Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Westerburg mit Pottum, Stahlhofen am Wiesensee, Weltersburg und Willmenrod 
(VG Westerburg, Westerwaldkreis) sowie Neunkirchen (Westerwald) (VG Rennerod)
Jüdische Geschichte / Synagoge

Übersicht:

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer  
Aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben   
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde   
bulletZur Geschichte des Betsaals / der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen 
bulletErinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte   
bulletLinks und Literatur   

    

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version)           
    
In Westerburg lebten jüdische Personen bereits in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. 1328 wird Symon von Westerburg als Judenbürger in Frankfurt genannt. 1340 ließen Sannel (Samuel) und Gutheil von Westerburg Darlehensgeschäfte in die Frankfurter Gerichtsbücher eintragen. 
  
Die Entstehung der neuzeitlichen Gemeinde geht in das 17. Jahrhundert zurück (1616 erste Nennung). Mitte des 18. Jahrhunderts (1760) werden 60 jüdische Einwohner in der Stadt gezählt. Einige der zugezogenen jüdischen Personen / Familien sollen aus Österreich stammen (Familie Neuhaus), von wo sie zur Zeit der Kaiserin Maria Theresia vertrieben wurden.
  
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: 1807 95 (in 16 Familien), 1808 77, 1825 100, 1843 112, 1871 135 (etwa 9 % der Gesamtbevölkerung), 1895 86, 1905 und 1909 jeweils 91. Auch die im Nachbarort Willmenrod lebenden jüdischen Personen gehörten zur Gemeinde Westerburg (1843 21, 1905 18 Personen). In der Folgezeit gehörten auch die zeitweise in Neunkirchen, Pottum, Stahlhofen, Weltersburg und nach Auflösung der dortigen Gemeinde die in Rennerod lebenden jüdischen Personen zur Gemeinde in Westerburg. Seitdem sich jüdische Familien feste Familiennamen zulegen mussten (um 1840), nannten sich vier Familien Ullmann, andere u.a. Fuld, Goldschmidt, Neuhaus. 
 
Bis zur ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts leben die meisten Familien vom Viehhandel, vom Handel mit Ellenwaren oder waren Makler. Sie lebten damals in durchweg armseligen Verhältnissen Seit Mitte des 19. Jahrhunderts besserten sich die wirtschaftlichen Verhältnisse. Mehrere Läden und Gewerbebetriebe konnten am Ort eröffnet werden, die für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt von Bedeutung waren. Von den Gebrüdern Fuld wurde zeitweise eine Zigarrenfabrik betrieben. Familie Neuhaus betrieb seit 1832 über 100 Jahre lang ein Sattlergeschäft. Aus der Familien Ullmann entstammten zwei Ärzte: Dr. Adolf Ullmann (geb. 1850, später Arzt in Frankfurt), und Dr. Siegfried Ullmann (später Arzt in Berlin). Im Stadtrat saß über mehrere Jahrzehnte ein jüdischer Vertreter (zuletzt Leopold Neuhaus). 
   
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine Religionsschule (um 1847/48 insgesamt 24 schulpflichtige Kinder, davon je ein Kind aus Willmenrod, Weltersburg, Rennerod und Gemünden), ein rituelles Bad und einen Friedhof (beziehungsweise drei Friedhöfe aus unterschiedlichen Zeiten).  Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Religionslehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war (vgl. Ausschreibungen der Stelle unten; an Namen jüdischer Lehrer aus dem 19. Jahrhundert sind unter anderen J. Gabriel in den 1850er-Jahren und D. Kaufmann um 1880 sowie W. Frank um 1894 [genannt auf einer Lehrerkonferenz in Diez 1894] bekannt). Die Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk Weilburg (beziehungsweise nach Zusammenlegung der Rabbinate Ems und Weilburg: Rabbinat Ems-Weilburg).
 
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde: Jacob Fuld (geb. 30.6.1871 in Westerburg, gef. 23.2.1917), Friedrich Ullmann (geb. 24.8.1884 in Westerburg, gef. 7.8.1916), Gustav Ullmann (geb. 29.7.1888, gef. 20.12.1918) und Isidor Ullmann (geb. 31.10.1890 in Westerburg, gef. 22.8.1914). Aus Neunkirchen (Westerwald) ist gefallen: Max Wolf (geb. 3.12.1893 in Reichenborn, gef. 4.10.1915).
     
Um 1924, als noch 92 Gemeindeglieder gezählt wurden, waren die Gemeindevorsteher Josef Fuld, Simon Ullmann und Leopold Neuhaus. Als Lehrer und Kantor war Willi Gabbe angestellt. Er unterrichtete damals 8 Kinder in Religion. An jüdischen Vereinen bestanden vor allem eine Männerchewra (Wohltätigkeits- und Bestattungsverein) sowie der Israelitische Frauenverein (1924 unter Leitung von Bina Ullmann und Jettchen Fuld). Zur jüdischen Gemeinde gehörten (inzwischen) auch die in Gemünden und Willmenrod lebenden jüdischen Einwohner (1924 4 beziehungsweise 6 Personen, 1932 werden nur noch die in Willmenrod lebenden 4 Personen genannt). 1932 waren die Gemeindevorsteher weiterhin Joseph Fuld (1. Vors.), Simon Ullmann (2. Vors.) und Leopold Neuhaus (3. Vors.) Inzwischen war Lehrer, Kantor und Schochet Leo Fischer; er war auch für Gemeinden in der Umgebung (u.a. Meudt) als Lehrer zuständig. Im Schuljahr 1931/32 erteilte er den Religionsunterricht 9 Kindern aus der Gemeinde. 
   
Nach 1933
ist ein Teil der jüdischen Gemeindeglieder (1933: über 100 Personen, dazu 4 in Willmenrod) auf Grund der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. 1936 wurden noch 90 jüdische Einwohner gezählt, 1940 24. In den Jahren 1941 und 1942 wurden die letzten jüdischen Einwohner aus der Stadt deportiert.  
     
Von den in Westerburg geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Sofie (Sabine) Abraham geb. Fuld (1899), Bertha Adler geb. Kallheim (1880), Irma Jenny Baer geb. Ullmann (1894), Jeanette Blumenthal geb. Fuld (1852), Josefine Buxbaum geb. Kallheim (1884), Gerda Dua geb. Kaiser (1903), Hannchen Fleischmann (1887), Alwin Fuld (1916), Jettchen Fuld geb. Levi (1874), Rosalia (Rosa) Fuld geb. Gottlob (1881), Alice I. Gottschalk geb. Ullmann (1903), Ernst Gottschalk (1908), Jochanan Gottschalk (1940), Emanuel Heilberg (1873), Josef Heilberg (1907), Selma Heilberg (1911), Florentine (Flora) Herz geb. Ullmann (1901), Irma Herz geb. Fuld (1903), Josef Herz (1894), Alfred Hirschfeld (1903), Heinrich Hirschfeld (1872), Martha Hirschfeld (1906), Moritz Isenberg (1888), Bertha Kahn geb. Stiefel (1878), Elise Kaiser geb. Sternberg (1866), Hedwig Kallheim (1886), Berta Levy geb. Fuld (1901), Bertha Loeb geb. Rosenthal (1894), Hilde Loeb geb. Ullmann (1890), Amalie Marx geb. Sternberg (1869), Billa Neuhaus (1908), Hilde Neuhaus (1906), Sybilla (Billa) Neuhaus (1898), Berta Neumann geb. Hahn (1884), David Neumann (1873), Salomon Neumann (1877), Selma Neumann geb. Fleischmann (1885), Cäcilie Oppenheimer geb. Frank (1887), Gisela Ingeborg Oster (1926), Rosa Oster geb. Ullmann (1891), Emmi Rosa Saretzki geb. Ullmann (1890), Nathan Saretzki (1887), Berta Schaumburger geb. Rosenthal (1866), Frieda Schaumburger geb. Lilienthal (1903), Isidor Schaumburger (), Juliana Schaumburger geb. Loeb (1858), Moritz Schaumburger (1890), Rolf Simon Schaumburger (1936), Siegmund Schaumburger (1888), Brunhilde Strauss (1928), Johanna Strauss geb. Michel (1888), Kurt Strauss (1923), Salomon Strauss (1885), Fanny Ullmann geb. Kahn (1863), Ferdinand Ullmann (1857), Rosa Ullmann geb. Schaumburger (1859), Simon Ullmann (1858), Tony Ullmann (1896), Berta Weinsberger (1875), Sidonie (Toni) Weissbart geb. Fuld (1908), Franziska (Fanny) Zirker geb. Ullmann (1866), . 
Achtung: bei den unter "Westerburg" bei Yad Vashem aufgeführten Namen handelt es derzeit (November 2007) sich bei ungefähr der Hälfte um fehlerhafte Angaben auf Grund einer Verwechslung mit dem nationalsozialistischen Durchgangslager Westerbork/Niederlande. 
Hinweis: Nach Rolf Simon Schaumburger, der bei der Deportation erst 6 Jahre alt war, ist seit dem 9. November 2007 die Hauptschule in Westerburg benannt. 
  
Von den in Willmenrod geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945": Lilly Selma Sydonie Hony geb. Rosenthal (1903), Sofie Mayer geb. Strauss (1881), Berta Rosenthal (1899), Felix Rosenthal (1898), Ferdinand Rosenthal (1888), Frieda Rosenthal geb. Strauss (1890), Siegmund Rosenthal (1867), Berta Stern geb. Rosenthal (1900), Salomon Strauss (1885), Siegmund Strauss (1881). 
Zu den Mitgliedern der Familie Rosenthal siehe Literatur unten in der Literaturliste.    
   
   
   
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
 
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer 
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1872 / 1877 / 1879 / 1882 / 1900 / 1907   

Westerburg Israelit 25091872.jpg (32287 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. September 1872: "Die hiesige israelitische Religionslehrer-Stelle nebst Vorbeteramt ist vakant und soll mit dem 1. März kommenden Jahres besetzt werden. 
Bewerber wollen sich gefälligst bei den Unterzeichneten melden. 
Westerburg, 20. September 1872. Isaac Fuld, Vorsteher."
    
Westerburg Israelit 24011877.jpg (41655 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Januar 1877: "Die hiesige israelitische Kantor- und Lehramtsstelle steht zum 15. April 1877 zum Besetzen offen. Bewerber wollen sich gefälligst bei dem Unterzeichneten anmelden. Unter Umständen kann auch sofortiger Eintritt erfolgen. 
Westerburg (Regierungsbezirk, Wiesbaden), 15. Januar 1877. Der Kultus-Vorsteher Isaac Fuld."
 
Westerburg Israelit 13061877.jpg (57995 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Juni 1877: "Die hiesige israelitische Lehr- und Kantor-Amtsstelle steht zum sofortigen Besetzen offen, verbunden mit einem Fixum von 900 Mark, einschließlich freier Wohnung und Garten nebst teilweiser Vergütung von Brennmaterial. Tüchtige, geprüfte Bewerber wollen sich unter Einsendung ihrer Qualifikations-Befähigung und Aufführungszeugnisse bei dem Unterzeichneten anmelden. 
Westerburg (Provinz Nassau), 1. Juni 1877. Isaac Fuld, Vorsteher."
 
Westerburg Israelit 09071879.jpg (81227 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Juli 1879: "Annonce. Die hiesige Kantor- und Lehramtsstelle steht mit dem 1. Oktober laufenden Jahres zum Besetzen offen. 
Das fixierte Einkommen besteht in 900 Mark, sowie freie Wohnung und Garten neben der Synagoge, verbunden mit gutem Nebenverdienste, der sich auf die Hälfte des fixierten Gehaltes beziffern dürfte. 
Bewerber, welche seminaristisch ausgebildet, hauptsächlich musikalisch gut geübt und mit guter Stimme begabt sind, wollen sich gefälligst bei dem Unterzeichneten anmelden, wobei man erwartet, dass Bewerber sich mit hinreichend genügenden Zeugnissen über Betragen und Qualifikation auszuweisen imstande sind.
Westerburg, Regierungsbezirk Wiesbaden, 3. Juli 1879. Isaac Fuld, Vorsteher."
 
Westerburg Israelit 22021882.jpg (71650 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Februar 1882: "Annonce. Die hiesige, zum 1. April laufenden Jahres erledigte Religionslehrer- und Kantorstelle soll alsdann wieder besetzt werden. 
Die Stelle ist mit einem jährlichen fixen Gehalte von 800 Mark, freier Wohnung und Garten, auch mit ca. 150 Mark Nebeneinkommen verbunden. 
Bewerber müssen seminaristische und auch musikalische Bildung besitzen, und wollen sich mit entsprechenden Zeugnissen bei dem Unterzeichneten melden. Russen und Polen werden nicht berücksichtigt. 
Westerburg, den 29. Januar 1882. Der israelitische Kultusvorsteher Gerson Ullmann."
 
Westerburg Israelit 02081882.jpg (67433 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. August 1882: "Die hiesige vakante israelitische Religionslehrer- und Kantorstelle soll sofort wieder besetzt werden. 
Die Stelle ist mit einem jährlichen fixen Gehalte von Mark 900, freier Wohnung und einem Garten, sowie ca. mit 100 Mark Nebeneinkommen verbunden. 
Bewerber müssen seminaristische Bildung besitzen und wollen sich mit entsprechenden Zeugnissen bei dem Unterzeichneten melden. Westerburg, 26. Juli 1882. Der israelitische Kultusvorsteher Gerson Ullmann."
 
Westerburg Israelit 22021900.jpg (46093 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Februar 1900: "Die Religionslehrer- und Kantorstelle in Westerburg, Nassau, ist möglichst bald zu besetzen. Das Gehalt beträgt bei freier Wohnung 900 Mark, sowie etwas Nebenverdienst. Schochet bevorzug. 
Der Kultus-Vorstand: Simon Ullmann."
 
Westerburg Israelit 05121907.jpg (55231 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Dezember 1907: "Die Kantor- und Religionsschulestelle in hiesiger Gemeinde ist sofort zu besetzen. Fixum Gehalt 1.100 Mark, 100 Mark Nebeneinkommen. Unverheiratete Bewerber wollen sich an den unterzeichneten Kultusvorstand melden. 
Westerburg
(Westerwald), den 22. November 1907. 
Abraham Fuld. 2. Kultusvorstand
."

  
Über Lehrer Nathan Saretzki und seine Emmi Rosa geb. Ullmann 

Westerburg Saretzki 100.jpg (22221 Byte)Nathan Saretzki ist 1887 als Sohn des Kantors Elias Saretzki in Hohensalza/Posen (heute Inowroclaw in Polen) geboren. Nach dem Studium von Pädagogik und Musik in Berlin und Frankfurt bekam er (vor 1914) die Religionslehrerstelle in Westerburg, wurde jedoch wenig später als Unteroffizier in den Ersten Weltkrieg eingezogen, wo er bei der Marneschlacht 1914 schwer verwundet wurde und bis 1918 Kriegsgefangener in Frankreich war. 1920 heiratete er Emmy Rosa geb. Ullmann aus Westerburg (ihr Bruder Gustav Ullmann starb 1918 als Soldat und wurde im Friedhof Westerburg beigesetzt). Saretzki war nach dem Ersten Weltkrieg Kantor in Gleiwitz, seit 1922 Oberkantor an der Haupt- und Westendsynagoge in Frankfurt und unterrichtete bis 1937 an verschiedenen Schule, zuletzt am Philanthropin Frankfurt. Am 18. August 1942 wurden Nathan und Emmy Rosa Saretzki sowie ihre Mutter Rosa Ullmann von Frankfurt nach Theresienstadt deportiert, 1944 nach Auschwitz. Das Todesdatum des Ehepaares unbekannt; Rosa Ullmann ist am 16. September 1943 in Theresienstadt gestorben. "Stolpersteine" in Frankfurt: Lersnerstraße 34.  
Quelle für das Foto und weitere Informationen

Literatur: Edgar Sarton-Saretzki: "Auf Sie haben wir gewartet". Hanau (CoCon Verlag) 1997.

 
Über Lehrer Leo Fischer    

Westerburg Fischer 100.jpg (62799 Byte)Leo Fischer war von 1930 bis 1933 der letzte jüdische Religionslehrer in Westerburg. Er unterrichtete auch die Kinder in einigen umliegenden Gemeinde, u.a. in Meudt. In Westerburg rettete er im März 1933 zwei jüdischen Männern das Leben. Im September 1933 emigrierte er nach Schweden, von wo aus er zwischen 1943 und 1945 in Zusammenarbeit mit dem Schweder Raoul Wallenberg viele Menschenleben rettete. In Schweder arbeitete er als Religionslehrer, später als Rabbiner. Nach seiner Pensionierung 1973 lebte er mit seiner Frau in England (London). Er hat nach 1945 mehrfach Deutschland besucht. Das Foto links zeigt ihn bei einer Gedenkfeier am 15. November 1987 in Meudt gemeinsam mit Ludwig Falkenstein. Quelle.   



Aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben   
Bericht des Religionslehrers J. Gabriel über die Gemeinde (1857) - Gründung eines Wohltätigkeitsvereins und Bericht zum "Friedhof" der Gemeinde

Westerburg Jeschurun 091857a.jpg (188871 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Jeschurun vom September 1857: "Westerburg, im Juni (1857). Unser kleines Ländchen Nassau, dessen Juden auswärts hier und da als indifferent verschrien sein mögen, zählt dennoch auch viele Gemeinden, die es mit dem Glauben ihrer Väter treu und redlich meinen. 
Die hiesige Gemeinde, welche circa 30 Familien zählt, hat wohl hier und da ein Gemeindeglied, welches sich von Allem, wo es heißt, fürs Gute in die Schranken zu treten, zurückzuziehen sucht, aber im Allgemeinen herrscht doch hier ein echt jüdischer Geist. - Schreiber dieses ließ im Januar dieses Jahres eine Aufforderung zur Gründung eines Chewra (Verein) für Wohltätigkeit ergehen, und mit warmem Eifer unterzeichnete man die Statuten, kommt regelmäßig zu den mit der Chewra verbundenen religiösen Vorträgen und erfüllt mit Pünktlichkeit alle Verpflichtungen, die den Vereinsmitgliedern obliegen. Trotz der Hindernisse, die dem Fortbestand der Chewra von einigen Mitgliedern der Gemeinde entgegengesetzt werden, wird sich dieselbe mit Gottes Hilfe eines langjährigen Dauer erfreuen. 
Als man in diesen Tagen für eine bedrängte Familie kollektierte, war es eine Freude, derselben eine annehmbare kleine Summe, durch die Mildtätigkeit der hiesigen Gemeinde gesammelt, zustellen zu können. ebenso beteiligte man sich hier und in der Umgegend im vorigen Jahr bei der Sammlung für die notleidenden Glaubensgenossen in Jerusalem. 
Wohl könnte manches reiche Gemeindeglied für gute und edle Zwecke mehr stiften als dieses der Fall ist, wenn es bei ihnen nur nicht an gutem Willen fehlte, und sie mehr Sinn fürs Gute hätten. - 
Die hiesige Gemeinde, welche keinen eignen Begräbnisplatz besitzt, beerdigt ihre Toten vielleicht seit undenklicher Zeit in einem Wald. Der Totenacker ist weder begrenzt, noch umzäunt, noch ist er wie angegeben Eigentum der Gemeinde (man zahlt einen jährlichen Pacht). Hätte unter den vorliegenden Verhältnissen eine so zahlreiche, nicht arme Gemeinde nicht schon längst Bedacht nehmen sollen, sich einen Totenhof als Eigentum anzukaufen? Wir mögen nicht daran denken, dass vielleicht bald die dort stehenden 150 Jahre alten Bäume gefällt werden, wodurch sämtliche Gräber demoliert werden müssen. J. Gabriel, Religionslehrer."   

   
Spendenaufruf für den Metzger Heinrich Schaumburger und seine Frau (Stahlhofen, 1877)
  

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. August 1877: "Hilferuf
Der Metzger Heinrich Schaumburger von Stahlhofen, Amts Rennerod, welcher sich zu Anfang dieses Jahres in Witten mit Fräulein Sara Perlstein verheiratet und dort ein Metzgergeschäft etabliert hatte, musste dies Geschäft bald nach Einrichtung desselben wieder aufgeben, da er als Rekrut seiner Militärpflicht noch nachzukommen hat und jetzt als Soldat dient. In Folge dessen verzog seine Frau zu deren Schwiegereltern in Stahlhofen, den Eheleuten Jonas Schaumburger. Da jedoch die Eheleute Heinrich Schaumburger den durch die Neueinrichtung des Geschäfts übernommenen Verbindlichkeiten im Betrag von 400 Talern nunmehr nicht nachkommen konnten, wurde die Ausstattung der Frau Heinrich Schaumburger von den Gläubigern in Pfand genommen, sodass die Frau ganz arm und von allen Mitteln entblößt bei ihren ebenfalls sehr armen Schwiegereltern ankam.   
Die jungen Eheleute sind nun völlig unvermögend, die Ausstattung der Frau wieder einzulösen und würde dieselbe ihre elterliche Mitgift preisgeben müssen, wenn nicht der wohltätige Sinn ihrer wohlhabenden Glaubensgenossen, an die zu wenden sie sich in ihrer traurigen Lage entschlossen hat, ihr seine opferbereite Hilfe zuwenden wollte, deren sie so sehr bedürftig ist und von deren günstigem Erfolg sie einen durchaus würdigen Gebrauch machen wird.
Westerburg, 2. Juni 1877. (L.S.)  K. Schmidt, Pfarrer. 
Milde Gaben beliebe man einzusenden an den israelitischen Kultusvorsteher Isaac Fuld in Westerburg.    

  
Spendenaufruf für die von einem Brandunglück betroffene Familie Moses Neuhaus (1881)

Westerburg Israelit 13071881.jpg (89945 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Juli 1881: "Aufruf! Am 23. dieses Monats, des Nachmittags um 4 Uhr, brach im unteren Stadtteile in dem Hause eines hiesigen Einwohners, welches von einem armen Israeliten Moses Neuhaus mit Familie mitbewohnt wurde, im oberen Dachstuhl Feuer aus, in kaum einer halben Stunde stand fast das ganze Wohngebäude in hellen Flammen; mit der größten Gefahr wurden zwar ein Teil der unversicherten Mobilien gerettet, welche aber größtenteils so sehr beschädigt wurden, dass solche unbrauchbar geworden sind. 
Die israelitische Familie befindet sich durch den Verlust ihres unentbehrlichen Mobiliars in der größten Armut und Not. 
Das unterzeichnete Komitee ersucht alle wohltätigen Glaubensgenossen, dieser hartbedrängten armen Familie eine Unterstützung zufließen zu lassen. Alle milden Gaben werden dankbar entgegengenommen. 
Westerburg, den 26. Juni 1881. Das Komitee: Gerson Ullmann, israelitischer Kultusvorsteher. Wengenroth, Bürgermeister. D. Kaufmann, Lehrer. 
Wir sind gern bereit, Gaben in Empfang zu nehmen und weiterzubefördern. Die Expedition des 'Israelit'."    

  
Spendenaufruf für verarmte Familie (1901)     

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Mai 1901: "Herzliche Bitte. 
Eine arme israelitische Familie dahier ist in Folge schwerer Erkrankung des Mannes nicht nur in große Not geraten, sondern ist auch durch Kündigung ihrer Mietswohnung wegen Verkaufs des Hauses obdachlos geworden, weil es hier an Mietswohnungen für geringe Leute fehlt. Ich habe selbst mich vergeblich um eine Wohnung für die Familie bemüht. Im Vertrauen auf die Hilfe ihrer Glaubensgenossen hat es daher die Frau gewagt, ein gerade feilstehendes Wohnhäuschen für 500 Mark zu kaufen. Aus eigenem Vermögen vermag die Familie den Kaufpreis nicht zu bezahlen,. Da hier also tatsächlich eine große Not vorhanden ist und ich den Mann von seiner Kindheit auf als einen braven und fleißigen Menschen kenne, so wende  ich mich an die Leser dieser Zeitung mit der herzlichen Bitte, sich der armen Familie anzunehmen und ihr zur Erwerbung des Häuschens durch freundliche, milde Gaben zu helfen, zu deren Empfang ich gerne bereit  bin und worüber ich in dieser Zeitung quittieren werde. 
Westerburg (Westerwald), 21. Mai 1901. K. Schmidt, Pfarrer."  


Spendenaufruf für arme jüdische Familie (1908)  

Westerburg Israelit 19031908.jpg (92306 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. März 1908: "Herzliche Bitte! 
Eine hiesige arme israelitische Familie ist in große unverschuldete Not geraten. Im verflossenen Herbste ist der Ernährer plötzlich gestorben mit Hinterlassung einer Witwe und 2 noch unerzogenen Kindern. Vermögen ist nicht vorhanden. Nun verlangt die Baupolizei umfangreiche, dringliche Reparaturen an dem Häuschen (neuer Schornstein, neue Wand etc.). Falls diese Reparaturen nicht baldigst ausgeführt werden, droht hohe Strafe. Wer hilft der armen Familie ihr Häuschen wieder in Stand setzen? 
Gaben nimmt entgegen 
Pfarrer Haas, Westerburg im Westerwald.  
Quittung erfolgt in diesem Blatt."  

   
Quittung über eingegangene Spenden (1901) 
 

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. Juni 1891:   

       
       
Berichte zu einzelnen Personen der Gemeinde  
Zum Tod des durch einen Blitzschlag getöteten Corsmann Ullmann (1881)  

Westerburg Israelit 27071881.jpg (87419 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. Juli 1881: "Westerburg, 22. Juli. Geleitet von einer unabsehbaren Menschenmenge wurde heute unser Mitbürger, Herr Corsmann Ullmann, zu Grabe getragen. Von nah und fern waren sie herbeigeeilt, Glaubensgenossen und Andersgläubige, um Demjenigen die letzte Ehre zu erweisen, dessen tragisches Ende überall die größte Teilnahme erregt hat. derselbe war nämlich am verflossenen Mittwoch (= 20. Juli 1881) in dem eine Stunde von hier entfernten Oellingen, wo er in einem Hause vor dem Gewitter Schutz gesucht hatte, von einem Blitzschlag getötet worden. Unsere Gemeinde verliert an dem Dahingeschiedenen einen ihrer beliebtesten und würdigsten Vertreter. Friede seiner Asche!"  

  
Zum Tod des Gemeindevorstehers Louis Ullmann (1895)  

Westerburg Israelit 28021895.jpg (158402 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Februar 1895: "Westerburg, 17. Februar (1895). Unsere Gemeinde hat abermals einen herben, fast unersetzlichen Verlust zu beklagen. Herr Louis Ullmann I., unser friedliebender, pflichttreuer und Gottesfürchtiger, erster Vorsteher ist nicht mehr. In der Nacht vom 13. auf den 14. dieses Monats ist er - leider so früh - in seinem 42. Lebensjahre, nach einer sechswöchentlichen, tückischen Krankheit vom Schauplatze seiner irdischen, segensreichen Wirksamkeit durch einen sanften Tod abgerufen worden. Der Verstorbene war ein allgemein beliebter, in hohem Grade mildtätiger Mensch, ein mustergültiger Gatte und Vater, ein pietätvoller Sohn, ein liebender Bruder und ein treuer Ratgeber und Freund seinen zahlreichen, hochachtbaren und ebenfalls wohltätigen Verwandten. Aber nicht nur diese, sondern auch Alle, welche mit ihm zu verkehren die Ehre hatten, namentlich seine vielen Freunde, beweinen sein Hinscheiden. Dass unsere Stadt anerkennt in ihm einen ihrer achtbarsten Bürger verloren zu haben, beweist die überaus rege Beteiligung bei seinem Leichenbegängnisse. Trotz des hohen Schnees, ungeachtet der Nähe des Sabbats folgten seiner Bahre über 500 Personen und zwar aus allen Konfessionen. Auch die Honoratioren unserer Stadt, der Herr Landrat, der Herr Bürgermeister, der Herr Pfarrer etc. gaben ihm das Geleite zur ewigen Ruhestätte. Einen solchen Kondukt dürfte Westerburg wohl noch niemals gesehen haben. 
Gott, der diese tiefe Wunde geschlagen, sandte aber zugleich heilenden Balsam. Denn so groß die Lücke ist, welche der Tod hier gerissen, sie wird nahezu ausgefüllt, durch die ehrenwerten Verwandten der Witwe, in Frankfurt, Wiesbaden, Worms, Schwalbach, Breslau usw., welche ihr hilfreich zur Seite stehen werden. 
Dein Andenken, treuer Freund, wir nie unserem Gedächtnisse entschwinden. Schlafe sanft, ruhe in Frieden."   

   
70. Geburtstag des langjährigen Gemeindevorstehers Simon Ullmann (1928)     

Westerburg Israelit 15031928.jpg (40736 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. März 1928: "Westerburg im Westerwald, 10. März (1928). Am 23. März feiert der allgemein beliebte und geachtete Herr Simon Ullmann, seinen 70. Geburtstag. Herr Ullmann war jahrzehntelang erster Vorsteher der hiesigen israelitischen Gemeinde und ist heute noch zweiter Vorsteher derselben. Fast ebenso lange fungierte er als Stadtverordnete. (Alles Gute) bis 100 Jahre."  

      
70. Geburtstag des aus Westerburg stammenden Lehrers Markus Kahn (1931 in Hechtsheim
Anmerkung: Markus Kahn ist am 18. Januar 1861 in Westerburg geboren, besuchte 1874 bis 1876 die Präparandenschule in Höchberg, dann bis 1879 das israelitische Lehrerseminar in Würzburg. Nach Abschluss der Ausbildung war er von 1879 bis 1882 Lehrer in Schornsheim (mit Niedersaulheim und Udenheim), 1882 Lehrer in Flonheim, anschließend Lehrer in Rimbach, dann Külsheim; von 1899 bis 1911 Lehrer in Bernkastel, und von 1911 bis 1931 Lehrer in Hechtsheim.     

Artikel im "Mitteilungsblatt des Landesverbandes der Israelitischen Religionsgemeinden in Hessen" Nr. 1 1931: "Hechtsheim (in Rheinhessen). Am 18. Januar 1931 kann Herr Lehrer M. Kahn, der seit 20 Jahren in der hiesigen Gemeinde als Lehrer, Vorbeter und Schochet tätig ist, seinen 70. Geburtstag feiern. Herr Kahn ist am 18. Januar 1861 in Westerburg, Provinz Hessen Nassau, geboren, fand als dreizehnjähriger Jüngling Aufnahme in der israelitischen Präparandenschule zu Höchberg bei Würzburg und trat nach zweieinhalbjähriger Vorbildung in dieser Präparandie in das Israelitische Lehrerseminar in Würzburg ein. Als er im Jahre 1879 diese Lehrerbildungsanstalt verließ, fand er sofort Anstellung in der damals starken israelitischen Gemeinde Schornsheim, Rabbinatsbezirk Alzey. Von hier aus erteilte er auch den Religionsunterricht in Nieder-Saulheim und Udenheim. Nach drei Jahren siedelte er nach Flonheim bei Alzey über und fand dann eine umfangreiche Tätigkeit in Rimbach im Odenwald. Nach sechsjähriger Tätigkeit in dieser Gemeinde fand er eine Anstellung in Külsheim, Rabbinat Mosbach in Baden. Nach einer weiteren Amtstätigkeit von zwölfeinhalb Jahren in Bernkastel an der Mosel wurde Herr Kahn, wie oben erwähnt nach Hechtsheim berufen. Neben seinen Hechtsheimer Obliegenheiten versieht Herr Kahn auch die Unterrichts- und Schächter-Tätigkeit in Ebersheim-Harxheim, Hahnheim, Bodenheim, Undenheim und Schornsheim. Seit über 50 Jahren ist so Herr Lehrer Kahn im Dienste jüdische Gemeinden tätig, hat hunderte von jüdischen Kindern in den Lehren des Judentums unterwiesen, hat manche Gemeinde als Sch'liach Zibbur (Vorbeter) im Gebet vereint und als gewissenhafter Schächter der Erfüllung dieser heiligen Aufgabe gedient. Er hat sich in seinen alten Tagen auch noch unserem Landesverband der israelitischen Religionsgemeinen Hessens zur Verfügung gestellt und hat die beschwerlichsten Wege in Nachbargemeinden zwecks Ausübung seiner Berufstätigkeit nicht gescheut. Wir sprechen Herrn Kahn unsere Glückwünsche zu seinem Jubeltage aus und wünschen ihm in Gesundheit und weiterer rüstiger Schaffenskraft: ad meoh weesrimm schonoh." (= alles Gute bis 120 Jahre).    

  
   
   
Zur Geschichte des Betsaals / der Synagoge                  
   
Eine Synagoge beziehungsweise eine Betstube in einem der jüdischen Häuser war sicher bereits seit dem 18. Jahrhundert vorhanden. Anfang des 19. Jahrhunderts hatte der Vorsteher Raphael Mordge in seinem Haus ein Zimmer der Gemeinde kostenlos zur Verfügung gestellt. Bis 1819 konnten in dieser - im Oberflecken gelegenen - Betstube Gottesdienste abgehalten werden. Dann wurde das Haus mit der Betstube durch einen Großbrand zerstört, bei dem damals in Westerburg 160 Gebäude vernichtet wurden. 

Eine neue Synagoge, die gleichfalls im Oberflecken (Ecke Wilhelmstraße / Schaumgasse) erbaut wurde, ist spätestens 1824 eingeweiht worden. In ihr gab es 53 Plätze für Männer, 34 für Frauen. Die Synagoge konnte mit Hilfe einer Kollekte erbaut werden, die hauptsächlich in Frankfurt am Main durchgeführt wurde. Die damals 6 jüdischen Familien in der Stadt hätten einen solchen Bau nicht finanzieren können. 1844 wurde die Synagoge renoviert. 
 
Anfang des 20. Jahrhunderts befand sich die Synagoge in baufälligem Zustand. Die Gemeinde entschloss sich zu einem Neubau an derselben Stelle wie die bisherige Synagoge. Im Juni (oder Anfang Juli) 1910 wurde die neue Synagoge unter großer Anteilnahme der gesamten Bevölkerung durch Bezirksrabbiner Dr. Landau aus Weilburg eingeweiht. Das "Frankfurter Israelitische Familienblatt" berichtete darüber
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Westerburg FrfIsrFambl 15071910.jpg (70200 Byte)Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 15. Juli 1910: "Westerburg. Die Einweihung unserer neuen Synagoge wurde getragen von dem harmonischem Einvernehmen zwischen der hiesigen christlichen und jüdischen Bevölkerung. Die gesamt christliche Bevölkerung - einschließlich der Honoratioren - nahm freudigen Anteil an dem Feste der jüdischen Gemeinde, Vereine mit ihren Fahnen waren im Festzuge, und der Landrat hielt eine Rede, die ein Ehrenzeugnis war für das Ansehen der hiesigen Juden. Die offizielle Einweihung vollzog Bezirksrabbiner Dr. Landau - Weilburg."

Nur 28 Jahre war die neue Synagoge Mittelpunkt des jüdischen Lebens in Westerburg. Beim Novemberpogrom 1938 wurden Fenster und die Inneneinrichtung des Gebäudes völlig zerstört. Anfang 1939 musste die jüdische Gemeinde das Gebäude auf ihre Kosten wieder instandsetzen, um dann am 25. März 1939 gezwungen zu werden, das Gebäude für 175 RM an die Stadt zu verkaufen. Nach 1945 ging das Gebäude in Privatbesitz über und wurde zu einem Wohnhaus umgebaut. Bis heute erinnern verschiedene Rundbogen und Rundfenster an die Vergangenheit des Gebäudes.  
  
Im März 2019 wurde an der ehemaligen Synagoge eine Gedenkstele aufgestellt, die an die Geschichte des Gebäudes und das Schicksal der früheren jüdischen Einwohner erinnert.
   
   
Adresse/Standort der SynagogeIn der Westerburger Oberstadt: Wilhelmstraße 4 / Ecke Schaumgasse      
    
    
Fotos      

    Historische Fotos sind nicht bekannt; über Hinweise oder Zusendungen freut sich 
der Webmaster der "Alemannia Judaica"; Adresse siehe Eingangsseite.
     
Das ehemalige Synagogengebäude 
(Quelle der 1986 und 1998 entstandenen
 Fotos: Landesamt s.Lit. S. 386)
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Das ehemalige Synagogengebäude
 im Sommer 2009
(Fotos: Hahn, 
 Aufnahmedatum: 23.08.2009) 
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   Blick auf den heutigen Eingang zu dem
 teilweise gewerblich genutzten Gebäude
Rechts an der Wilhelmstraße: 
die ehemalige Synagoge
      
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Blick von der Schaumgasse auf das Gebäude  
     
Die Gedenktafel    
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Etwas oberhalb der Synagoge an der Mauer unterhalb des Schlosses (Standort der ehemaligen Zigarrenfabrik Fuld) die 1988 angebrachte Gedenktafel mit dem Text: 
"Vor 50 Jahren wurden die Einrichtung und die Fenster der Synagoge in Westerburg zerstört. Vor den Augen der zusammengetriebenen jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger wurden die Kultgegenstände auf der Strasse verbrannt. 
Anschließend wurden die Juden in die Zigarrenfabrik Fulda geführt. Am nächsten Morgen erfolgten die ersten Verhaftungen. Ende 1942 waren alle Westerburger Juden geflohen, vertrieben, deportiert oder umgebracht. 
Die Fabrik stand früher an diesem Platz. Das Gebäude der ehemaligen Synagoge ist erhalten und befindet sich in der Wilhelmstraße 4. Nach einem ökumenischen Gottesdienst in der Schlosskirche wird heute diese Gedenktafel angebracht. 
"Wir alle, ob schuldig oder nicht, ob alt oder jung, müssen die Vergangenheit annehmen. Wir alle sind von ihren Folgen betroffen und für sie in Haftung". (Bundespräsident Richard von Weizsäcker). 
Die Ereignisse am 9./10. November 1938 in Westerburg mahnen: so etwas darf sich in unserer Stadt nie mehr ereignen. 
Westerburg, den 9. November 1988."    

     

    
    
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte   

Juli 2010: Die Synagoge wurde vor 100 Jahren eingeweiht - Veranstaltungen zu diesem Gedenken  
Artikel von Ulrike Preis im "AK-Kurier" vom 29. Juni 2010 (Artikel): "Westerburger Synagoge feiert 100-Jähriges. 
Am 8. Juli vor 100 Jahren wurde die Westerburger Synagoge eingeweiht. Das besondere Jubiläum soll nun auf den Tag genau - am Donnerstag, 8. Juli - mit einer Gedenkfeier in der Schlosskirche begangen werden. 
Westerburg.
Die Geschichtswerkstatt des Westerwald-Vereins e.V. Westerburg veranstaltet in Zusammenarbeit mit der Stadt Westerburg anlässlich der 100-jährigen Wiederkehr der Einweihung der Synagoge der ehemaligen Jüdischen Kultusgemeinde Westerburg am Donnerstag, 8. Juli, eine Gedenkstunde in der Schlosskirche Westerburg..."    
Hinweis: Die Gedenkrede zum Gedenktag hielt Burkhard Peschke, siehe Lit. unten.    
 

    
     

Links und Literatur  

Links: 

bulletWebsite der Verbandsgemeinde Westerburg   
bulletZu verschiedenen Familien aus Westerburg kann recherchiert werden auf der Website von Georg Stockschläder; hier eine Datenbank "Juden im Westerwald" 

Literatur:  

bulletGermania Judaica II,2 S. 880.
bulletPaul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. II S. 360-363. 
bulletKarl Greiff: Westerburg - Stadt seit 1292. Hg. von der Stadt Westerburg 1999.
bulletders.: Die jüdische Gemeinde Westerburg von 1818-1942 nach den Eintragungen im Personenstands- und Standesamtsregister. unveröffentlicht Westerburg.
bulletWesterwald Lit 100.jpg (48301 Byte)Joachim Jösch / Uli Jungbluth u.a. (Hrsg.): Juden im Westerwald. Leben, Leiden und Gedenken. Ein Wegweiser zur Spurensuche. Montabaur 1998.
bulletJuden im Westerwald - Texte und Quellen - zusammengestellt vom Arbeitskreis 'Heimatgeschichte' der Kreis - VHS Westerwald. Von Hermann-Josef Hucke, Klaus Dahlem, Dieter Schmidt. Montabaur 1988. 
bulletLandesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Mainz 2005. S. 69-72 (mit weiteren Literaturangaben). 
bullet Burkhard Peschke: Gedenkrede zur Einweihung der Synagoge in Westerburg vor 100 Jahren am 8. Juli 1910. Geschehen - Erinnern - Gedenken. Westerburg, 8. Juli 2010.
Eingestellt als pdf-Datei.   
bulletBeitrag zu Willmenrod:  Martina Hartmann-Menz: Die Kaufmannsfamilie Rosenthal aus Hadamar. Dokumentation 2017. Eingestellt als pdf-Datei (Beitrag wurde als Grundlage erstellt für die in 2017 zu verlegenden "Stolpersteine" für vier Mitglieder der Familie Rosenthal in Hadamar; Siegmund Rosenthal war Kultusvorsteher der jüdischen Gemeinde Hadamar; er ist 1867 in Willmenrod geboren und war seit 1895 mit der aus Villmar stammenden Johanna geb. Eisenthal verheiratet; das Ehepaar lebte zunächst in Willmenrod, wo die drei Töchter Selma Sidonie, Bertha und Lilly Selma Sydonie 1897, 1899 und 1903 geboren sind). ).    

  
   


 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel. 

Westerburg  Hesse-Nassau. The community grew from 60 in 1760 to 135 (9 % of the total) in 1871. It was affiliated with the Bad Ems rabbinate. Jews prospered in the 19th century, opening stores and a cigar factory which the Nazis later "Aryanized". On Kristallnacht (9-10 November  1938), the synagogue's interior was destroyed. By 1939 most of the 85 Jews registered there in 1933 had left, 26 perished in the Holocaust.    
  
     

                   
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Stand: 30. Juni 2020