das sich im Münchner Stadtmuseum befindet. Seit 1872 war Heinemann Inhaber einer Kunsthandlung in München (seit 1903 Gebäude Lenbachplatz 5) mit Filialen in Frankfurt/Main, Bad Kissingen und Nizza. Heinemann wurde zum Gründervater einer Familie von Münchner Galeristen und Mäzenen. Die von Sohn und Enkel weitergeführte Galerie Heinemann bestand nach einer Unterbrechung in der NS-Zeit ("Arisierung" des Geschäftes 1938/39) nochmals nach 1945 in München bis 1954. 
Siehe: 
- Wikipedia-Artikel "David Heinemann"

- Informationen über die "Heinemann'sche Kunsthandlung"     
- Galerie Heinemann online (Seiten des Germanischen Nationalmuseums)     
- Genealogische Informationen zur Familie Heinemann: Einstieg über https://www.geni.com/people/David-Heinemann/6000000029975413376 
    
    
    
Zur Geschichte der Synagoge          
    
Es ist anzunehmen, dass ein Betsaal / eine Synagoge innerhalb des Gebäudekomplexes des "Judenhauses" eingerichtet war. Hier werden bis um 1860/65 Gottesdienste abgehalten worden sein. Es waren mindestens zwei Torarollen vorhanden, deren weitere Geschichte nach Auflösung der Gemeinde Schlipsheim Anlass für einen Beitrag in der Zeitschrift "Der Israelit" war:   

Schlipsheim Israelit 06121865.jpg (109640 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. Dezember 1865: "München, 20. November (1865). Geehrter Herr Redakteur! Eine höchst wichtige Frage dürfte das Folgende hervorrufen, und zwar die in Bezug auf das Recht auf Inventargegenstände der Synagoge einer Gemeinde, die als solche zu existieren aufgehört. 
Nachdem die israelitischen Gemeinde Schlipsheim (Bayern) nunmehr aus nur noch einigen Individuen besteht, wurden die beiden noch vorhandenen Sifrei Torot (Torarollen) einem Herrn K. hierher nach München zum Verkaufe geschickt. Dies geschah alsbald mit dem Einen, das noch 'gut' war, und zwar in die hiesige Synagoge. Mit dem Andern jedoch hat es eine, leider traurige Bewandtnis. Nachdem es nämlich Herrn K. dahier 'behufs Durchsehen' (ohne dass dieser Sofer = Toraschreiber ist) von H. übergeben war, aus dem Grunde, weil ersterer (Herr K.) diesem gegenüber sich erbötig gemacht, es verkaufen zu wollen, erschien bei ihm eines Tages ein junger Mensch und verlangte, weder von H. noch sonst jemand Anderem beauftragt, die Herausgabe des Sefer (oder Torarolle), indem er einen solchen Auftrag Herr Ko. vorspiegelte.
Unbegreiflicherweise erfolgte diese, der Bösewicht verkaufte es - in Augsburg an einen Händler, der es wieder an einen Goldschläger in Nürnberg abtrat - und ging samt dem Erlöse durch. - So wurde meinem Freunde berichtet, und ich bemerke ausdrücklich, dass ich Ihnen dies nur einzig und allein aus dem Grunde mitteile, um erstens die eingangs bezeichnete Frage anzuregen, und zweitens einmal energisch die Vorschrift zu bewirken, dass niemals eine Sefer Tora (Torarolle) aus irgendeiner Synagoge, und nirgends in Privathände übergehen dürfte."

   
  
Adresse/Standort der SynagogeJudenhaus, Schlipsheimer Straße 124, 126, 128     
   
   
Fotos    

Schlipsheim Judenhaus 010.jpg (54114 Byte)  
Das "Judenhaus" in der Schlipsheimer Straße (Quelle: Schwierz s.Lit. S. 263)   

   
     

Links und Literatur

Links: 

bulletWebsite der Stadt Neusäss 

Literatur:  

bulletIsrael Schwierz:  Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 262-263.  
bulletGernot Römer: Schwäbische Juden. Leben und Leistungen aus zwei Jahrhunderten. Augsburg 1990. Zu David Heinemann:  S. 240. 
bulletDokumentation zur Geschichte und Kultur der Juden in Schwaben. Bearbeitet von Doris Pfister. Hg. von Peter Fassl. Mehrere Bände. Augsburg 1993. 

   
    

                   
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Copyright © 2003 Alemannia Judaica - Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum
Stand: 30. Juni 2020