Untergrombach (Stadt Bruchsal,
Kreis Karlsruhe)
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge
(erstellt unter Mitarbeit von Dietmar Konanz, Heimatverein
Untergrombach)
In dem bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts zum Hochstift
Speyer gehörenden Untergrombach bestand eine jüdische Gemeinde bis 1938, deren
Entstehung in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges zurückgeht. 1640
waren jüdische Familien bereits im Besitz eigener Häuser und Grundstücke:
"Jud Leßer" wird in diesem Jahr als Angrenzer eines Gartens in der
Mezlergasse genannt. 1688 besaß "Dauit (David) Jud" einen Weingarten.
1689 wurden
acht jüdische Familien am Ort gezählt, 1745 waren es elf Familien, von denen
neun in eigenen Häusern lebten. Vier dieser Häuser standen am Ende der
"Judengasse" am Grombach. 1712 war der Salzhandel für das
baden-durlachische Unterland an den speyerischen Schirmjuden Kauffel in
Untergrombach verpachtet.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie folgt: 1825 78 jüdische Einwohner (5,9 % von insgesamt 1.329 Einwohnern), höchste Zahl um
1852 mit 151 Personen (8,4 %), 1864 130, 1875 116 (6,3 % von 1.851), 1895 124
(6,1 % von 2.070), 1900 106 (5,0 % von 2.139), 1910 67 (2,1 % von 2.378). Seit
Auflösung der jüdischen Gemeinde in Obergrombach
1888 gehörten die hier noch lebenden jüdischen Personen zur Gemeinde in
Untergrombach (1924 5 Personen, 1932 3).
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), ein
jüdische Schule mit der Lehrerwohnung (neben der Synagoge; bis 1876 jüdische
Konfessionsschule; Gebäude ist als Wohnhaus erhalten, Synagogenstraße 6) und
ein rituelles Bad. Die Toten der Gemeinde wurden im jüdischen Friedhof bei
Obergrombach beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war
ein Lehrer angestellt, der meist zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war
(siehe unten Ausschreibungen der Stelle ab 1845). 1827 wurde die jüdische Gemeinde dem
Rabbinatsbezirk Bruchsal zugeteilt.
Die jüdischen Haushaltsvorstände
verdienten im 17./18. Jahrhundert ihren Lebensunterhalt als Kauf- und
Handelsleute.
Nach einem Verzeichnis von 1887 wohnten in folgenden Häusern jüdische Familien mit dem Nachnamen
"Bär": Weingartener Straße 4, 9, 26, 17, 21, 22, 36, 46 und Bachstraße
39.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Albert Karlebach
(geb. 24.9.1891 in Untergrombach, vor 1914 in Mannheim wohnhaft, gef.
29.5.1915), Unteroffizier Fritz Bär (geb. 5.4.1884 in Untergrombach, vor 1914
in Freiburg im Breisgau wohnhaft, gef. 7.10.1914) und Gefreiter Siegfried Bär
(geb. 15.7.1890 in Untergrombach, vor 1914 in Bruchsal wohnhaft, gef.
1.12.1916).
Um 1924, als zur Gemeinde noch 55 Personen gehörten (2,2 % von insgesamt
2.980 Einwohnern), waren die Vorsteher der Gemeinde Philipp Meerapfel, Nathan
Baer und Gustav Oppenheimer. Als Lehrer und Kantor war Moritz David tätig. Er
erteilte damals drei jüdischen Kindern den Religionsunterricht. An jüdischen Vereinen
gab es den Männerverein (1924/32 unter Leitung von Maier Meerapfel;
1924/32 jeweils 20 Mitglieder) sowie einen Frauenverein (1924/32 unter
Leitung von Jeanette Karlebach; 1924 24, 1932 26 Mitglieder). 1932 waren
die Gemeindevorsteher Gustav Oppenheimer (1. Vors.) und Nathan Baer (2. Vors.).
Als Lehrer war nun (von 1927 bis 1930) Arthur Godlewsky tätig.
An ehemaligen, teilweise bis nach 1933 bestehenden Handels- und Gewerbebetrieben
im Besitz jüdischer Familien / Personen sind bekannt: Viehhandlung Aaron Bär
(Weingartener Straße 10), Viehhandlung Berthold Bär (Weingartener Straße 46), Eisenwarengeschäft Berthold Bär
(Weingartener Straße 36), Viehhandlung Nathan Bär (Weingartener Straße 17), Stoffhandlung Baruch
(Weingartener Straße 1), Metzger Isak Falk (Schulstraße 7), Krämerladen
Gerson/Markus Kirnus (Weingartener Straße 38), Lederhandlung Benjamin Joseph (Bruchsaler
Straße 36), Kistenfabrik Joseph Karlebach (Bruchsaler Straße 43; geschlossen um 1918); Handlung Jeanette Karlebach
(Weingartener Straße 2), Krämerladen Kaufmann (Weingartener Straße 10), Tabakhandel Maier Meerapfel
(Büchenauer Straße 24)/Philipp Meerapfel (Büchenauer Straße 41; gest.
1926)/Ernst Meerapfel (Büchenauer Straße 44); Viehhandlung Schajer
(Weingartener Straße 9), Hopfen-, Vieh- und Tabakhandel Schajer (Weingartener Straße
4), Baubeschläge und Glas Gustav Oppenheimer (Weingartener Straße 21), Handelsvertreter Siegfried Schrag
(Schulstraße 9).
Bis nach 1933 war das größte jüdische Unternehmen die weithin
bekannte Tabakgroßhandlung Meerapfel Söhne.
1933 lebten noch 32 jüdische Personen in Untergrombach. Zu antijüdischen
Ausschreitungen kam es bereits 1933, als nach den Reichstagswahlen SA-Leute
Jakob Meerapfel die Fenster einwarfen, worauf dieser mit Frau und Bruder ins Elsass
flüchtete. Auf Veranlassung von Prof. Meissner, dem Leiter des deutschen
Tabakpflanzerverbandes, kehrte er jedoch wieder nach Deutschland zurück und
ließ sich in Karlsruhe nieder. Beim Novemberpogrom 1938 wurde die
Synagoge demoliert (siehe unten). Bis 1939 waren 19 jüdische Einwohner in die
USA, nach Argentinien und England emigriert. Die letzten fünf jüdischen
Einwohner wurden am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert.
Von den in Untergrombach geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Arthur Bär (1883),
Betti Bär (1891), Friedrich Nathan Bär* (1889), Friedrich (Fritz) Bär*
(1889), Helena Milla Bär (1905),
Hugo Bär (1885), Julius Bär (1881), Regina Bär (195), Robert Bär (1881),
Rosa Bär (1891), Arthur Alfred Baruch (1891), Sofie Becker geb. Baruch (1884), Berthold Falk
(1887), Elsa Sofie Falk (1895), Friedrich Falk (1891), Julius Josef Falk (1889), Leopold
Falk (1864), Arthur Godlewsky (1892), Elise Godlewsky geb. Lemberger (1895), Clara Kahn geb. Meerapfel (1875), Julie Lehmann geb. Karlebach
(1883, siehe Kennkarte unten), Helene Löwenstein
geb. Bär (1881),
Karoline Marx geb. Baruch (1881), Frieda (Friederike) Oppenheimer geb. Bär
(1877), Karl Rath (1897), Berty (Betty) Reichmann (1905), Thekla Reichmann geb.
Bär (1875), Sophie Schlesinger geb. Bär (1875), Lili
Sulima geb. Rosenberg (1901).
*Angaben zu den beiden Personen auf Grund der Recherchen von Elisabeth
Böhrer: sowohl Friedrich Nathan Bär wie Friedrich (Fritz) Bär sind am 25.
Februar 1889 in Untergrombach geboren, was in den verschiedenen Listen zu
Verwechslungen oder einer falschen Identifizierung führt. Friedrich (Fritz)
Bär wurde 1940 nach Gurs und 1942 nach Auschwitz deportiert (für tot
erklärt); Friedrich Nathan Bär starb am 14.3.1942 im Krankenlager Bernburg des
KZ Buchenwald (Nachweis auch im Totenbuch
der Gedenkstätte Buchenwald, Friedrich
Nathan Baer).
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" vom 19. Februar 1845 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen):
"Karlsruhe. [Bekanntmachung.] Die Lehrstelle an der neu
errichteten öffentlichen Schule bei der israelitischen Gemeinde Untergrombach,
Amtsbezirks Bruchsal, mit welcher ein fester Gehalt von 175 fl., eine
freie Dienstwohnung oder der gesetzliche Wertanschlag von 40 fl., nebst
einem Schuldgelde von 30 kr. von jedem Schulkinde verbunden ist, soll mit
dem 1. September dieses Jahres ihre endliche Besetzung erhalten. Dabei
wird bemerkt, dass bei einstiger Erledigung des Vorsängerdienstes dieser
mit der Lehrstelle ohne Erhöhung des Gehalts vereinigt werden wird, und
in Verhinderungsfällen des gegenwärtigen Vorsängers der Lehrer solchen
aushilfsweise ohne weitere Vergütung zu versehen hat.
Die berechtigten Bewerber werden daher aufgefordert, ihre Gesuche binnen 6
Wochen unter Beifügung ihrer Aufnahmescheine und der erforderlichen
Zeugnisse über ihren sittlichen und religiösen Lebenswandel bei großherzoglicher
Bezirksschulvisitatur Bruchsal (nach Maßgabe der Verordnung vom 7. Juli
1836, Regierungsblatt Nr. 38) einzureichen.
Karlsruhe, den 31. Januar 1845.
Großherzoglicher Oberrat der Israeliten."
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Oktober 1889: "Die
mit einem festen Gehalt von 700 Mark und Nebeneinnahmen im Betrage von
etwa 400 Mark verbundene Stelle eines Religionslehrers, Vorsängers und
Schächters in Untergrombach soll, da der seitherige Inhaber derselben
demnächst in den Ruhestand tritt, baldigst wieder besetzt werden.
Meldungen mit Zeugnissen in beglaubigter Abschrift sind zu senden an die
Bezirks-Synagoge. Bruchsal, 8. Oktober 1889."
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. November 1892: "Die
mit freier Wohnung, einem festen Gehalte von 700 Mark und Nebeneinnahmen
in ungefähr gleichem Betrage verbundene Stelle eines Lehrers, Vorsängers
und Schächters in Untergrombach soll baldigst mit einem seminaristisch
gebildeten Lehrer wieder besetzt werden. Den Meldungen sind nur solche
Zeugnisse beizulegen, die nicht zurückgeschickt zu werden brauchen.
Dieselben sind zu richten an Die Bezirkssynagoge. Bruchsal, den 21.
November 1892."
Lehrer Jakob Lorch wird Verwalter der Rothschild'schen Lungenheilstätte in
Nordrach (1905)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 8. Dezember
1905: "Karlsruhe: "Das neueste Verordnungsblatt des
Großherzoglichen Oberrates der Israeliten meldet folgende Veränderungen
in der Besetzung der Religionsschullehrerstellen: Jakob Lewin seither in Lorsch
nach Randegg, Sally Rosenfelder in Eubigheim
nach Buchen, Nathan Adler von Külsheim
nach Eubigheim, Kantor Simon Metzger
von Sulzburg nach Bretten,
Samuel Strauß von Berlichingen
nach Sulzburg, Jakob Schloß von Talheim
nach Malsch bei Ettlingen. Auf
Ansuchen wurden von ihren Stellen enthoben: Kantor Weiß in Gailingen
und Religionslehrer Jakob Lorch in Untergrombach, letzterer
behufs Übernahme der Verwalterstelle der M.A. d. Rothschild'schen
Lungenheilstätte in Nordrach."
Über den letzten jüdischen Lehrer Arthur Godlewski
(1927 bis 1930 in Untergrombach)
(Quelle: Gedenkbuch für die Karlsruhe Juden - Seite
zu Arthur und Elise Godlewsky
links:
Elise und Arthur Godlewsky.
Zur Familie vgl. u.a. auf der Seite
zu Cham unter den Artikel zu den jüdischen Lehrern. Arthur Godlewsky (geb. 1892 in Sulzbach) studierte an der Jeschiwa
in Höchberg, danach am
Jüdischen Lehrerseminar in Köln. Er machte den ganzen Ersten Weltkrieg
als Frontkämpfer mit und kam hoch dekoriert aus dem Krieg zurück. 1921
heiratete er in RexingenElsa
(Elise) Lemberger (geb. 1895). Zunächst war er Lehrer in Rülzheim,
von Februar 1927 bis 1930 in Untergrombach. Von 1930 bis 1938 war er in
Karlsruhe-Durlach und Karlsruhe als Lehrer tätig und wurde schließlich
nach Konstanz versetzt. Beim
Novemberpogrom 1938 wurde er misshandelt und verhaftet. Am 22. Oktober
1940 wurde das Ehepaar nach Gurs deportiert und über andere Lager 1942
nach Auschwitz deportiert und ermordet.
Artikel
in der "Karlsruher Zeitung" vom 12. März 1848: "Untergrombach.
Danksagung. Aus verschiedenen Gemeinden des Landes einlaufende
Nachrichten über einzelne gegen unsere Glaubensgenossen verübte Exzesse
betrüben die Gemüter jedes wohlgesinnten Bürgers, welchem Bekenntnisse er
auch angehört. Dagegen erlauben wir uns als erhebendes Beispiel das wackere
Benehmen unseres Bürgermeisters Stelzer, sowie des Gemeinderats, des
Bürgerausschusses und der Bürgerschaft zur öffentlichen Kunde zu bringen.
Von ihrer Seite wurden, sobald sich Drohungen ähnlicher Exzesse gegen
hiesige Juden meist von Auswärtigen verbreitet hatten, die kräftigsten
Maßregeln ergriffen, wodurch unsere Person und Eigentum vollkommen gesichert
wurde. Nur wenn sich die Bekenner der verschiedenen Glaubensbekenntnisse die
Hand zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung reichen, kann
wahre Freiheit erblühen und segensreiche Früchte bringen.
Untergrombach, den 10. März 1848. Der Synagogenrat."
..
Eine arme jüdische Frau wird reich beschenkt - auch die
Synagoge erhält eine bedeutende Spende (1850)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 11. November
1850: "Untergrombach (bei Bruchsal), 29. Oktober (1850). Die
'Karlsruher Zeitung' teilt einen hübschen Zug aus dem Leben der jetzt in Deutschland
so viel gefeierten und so viel getadelten Rachel mit. In dem oben
genannten Orte lebte nämlich eine alte von der Gemeinde ernährte
Judenfrau, welche sich vor einigen Tagen der Pariser Künstlerin als Muhme
(= Tante, Schwester der Mutter) vorstellte. Diese nahm sie sehr
liebreich auf, schenkte ihr alsbald ihre kostbare goldene Uhr, auf der
alle ihre Hauptrollen kunstreich in emaillierter Arbeit genannt sind;
besuchte sie darauf in ihrer Heimat, und setzte ihre schließlich einen
Jahresgehalt von 400 Gulden aus, wobei sie noch außerdem der dortigen
Synagoge ein Geschenk von 150 Gulden überwies. Ob Vater Felix wohl mit
solcher 'Verschwendung' einverstanden ist?"
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 25. November
1850: "In der Regel vergessen jüdische Künstler, wenn sie eine
bedeutende Höhe erreicht haben, ihren Ursprung; auch der Rachel
hat man nicht viel anderes nachzusagen, umso eher wird man es recht
finden, etwas Näheres von einem jüngsten Benehmen derselben mitgeteilt
zu sehen, worüber schon kurz referiert worden. - Gegen Ende Oktober wurde
der Ort Untergrombach bei Bruchsal von der berühmten Rachel aus
Paris besucht. Die Veranlassung hierzu war folgende: Eine alte Judenfrau
suchte vor ungefähr acht Jahren, weil ihr verstorbener Ehemann, von
Untergrombach gewesen sein sollte, ihr Heimatrecht hier auf und wurde, als
gänzlich mittellos, von der israelitischen Gemeinde dahier unterstützt.
Diese arme Frau stellte sich nun am 27. Oktober morgens der Rachel in Marnheim
als Tante (Schwester des Vaters Felix) vor und wurde von derselben mit
ausnehmender Liebenwürdigkeit und Herzlichkeit empfangen. Sie schämte
sich der armen Verwandten nicht, und da sie gerade nach Karlsruhe zu
reisen im Begriff war, musste die arme Frau mit ihr in der ersten
Wagenklasse bis hierher fahren. Wie zum Unterpfand ihrer Liebe übergab
sie derselben eine sehr wertvolle, von ihr immer getragene goldene Uhr,
auf deren Rückseite alle Stücke, in welchen die Künstlerin sich
auszeichnet, in emaillierter Arbeit genannt sind; mit dieser Gab aber auch
das Versprechen, bei ihrer Rückkehr von Karlsruhe sie in ihrer Hütte
aufzusuchen. Sie hielt Wort. Gestern früh, als es kaum Tag geworden, war
die gefeierte Bühnenkönigin bereits in Begleitung ihres Bruders, ihrer Schwester
und Schlägerin von Karlsruhe hier angelangt und hatte die arme alte Frau
in der kleinen ärmlichen Wohnung mit ihrem Besuche überglücklich
gemacht. Die kurze Zeit des Aufenthalts wurde segenspendend verwendet. Die
alte Tante erhielt sogleich von der durch ihre Kunst groß und reich
gewordenen Nichte ein Jahresgehalt von 400 Gulden ausgesetzt, deren eine
Hälfte sie dem dortigen Vorsteher der Israeliten, Herrn Jakob Bär,
sogleich behändigte. Außerdem übergab sie der Tante selbst, nebst
anderen Geschenken noch 100 Gilden vom Ankaufe von bequemeren Möbeln. Der
Synagoge spendete sie 150 Gulden, und den Ortsarmen, ohne Unterschied des
Glaubens, eine namhafte Summe. Was sie an Kostbarkeiten bei sich hatte,
wurde zu Geschenken und Andenken verwendet. Nachdem sie über eine Stunde
bei ihrer Tante sich aufgehalten und dort einige Erfrischungen genossen,
verweilte sie im Hause des obengenannten Vorstehers, bis sie Mittags 10
1/2 Uhr weiter nach Mannheim reiste. Durch diese edle Handlungsweise gab
die Künstlerin ihrem Herzen das ehrenvollste Zeugnis. Sie selbst war
über die Gelegenheit zum Wohl tun innig erfreut. Mit einer
unbeschreiblichen Anmut wusste sie jedem entgegenzukommen und jeden zu
erfreuen, und sich die Achtung und Liebe Aller zu
erwerben."
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" vom 11. August 1821 (Quelle: Stadtarchiv
Donaueschingen): "Rastatt (Vorladung). In
Untersuchungssachen gegen den entwichenen Juden David Nathan von
Untergrombach wegen Betrugs, wird derselbe in Folge hohen Auftrages
des Großherzoglichen Hofgerichts des Mittelrheins unter dem Präjudiz
anmit öffentlich vorgeladen, dass er binnen zwei Monaten sich vor
diesseitigem Oberamte stelle, und über die ihm angeschuldigte
Betrügereien umso gewisser verantworte, als widrigenfalles er derselben
für eingestanden werden erklärt, und auf Betreten das weitere Rechtliche
gegen ihn werde erkannt werden. Rastatt, den 6. August 1821.
Großherzoglich Badisches Oberamt".
Simon Baruch von Untergrombach soll sich zur Musterung
für den Militärdienst melden (1852) - nach Ablauf der Frist wurde eine Strafe ausgesprochen
(1852) Anmerkung: vermutlich war Simon Baruch ohne obrigkeitliche Erlaubnis
ausgewandert.
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" vom 4. Februar 1852 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen): "Obrigkeitliche
Bekanntmachungen.
(1) Bruchsal. [Die Konskription pro 1852 betreffend].
Die bei der Aushebung nicht erschienenen unten verzeichneten
Konskriptionspflichtigen haben binnen 4 Wochen dahier zu erscheinen,
widrigenfalls sie als Refraktär gesetzlich betraft werden sollen.
Ls-Nr. .... 16 Simon Baruch von Untergrombach.....
Bruchsal den 21. Januar 1852.
Großherzogliches Oberamt."
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" vom 28. April 1852 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen):
"Bruchsal. [Straferkenntnis]. Die Konskription pro 1852
betreffend.
Die zur Konskription für das Jahr 1852 gehörigen.... Simon
Baruch von Untergrombach ... haben der Aufforderung vom 21.
Januar dieses Jahres, Nr. 2913 keine Folge geleistet. Sie werden deswegen
als Refraktärs des Staatsbürgerrechts für verlustig erklärt, die
Vermögenden in eine Strafe von 800 fl. verfällt, und ihre persönliche
Bestrafung auf Betreten vorbehalten.
Bruchsal, den 19. April 1852. Großherzogliches
Oberamt."
Josef Marx ist ohne obrigkeitliche Erlaubnis nach
Nordamerika ausgewandert (1853)
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" vom (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen): "Obrigkeitliche
Bekanntmachungen. (2) Bruchsal. [Aufforderung]. Josef Marx
von Untergrombach (Los-Nr. 100) hat sich nach seiner Einberufung von Hause
entfernt und soll sich nach Nordamerika begeben haben. Derselbe wird
aufgefordert, bei Vermeidung der auf der Refraktion haftenden Strafen
binnen vier Wochen dahier zu erscheinen. Bruchsal, den 22. März 1853.
Großherzogliches Oberamt."
Am 23. Juli 1938 wurde
durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von
Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht
eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen
Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch"
galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste
Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt.
Hinweis: für die nachfolgenden Kennkarten ist die Quelle: Zentralarchiv
zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände:
Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV:
Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm.
Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de
Kennkarte
der in Untergrombach
geborenen Julie Lehmann geb. Karlebach
Kennkarte
(Dieburg 1939) für Julie Lehmann geb. Karlebach (geb. 25. April
1883 in Untergrombach),
wohnhaft in Dieburg, am 25. März 1942
deportiert ab Mainz - Darmstadt in das Ghetto Piaski,
umgekommen
Jeanine Meerapfel (geb. 1943 in
Buenos Aires als Tochter jüdischer Emigranten aus Deutschland) ist eine
international renommierte Filmregisseurin, Drehbuchautorin und Produzentin.
1964 kam sie nach Deutschland, um am Institut für Filmgestaltung der Ulmer
Hochschule für Gestaltung zu studieren. Sie ist seit 2015 Präsidentin der
Berliner Akademie der Künste.
Links: Artikel im "Amtsblatt Bruchsal" vom 12. Mai 2016 anlässlich eines
Besuches von Jeanine Meerapfel in Bruchsal und der Eintragung ins Goldene
Buch der Stadt. Zum Lesen des Artikels bitte Abbildung anklicken.
Wikipedia-Artikel:
https://de.wikipedia.org/wiki/Jeanine_Meerapfel.
Homepage von Jeanine Meerapfel
http://www.meerapfel.de/
Genealogische Informationen zu Familie Meerapfel bei geni.com zum Beispiel
über Einstieg bei Jakob Meerapfel (geb. 1878 in Untergrombach, gest. 1959 in
Buenos Aires):
https://www.geni.com/people/Jakob-Meerapfel/6000000004589993736
Vgl. Presseartikel: Jeanine Meerapfel:
Stille Tage in Buenos Aires. In: "Der Tagesspiegel" vom 28. Oktober 2012.
Link zum Artikel
Darin ist unter anderem zu lesen: "Als meine Eltern 1961 von der
Verschleppung Eichmanns hörten, waren sie empört. Wie konnte der in
Argentinien leben!, regten sie sich auf. Im selben Jahr reiste ich zum
ersten Mal mit meinem Vater nach Europa und Israel. Einen Tag fuhren wir von
der Schweiz nach Deutschland hinüber, nach Untergrombach, woher die ganze
Familie meines Vaters stammte. Wir gingen auf den Friedhof, auf dem meine
Ahnen lagen – und da waren Hakenkreuze und Ratten auf den Gräbern. Auf der
Stelle hat mein Vater entschieden: Raus aus diesem Land, ich will nichts
mehr damit zu tun haben."
Presseartikel von Avala Goldmann in der "Jüdischen Allgemeinen" vom 14. Juli
2019: "Jeanine Meerapfel - 'Ich könnte einen Vampirfilm machen'.
Link zum Artikel
Darin ist in einem Interview zu lesen: "Und wann waren Sie das letzte Mal
in Untergrombach in Baden, wo die Familie Ihres Vaters herkommt? Vor
mehr als einem halben Jahr. Sie fahren öfters dorthin? Ja, es gibt Leute, die ich da besuche. Und
es gibt auch eine filmische Arbeit, und da bin ich nach Untergrombach
gefahren, um einen alten Herrn zu interviewen, den meine Familie noch
kannte. Einen Dokumentarfilm? Ich weiß es noch nicht. Aber er spielt in Untergrombach? Nein. Er spielt in unterschiedlichen
Orten. Aber ich werde Ihnen nichts mehr dazu sagen! Ich weiß es noch nicht,
weil ich noch nicht das Geld habe, um den Film zu machen."
Zur Auszeichnung von Jeanine Meerapfel mit dem Bundesverdienstkreuz
siehe Artikel "Ehrung. Bundesverdienstkreuz für Jeanine Meerapfel" in:
"Jüdische Allgemeine" vom 9. März 2020.
Link zum Artikel
Vgl. auch Artikel in den metropolnews vom 25. März 2017: "Bruchsal:
Regisseurin Jeanine Meerapfel präsentiert Schulklassen persönlich ihren Film
'Der deutsche Freund'".
Link zum Artikel
Zunächst war ein Betsaal vorhanden. Er befand sich mit des 18. Jahrhunderts in
einem Gebäude in der Nähe der Kirche (Angabe im Untergrombacher Schatzungsbuch
1745). 1811 wurde eine Synagoge in der "Judengasse"
erbaut, die seitdem den Namen "Synagogenstraße" annahm. Die hebräische
Portalinschrift der Synagoge war ein Zitat aus Psalm 118,20, übersetzt: "Dies
ist die Pforte des Ewigen, Gerechte treten da ein" mit Jahreszahl 5571
(= 1810/11). Bei der Synagoge handelte es sich um ein einschiffiges Gebäude über
einem gewölbten Keller mit einem Betraum für etwa 70 Personen. Die
Frauenempore befand sich über dem Vorraum am Eingang.
Beim Novemberpogrom 1938 zogen SA-Männer
zur Synagoge, um sie anzuzünden. Auf den energischen Widerspruch eines
Nachbarn, dessen Scheune an die Synagoge angrenzte, unterblieb die
Brandstiftung. Dafür wurde das Innere um so gründlicher demoliert. Die zerstörte
Einrichtung wurde auf die Straße geworfen. Die Tora-Rolle wurde entwendet. Nach
der teilweisen Zerstörung des Synagogengebäudes am 2./3. Februar 1945
durch eine Luftmine, die in 30 m Abstand explodierte, wurde das Synagogengebäude
später bis auf einige Reste der Umfassungsmauern im Erdgeschoss abgebrochen.
Das Grundstück kam in Privatbesitz.
Die Synagogenstraße wurde nach 1933 in "Sonnwendstraße" umbenannt.
Eine Rückbenennung erfolgte 1991.
Beim Prozess um die Demolierung der Synagoge nach 1945 vor dem Landgericht
wurden zwei Beteiligte für die Tat verurteilt.
Die Tafel
informiert über die Synagoge, die Synagogenstraße und den
letzten Kantor Untergrombachs (Arthur Godlewsky)
Straßenschild
"Synagogenstraße" (Foto: Hahn, Foto von 2003)
Straßenschild
"Synagogenstraße"
Gedenkstein im Ortszentrum: (Fotos: J. Krüger, Karlsruhe,
Aufnahmen vom Frühjahr
2004)
Text des
Gedenksteines: "Was den Juden geschah, geht uns alle an. Zum Gedenken
an die am 22.10.1940 aus Untergrombach nach Gurs/Pyrenäen deportierten
Mitbürger. Sie wurden im August 1942 in das KZ Auschwitz gebracht. Dort
starben sie eine gewaltsamen Todes... (es folgen die Namen und Lebensdaten
von 7 Personen aus Untergrombach)... Erinnern - nicht vergessen!"
November 2022:Prof. Jeanine Meerapfel
präsentiert in Bruchsal den Film "Eine Frau"
Mitteilung von Rolf Schmitt vom 18. November
2022: "Die Wurzeln von Frau Jeanine Meerapfel sind in Untergrombach. Frau
Prof. Jeanine Meerapfel ist Präsidentin der Akademie der Künste in Berlin.
Sie ist Mitunterzeichnerin der "Petition der Nachfahren der Juden von Baden
- Für ein Haus der jüdischen Geschichte und Kultur von Baden auf dem Gelände
der niedergebrannten Synagoge".
'Untergrombach, Strasbourg, Chalon-sur-Saône, Amsterdam, Buenos Aires –
diese Orte haben meine Biografie geprägt, sie sind ein Teil meiner inneren
Landschaft.' Dies schreibt die Regisseurin und Präsidentin der Akademie der
Künste in Berlin, Jeanine Meerapfel, über die Arbeit an ihrem neuen Film,
der in den kommenden Wochen deutschlandweit in den Kinos anläuft und am 8.
Dezember um 20 Uhr in Anwesenheit der Regisseurin auch in Bruchsal zu sehen
sein wird.
'Eine Frau', so der Titel, ist ein dokumentarischer Essay über Identität,
eine Suche nach den Wunden des Exils und eine Reflexion über die Funktion
von Erinnerung. Der Film – eine Zeitreise von 1911 bis in die Gegenwart –
erzählt in assoziativen Bildern, begleitet von einem inneren Monolog, von
gelesenen Briefen, Anekdoten, Erzählungen und gefundenen Texten die
Geschichte von Marie Louise Chatelaine, Malou genannt, der Mutter der
Autorin. Ein sehr persönlicher Einblick in das Leben einer Frau, das an der
Küste der Saone in Burgund beginnt und an den Ufern des Rio de la Plata in
Argentinien endet, ein Film über Emigration, Erinnern und Vergessen. Auch
Untergrombach, wo die Familie unter dem Namen 'M. Meerapfel & Söhne' eine
international tätige Tabakgroßhandlung betrieb, ist eine dieser Stationen.
'Die Entscheidung, diesen Film zu drehen, geht auf meine früheren Versuche
zurück, über Emigration nachzudenken', sagte Jeanine Meerapfel. 'Das Zuhause
meiner Eltern, Großeltern und Urgroßeltern ist auch auf komplizierte Weise
ein Teil meiner Identität. Geerbtes Heimatland, in gewisser Weise.'
Information: Der Film 'Eine Frau' wird gezeigt im Cineplex Bruchsal
(Bahnhofstraße 13) am Donnerstag, 8. Dezember um 20 Uhr in Anwesenheit der
Regisseurin Jeanine Meerapfel. Der Vorverkauf hat begonnen. Karten zum
Dokupreis ab 10 Euro sind erhältlich an der Kinokasse und online unter
https://www.cineplex.de/film/eine-frau/383176/bruchsal/.
Vgl. dazu auch den Artikel von Thomas
Liebscher: Auf Spurensuche in Untergrombach. Familiengeschichte: 'Eine
Frau' von Jeanine Meerapfel läuft am 8. Dezember auch in Bruchsal. In:
Bruchsaler Rundschau vom 26. November 2022.
Eingestellt als jpg-Datei.
Franz Hundsnurscher/Gerhard Taddey: Die jüdischen Gemeinden in Baden.
1968. S. 277-278.
Jürgen Stude: Geschichte der Juden im Landkreis Karlsruhe. 1990.
Josef Lindenfelser: Juden in Untergrombach (mschr.; Hg.
Heimatverein Untergrombach).
ders.: Ein Dorf im Wandel der Zeit. Hg. Heimatverein Untergrombach.
Ubstadt-Weiher 1995. Link
zum Verlag
Joseph Walk (Hrsg.): Württemberg - Hohenzollern -
Baden. Reihe: Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from
their foundation till after the Holocaust (hebräisch). Yad Vashem Jerusalem
1986. S. 223-224.
Jürgen
Stude: Geschichte der Juden in Bruchsal. Veröffentlichungen
zur Geschichte der Stadt Bruchsal Band 23. Verlag Regionalkultur 2007. (umfassende
Darstellung zur jüdischen Geschichte der Stadt und der Stadtteile)
Joachim
Hahn / Jürgen Krüger: "Hier ist nichts anderes als
Gottes Haus...". Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte
und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen. Hg. von Rüdiger Schmidt,
Badische Landesbibliothek, Karlsruhe und Meier Schwarz, Synagogue Memorial,
Jerusalem. Stuttgart 2007.
Untergrombach
Baden. Jews were present during the Thirty Years War (1618-48). Most left the
region under the severe restrictions imposed by Bishop August Karl Philip in the
1770s. A new settlement was organized in the early 19th century. A synagogue in
1815 and Jewish public school were opened. The Jewish population grew to a peak
of 124 (total 2,070) in 1895 and then dropped steadily to 32 in 1933. Fifteen
emigrated by 1938, including the Meerapfel family, one of the largest cigarette
wholesalers in Germany. Of those who remained, five were deported to the Gurs
concentration camp on 22 October 1940 and from there to Auschwitz in 1942.
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