Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


Eingangsseite

Aktuelle Informationen

Jahrestagungen von Alemannia Judaica

Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft

Jüdische Friedhöfe 

(Frühere und bestehende) Synagogen

Übersicht: Jüdische Kulturdenkmale in der Region

Bestehende jüdische Gemeinden in der Region

Jüdische Museen

FORSCHUNGS-
PROJEKTE

Literatur und Presseartikel

Adressliste

Digitale Postkarten

Links

 

    
zurück zur Übersicht "Synagogen in der Region"  
zu den Synagogen in Baden-Württemberg  
    

Willstätt (Ortenaukreis)
 Jüdische Geschichte 
  

Übersicht:  

bulletZur jüdischen Geschichte in Willstätt  
bullet Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte 
bulletLinks und Literatur   

   

Zur jüdischen Geschichte in Willstätt          
     
In Willstätt bestand zu keiner Zeit eine selbständige jüdische Gemeinde. Jedoch haben sich schon im 17. Jahrhundert einzelne jüdische Personen / Familien am Ort niedergelassen.  Erwähnungen gibt es seit 1619, namentlich 1625 die Juden Abraham, Isaak der Ältere, Isaak der Jüngere und Jakob, um 1635 Isaak und Moses Mayer. Weitere jüdische Personen werden in Offenburger Ratsprotokollen genannt. Es handelte sich bei ihnen vor allem um Viehhändler. Seit 1627 bemühten sich - in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges - die Willstätter Juden um eine Aufnahme in Offenburg, die ihnen auch für einige Zeit genehmigt wurde. 1680 wurden die in Offenburg lebenden Juden ausgewiesen. Zeitweise kamen einige von ihnen nach Willstätt zurück, von dort zogen mehrere Familien in die 1715 neu gegründete Stadt Karlsruhe, darunter die Familie des Rabbiners Ephraim um 1720. Als Erinnerung an die Zeit der jüdischen Ansiedlung in Willstätt gab es vor allem in Karlsruhe einige  jüdische Familien mit dem Familiennamen Willstätter.   
 
Unter den bekannten Vertretern mit dem jüdischen Familiennamen "Willstätter" sind zu nennen:
Leopold Willstätter (1851 Karlsruhe - 1902 Brunnen. Kanton Schwyz CH): Bankier, Teilhaber des Bankhauses Veit L. Homburger und Mitglied im Aufsichtsrat zahlreicher Karlsruher und auswärtiger Firmen. Weitere Informationen  https://de.wikipedia.org/wiki/Leopold_Willstätter
Richard Martin Willstätter (1872 Karlsruhe - 1942 in Muralto, Kanton Tessin CH), deutscher Chemiker (Nobelpreis für Chemie 1915): wuchs in Karlsruhe und Nürnberg in einer jüdischen Großkaufmannsfamilie auf; war seit 1903 verheiratet mit Sophie geb. Leser aus Heidelberg (gest. 1908), mit der er zwei Kinder hatte: Ludwig (geb. 1904, gest. 1915) und Margarete (geb. 1905, war auch Physikerin, gest. 1964 in Winnebago Ill./USA). Willstätter ist 1939 in die Schweiz geflohen. Weitere Informationen  https://de.wikipedia.org/wiki/Richard_Willstätter.
   
Drei Angehörige von "Willstätter"-Familien sind in der NS-Zeit umgekommen:
Elisabeth Rosenfeld geb. Willstätter
(geb. 1897 in Karlsruhe als Tochter des Fabrikdirektors Emil Willstätter und seiner Frau Recha, wohnte in Karlsruhe und Stuttgart, ermordet 1944 in Auschwitz).
Elise (Elisa) Willstätter geb. Main
(geb. 1856 in Müllheim/Baden, wohnte in Lörrach, umgekommen nach Deportation 1941 im Internierungslager Gurs).
Gustav Willstätter
(geb. 1885 Lörrach, wohnte in Lörrach, ermordet 1943 in Auschwitz).  
  
Im 19./20. Jahrhundert (Zeitraum 1825 bis 1933) kam es in Willstätt nicht zur Niederlassung jüdischer Personen. Bei den Volkszählungen 1880 und 1885 wurden je zwei jüdische Personen in Willstätt registriert, doch kann es sich dabei auch um Personen gehandelt haben, die bei den Volkszählung zufällig ortsanwesend waren.  
    
    
    
   
 
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte       

August 2020: Buch zur jüdischen Geschichte in Willstätt ist erschienen       
Artikel von Nina Saam in "Baden online.de" vom 8. August 2020: "Die Geschichte der Juden in Willstätt
Der Willstätter Gemeindearchivar Martin Ruch hat in einem Büchlein alle Hinweise auf jüdisches Leben in der Gemeinde gesammelt – ein interessanter Querschnitt durch die Geschichte des Ortes.

In der einschlägigen Literatur sind jüdische Gemeinden in Bodersweier, Freistett und Lichtenau vermerkt, Hinweise auf eine Willstätter Gemeinde finden sich nicht. Es gibt aber einen berühmten jüdischen Träger des Ortsnamens: Der Chemie-Nobelpreisträger Richard Willstätter, dessen Vorfahren aus Willstätt stammten. Willstätts Gemeindearchivar Martin Ruch, ein gebürtiger Offenburger, der sich eingehend mit der Geschichte der Juden seiner Heimatstadt beschäftigt hat, stieß bei seinen Recherchen immer wieder auf jüdische Namen aus Willstätt. 'In alten Ratsprotokollen habe ich zum Beispiel einen 'Abraham Jude aus Willstätt' gefunden, dann einen 'Kostel Levi Jud aus Willstätt', erzählt er. 'Das hat mich stutzig gemacht.' Ruch sammelte die Hinweise auf Willstätter Juden, die sich in den alten Protokollen fanden, und hat sie nun in einem kleinen Bändchen zusammengefasst.
Anfang des 17. Jahrhunderts gab es einige jüdische Viehhändler in Willstätt, die zum Teil gegen ein Schirmgeld in Offenburg Handel treiben durften. Willstätt war damals ein wichtiger Punkt an der Handelsstraße. 1632 wurde Willstätt im 30-jährigen Krieg in Schutt und Asche gelegt. Während die anderen Einwohner sich eher in Richtung Schwarzwald orientierten, wandten sich die Willstätter Juden schutzsuchend an die stark befestigte katholische Reichsstadt Offenburg. Gegen Zahlung eines Schirmgeldes durften sie sich in der Stadt niederlassen, wie Martin Ruch herausfand. In den alten Protokollen ist beispielsweise vermerkt, dass den Willstätter Juden Jacob und Jäckhlin 'sampt ihrem Gesind schutz und schürm zugesagt' wurde, dass sie aber mit den Bürgern 'kein wunderliche contracten treiben' dürfen. Unbeschwert war ihr Leben in Offenburg aber nicht. So berichten die Quellen von antisemitischen Angriffen. Auch einigen Offenburger Zünften waren die Neuankömmlinge, die vor allem mit Handel und Geldverleih ihre Brötchen verdienten, ein Dorn im Auge. Auf ihr Bestreben hin setzte die Stadt Offenburg schließlich 1680 per Ratsdekret die 'Abschaffung der Juden' fest. Nur wenige Willstätter Juden kehrten in ihr Dorf zurück. Einige von ihnen gingen nach Karlsruhe, in die neu gegründete Residenz des Markgrafen Karl-Wilhelm. 'Er hat ihnen Steuer-, Religions- und Gewerbefreiheit versprochen', so Martin Ruch. 'Willstätter' wurde so zu einem häufigen jüdischen Namen in Karlsruhe. Auch der Rabbiner Ephraim zog 1720 von Willstätt in die neue Residenzstadt. Seine Nachfahren erhoben Mitte des 18. Jahrhunderts, als das Tragen bürgerlicher Nachnamen zur Pflicht erhoben wurde, ihre Herkunft zu ihrem Namen. Einer davon ist Richard Willstätter, der 1915 den Nobelpreis für Chemie bekam. Seine Enkelin Carol Bruch hat vor einigen Jahren Willstätt besucht und auch das Vorwort zu Martin Ruchs Büchlein verfasst. In den Jahren danach hat Ruch nur vereinzelt Hinweise auf jüdisches Leben gefunden, die er detailliert auflistet. Während des Nazi-Regimes lebten keine Juden mehr in Willstätt. Mehr noch: Den Bürgern war jeglicher Kontakt mit ihnen verboten. So ist in einem Schreiben des Bürgermeisteramtes zu lesen, dass ein Willstätter Grundbuchbeamter, der einen jüdischen Kinderarzt in Offenburg aufgesucht hat, 'eindringlich auf die Folgen eines weiteren Verkehrs mit Juden' hingewiesen wurde. "  
Link zum Artikel   

    
    

     
Links und Literatur   

Links:  

bulletWebsite der Gemeinde Willstätt   

Literatur:  

bulletOtto Kähni: Geschichte der Offenburger Judengemeinde, in: Die Ortenau 49 (1969) S. 80-114; zu den Willstätter Juden S. 85.
bulletJoachim Hahn: Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer Geschichte in Baden-Württemberg. 1988 S. 417.  
bullet Martin Ruch: Geschichte der Juden von Willstätt im Hanauerland. 88 S. ISBN 9783751953573. Books on Demand 2020.
Link zum Verlag  https://www.jpc.de/jpcng/books/detail/-/art/martin-ruch-geschichte-der-juden-von-willstaett-im-hanauerland/hnum/10169376
Klappentext:  Im 17. Jahrhundert gab es in Willstätt eine kleine jüdische Landgemeinde. Der 30-jährige Krieg ließ sie Schutz suchen in der benachbarten Reichsstadt Offenburg. 1680 jedoch verlangten die Zünfte ihre Ausweisung. Sie kehrten nicht mehr nach Willstätt zurück. Einige nahmen das Angebot an, in der neugegründeten Residenz Karlsruhe zu wohnen, darunter auch die Vorfahren des Chemie-Nobelpreisträgers von 1915, Dr. Richard Willstätter. In einer Autobiographie schilderte Willstätter sein Leben, seinen Kampf gegen Antisemitismus, seine Flucht 1939 in die Schweiz.  

    
    
 

                   
vorherige Synagoge  zur ersten Synagoge nächste Synagoge

           

 

Senden Sie E-Mail mit Fragen oder Kommentaren zu dieser Website an Alemannia Judaica (E-Mail-Adresse auf der Eingangsseite)
Copyright © 2003 Alemannia Judaica - Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum
Stand: 30. Juni 2020