Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Weitere Textseiten zur jüdischen Geschichte in Worms  
Texte aus dem 19./20. Jahrhundert zur mittelalterlichen und neuzeitlichen jüdischen Geschichte in Worms 
Texte zu den Rabbinern und Lehrern der jüdischen Gemeinde vom Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert  
Berichte aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben im 19,/20. Jahrhundert  
Berichte zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde im 19./20. Jahrhundert  
Zum alten jüdischen Friedhof in Worms ("Heiliger Sand")  
Zum neuen jüdischen Friedhof in Worms-Hochheim     
 
               

Worms (Stadtkreis Worms, Rheinland-Pfalz) 
Judengasse mit Synagoge, Raschi-Haus, Mikwe
   

   
Übersicht:  

bulletFotos  
bulletBeiträge zu den jüdischen Altertümern und zur Synagoge und dem gottesdienstlichen Leben in Worms in jüdischen Periodika des 19./20. Jahrhunderts 
bulletErinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte 
bulletLinks 

     
Fotos   

Die Wormser Synagoge 2009/2013
(Fotos in höherer Auflösung von Michael Ohmsen; diese und weitere Fotos siehe Fotoseiten von M. Ohmsen zu Worms

Worms Synagoge 410.jpg (400833 Byte) Worms Synagoge 99409263.jpg (537137 Byte)
    Außenansichten der Wormser Synagoge 
          
Worms Synagoge 570.jpg (240715 Byte) Worms Synagoge 99409292.jpg (67680 Byte) Worms Synagoge 99409337.jpg (347486 Byte)
Innenansichten: Blick zum Toraschrein   
     
Jüdische Geschichte in Worms  - Fotos von 2005 / 2011 
(
Fotos - wenn nicht anders angegeben - Hahn, Aufnahmedatum 2.-4.8.2005; Fotos mit *) von Klara Strompf, Aufnahmen vom 2.12.2011)      
Worms Judengasse 012.jpg (35172 Byte) Worms Judengasse 011.jpg (59182 Byte) * Worms Judengasse 010.jpg (48382 Byte)
Die "Judengasse" in Worms
 
Worms Synagoge a022.jpg (64624 Byte) Worms Synagoge a024.jpg (52594 Byte) Worms Synagoge a026.jpg (66693 Byte)
 Straßenschild 
"Synagogenplatz"
Synagogenplatz mit Synagoge  
(Fahnen zum "Raschi-Jahr" 2005
Eingang zur 
(Männer-)Synagoge
     
Worms Synagoge a020.jpg (79582 Byte) Worms Synagoge a025.jpg (56873 Byte) Worms Synagoge a023.jpg (69233 Byte)
Hinweistafel zur Geschichte des Hauses  Aufnahmen von Süden / Südwesten mit dem Anbau der "Raschi-Kapelle" 
    
    Worms Synagoge a019.jpg (83348 Byte) Worms Synagoge a021.jpg (62958 Byte)
  Historische Inschriften 
   
Worms Synagoge a017.jpg (45887 Byte) Worms Synagoge a011.jpg (35991 Byte) Worms Synagoge a016.jpg (38887 Byte)
Im Betsaal der Männer  Blick in den Betsaal der Frauen  Blick zum Toraschrein (Aron HaKodesch) 
     
Worms Synagoge a010.jpg (35906 Byte) Worms Synagoge a014.jpg (46401 Byte) Worms Synagoge a015.jpg (44211 Byte)
  Vorlesepult und Toraschrein  Vorlesepult (Bima) 
     
  * Worms Synagoge a013.jpg (48120 Byte) Worms Synagoge a012.jpg (24842 Byte)
  Chanukkaleuchter rechts
vor dem Toraschrein
Gedenktafeln mit den Namen der in 
der Shoa ermordeten Wormser Juden
Gedenklicht für die 
Opfer der Shoa
     
 Raschi-Kapelle Worms Mikwe 010.jpg (49102 Byte) * Worms Raschikapelle 010.jpg (38602 Byte)
  Eingang zur "Raschi-Kapelle" "Raschi-Kapelle" mit "Raschi-Stuhl"
     
Worms Raschihaus 010.jpg (61218 Byte) * Worms Raschihaus 011.jpg (54719 Byte) Worms Raschihaus 012.jpg (46826 Byte)
Das Raschi-Haus Torarolle und andere Judaica im Ausstellungsbereich des Raschi-Hauses
   
  *  * Worms Raschikapelle 011.jpg (70341 Byte) Worms Raschihaus 013.jpg (83319 Byte)
  Installationen im Museumsbereich, links jüdische Familie, rechts die Wormser Synagoge   Raschi-Statue von Wolf Spitzer aus Speyer mit Hinweistafel
   
Worms Mikwe 012.jpg (83209 Byte) Worms Mikwe 011.jpg (50455 Byte) Worms Mikwe 013.jpg (50580 Byte)
Abgang zur Mikwe    Tauchbecken
     
  Worms Dom 011.jpg (52867 Byte) Worms Dom 010.jpg (46769 Byte)
  "Geschichtsfenster" im Dom zur Erinnerung an Pogrome und Judenverfolgungen
     

  

Die Levy'sche Synagoge - 
erbaut 1875 in der Judengasse  
(Karte: Sammlung Hahn, 
Foto: Hahn) 
Worms Synagoge n810.jpg (85670 Byte)  Worms Synagoge a018.jpg (54436 Byte)
    Die Levy'sche Synagoge ("Neue Synagoge")
 auf einer historischen Ansichtskarte 
(Die Karte in hoher Auflösung)
Blick von der alten Synagoge zu einem 
an der Stelle der Levy'schen Synagoge
 erstellten Neubau.
      
 Erinnerung am Standort 
der Synagoge
Worms Synagoge 100.jpg (57690 Byte) Worms Synagoge 101.jpg (40772 Byte)
  Gedenktafeln für die Levy'sche Synagoge
 
     

Historische Ansichtskarten zum jüdischen Worms 
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller, Kirchheim / Ries)  

 
  Worms Dok 14025.jpg (240011 Byte) Worms Dok 14020.jpg (368395 Byte) Worms Dok 14024.jpg (229045 Byte)
 Das Raschi-Tor (Ansichtskarte 
aus den Jahren 1915-1925) 
Die "Alte Synagoge" in Worms 
(Ansichtskarte um 1970)   
 Rabbi Juda Chassids Mauer an der Synagoge
 (Ansichtskarte aus der Zeit um 1900) 
 Kunstverlag Leitermann & Jäger, Mainz   Photo-Betrieb Curt Füller, Worms  Postkartenverlag Christian Herbst, Worms
     
Worms Dok 14023.jpg (201124 Byte) Worms Dok 14022.jpg (195317 Byte) Worms Dok 14027.jpg (291553 Byte)
 Eingang zur Synagoge in Worms um 1850
 (Ansichtskarte aus der Zeit um 1935) 
 Innenansicht der Synagoge 
(Ansichtskarte von 1921) 
Kol nidre in der 
Synagoge in Worms 
Verlag: Jüdisches Museum Worms  Postkartenverlag Christian Herbst, Worms  Foto: Stadtarchiv Worms  
     
 Die brennende Synagoge am 10. November 1938
(Foto: Stadtarchiv Worms)
   
     
     
Worms Dok 14026.jpg (306960 Byte) Worms Dok 14021.jpg (184911 Byte)    
 Darstellung im Museum des 
Raschi-Hauses: Sederabend 
(Modell von H.W. Herbert) 
 Verlag Gebr. Metz, Tübingen 
   
 Der Siegfriedbrunnen in Worms; Im Hintergrund bzw. rechts auf Ausschnitt die 
Buch-, Kunst-, Musikalien- und Piano Handlung  von Julius Stern; 
die Karte wurde versandt am 5. Juli 1930 nach Obermenzing bei München.
vgl. Links http://www.wormserjuden.de/Biographien/Stern-IV.html 
http://adressbuecher.genealogy.net/entry/show/3232576   

     
     
     
Beiträge zu den jüdischen Altertümern, insbesondere zur Synagoge und dem gottesdienstlichem Leben in Worms in jüdischen Periodika des 19./20. Jahrhunderts   
Ohne Beiträge zur Geschichte des alten Friedhofes, siehe Seite zum Friedhof
Die nachfolgenden Text wurden freundlicherweise von Susanne Reber abgeschrieben und mit Anmerkungen versehen.

       
Die Sage von Rabbi Juda Chasids Mauer bei der Synagoge in Worms - in Gedichtform (von 1843)  
Anmerkung: Rabbi Juda Chassid = Jehuda ben Samuel he-Chasid (geb. 1140-50 in Speyer, gest. 1217 in Regensburg) war einer der bedeutendes Vertreter einer Bewegung des hochmittelalterlichen Judentums, die als Reaktion auf die Judenverfolgungen der Zeit der Kreuzzüge ab 1096 der streng rationalen Gelehrsamkeit eine mystisch-spirituelle Frömmigkeit, Askese und Märtyrerverehrung entgegensetzten. Siehe Wikipedia-Artikel "Juda ben Samuel".     

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 11. Dezember 1843: 
"Rabbi Juda Chasid's Mauer zu Worms. (Eine jüdische Sage von A. Trendlau). 
*) Nach Maase Nissim No. 8. - Mit einiger Veränderung auch Schalsch. Hakk. S. 42. - Der Rabbi starb 1217 zu Regensburg. - Aus einer noch ungedruckten zweiten Sammlung jüdischer Sagen und Legenden. 

Hin zur Frauen-Synagoge,   Die zu Worms am Rhein, 
Führt ein Gässchen, ihr zur Linken, Dunkel schmal und klein.  
  
Hier verweilt dein Führer, deutet   Auf die Mauer dran, 
'Rabbi Juda Chasid's Mauer!' Sagt der alte Mann. 
  
Eine Blende ist es aber,   Was dein Aug' erblickt, 
Wie von einem Menschenkörper,   Rückwärts eingedrückt.  

Und befragt dein Blick den Alten,  Was dies heißen soll?  
So beginn er, aufwärtsschauend,  Leis' und wehmutsvoll:  

'Dies ist auch noch so ein Denkmal,  Aus der düstern Zeit, 
Wo zum Bösen und der Gegner  Allzeit war bereit.'  

'Aber auch ein herrlich Zeichen   Von der Macht des Herrn! 
Unsrer Zeit, acht, ohne Glauben,  Bleibt das Wunder fern-' -          
Worms AZJ 11121843a.jpg (77244 Byte) 'Auf dem Weg zur Synagoge  Ging einst hier ein Weib,  
Die den besten Gottessegen Barg im Mutterleib.'  

'Plötzlich kommt ein Mensch gefahren, Lenkt ins Gässchen ein; 
Nein ein Mensch nicht, nur ein Dämon Kann's gewesen sein.'   

'Wütend treibt er seine Pferde Auf das Weib hinan,  
Wo im Nu ein Doppelleben Er zerdrücken kann.'  

'Totenblass drängt sich die Arme  An den kalten Stein;  
Schließt, abwehrend, ihre Hoffnung Mit den Händen ein.'   
 
'Schon ist ihr der Wüt'rich nahe, Hört sie seinen Spott;  
Und empfiehlt in Todesängsten  Leib und Seele Gott.'  

'Sieh, da weicht zurück die Mauer, Gibt ihr gnädig Schutz, 
Und der Stein erbarmt sich ihrer  Menschenwut zum Trutz.'  

'Und vorüber rollt's verderben  Rühret sie nicht an; 
Denn sie barg im Mutterschoße  Einen großen Mann.'  

'Wohl war Rabbi Juda Chasid  Solchen Wunders wert, 
Und die Mauer trägt den Namen, Den die Welt verehrt.'" 

  
Ein deutscher Gottesdienst wird eingeführt (1847)     

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 12. April 1847: "Worms, 18 März (1847). Der Prediger A. Adler hat veranstaltet, dass von Ostern ab Sonntag Nachmittag ein deutscher Gottesdienst stattfinde."   
Anmerkung: zu Prediger A. Adler vgl. http://steinheim-institut.de:50580/cgi-bin/bhr?gnd=1064856276       

   
Gedicht zum Versöhnungstag in der Synagoge Worms (1845)   

Artikel in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 9. September 1845: 
"Die Toten von Worms.  
In der alten Synagoge glänzt der Kerzen heller Schein, 
Wirft sein Licht, das glanzerfüllte, auf der Beter ernste Reih'n;  
Weiß die Farbe der Versöhnung, weiß die Farbe des Gewandes, 
Also schwingt sich ihre Seele in das Reich des Gotteslandes.  

Tiefe Stille, leises Schluchzen bietet der Versöhnungstag. 
Und in manch verstocktem Herzen wird die bittre Reue wach; 
Nicht bloß von der Kerzen Scheine sieht man jedes Aug' entflammt, 
Nein! die Nähe ist's des Gottes, der versöhnet und verdammt!   

Und es tönt im Liede also: Herr, du mögest dich erbarmen, 
Mögest rette deine Kinder mit der Adlers Fittichsarmen, 
Mögest froh und frei vermehren deines Volkes heil'gen Samen, 
Und so sprechet darauf Alle ein vernehmbar lautes: Amen!   

Amen, tönt's - doch welch ein Summen, welch ein wunderlich Gebrause, 
Wogt und wallet auf und nieder in dem alten Gotteshause, 
Keiner regt sich, und verhüllet sich die Häupter mit den Fäden, 
Die von unserem Gottesbunde, Stumm und doch so deutlich reden.  
  
Immer enger wird's den Betern, immer wächset das Gedränge, 
Und es staunet Jeder zagend ob des Gotteshauses Enge, 
Und es tönt im Liede weiter: Herr vom Leben und vom Sterben, 
Lass am Tage des Gerichts uns der Väter Tugend erben!  

Blick herab mit deiner Gnade auf das Herz, das schuldbefleckte, 
Das von eitlem Wahn befangen, sich mit Schmach der Sünd' bedeckte.   
Allerbarmer! Allerhalter! lass für unsre schweren Sünden, 
Uns, dein Volk, das lang geliebte, endlich doch Versöhnung finden.   

Da noch einmal tönt es Amen! - aber welch ein Donnerrufen. 
Gleich dem Lied der Engelsscharen an des Gottesthrones Stufen. 
Gleich dem schweren Ruf an jene, die das Urgesetz gebrochen,
 Also ward das Amen, Amen, von der Menge jetzt gesprochen.   

Sieh! es fallen hier die Hüllen - und ein Schädel taucht empor, 
Hier ein andrer - und es klappert der Gerippe grauser Chor!  
Ja! aus ihren Gräbern stiegen sie, die lange schon verweset, 
Deren Geist seit langen Zeiten schon vom Fleische ward erlöset.
 
Allen graust es, doch der Rabbi, er der fromme Knecht des Herrn, 
Bleibet ruhig - seiner Seele ist die Furcht vor Geistern fern, 
Und er ruft mit lauter Stimme: 'Seid ihr von dem Herrn entboten?' 
'Ja wir sind es', tönet dumpf es in dem weiten Reich der Toten. 

'Nun so geht in Gottes Namen'! - Welch Geschwirre, welche Gebrause. 
Bald ist wieder luft'ge Weite in dem alten Gotteshause, 
Denn der Abgeschiedenen Körper sind zur selben Zeit verschwunden 
Und sie haben ihre Ruhe in des Grabes Schoß gefunden. 

Also hat es sich begeben einst zu Worms, dem alten, freien. 
Also haben sich vereinet die zwei feindlichen Parteien. 
Tote haben mit Lebend'gen dort gefleht zum Himmelsheere. 
Aus dem Grabe drang ein Rufen: 'Gebet Gott allein die Ehre!'.              Zacharias."           

 
Das Komitee zur Renovierung jüdischer Altertümer nimmt seine Aktivitäten auf (1853)      

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 15. August 1853: "Worms, im Juli (1853). Es hat sich hier ein Komitee zur Renovierung jüdischer Altertümer gebildet und hat zu diesem Behufe einen Aufruf an die jüdischen Gemeinden Deutschlands und der angrenzenden Länder erlassen. Das Komitee besteht aus den Herren: J. Bamberger, Rabbiner und Vorsitzender, Dr. Heichelheim, Stellvertreter; S. Raß, Kontrolleur; N. Frank, Sekretär und aus den beisitzenden Mitgliedern Dr. Lewysohn, Prediger; M. Cahn; M. Mannheimer und M. Edinger. - Der Aufruf ist begleitet von einer Zuschrift an die resp. Vorsänge und einem offenen Briefe der hiesigen beiden Geistlichen an die Herren Rabbiner und Prediger der resp. Gemeinden. Es mag dem Korrespondenten gestattet sein auch hier einige Worte über den angeregten Zweck zu äußern.  
Worms ist die älteste Gemeinde in Deutschland; die in verschiedenen Monographien der hiesigen Stadt niedergelegten historischen Data setzen die Existenz der hiesigen Gemeinde in das vorschriftliche Zeitalter und ist hierorts auch ein Leuchenstein im Stadthause eingemauert, dessen Aufsicht ein Alter von 16 Hundert Jahren bekundet. Außer den Gräbern vieler Märtyrer und Heroen der jüdischen Literatur, von welchen im gedachten Aufruf Einige namentlich erwähnt sind, sind die Raschi-Monumente besonders berühmt. Es existiert noch die Kapelle und der in derselben eingemauerte Stuhl, welcher jener allbekannte und berühmte Gelehrte eingenommen; auch ist noch das Haus (Klause) vorhanden, in welchem die Jeschiba, deren Lehrer Raschi war, gewesen ist. Alle diese und ähnliche zahlreiche Monumente haben dem nagenden Zahn der Zeit nicht widerstehen können; es sollen daher dieselben auf eine einfache, aber würdige Weise wieder hergestellt werden. Worms ist für die Besucher der herrlichen Rheinlande wegen seiner historischen Erinnerungen ein mächtiger Anziehungspunkt, und jeder Wissbegierige durchreist nicht Worms ohne die ehrwürdige Synagoge und die angrenzenden Altertümer zu besuchen; es vergeht keine Woche, wo nciht Geistliche und Laien verschiedener Konfession dieselben angelegentlich betrachten und bewundern: es ist daher eine moralische Verpflichtung des Judentums Einiges für die Erhaltung der gedachten Altertümer zu tun. Wir rechnen umso mehr auf die Teilnahme unserer deutschen Glaubensbrüder, da uns schon von außerhalb der deutschen Grenze mannigfache Teilnahme und Ermunterung zugekommen sind. Wir fügen dieser Mitteilung noch hinzu, dass ein Gedenkbuch in der Raschikapelle niedergelegt wird, in welches die Namen sämtlicher Gebet - ohne Unterschiede des Betrages - eingezeichnet werden und dass alljährlich ein öffentlicher Gottesdienst zum Andenken an die Geber abgehalten werden soll. Soll das         
Worms AZJ 15081853b.jpg (265251 Byte)Judentum anderen Konfessionen nicht nachstehen, die zur Erhaltung ihrer Altertümer das Möglichste tun, so ist der Wunsch gewiss gerechtfertigt, dass ein Jeder mit Wort und Tat den löblichen Zweck unterstützt!  
Der betreffende 'Aufruf' lautet folgendermaßen. 
Es ist eine unbestrittene Tatsache, dass kein Volk der Erde das Andenken an seine Verstorbenen mehr ehrt, als Israel. So wie der sterbende Israelit schon Gegenstand der frömmsten Aufmerksamkeit und von Freundeshand in die Ewigkeit geleitet wird, so bleibt sein Andenken den Seinen auf ewige Zeiten heilig und wird, durch Handlungen der Pietät fortgepflanzt, gleichsam der schützende Genius der Familie.  
Männer aber, welche die Väter, d.h. die geistigen Erzieher für ganz Israel waren, verdienen diese Pietät im höchsten Grade. Alle Völker ehren ihre großen Männer durch Monumente, sie glauben, und mit vollem Rechte, sich selbst damit zu ehren. 
Wenn wir nun auch nach dem Ausspreche des jerusalemischen Talmuds ... prunkende Monumente nicht setzen sollen, so ist es aber doch gewiss im höchsten Grade Pflicht und Schuldigkeit, schon bestehende Denkmäler dem Verfall zu entreißen, und was die Vergangenheit uns an solchen überlieferte, der Nachwelt zu erhalten.  
Worms, die älteste israelitische Gemeinde in Deutschland, birgt eine große Menge solcher Denkmäler der Vorzeit. So steht noch heute die Synagoge von Raschi (die Klause) und dessen Lehrhaus (Raschi-Stuhl). 
Auf dem Friedhof befindet sich eine große Zahl von Leichensteinen berühmter Männer, welche hier gelebt und gelehrt haben, und teilweise als Märtyrer für den Glauben gestorben sind, unter denen die von ... Maharam von Rothenburg, Eliahu Baal Schem (Elia ben Moses Lonas), Maharil (Jakob ben Moses halevi) und noch zahlreiche Große... Rothschild, genannt Mendel Aschkenasi sind, welche ewig ehrwürdige Denkmäler unstreitbar dem Verfalle anheim gegeben sind, wenn dem nicht, wenn dem nicht in aller Kürze begegnet wird. 
Wir erlauben uns daher, uns mit einem Aufrufe an ganz Israel zu wenden und alle Gemeinden und Individuen aufzufordern, zur Erhaltung derselben beizutragen. 
Unsere Gemeinde würde sich dieser Pflicht allein unterziehen; aber einerseits machen es ihr, schwere, auf ihr noch heute ruhende, aus der Vorzeit herrührende Lasten unmöglich, die dadurch entstehenden bedeutenden Kosten allein zu bestreiten, andererseits sind jene leuchtenden Lehrer und ihr Andenken Gemeingut von ganz Israel, und wir sind es der Gesamtheit schuldig, Keinen, nah oder entfernt, reich oder arm - der Beitrag sei groß oder klein - von der Beteiligung an dem alle ehrenden Werke auszuschließen.   
Es sollen also durch diese Beiträge jene Grabmäler auf dem hiesigen Friedhofe hergerichtet und Raschi's Lehrstuhl und Synagoge renoviert werden. 
Da diese Synagoge sich in einem alten, ebenfalls mit Verfalle drohenden Gebäude befindet, und dieses nur unter der ausdrücklichen Bedingung überlassen worden ist, dass die Synagoge von Raschi darin erhalten, das Gebäude selbst aber einem frommen, wohltätigen Zwecke geweiht bleibe, so soll das Letztere zugleich würdig hergestellt werden; der etwaige Überschuss der freiwilligen Beiträge aber soll zu einem der Idee und der Verehrung von Raschi entsprechenden Zwecke allgemeiner Wohltätigkeit oder Verbreitung jüdischer Gelehrsamkeit verwendet werden.  
Die näheren Bestimmungen hierüber sollen hiernächst nach einer Beratung mit einem Ausschusse der auswärtigen Förderer dieser Angelegenheit getroffen werden. Die Namen aller Geber werden in ein zu dem Ende hinterlegtes Gedenkbuch eingetragen, und alljährlich soll in Raschis Synagoge zum Andenken an die Geber ein feierlicher Gottesdienst abgehalten werden. 
Überzeugt, dass mit diesem frommen Unternehmen dem Wunsche aller unserer Glaubensgenossen begegnet wird, haben die Unterzeichneten keinen Anstand genommen, sich zu einem Komitee zu bilden, das bereit ist, die eingehenden Beiträge entgegen zu nehmen, und seinerzeit pünktliche Rechnung über deren Verwendung abzulegen. 
Möge an dem zu verewigenden Andenken jener großen Männer der Glaube und die Zuversicht Israels erstarken und jene Verheißung sch verwirklichen. -  
'Wer Mildtätigkeit zu üben und stets Liebe zu erreichen strebt, der findet Leben, Glück und Ehre.' Worms, im Juli 1853."       

 
Weitere Spenden sind eingegangen - mit der Renovierung der Raschi-Kapelle wurde begonnen (1855)   

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 20. August 1855: "Worms, im Juli (1855). Zur Renovation der hiesigen Altertümer ging an Beiträger ferner ein: Von Herrn R. N. in Cammin 65 Thaler (wovon 64 Thlr. 5 Sgr. für die Grabsteine und 25 Sgr. für die übrigen Altertümer bestimmt sind), und von Herrn Dr. Beer in Dresden 3 Thlr. Hierzu laut Nr. 23 dieses Blattes 2118 Fl. 55 Kr., zusammen 68 Thlr. und 2119 Fl. 55 Kr.; Summa 2237 Fl. 55 Kr. - Der erste Spatenstich zur Renovation der Raschi-Kapelle geschah am 12. dieses Monats und hoffen wir, dass dieselbe bis 25. - es möge uns zum Guten gereichen - renoviert sein wird; wir werden alsdann nicht verabsäumen, eine detaillierte Rechnung in diesen Blättern zu geben. 
Das Komitee zur Renovation der hiesigen Altertümer."          

 
Spende aus London für die Renovierung der Raschikapelle (1855)    

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. Oktober 1855:  "Worms, im September (1855). ... Kurz vor Vollendung der Raschikapelle, der man in spätestens drei Wochen entgegensieht, erhielt das Komitee noch fünf Pfd. Sterling aus London..."          

 
Auseinandersetzungen um die Fragen der Reform des Gottesdienstes (1861)       

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Januar 1861: "Worms. Dem alten Gottesdienste unserer hiesigen Gemeinde droht der Sturm der Reform. 
Unsere Gebete, die, geschöpft aus der Fülle des göttlichen Wortes, gegründet auf die Lehren unserer Weisen, und fast in ganz Israel angenommen und heilig gehalten, sollen nun nach neuester Facon teil abgeändert, teils ausgelassen und Neues wieder hinzugefügt werden, und zwar nach dem Muster der Mannheimer, Frankfurter, Breslauer und Koblenzer Synagogen.   
Die ewigen Wahrheiten des Judentums, in Verbindung mit den eigenen Worten der heiligen Schrift in edler Einfalt und kraftvoller Kürze vortragend, begründeten und beförderten diese Gebete, die Einigkeit des Glaubens, und waren das schöne, engverknüpfende Band aller jüdischen Gemeinden.   
Über jeden Wechsel der Zeit erhaben, sind diese herrlichen Gebete auch jetzt noch eben so erbauend, als sie es unsern frommen Vorfahren waren.  
Dessen ungeachtet will die Willkür an diese ehrwürdigen Denkmäler der Vergangenheit Hand anlegen, um dem Zeitgeiste ein Opfer zu bringen. - 
Die Orthodoxie in unserer Gemeinde wird diesem Streben entgegenzutreten wissen.  
Die Synagoge soll und muss in ihrer Lehre und Anordnung, die Gemeinschaft des jüdischen Glaubens auf das Feststehende und Ewige des Judentums gründen; es soll durch die Gleichförmigkeit desselben, nicht allein eine gemeinschaftliche Überzeugung, sondern auch eine heitere Seelenruhe und fromme Zuversicht in den entsprechenden Gedanken erzeugt werden, dass es dieselben Lobpreisungen, Danksagungen, Bitten und Fürbitten sind, welche unsere Vorfahren seit Jahrhunderten, ja seit Jahrtausenden beteten, und die nach uns unsere Kinder - so Gott will - beten werden.  
Von diesen Ansichten geleitet, sind viele Gemeindemitglieder fest entschlossen, sobald man es wagen sollte, eine Reform der Gebete zu bewerkstelligen, die Synagoge zu verlassen und einen Separat-Gottesdienst zu gründen.   
(Also auch an die Wormser Synagoge, dieses altehrwürdige Denkmal jüdischen Geistes, will die sogenannte Reform ihre frevelnde Hand legen, nicht achtend des ehrwürdigen und gelehrten greisen Rabbiners, nicht achtend des Andenkens all jener Geistesheroen, die in dieser Synagoge gelehrt haben! Red.).           

 
Hoher Besuch in der Synagoge (1863)    

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 28. Juli 1863: "Worms, im Juli (1863). Vor einiger Zeit sah unsere Synagoge, die ihres Alters wegen sehr oft von Fremden und weiter Ferne besucht wird, einen sehr hohen Gast in ihren ehrwürdigen Mauern. Seine Königliche Hoheit, unser gnädiger Großherzog, höchst dessen Besuch früher angekündigt war, erschien in Begleitung Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Ludwig, Schwiegersohn der Königin Victoria von England, und mehrerer anderer Personen, die sich dem Gefolge anschlossen, in unserer Synagoge, und geruhten daselbst, sowie in der damit verbundenen Raschi-Kapelle, einige Zeit zu verweilen. Der Großherzog wurde, an dem vor der Synagoge befindlichen Platz angelangt, von den dort harrenden Vorstandsmitgliedern ehrfurchtsvoll empfangen und in den inneren Vorhof geleitet, wo mehrere Personen versammelt waren, und die Konfirmandinnen, weiß gekleidet, Spalier bildend, sich aufgestellt hatten. Am Eingange der Synagoge standen die Geistlichen und geleiteten den Landesherrn in den inneren Raum des Gotteshauses, wo sie den üblichen Segen sprachen. Einen tiefen Eindruck machen die wenigen, aber gehaltvollen Worte der Begrüßung, welche unser verehrter Geistliche, Herr Dr. Rosenfeld, an Seine Königliche Hoheit richtete und in welchen er in sinniger und edler Weise den Gefühlen der Achtung und Verehrung der israelitischen Gemeinde gegen ihren hochherzigen Landesherrn einen würdigen Ausdruck verlieh. Seine Königliche Hoheit unterhielt sich dann in huldvoller Weise mit den Geistlichen, erbat sich Auskunft über manche Gegenstände, zeichnete höchst Ihren Namen in das in der Rasch-Kapelle befindliche Fremdenbuch und äußerte beim Weggehen dem Vorstande höchst Ihren Dank und Wunsch für das fernere Gedeihen der hiesigen israelitischen Gemeinde; geruhte auch, vom Vorstande eine angemessene Summe zum Synagogenbau überreichen zu lassen. Solche Wohlwollensbezeugungen, welche so sehr die erfreulicheren Lichtpunkte der Zeit darstellen, sind sicherlich nicht zu unterschätzende Momente im Entwicklungsgange des israelitischen Lebens, und hat dieses Ereignis auch nicht verfehlt, in der hiesigen Gemeinde eine freudige Sensation zu erregen, umso mehr, das seit Menschengedenken keines Regenten Fuß unsere an Alter so hervorragende Synagoge je betrat. 
Was die Restauration unserer Synagoge betrifft, so ist das Bedürfnis hierzu nicht allein längst anerkannt, sondern es sind auch von Seiten des Vorstandes umfassende Maßregeln hierzu getroffen, und was die Hauptsache ist, die betreffenden Gelder bereits bewilligt worden. Jedoch sind in letzter Zeit Schwierigkeiten eingetreten, die für den Augenblick den Beginn des Baues verzögern. Hoffen wir jedoch, dass es dem strebsamen Vorstande bald gelingen werde, die Schwierigkeiten zu beseitigen und den beabsichtigten Anbau zu beschleunigen, mit dem ja auch die zweckmäßige Umgestaltung des Gottesdienstes so eng verknüpft ist."        

   
Der proponierte Umbau der Synagoge zu Worms (Teil I, 1863)  

Anmerkung: die Beiträge zum geplanten Umbau der Synagoge in Worms sind aus der kritischen Sicht von orthodox-konservativen Gemeindegliedern in der Zeitschrift "Der Israelit" geschrieben. Der damals liberal geprägte Gemeindevorstand plante einen Umbau mit der Einbringung einer damals von konservativer Seite völlig abgelehnten Orgel (bzw. eines Harmoniums). Im darunterstehenden Artikel von 1934 auf den Streit von 1863 zurückgeblickt und auf den Beitrag von Dr. A. J. Sulzbach Bezug genommen.        

Worms Israelit 19081863a.jpg (420689 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. August 1863: "Der proponierte Umbau der Synagoge zu Worms. Von Dr. A. J. Sulzbach*. 
I. Eines der ältesten Denkmäler mittelalterlicher Baukunst ist die Synagoge zu Worms, die mindestens ihre 800 Jahre zählt, vielleicht aber auch noch über dieses Alter hinausgeht. Welche Erinnerungen knüpfen sich nicht an dieses Gebäude, ein ganzes Stück jüdischer Geschichte starrt uns in den Mauern dieses Gotteshauses entgegen: an dieser Stätte litten unsere Eltern und starben den Märtyrertod für das heilige Gesetz; wie oft hallten die weißen Kalkwände dieses Tempels wieder von den Klagen der Mütter und Kinder, die sich in der Not hierher geflüchtet hatten, um hier die Seele für Gott auszuhauchen. Aber hier erhoben sich auch unsere Voreltern im Gebet, kräftigten sich und stärkten sich am Worte Gottes; hier feierten sie ihre Sabbate und Feiertage, und Frieden zog ein in ihre Seele und ihr Gemüt, möchte es draußen auch stürmen und tosen; hier erquickten sie sich an der Freude des Herzens und genossen die Wonne einer Seelenruhe, welche ihnen kein Tyrann rauben konnte.   
So steht die alte Synagoge ehrwürdig da, eine Greisin unter den jüngeren Geschlechtern, unberührt vom Wechsel der Ereignisse, fest aufgerichtet trotz welterschütternden Revolutionen, die sie umtosten, trotz zerstörender Feuersgewalt, die um sie umher wütete und vernichtete, und erzählt uns von alten Tagen, wie ihre Söhne noch gebeugt und verachtet durch die Welt gingen, abgezeichnet durch das Zeichen der Schmacht, das der stolze, weltgebietende Römer an ihre Kleidung heftete, wie aber nach und nach die Zeiten anders geworden, wie die Bannstrahlen des Kapitols immer schwächer geworden, wie Throne stürzten, Dynastien zusammenbrachen, und wie endlich von der Abendseite das Licht gekommen; wie durch die Verkündigung der Menschenrechte die Welt aus den Fugen zu gehen drohte, endlich aber nach schwerer Krisis die Menschheit zu gesunden begann, so gesund, dass man bald einzusehen anfing, dass auch der Jude ein Mensch sei. Nun freut sie sich, die alte Greisin, einmal ihre Kinder als freie Menschen zu sehen, als Bürger einer freien Zeit, nicht mehr gebeugt, nicht mehr zu Tode gemartert, und, auf die alte Zeit hinweisend, mahnt sie ihre Kinder zur Frömmigkeit, zur Dankbarkeit gegen Gott, gegen die Menschen, zur Liebe zum Vaterlande, das ihnen jetzt eine friedliche Stätte bereitet, zur treuen Anhänglichkeit an die Regierung, unter deren Obhut sie ruhig wohnen, zur Liebe zu ihren Mitbürgern, mit welchen sie im Verein ihre Pflichten als Staatsbürger erfüllen. - Verstehen aber die Söhne dieser Freiheit die wunderbar ernsten Reden dieser Greisin, fühlen sie sich in ihrem Glücke so glücklich in den Räumen dieses alten Hauses, wie sich ihre Vorfahren glücklich trotz ihres Kummers, trotz der sie von allen Seiten bedrohenden Gefahr hier fühlten? Erkennen sie den Schatz, den sie besitzen, verstehen sie den Wert dieses Denkmals, um welches sie manche andere Stadt beneiden möchte? Nein, die Räume sind ihnen zu eng, zu unbequem, man will - höre und erstaune lieber Leser - mit der alten Synagoge zu Worms einen Umbau vornehmen!    
Dieses alte Gebäude, dem Juden doppelt wert als Monument seiner Geschichte, wert als Bau-Kunstwerk einer alten Zeit, dieses Gebäude mit seinem schönen Spitzbogengewölbe, getragen von Säulen, in deren Kapitellen uns en herrliches Werk alter Skulptur aufbewahrt ist, will man mit neumodischem An- und Umbau verunstalten, - einem Herkules will man die mächtige Keule aus der Hand nehmen und ihm dafür ein Spazierstöckchen mit Elfenbeinknopfe zwischen die riesigen Finger zwängen und dessen Löwenhaut mit einem Frack nach neuestem Schnitt vertauschen.   
In der Gemeinde Worms gibt es zwar nun genug Leute, welche gegen die Verstümmelung der Synagoge sind, sie bleiben aber dem Vorstande gegenüber in der Minorität, weil ein sehr große Teil der Gemeinde zu indifferent ist, um diese Angelegenheit zu einer Lebensfrage zu machen und ohne für den Vorstand zu sein auch nicht gegen denselben ist und somit indirekt zur Schwächung der Opponenten beiträgt. Der Vorstand ist aber durch alle Vernunftgründe von seiner Lieblingsideen, eine Tat zu begehen und sich ein trauriges herostatisches Denkmal in der Geschichte der Juden zu Worms zu setzen, nicht abzubringen; er will um jeden Preis den Beweis liefern, dass er es versteht, noch viel antiker als die alte Synagoge zu sein, indem er sich nicht scheut, einen Vandalismus zu begehen.  
Wenn aber doch, hören wir sagen, der Andrang zu der Synagoge ein so großer ist, dass sie nicht mehr vermag die Menge der Andächtigen zu fassen, so muss man doch wohl am Ende den scheren Schritt tun, mit der alten Synagoge einen Umbau vorzunehmen?  
Aber das ist's ja eben, die Notwendigkeit, die Räume zu erweitern, ist ja durchaus nicht vorhanden; es hat noch niemand in dieser Synagoge sich über die allzu große Enge zu beklagen gehabt. Ich habe schon öfter die Gelegenheit gehabt, die Wormser Synagoge an Sabbat- und Feiertagen zu besuchen, und wahrlich, noch niemals brauchte ich um einen Platz verlegen sein. Nun soll allerdings nach Einigen an den hohen Feiertagen die Synagoge ziemlich angefüllt sein, sodass für diese drei Tage, aber auch nur für diese drei Tage ein größerer Raum notwendig wäre, was aber - ich muss dieses hier sogleich bemerken - auch noch von Andern bestritten wird, welche meinen, dass man an den hohen Feiertagen auch noch Raum genug in der Synagoge hätte. Doch es sei, gesetzt, an den hohen Feiertagen wäre die Synagoge überfüllt, gibt es aber dieser Rat abzuhelfen kein anderes Mittel als einen Umbau? Diese Frage wollen wir im nächsten Artikel zu beantworten suchen."   

  
Über den "proponierten Umbau der Synagoge zu Worms" (Teil II, 1863)      

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. September 1863: "Der proponierte Umbau der Synagoge zu Worms von Dr. A. J. Sulzbach
(Fortsetzung)
II: Sehen wir uns nun dennoch um, ob es gar keinen andern Ausweg für die Synagogenbesucher an den hohen Festtagen Platz zu gewinnen gibt, als Hand an das Gebäude selbst zu legen und dasselbe durch einen An- und Vorbau zu erweitern.
Es muss hier sogleich bemerkt werden, dass man für den Umbau der Synagoge 30.000 Gulden ausgeworfen hat, und es muss festgehalten werden, dass man diese 30.000 Gulden ausgeben will, um für höchstens drei Tage im Jahre – man merke: drei Tage! – einen größeren Raum zur Abhilfe der Überfüllung zu gewinnen. - Ich erlaube mir hier nun zu zeigen, dass man, wenn es dem Vorstande wirklich nur darum zu tun wäre für die hohen Festtage mehr Raum für die Synagogenbesucher zu gewinnen, man dieses mit Ersparnis von vielem Gelde und Schonung der Synagoge erreichen könnte. Zugleich muss ich aber bemerken, dass es mir nicht hauptsächlich darum zu tun sei, dem Vorstande der Wormser Gemeinde zu zeigen, wie er Geld sparen könne, denn dazu bin ich als Nicht-Wormser gar nicht befugt, aber befugt bin ich zu zeigen, dass es andere Mittel und Wege gibt, als die Synagoge zu verunstalten und ihre das Historisch-Antike zu nehmen, denn die Synagoge in ihrer Integrität zu erhalten, ist nicht allein Interesse der Wormser Gemeinde, auch nicht allein Interesse der ganzen deutschen Judenheit, die in derselben ein Monument ihrer Geschichte besitzt, sondern Interesse des gesamten Deutschlands, das in derselben noch ein Stück alter Baukunst aufzuzeigen hat. Wenn ich also, von diesem Gesichtspunkte ausgehend, Vorschläge machen werde, welche die alte Synagoge zu schonen zum Zwecke haben, so darf es mir auch nicht viel übel genommen werden, wenn ich zugleich gelegentlich darauf hinweise, dass mit der Realisierung derselben zugleich ein Geldersparnis verbunden sei.
Doch zur Sache! An die Westmauer der Synagoge stößt die Raschistube, welche das ganze Jahr geschlossen bleibt und nur Fremden zur Besichtigung geöffnet wird. Ich glaube nicht, dass es gegen den Geist und den Sinn des großen Gelehrten, der eine Zeit lang in diesem Zimmer lehrte, verstoßen würde, wenn man diese Stube, statt sie das ganze Jahr leer und unbenutzt zu lassen, zu einem heiligen Zwecke benutzen würde. Würde man dieses Zimmer durch Niederlegung eines Teiles der dasselbe von der Synagoge trennenden Mauer mit der Synagoge verbinden, so hätte man für die Synagoge einen Raum für mindestens 40 Personen, welcher mehr als eine genügende Aushilfe für den stärkeren Besuch der drei hohen Festtage wäre. Man hätte somit die Synagoge in ihrer Gesamtheit erhalten und bräuchte, wie Fachmänner und Kenner versichern, statt 30.000 Gulden nur 3.000 Gulden zu verausgaben. Wenn man durch diese Verbindung den Charakter der Raschistube als Sehenswürdigkeit beeinträchtigt glaubt, so könnte man ja auch durch eine Tür das ganze Jahr hindurch die Verbindung abschließen, nur an den       
Worms Israelit 09091863b.jpg (180370 Byte)drei hohen Festtagen müsste die Wormser Gemeinde es sich gefallen lassen, statt zwei getrennten Sehenswürdigkeiten, zwei zu einer verbunden zu haben. Dieses Unglück wird nicht so groß sein.
Doch auch noch einen zweiten Vorschlag will ich mir erlauben, dessen Realisierung aber eine größere Ausgabe erfordert als der vorerwähnte. Wenn man aber so viel Geld gesammelt hat, um die Altertümer in Worms zu restaurieren, so darf man auch die Ausgaben nicht scheuen, um das schönste Altertum zu erhalten. Wie wäre es, fragen wir, wenn man für die hohen Feiertage einen besonderen Betsaal, der ungefähr 100 Sitze hat, erbauete? Ein solcher Betsaal könnte ohne besondern Schmuck zu tragen für die Summe von 15.000 Gulden hergestellt werden. Die Mehrkosten für einen besonders anzustellenden Vorsänger und Synagogendiener für diese Tage werden, sollte sich auch kein Privatmann finden, der als Baal Tefila (= Vorbeter) die Leitung des Gottesdienste unentgeltlich übernehmen würde, nicht bedeutend sein und würden durch die Einnahme an Stellengeldern reichlich gedeckt werden.
So könnte man es machen, und das wissen die Herren in Worms ganz gut, wenn es lediglich darum zu tun wäre, den Synagogenbesuchern für die hohen Festtage Platz zu schaffen. Man bräuchte ja sogar nicht einmal neu zu bauen, wenn man die in Worms befindliche Synagoge des jüdischen Krankenhauses, welche das ganze Jahr über unbenutzt steht, dem Publikum für die hohen Feiertage zur Verfügung stellen wollte, dann hätte man ja Platz genug. Aber wart', da spreche ich ja auf einmal von einer Krankenhaussynagoge, ohne dem Leser vorher im mindesten die Andeutung gegeben zu haben, dass eine solche Nebensynagoge in Worms schon existiert, und da würde sich mancher wundern, warum ich Vorschläge zur Abhilfe gemacht und nicht einfach gesagt habe: Gebet, ihr Verwalter des Krankenhauses, die Synagoge für die hohen Feiertage zum Gebrauche her, dann braucht ihr weder einzureißen, noch zu bauen, sparet Geld, gewinnt Platz und hier und da ist geholfen. Allerdings wäre das der einfachste Weg, aus dem Dilemma zu kommen, aber erstens ist mit einer Verwaltung des Krankenhauses zu Worms auch nicht so ohne Umschweife zu reden, und zweitens würde sie auch nicht geneigt sein, auf diese Vorstellung einzugehen. Wäre denn da die Kraft des Regiments gezeigt, wenn man auf alles, was man im Volke wünscht, nur eingehe? Die Amtsbefugnis zeigte sich ja erst im Verweigern und wozu wäre man Vorsteher, wenn man nicht auch einmal 'Nein' sagen würde. Wie man aber in der Verwaltung des Krankenhauses zu Worms 'Nein' zu sagen versteht, davon will ich Dir, lieber Leser, ein schönes Histörchen erzählen.  (Fortsetzung folgt.)"   

   
Der proponierte Umbau des Synagoge zu Worms (Teil II - III, 1863)    

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Oktober 1863: "Der proponierte Umbau der Synagoge zu Worms, (Fortsetzung siehe Nr. 36)
II.
An dem Krankenhause zu Worms hat die Chewrat Gemiluth Chassodim (Wohltätigkeitsverein) noch von früher her ein gewisses Anrecht, weil dieses Gebäude als Schenkung von dieser Bürgerschaft an die Verwaltung des Krankenhauses übergegangen ist. Dieses Anrecht besteht nun darin, einmal im Jahr, am Fasttage der Brüderschaft, die Synagoge des Krankenhauses zum Gottesdienst zu benutzen. Nun ereignete sich aber einmal das Schreckliche, dass die Mitglieder des Vereins, nachdem sie Schabuoth*-Nacht am Fasttage der Brüderschaft, die Synagoge des Krankenhauses zum Gottesdienste zu benutzen. Nun ereignete sich aber einmal das Schreckliche, dass die Mitglieder des Vereins, nachdem sie Schabuoth-Nacht* 'gelernt' hatten, in der Frühe sich die Synagoge des Krankenhauses öffnen ließen und daselbst das Morgengebet abhielten. Dieses Kriminalverbrechen konnte aber einer der Herren Verwalter des Krankenhauses nicht ruhig vorbeigehen lassen, ohne für die durch das eigenmächtige Benutzen der Synagoge verletzte Amtswürde eintreten: Das Verbot erging an die Ökonomie des Hauses, niemals wieder ohne Erlaubnis die Schlüssel der Synagoge zur Benutzung derselben herzugeben. - Welchen irgendwie plausiblen Grund schützte man denn für die Verweigerung vor? Ein Gottesdienst im Krankenhause störe die Kranken. Obgleich in sehr vielen Gemeinden in Krankenhäusern Gottesdienst abgehalten wird und die Sanitätspolizei noch keine Veranlassung gefunden hat, gegen die Störung und die Beunruhigung, welche die Kranken davon erführen, einzuschreiten – hilft nichts, in Worms stört's. Mit dem einmaligen Protest, welchen einer der Herren Verwalter gegen die Abhaltung des Gottesdienstes in der Krankensynagoge umlegte und dem für den Protest angegebenen Grunde ist also für alle Zeiten, wenigstens so lange eine gleichgesinnte Verwaltung an der Spitze steht, das Schloss vor die Synagogentür gelegt und kann nicht davon die Rede sein, diese Synagoge als Aushilfe für die hohen Feiertage zu benutzen.
Wenn man aber dem Benehmen der Krankenhausverwaltung auf den wahren Grund zu kommen sucht, so ist man versucht, anzunehmen, dass diese ganz im Einvernehmen mit dem Gemeindevorstand handelt, aber dass sie vielmehr letzteren unterstützt. Dem Gemeindevorstand ist es darum zu tun, die alte Synagoge zu erweitern, er will kein Betlokal zur Aushilfe, die Krankenhausverwaltung gibt die Krankenhaussynagoge nicht her, damit kein Lokal zur Aushilfe vorhanden sei, und der Vorstand, weil angeblich die alte für die jetzige Gemeinde zu klein sei, zum Umbau genötigt scheint. Versuchen wir es nun dem Grunde näher auf die Spur zu kommen, wir werden finden, dass hinter dem beabsichtigten Umbau mehr als die Abhilfe eines Übelstandes, der Überfüllung an den hohen Feiertagen steht.
III. Wenn vor einiger Zeit ein Korrespondent aus Worms in der Zeitung des Judentums die Hoffnung ausspricht, dass der Umbau der Wormser Synagoge bald vollendet sein werde, mit dessen Realisierung die Einführung der Reform des Gottesdienstes verknüpft sei:            
Worms Israelit 14101863b.jpg (377378 Byte)So ist diese ausgesprochene Hoffnung nicht als der Wunsch und die Meinung eines Einzelnen zu betrachten, sondern es ist die Meinung, welche in den maßgebenden Kreisen, respektive der Majorität des Gemeindevorstandes herrscht. Die Reform ist beschlossene Tatsache, über das Wie? ist man einig, das Wann? ist noch unbestimmt. Man will eine Reform, in welcher die Orgel die erste Stelle einnimmt, dass danach die Liturgie einer Änderung unterworfen ist, ist natürlich. Dass sich nun in alte Synagogen nicht sehr gut eine wirkliche Umänderung des Gottesdienstes einführen lässt, dass diese hier auf tausend Widersprüche stößt, ist bekannt, ein Neubau muss vorangehen, und wäre es auch nur ein Umbau. Hier ist also die Ursache zu suchen, warum der Vorstand so sehr auf den Umbau der Synagoge dringt. Nur deshalb will man die alte, ehrwürdige Synagoge angreifen, um durch Orgelklang und Ausmerzung der alten Gebete, welche das Andenken an die Vorfahren aufbewahren, den abgeschiedenen Seelen der alten Glaubenshelden, den Manen* der Großväter und Großmütter, die mutig für Gott in den Tod gegangen sind, desto besser Hohn zu sprechen. Hand aufs Herz gelegt, ihr Männer von Worms, die ihr den Gottesdienst zu reformieren beabsichtigt, gesteht es, ob ihr, indem ihr den Gottesdienst umgestaltet, im Geiste eurer großen Ahnen handelt, oder ob ihr nicht vielmehr ihrem Geiste und ihrem Willen durch solches Vorgehen stracks zuwiderhandelt? Wird nicht jeder Stein der alten Synagoge, der einst widerhallte von den Seufzern eurer in den Tod gehetzten Voreltern, euer Ankläger werden vor Gott, wenn ihr, die Söhne jener erhabenen Eltern, die ihr unter dem Gestirne einer freieren Zeit als freie Männer eure Häupter erheben dürft, als freie Bürger dem Staate dienen könnt, zum Danke dafür das Andenken an eure Voreltern zu übertönen? Wir erinnern nicht an jene dunklen Zeiten, um Galle und Wehmut in das Herz zu tröpfeln, und einen Hass und Groll zu schüren zwischen Brüdern, die friedlich beisammen wohnen – Gott bewahre! Hass und Groll bewahren verpönt das jüdische Gesetz, die Kinder sollen nicht um der Väter willen sterben, heißt es ausdrücklich in unserm Codex und Haman, der Judenfeind, war es, der einst den Hass der Väter auf die Kinder übertrug; was können die Kinder dafür, wenn die Väter geirrt? Aber jenes Instrument in unserer Synagoge herübernehmen, das hieße, außer dem religiösen Vergehen, welches begangen wird, schwer die Pietät verletzen, da jede Pietät verleugnen, die wir dem Andenken unserer glaubensmutigen Vorvätern schulden. Waget es dann nicht mehr, euch zu rühmen, dass ihr im Besitze eines heiligen Ackers seid, in welchem heilige Gebeine ruhen, dieser Ruhm würde für euch nur eine Anklage werden, saget, ihr besitzet eure Sehenswürdigkeiten, wie Ägypten seine Katakomben hat, weiset aber nicht mehr auf die 'großen Männer' hin, die im Schoße eures Bodens ruhen – Ihr wollt reformieren, gut, tut solches, sorget dafür, dass man sich mit Anstand in der Synagoge betrage, dass das ungezogene Geplauder aufhört, von dem man so oft in eurer Synagoge belästigt wird, achtet darauf, dass die Synagogen-Ordnung gehandhabt wird, die uns der Schulchan-Aruch* vorschreibt. Sorget dafür, dass eure Kinder Ehrfurcht vor der Religion eurer Väter bekommen, lasst sie nicht in Unwissenheit über ihr Gesetz aufwachsen, bereitet wiederum der Tora eine Stätte in eurer Mitte. Entfaltet in dieser Weise eure Tätigkeit, so übt ihr ein Werk, das den Beifall eurer hohen Ahnen und vor allen Dingen den Beifall Gottes haben wird, und was euch spätere Generationen noch danken werden. - Bis jetzt herrschte Einigkeit in der Gemeinde zu Worms, beginnt ihr Herren Vorsteher euer Kunststückchen mit dem Umbau der Synagoge und der Umgestaltung des Gottesdienstes, so habt ihr den Erisapfel* in den Frieden der Gemeinde geschleudert, die Folgen habt ihr alsdann zu tragen.
Wir hoffen zu Gott, dass es nicht so weit komme, wir glauben, dass es noch Männer in Worms gibt, an deren gesundem und religiösem Sinn das Vorhaben scheitern wird; auch der Vorstand wird von seinem Vorhaben abgehen, seine guten Früchte dem Sämann trägt. - Sollte aber der Vorstand sein Lieblingsprojekt durchsetzen wollen gegen den Willen vieler Gemeindemitglieder, nur dann, ihr Männer von Worms denen die jüdische Religion kein leeres Traumgebilde ist, dann nicht Frieden um jeden Preis, nehmet den Fehdehandschuh auf, der euch hingeworfen wird, ihr kämpfet alsdann um das unveräußerliche Recht eurer Autonomie und eurer Religion, der Sieg kann nicht zweifelhaft sein!
Nachbemerkung der Redaktion! Es sind bereits einige Wochen verflossen, seitdem der Anfang des vorstehenden Aufsatzes in diesen Blättern erschien. Inzwischen hat die bekannt gewordene Absicht des Wormser Vorstandes, die altehrwürdige Synagoge durch Umbau zu verunstalten, nicht geringes Aufsehen in der Welt, namentlich in England erregt. Ein Korrespondent des Londoner 'Jewish Chronicle' hat sich sehr energisch darüber ausgesprochen, und seine Landsleute von Einfluss und Bedeutung aufgefordert, gegen dieses Attentat auf eine der ältesten und ehrwürdigsten jüdischen Gotteshäuser zu wirken. Was unterdess von dort aus geschehen, wissen wir nicht. So viel steht fest - die Wormser Synagoge hat nicht allein für die dortige Gemeinde, sie hat für alle Israeliten das größte Interesse, namentlich sollte die gesamte jüdische Presse aller Länder, aller Sprachen und aller Richtungen laut gegen den erwähnten Umbau protestieren, zumal, wie oben nachgewiesen worden, eine Notwendigkeit durchaus nicht vorliegt!"
Anmerkungen - vgl. zu - Schabuoth: https://de.wikipedia.org/wiki/Schawuot
- Manen: https://de.wikipedia.org/wiki/Manen
- Große Männer: Rabbi Meir von Rothenburg, Rabbi Alexander ben Salomon Wimpfen, Rabbi Jakob ben Moses haLevi Molin (MaHaRil) https://de.wikipedia.org/wiki/Heiliger_Sand
- Schulchan-Aruch: https://de.wikipedia.org/wiki/Schulchan_Aruch
- Erisapfel: https://de.wikipedia.org/wiki/Zankapfel
- Dr. Abraham Sulzbach: https://de.wikipedia.org/wiki/Abraham_Sulzbach  
  

 
Rückblick auf den Streit um die Orgel im Jahr 1863 (Artikel von 1934)   
Anmerkung: im nachfolgenden Artikel wird unter Bezug auf den Streit 1863 um den Synagogenumbau ein Teil des obigen Textes von Dr. A. Sulzbach zitiert (kursiv wiedergegeben).  

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Juni 1934: "Im Kampf um die Orgel – vor 70 Jahren
Die 900-Jahr-Feier der Wormser Synagoge ruft einige Erinnerungen an die Kämpfe, die im Jahre 1863 bei Anlass des Umbaus der Synagoge in Worms um die Reform und ihr Hauptkriterium, die Orgel, geführt wurden. Selbstverständlich konnten die Auseinandersetzungen mit Rücksicht darauf, dass Gemeinde und Synagoge in der Stadt Raschis Angelegenheit der gesamten deutschen Judenheit sind, nicht auf Worms allein beschränkt bleiben. Im Mainzer 'Israelit' vom Jahre 1863 veröffentlichte der unvergessliche Frankfurter Gelehrte und Historiker, Professor Dr. Abraham Sulzbach - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen -, eine längere Artikelserie unter dem Titel 'Der proponierte Umbau der Synagoge zu Worms' (siehe Text oben, Anm. S.R.), der wir folgende auf die Orgel bezügliche Stellen entnehmen:

'Wenn vor einiger Zeit ein Korrespondent aus Worms in der Zeitung des Judentums die Hoffnung ausspricht, dass der Umbau der Wormser Synagoge bald vollendet sein werde, mit dessen Realisierung die Einführung der Reform des Gottesdienstes verknüpft sei:
So ist diese ausgesprochene Hoffnung nicht als der Wunsch und die Meinung eines Einzelnen zu betrachten, sondern es ist die Meinung, welche in den maßgebenden Kreisen, respektive der Majorität des Gemeindevorstandes herrscht. Die Reform ist beschlossene Tatsache, über das Wie? ist man einig, das Wann? ist noch unbestimmt. Man will eine Reform, in welcher die Orgel die erste Stelle einnimmt, dass danach die Liturgie einer Änderung unterworfen ist, ist natürlich. Dass sich nun in alte Synagogen nicht sehr gut eine wirkliche Umänderung des Gottesdienstes einführen lässt, dass diese hier auf tausend Widersprüche stößt, ist bekannt, ein Neubau muss vorangehen, und wäre es auch nur ein Umbau. Hier ist also die Ursache zu suchen, warum der Vorstand so sehr auf den Umbau der Synagoge dringt. Nur deshalb will man die alte, ehrwürdige Synagoge angreifen, um durch Orgelklang und Ausmerzung der alten Gebete, welche das Andenken an die Vorfahren aufbewahren, den abgeschiedenen Seelen der alten Glaubenshelden, den Manen der Großväter und Großmütter, die mutig für Gott in den Tod gegangen sind, desto besser Hohn zu sprechen. Hand aufs Herz gelegt, ihr Männer von Worms, die ihr den Gottesdienst zu reformieren beabsichtigt, gesteht es, ob ihr, indem ihr den Gottesdienst umgestaltet, im Geiste eurer großen Ahnen handelt oder ob ihr nicht viel mehr ihrem Geiste und ihrem Willen durch solches Vorgehen stracks zuwiderhandelt? Wird nicht jeder Stein der alten Synagoge, der einst widerhallte, von den Seufzern eurer in den Tod gehetzten Voreltern euer Ankläger werden vor Gott, wenn ihr, die Söhne jener erhabenen Eltern, die ihr unter dem Gestirne einer freieren Zeit als freie Männer eure Häupter erheben dürft,  als freie Bürger dem Staate dienen könnt, zum Danke dafür das Andenken an eure Voreltern zu übertönen? Wir erinnern nicht an jene dunklen Zeiten, um Galle und Wehmut in das Herz zu tröpfeln, und einen Hass und Groll zu schüren zwischen              
Worms Israelit 21061934a.jpg (260205 Byte)Brüdern, die friedlich beisammen wohnen – Gott bewahre! Hass und Groll bewahren verpönt das jüdische Gesetz, die Kinder sollen nicht um der Väter willen sterben, heißt es ausdrücklich in unserm Codex und Haman, der Judenfeind, war es, der einst den Hass der Väter auf die Kinder übertrug; was können die Kinder dafür, wenn die Väter geirrt? Aber jenes Instrument in unserer Synagoge herübernehmen, das hieße, außer dem religiösen Vergehen, welches begangen wird, schwer die Pietät verletzen, da jede Pietät verleugnen, die wir dem Andenken unserer glaubensmutigen Vorvätern schulden. Waget es dann nicht mehr, euch zu rühmen, dass ihr im Besitze eines heiligen Ackers seid, in welchem heilige Gebeine ruhen, dieser Ruhm würde für euch nur eine Anklage werden, saget, ihr besitzet eure Sehenswürdigkeiten, wie Ägypten seine Katakomben hat, weiset aber nicht mehr auf die 'großen Männer' hin, die im Schoße eures Bodens ruhen – Ihr wollt reformieren, gut, tut solches, sorget dafür, dass man sich mit Anstand in der Synagoge betrage, dass das ungezogene Geplauder aufhört, von dem man so oft in eurer Synagoge belästigt wird, achtet darauf, dass die Synagogen-Ordnung gehandhabt wird, die uns der Schulchan-Aruch vorschreibt. Sorget dafür, dass eure Kinder Ehrfurcht vor der Religion eurer Väter bekommen, lasst sie nicht in Unwissenheit über ihr Gesetz aufwachsen, bereitet wiederum der Tora eine Stätte in eurer Mitte. Entfaltet in dieser Weise eure Tätigkeit, so übt ihr ein Werk, das den Beifall eurer hohen Ahnen und vor allen Dingen den Beifall Gottes haben wird, und was euch spätere Generationen noch danken werden. - Bis jetzt herrschte Einigkeit in der Gemeinde zu Worms, beginnt ihr Herren Vorsteher euer Kunststückchen mit dem Umbau der Synagoge und der Umgestaltung des Gottesdienstes, so habt ihr den Erisapfel in den Frieden der Gemeinde geschleudert, die Folgen habt ihr alsdann zu tragen.
Wir hoffen zu Gott, dass es nicht so weit komme, wir glauben, dass es noch Männer in Worms gibt, an deren gesundem und religiösem Sinn das Vorhaben scheitern wird; auch der Vorstand wird von seinem Vorhaben abgehen, seine guten Früchte dem Sämann trägt. - Sollte aber der Vorstand sein Lieblingsprojekt durchsetzen wollen gegen den Willen vieler Gemeindemitglieder, nur dann, ihr Männer von Worms denen die jüdische Religion kein leeres Traumgebilde ist, dann nicht Frieden um jeden Preis, nehmet den Fehdehandschuh auf, der euch hingeworfen wird, ihr kämpfet alsdann um das unveräußerliche Recht eurer Autonomie und eurer Religion, der Sieg kann nicht zweifelhaft sein!
Dazu bemerkt damals die Redaktion Folgendes:
Es sind bereits einige Wochen verflossen, seit dem der Anfang des vorstehenden Aufsatzes in diesen Blättern erschien. Inzwischen hat die bekannt gewordene Absicht des Wormser Vorstandes, die altehrwürdige Synagoge durch Umbau zu verunstalten, nicht geringes Aufsehen in der Welt, namentlich in England erregt. Ein Korrespondent des Londoner 'Jewish Chronicle' hat sich sehr energisch darüber ausgesprochen, und seine Landsleute von Einfluss und Bedeutung aufgefordert, gegen dieses Attentat auf eine der ältesten und ehrwürdigsten jüdischen Gotteshäuser zu wirken.
Was unterdess von dort aus geschehen, wissen wir nicht. So viel steht fest. - Die Wormser Synagoge hat nicht allein für die dortige Gemeinde, sie hat für alle Israeliten das größte Interesse, namentlich sollte die gesamte jüdische Presse aller Länder, aller Sprachen und aller Richtungen laut gegen den erwähnten Umbau protestieren, zumal, wie oben nachgewiesen worden, eine Notwendigkeit durchaus nicht vorliegt!"     

     
Die alte Synagoge darf unverändert fortbestehen (1863)   

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. November 1863:  "Worms, den 29. Oktober (1863). Es freut mich, Ihnen die Mitteilung machen zu können, dass unsere alte, ehrwürdige Synagoge weder behuf eines Neubaues niedergerissen, noch durch Umbau oder Anbau verunstaltet werden wird. B."     

   
Werbung für Photographien der Synagoge in Worms (1867)       

Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 11. Juni 1867: "Im Verlage von Julius Stern in Worms ist soeben erschienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen: 
Ansicht der Synagoge zu Worms
Photogr. nach der Natur von Holzamer. Gr. 4°  20 Ngr.  
Innere Ansicht. Gr. 4°  10 Ngr.    Raschi-Stuhl (Innere Ansicht). Gr. 4° 10 Ngr.  
Dieselben in Visitenkartenformat  7 Ngr.  
Gleichzeitig begegne den vielen Nachfragen, dass die "Geschichte von Worms" von Fr. Fuchs mit Nächstem erscheinen wird."      

  
In der Synagoge wurde eine kleine Orgel aufgestellt (1868)  
Anmerkung: über die Aufstellung einer "kleinen Orgel" vermutlich - ein sogenanntes Harmonium - klagt ein orthodoxer Berichterstatter in der konservativ geprägten Zeitung "Der Israelit"    

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. April 1868: "Worms, den 15. April (1868). Hier ist ein Attentat gegen jüdische Religion und Sitte geschehen; wer es hören wird, dem werden die Ohren gellen: Unsere altehrwürdige Synagoge ist ihrer Heiligkeit beraubt, die Gräber unserer großen Rabbinen sind entweiht! Meine Feder sträubt sich, es niederzuschreiben: Man hat unfern des Aron Hakodesch (Toraschrein) eine - Orgel en miniature aufgestellt. Was aber das Schlimmste ist - kein Mensch nimmt es sich zu Herzen (Jeremia 12,11) - nur zwei Gemeindeglieder, Herr Moses Mannheimer und Herr Daniel Guggenheim, haben sich veranlasst gefühlt, den seiner Heilighkeit beraubten sogenannten Gottesdienst zu meiden. Was ist aus unserer alten, ehrwürdigen Gemeinde geworden."          

 
Zum "Schmerzensschrei" über die Aufstellung einer Orgel in der Synagoge (1868)  
Anmerkung: der Autor dieses Artikels sieht die Missstände in Worms mehr in der fehlenden religiösen Erziehung der Jugend in der Stadtgemeinde. Er beschreibt demgegenüber als vorbildlich die jüdischen Landgemeinden an der hessischen Bergstraße wie Biblis, Lorsch und Pfungstadt.    

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. Mai 1868:  "Von der hessischen Bergstraße, im Mai (1868). In Nr. 17 dieses Blattes  findet sich ein Schmerzensschrei aus Worms über die Aufstellung einer Orgel en miniature in der dortigen Synagoge. 
Wer sich aber über ein großes Übel beklagt, müsste doch selbstverständlich auch von der Quelle oder Ursache desselben etwas sagen, was aber hier nicht geschehen ist. 
Der geschätzte Einsender des besagten Artikels betrachtet es jedenfalls als einen Mangel an streng religiösem Sinne und als Mangel an Pietät gegen die frommen Rabbinen seligen Andenkens, die daselbst gelebt und gewirkt haben, dass in einer solchen Gemeinde diese Neuerung Platz greifen konnte.   
Woher soll aber denn Religiosität kommen, wenn man in einer Gemeinde wie Worms - hier sträubt sich meine Feder, es niederzuschreiben, - wenn in einer Gemeinde wie Worms, sage ich, seit vielen Jahren nicht einmal eine ordentliche Religionsschule besteht, und der ganze jüdische Unterricht sich auf einige etwaige Privatstunden erstreckt und somit jeder Aufsicht entbehrt? Wie und wo soll nun diese edle Pflanze, Religion genannt, gedeihen, wenn kein Boden vorhanden ist, in welchem dieselbe gezogen und gepflegt wird? Ließen sich hier nicht vielleicht mit voller Wahrheit die Worte anwenden : 'Stellet viele Schüler aus, - so machet ihr einen Zaun um das Gesetz!?'       
Wir wollen dem geschätzten Verfasser sein Recht zur Klage gewiss nicht bestreiten; wäre aber der Umstand, dass in einer so alten und großen Gemeinde keine Religionsschule besteht, nicht mindestens eben so beklagenswert? 
Da bieten doch unsere Landgemeinden in dieser Beziehung - Gott sei Dank - ein freundlicheres Bild! Da werden keine Opfer gescheut, um die Pflanzstätten für Glauben und Lehre, d.h. Schule und Gotteshaus zu erhalten. Auch die kleinste jüdische Gemeinde sorgt dafür, dass ihre Kinder, wie man zu sagen pflegt, nicht im Tau (?) gehen.  
Ja, einige dieser Landgemeinden verdienen in dieser Beziehung ganz besonders rühmender Erwähnung. Da ist zum Beispiel die Gemeinde Biblis mit ungefähr 25-30 Familien. Dieselbe hat eine Elementar- und Religionsschule, an welcher zwei Lehrer angestellt sind, die zusammen 15-1600 fl. Gehalt beziehen. Außerdem wird noch die Witwe des daselbst verstorbenen, allgemein geachteten und geliebten Lehrers K. - er ruhe in Frieden - von der Gemeinde aufs Liebevollste unterstützt.  
Überhaupt verdienen viele Gemeinden des Kreises Bensheim und Heppenheim als Muster aufgestellt zu werden, wie in denselben für die drei Grundpfeiler der moralischen Weltordnung, für Tora, Gottesdienst und Wohltätigkeit gewirkt wird. Viele Lehrer dieser verhältnismäßig kleinen Gemeinden beziehen ein jährliches Einkommen von 6-700ß Gulden, sind somit der drückendsten Nahrungssorgen erhoben und können sich mit Liebe und Hingebung ihrem heiligen Berufe widmen.
 Aber auch für die echt jüdische Wohltätigkeit ist hier ein fruchtbares Feld gefunden. Fest in jeder Gemeinde besteht eine Chewra Kadischa, ein Wohltätigkeitsverein. - In Lorsch besteht seit vielen Jahren Brautausstattungsverein für Lorsch und die umliegenden Orte, welche im Ganzen nur etwa 20 Mitglieder zählt, aus welcher aber alle zwei Jahre ein armes Mädchen 600 fl. zur Ausstattung erhält. Ähnliche Vereine bestehen in Biblis und in Pfungstadt.   
Worms Israelit 26051868b.jpg (70904 Byte) Auch bei den kürzlich veranstalteten Sammlungen zu Gunsten unserer hungernden Brüder in Russland und Polen haben die hierländischen Gemeinden ihren Wohltätigkeitssinn in edler Weise bewährt. Bei solchen Veranlassungen steht hier fast immer mit schönem Beispiel ein Mann an der Spitze, von welchem man einst mit Recht und mit der schönsten Bedeutung  wird sagen können: 'ein (echt) jüdischer Mann war er, und sein Name war Mordechai: ...  
Möge dieses schöne Streben der erwähnten Gemeinden immer mit den besten Erfolgen gekrönt werden und manche Stadtgemeinde sich dieselben zum Vorbild nehmen. 
Das Resultat der diesjährigen Prüfung im israelitischen Knaben-Institute zu Pfungstadt war auch in diesem Jahre wieder, wie der Einsender sich zu überzeugen Gelegenheit hatte, sowie nach dem Urteile Aller, die dieser Prüfung beiwohnten, ein sehr glänzendes."    

 
Die Sage von Rabbi Juda Chasids Mauer bei der Synagoge in Worms (Gedicht von Karl Schäfer, erschienen 1881)   

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Dezember 1881:  "Der Gang zur Synagoge. 
(Aus: 'Haiderosen'. Gedichte von Karl Schäfer. 2. Auflage. Darmstadt, Hoffmann'sche Buchhandlung. Preis 3 Mark)  

Sabbatmorgen ist es wieder; buntes Drängen und Gewoge  
Wälzt sich laut zu Worms am Rheine hin zur Frauensynagoge. 
Fern von Kanaan's Gefilden feiert heut als fromme Schar 
Still vereint das Volk der Juden andachtsvoll sein neues Jahr-.  

Überfüllt sind schon die Räume, und die hehren Lieder schallen, 
Dass der liebe Gott sie höre durch die hochgewölbten Hallen. 
Sieh', da eilet durch die Straßen, keuchend, mit erhitztem Leib, 
Als die Letzt hin zum Tempel einsam noch ein junges Weib.  

Kummerbleich sind ihre Wangen; doch sie lächelt sonder Schmerzen. 
Denn sie trägt als Himmelsgabe Muttersegen unterm Herzen. 
Ihrem Gott den Dank zu bringen bei der heil'gen Kerzen Schein, 
Biegt sie fröhlich in ein enges, menschenleeres Gässchen ein. 

Als sie hastig weiterschreitet, kömmt entgegen ihr ein Wagen, 
Um die Rosse saust die Peitsche, dass sie schnaubend um sich schlagen. 
Für die Angsterfüllte gibt es kein Entrinnen links und rechts. 
Und sie bleibt erzitternd stehen vor der Wut des Pferdeknechts. 

Flehend hebt sie ihre Hände, doch der Wüt'rich freut ihr Beben, 
Und ihn schreckt nicht, dass vernichten leicht er kann ein Doppelleben. 
In Verzweiflung drückt die Arme rückwärts sich an eine Wand. 
Aufgestiebt vom Huf der Tiere, weht um sie der Straßensand. 

Sturmgleich fährt daher der Wagen, und ihr Herzschlag stockt vor Schauer. 
Schon will sie das Rad erfassen! Sieh', da weicht zurück die Mauer! 
Das Verderben geht vorüber, das die Bosheit angefacht, 
Und mit ihm der Todesengel, folgsam einer höhern Macht.  
  
Bald d'rauf hat zur Zeit des Vollmonds einen Knaben sie geboren, 
Den der Himmel, Segen spendend, Israel zum Heil erkoren. 
Denn er ward in spätern Zeiten als ein großer Mann bekannt  
Und als Rabbi Juda Chasid ruhmvoll in der Welt genannt.  
 
Kommst Du einst nach Worms am Rheine, gehe in die Judengasse, 
Du erblickst dann noch die Spuren in der Mauer fester Masse. 
Nach Jahrhunderten bezeugen sie es deutlich Jedermann, 
Dass sich, wenn der Mensch so lieblos, noch der Stein erbarmen kann."          

  
Über einen Gottesdienst ohne Orgelbegleitung (1886)    

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. März 1886: "Worms, 3. März 1886. 
Durch einen Zufall konnte am jüngsten Schabbat der Gottesdienst nicht in der sogenannten alten Synagoge abgehalten werden und fand derselbe in der Boy'schen Synagoge statt; da nun im letzten Gotteshause keine Orgel aufgestellt ist, so musste der Chor ohne deren Begleitung singen, und war der Gesang derart feierlich, dass Einsender Dieses gerne sehen würde, wenn die Gesänge für die Zukunft stets ohne Orgelbegleitung vorgetragen würden."            

 
Anbringung eines neuen Gedenksteines an der Synagoge (1891)    

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. April 1891: "Worms. Heute ist ein neuer Stein an der 'Außenseite der alten Synagoge angebracht worden, mit dessen interessanter Inschrift es folgendes Bewandtnis hat. 
Das Vorstandsmitglied der israelitischen Religionsgemeinde dahier, Herr Julius Goldschmidt, der sich um die Konservierung der Altertümer der israelitischen Gemeinde bisher schon mit vielem Erfolg bemüht hat, erfuhr durch eine Korrespondenz mit dem früheren Rabbiner dahier, Herrn Dr. Levysohn in Stockholm, dass letzterer vor etwa 40 Jahren bei einem Frankfurter Herrn ein sehr altes, wichtiges Manuskript gesehen, welches Elieser, Sohn Samuels zum Verfasser hat und welches hebräische Inschriften der hiesigen Synagoge enthalte, die dieser 1559 kopiert hat. Nach mehrfachen Bemühungen gelang es endlich Herrn Goldschmidt, den jetzigen Inhaber der Inschriften zu entdecken, welcher sie Inschrift gerne dem Vorstand zur Verfügung stellte. Unter schon bekannten Inschriften enthält das Manuskript nicht nur die Inschrift des Steines, welche an der vorderen Fassade der Synagoge über dem Eingange der alten Gemeindestube sich befindet, aber nur noch Spuren der einstigen Inschrift zeigt, sondern auch eine Inschrift, welche oberhalb des schon genannten Steines sich befunden und von deren Vorhandensein man bis jetzt keine Ahnung hatte. Die nun erneuerten Inschriften lauten:   Obere Schrift  ..hebräisch..   
Zu Deutsch: 'Dieses Haus hat zu Ehren Gottes erbaut: Rabbi Meir, der Sohn des Joel aus priesterlichem Geschlechte im Jahre 4973 nach Erschaffung der Welt (1213). Möge seiner von Gott zum Guten gedacht werden und darauf Jeder, der davon hört 'Amen' antworten. Dass dieses Gebäude zum Bethaus für Frauen, die auf Gott und Seine Güte vertrauen erbaut worden, sei mit eisernen Griffel für alle Zeiten hier eingeschrieben.   
Untere Schrift ..hebräisch.. 
Zu Deutsch: 'Eine wohltätige Frau, die gleich einer Königstochter als Gattin in dem Hause des Rabbi Meir aus der Priesterfamilie waltete, die fromme Judith, hat, nachdem ihr Gott das hierzu nötige Vermögfen verliehen, dieses Gotteshaus zu Seiner Ehre erbauten lassen, damit man von hier aus täglich Lob-, Bitt- und Dankgebete zu Gott emporsenden. Dieses edle Werk, durch welches sie wie eine Mutter erscheint, die sich des Glückes ihrer Kinder erfreut, möge ihr Gott in Ehren und Freuden gedenken.' R."       

 
Über die Synagoge in Worms (Artikel von 1891)     

Worms Israelit 19111891 a.jpg (316205 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. November 1891: "Die Synagoge zu Worms. (Mit Abbildung). Von S. (=Samson) Rothschild in Worms
Haben wir vor kurzem unsern Lesern eine Beschreibung des alten ehrwürdigen Friedhofes der Israelitischen Gemeinde Worms gegeben, so wollen wir heute versuchen, die Stätte zu beschreiben, die nicht minder durch den Zweck, dem sie dient, als auch durch die Krone des Alters, mit welcher sie geschmiedet ist, an die biblischen Worte erinnert: 'Ziehe die Schuhe von Deinen Füßen, denn der Ort, auf welchem Du stehst, ist heiliger Boden.' Wir meinen die Wormser Synagoge. Dieselbe besteht aus zwei Hauptteilen, dem romanischen Männerbau mit schönem Portale und dem gotischen Frauenbau. Die Männersynagoge, 1034 erbaut, ist jedenfalls nur die Erneuerung eines älteren Baus. Die Inschrift eines Steines (Hebräisch: HaEwen hasot schäbezad HaAron edah leMar Jaakow...) zur rechten Seite der heiligen Lade (Toraschrein, Anm. S.R.) verkündet uns, dass Mar Jakob der Erbauer dieses Gotteshauses gewesen. Die Gemeinde ehrt noch heute das Andenken dieses edlen Mannes, indem sie seiner allsabbatlich in einem besonderen Gebete gedenkt. Die Frauensynagoge ließen, wie uns ein erst in jüngster Zeit eingefügter Stein über der Türe zur alten Gemeindestube besagt, Rabbi Meir, der Sohn von Joel aus der Familie der Ahroniden*, sowie dessen Frau mit Namen Jehudith, im Jahre 1213 erbauen. In dem Bürgeraufruf des Jahres 1615 wurde die Synagoge verwüstet, ebenso im Jahre 1689, wo sie von den Franzosen als Pferdestall benutzt wurde. Nach der Rückkehr der Bewohner diente sie als Scheuer und erst nach dem Frieden von Ryswick* (1697) wurde sie ihrer früheren Bestimmung wieder zurückgegeben.
Wie das Äußere der Synagoge uns an weit hinter uns liegende Zeiten erinnert, so auch die innere Einrichtung. Die kunstvoll gewölbte Decke wird von zwei kräftigen Säulen mit reich geschmückten Kelchkapitälen getragen. Sehr interessant ist heute noch der zum Toravorlesen bestimmte 'Almemor'*, dessen steinerner Untersatz ein charakteristisches Ornament des 17. Jahrhunderts zeigt. Wir sagen absichtlich 'heute noch', denn in früheren Jahren soll dieser 'Almemor' bedeutend größer gewesen sein. Wir haben gelegentlich der Abhandlung über den hiesigen jüdischen Friedhof, besonders der Grabstätte des Rabbi Meir von Rothenburg* (gestorben 1293) Erwähnung getan, der zur Zeit Rudolfs von Habsburg* in Ensisheim (Elsass) in einem Turme gefangen gehalten, dort starb und von einem Frankfurter Israeliten Süßkind Wimpfen* hierher gebracht wurde. Während dieser Gefangenschaft soll Rabbi Meir eine Torarolle geschrieben haben, die sich in der heiligen Lade der Synagoge befindet. Sowohl Pergament als Schrift lassen sofort das hohe Alter des heiligen Gegenstands erkennen, aus welchem dreimal im Jahre ein Abschnitt beim Gottesdienste verlesen wird. Die Art und Weise, wie die Wormser Gemeinde in den Besitz dieser Torarolle gekommen, ist sagenhaft ausgeschmückt.    
Worms Israelit 19111891 b.jpg (198920 Byte)Über der heiligen Lade befindet sich eine Lampe mit zwei Lichtern, die dem Andenken zweier in Worms unbekannten Männern* gewidmet ist, welche einst zur Zeit der Kreuzzüge selbst ihr Leben preisgaben, um die hiesige israelitische Gemeinde vor drohendem, schwerem Unglücke zu bewahren.
Wir verlassen die Synagoge und begeben uns zur im Westen an dieselbe angebaute Raschikapelle. Hier treffen wir einen an die Wand eingelassenen Stein, den sogenannten Raschistuhl. Raschi*, die Abkürzung von Rabbi Salomon Jizchaki, wurde in Troyes (Champagne) 1040 geboren und besuchte, um sich im Talmudstudium zu vervollkommnen, die berühmten Schulen in Mainz*, Speyer* und Worms*. Es ist hier nicht der Ort, um über Raschis Tätigkeit und Leben zu berichten, dieselben sind ja auch altbekannt, wir erwähnen nur kurz, dass sein Wissensdrang so groß war, dass er Haus und Weib verließ, um in der Fremde seine Kenntnisse in der Gotteslehre zu erweitern. Er erzählt von sich selbst, in welch' dürftigen Verhältnissen er das Studium betrieb, 'in Mangel an Brod und ordentlicher Kleidung, obwohl in der Ehe lebend.' Hin und wieder besuchte er seine Frau, kehrte aber immer wieder zu den genannten Lehrstätten zurück, bis er sich im Alter von 25 Jahren dauernd in Troyes niederließ. In seiner Bescheidenheit ahnte er nicht, dass man ihn schon damals als einen Meister im Talmud verehrte. Der Raschi-Kommentar über Bibel und Talmud* ist auch nichtjüdischen Kreisen allbekannt und hochgeachtet. Aus allen Teilen Deutschlands und Frankreichs ergingen an Raschi gutachtliche Anfragen und seine Antworten zeugen ebenso sehr von tiefer Sachkenntnis als von liebenswürdiger Milde des Charakters. Raschi starb in Troyes 1105 und liegt nicht, wie mache Geschichtsschreiber behaupten, in Worms, sondern in seinem Geburtsorte begraben. In der Raschikapelle treffen wir außer den Werken Raschis noch eine Anzahl Gebetbücher für die Festtage mit hebräischer Quadratschrift auf Pergament geschrieben und mit Miniaturmalereien versehen.
Bei unserem Gange durch die Synagoge und Raschikapelle war es nur der historische Faden, den wir bei jedem einzelnen Gegenstand festzuhalten suchten. Dass aber diese ein ganzes Netz von sagenhaften Maschen umgibt, ist hier, wie bei allen Dingen, deren Sinn in die dunkle Vergangenheit zurückreicht, selbstverständlich. Vielleicht finden wir einmal Zeit und Muße, dann sollen auch die Sagen, die sich an die jüdische Gemeinde Worms knüpfen, Gegenstand einer besonderen Behandlung sein.

*Anmerkungen: Ahroniden: Priester im Tempel https://talmud.li/2012/03/23/priestersegen
Friede yon Ryswick: https://de.wikipedia.org/wiki/Frieden_von_Rijswijk
Almemor: https://de.wikipedia.org/wiki/Bima
Rabbi Meir von Rothenburg: https://de.wikipedia.org/wiki/Meir_von_Rothenburg
Rudolf von Habsburg: https://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_I._(HRR)   
Süßkind Wimpfen: https://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_ben_Salomon_Wimpfen
Lampe mit zwei Lichtern über der heiligen Lade vgl. einen Text aus dem Wormser Maaseh Nissim-Buch (Die Geschichte von den zwei Gästen)   
Raschi: https://de.wikipedia.org/wiki/Raschi
Speyer, Worms und Mainz - SCHUM: https://de.wikipedia.org/wiki/SchUM-Städte
Talmud: https://de.wikipedia.org/wiki/Talmud .   
   

  
Auffindung eines Tora-Wimpels von 1632 (1894)      

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Oktober 1894: "Worms. Als gelegentlich vor einigen Tagen vorgenommenen Reparatur auf dem Dache der Männersynagoge der von Rost stark beschädigte Knauf von seiner hölzernen Form entfernt wurde, bemerkte man, dass dieser mit einem Stoff vorsichtig umwickelt war. Es stellte sich alsbald heraus, dass letzterer eine aus feinster Leinwand mit prächtiger Seidenstickerei noch gut erhaltene 'Wimpel'* aus dem Jahre 1632 war. Dieselbe trägt folgende Inschrift: Schemaja Bar Jizchak haLevi...
Das Vorstandsmitglied, Herr Julius Goldschmidt, der sich um die Ordnung des Archivs der jüdischen Gemeinde, die Entzifferung des alten Grabsteine schon so viele Verdienste erworben, hat auch diesen Fund gemacht. Das hohe Alter dieser 'Wimpel' ließ ihn den Schluss ziehen, dass auch noch andere ebenso alte 'Wimpeln' sich hier vorfinden könnten und da solche für die Geschichte der hiesigen jüdischen Gemeinde von Interesse sein dürften, hat er beim Vorstande den Antrag gestellt, das Nötige veranlassen zu dürfen, dass dieselben genau auf Alter und Person geprüft werden, ein Antrag, dem der Vorstand selbstverständlich gerne zustimmte."  
*Anmerkungen: zu Wimpeln: https://de.wikipedia.org/wiki/Mappa   
zu Julius Goldschmidt: http://www.wormserjuden.de/Biographien/Goldschmidt-I-3.html 
sowie ein Text zur Auffindung von Dokumenten des Gemeindearchives 
         

  
Die alte Mikwe bei der Synagoge wurde renoviert (1898)      

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. Juni 1898: "Worms. Der Vorstand der israelitischen Religionsgemeinde hat das alte Frauenbad nächst der Synagoge aus dem 11. Jahrhundert nach den Vorschlägen des Baurats Professor Hofmann - Darmstadt wieder herstellen lassen und wird dasselbe von Interessenten sehr besucht."   
     
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 24. Juni 1898: "Worms. Der Vorstand der israelitischen Religionsgemeinde hat das alte Frauenbad nächst der Synagoge aus dem 11. Jahrhundert nach den Vorschlägen des Baurats Professor Hofmann - Darmstadt wieder herstellen lassen und wird dasselbe von Interessenten sehr besucht."    

    
Beschneidungsfeier in der Synagoge (1900)    

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Dezember 1900: "Worms, 12. Dez. Vergangenen Sabbat wurde in der hiesigen Synagoge eine Berith Miloh* abgehalten, seit dreißig Jahren wurde der religiöse Akt nicht mehr vollzogen. Als Gevattersleute* fungierten Herr Adolf Löb I. und seine Frau Elise geb. Cahn, welche dieses Amt in wohltätiger Weise ausgeübt hatten. Nach dem religiösen Akt versammelten sich die Anwesenden zu einem kleinen Mahle bei Geschwister Klein, wo Herr Kommerzienrat Baruch das wohltätige Wirken der Löb'schen Eheleute zu jeder Zeit und bei allen Gelegenheiten hervorhob. Möge es denselben vergönnt sein, noch recht lange Gutes zu tun. 
*Anmerkungen: - Berith Miloh: Beschneidung https://de.wikipedia.org/wiki/Brit_Mila
- Gevattersleute: Paten.
            

  
Über die Synagoge in Worms (Artikel von 1901)     

Worms Ost und West 101901.jpg (108260 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Ost und West" vom Oktober 1901: "Grundriss der Synagoge
I. Männerbau.  II. Frauenbau.  III. Vorraum zum Frauenbau
IV. Raschikapelle.  V. Hof.  VI. Einzelheiten aus dem Männerbau
VII. Wandkonsolen aus dem Frauenbau.  1:200
 
Fig. 18 Synagoge zu Worms           
Worms Ost und West 101901b.jpg (308932 Byte)Ein Hauptdenkmal mittelalterlichen Synagogenbaus und das älteste in Deutschland überhaupt ist die Synagoge zu Worms - Anmerkung 34 (Fig. 18)
Wir haben hier zu unterscheiden den älteren Männerbau, den jüngeren Frauenbau und die noch jüngere Raschikapelle.
Der eigentliche Synagogenbau (Fig. 19), ausschließlich zum Gebrauche für die männlichen Mitglieder der Gemeinde eingerichtet, wird durch zwei Säulen in zwei Schiffe geteilt, die durch je drei Kreuzgänge überdeckt werden. Im Äußern der östlichen Seite ist ein rundlicher Anbau sichtbar.
Dieser seiner ganzen Anlage nach romanische Bau zeigt im Süden drei im Spitzbogen abgeschlossene Fenster mit geraden Laibungen, im Osten gleichfalls zwei spitzbogige Fenster und dazwischen das Allerheiligste (Toraschrein, Anm. S.R.), ausgebildet als halbrunde Nische, mit Rundbogen auf Wandpilastern gegenüber im Westen entsprechen den oben genannten Fenstern von einfacherer Gestaltung, dieselben beginnen erst hoch oben und zeigen noch den Einschnitt des Daches, der sich an diese Seite anliegenden Raschikapelle. Im Norden öffnet sich das bemerkenswerte romanische Portal (Fig. 20). Die Wandungen werden jederseits durch Rundsäule und Pilasterbildung geziert, deren Kapitelle mit Kelch und Palmette dekoriert sind. Darüber erhebt sich in rechteckiger Umrahmung ein kräftig profilierter Rundbogen. Hebräische Inschriften bedecken die Bauteile allenthalben, so auch das aus verschiedenen Sandsteinsorten hergestellte Hauptportal. Ein anderes Portal (Fig. 21) ist noch im Süden vorhanden, ein drittes in der Wand nach der Raschikapelle wurde vermauert, als diese angebaut wurde.
Die Kreuzgewölbe setzen sich einerseits auf      
   
Fig. 19 Querschnitt des Männerhauses der Synagoge zu Worms    Fig. 20 Anschnitt - Schnitt - Grundriss - Portal des Männerhauses zu Worms
Anmerkung 34: Die Juden in Worms, von M. Mannheimer, Frankfurt a. M. 1842.
Denkmäler der deutschen Baukunst, herausgeb. Abb. vom Verein für die Aufnahme mittelalterlicher Kunstwerke Darmstadt I. 1856 Taf. 9 -11. 
Kunstdenkmäler im Großherzogtum Hessen. Darmstadt 1867, Kreis Worms, S. 258 ff.
Kirchliche Baukunst des Mittelalters. Von A. Hartel und D. Joseph, Berlin 1896, S. 3 ff.     
   
Worms Ost und West 101901c.jpg (356899 Byte)Wandkonsole (Fig. 18, VI), andererseits auf die genannten beiden Säulen auf. Fig. 19, welche einen Blick in das Innere gewährt, zeigt den Säulenfuß auf mehrfachen Aufbau, Eckblätter vermitteln den Übergang zum Säulenstamm und auf diesen setzt sich das reich ornamentierte Kapitell, dessen Dekoration aus der hier beigegebenen Abbildung (Fig. 22) klar ersichtlich ist. Diese Kelchkapitelle heben über sich die palmettenverzierten Kämpfergehäuse mit Deckplatten. Die östliche Deckplatte hat eine an allen vier Seiten gleichlautende Inschrift, die westliche begnügt sich mit einem geradlinigen Flechtband.
Der Zugang zu dem Oraun hakadesch, der heiligen Lade (Toraschrein, Anm. S.R.), wird durch einen mehrstufigen Vorbau vermittelt, in dessen vorderer Seite das Pult für den Kantor angeordnet ist. In der Mitte des Männerbaus aber befindet sich der Almemor in kunstvollem Aufbau, der jedoch nicht mehr der alte im 17. Jahrhundert entstandene und durch Feuer und Schwert vernichtet ist. Jenes ältere Werk verdankte seine Entstehung des Munifizenz des Vorstehers David Oppenheim, von dem das Memorialbuch erwähnt, dass er außer dem Almemor auch die Jeschiba (Schule) hinter der Synagoge, sowie das Haus auf dem Friedhof habe erbauen lassen, ferner schenkte er der Synagoge eine wertvolle Torarolle mit allen dazugehörigen, silbernen Geräten. Auch zum Synagogenbau selbst gab er 100 Königstaler. Der wohltätige Mann starb 1642.
Uralt wie die jüdische Gemeinde in Worms ist auch die Synagoge daselbst, und unmöglich ist es, beide Daten genau zu bestimmen. Zur Baugeschichte der Synagoge muss eine Inschrift von Wichtigkeit herbeigezogen werden. Dieselbe lautet in der etwas schwerfälligen Übersetzung: Anmerkung 35) 'Von der Sehnsucht nach dem Vorhof des Tempels errichtet, stehe das Zeugnis da in Joseph! Gottesfürchtige Ihr, schaut aufwärts zum Felsen, zur Schrift ihm eingegraben. Den Inhalt beweist, ruft und bezeugt der Stein aus der Wand, der Balken aus dem Gehölz. Tief grub er bis zum Grunde und führte aufwärts das Gewölbe, einwärts führt ein gerader weg und die Wand erhebt sich aus früheren Trümmern. Dies alles auf Kosten seines Geldes, auf dass er im Schatten der Weisheit eine Hütte sich schaffe, unter dem ästigen Baum, in jener Höhe errichtet – dort, wo beim Aufgang der Sonne das Licht ihm schön erglänzt, dass Schatten ihm werde in der Hütte, von der Hand dessen, über welchen die Freunde die Lose werfend würdig zur Teilung im Kreise sich setzen. Genießen wird er der Freuden Fülle; einem Gurte gleich wird Tugend um seine Lenden, Treue um seine Hüften sich schließen. Gepriesen in Ewigkeit der, welcher das Flehen erhöret! Denn erfüllet   
 
Fig. 21 Portal des Frauenhauses der Synagoge zu Worms  
Fig. 22 Worms Säulenkapitell des Männerbaues (Nach Hartel-Joseph
)
Anmerkung 35) Dr. L. Levysohn, Sechzig Epitaphien von Grabsteinen des israel(itischen) Friedhofes zu Worms. 1855, S. 104.         
Worms Ost und West 101901d.jpg (372161 Byte)hat er mit Glauben das Herz seines Dieners, des Jakob, eines Sohnes Davids, auf dass, dieser mit Einsicht begabt, seinem erhabenen Namen einen Tempel (gemeint Wormser Synagoge, Anm. S.R.), und mit ihm seine Gattin Rahel, hochgeachtet zwischen den Glücklichen. Ihr Vermögen diente zur Ehre, zur Freude Gottes; ausschmückend, verschönerten sie den Tempel, der im Elul 794 seine Vollendung erreichte. Lieblicher denn Opfer gefiel es dem Schöpfer, lieblicher als Söhne und Töchter empfingen sie ewigen Ruf, Denkmal und freudigen Glückwunsch. Gesegnet sei ihr Andenken, und wer dies liest, der spreche: Amen!'
Aus dieser Inschrift erfahren wir, dass der Tempel 1060 n. Chr. vollendet wurde, zugleich aber wird uns bekannt, dass es sich hier im wesentlichen um den Wiederaufbau einer älteren Anlage handelt, die im Jahre 1034 errichtet worden sein mag. Anmerkung 36).  Mar Jacob, der Sohn Davids und seine Frau Rahel sind die Stifter. Dass aber auch dieser Bau sehr bald, wenigstens architektonisch, umgebildet wurde, erkennen wir an der tektonischen Formgebung, der heute noch vorhandenen Teile, die ins Ende der romanischen Periode zu setzen sind. Nur die Steine an der Ostwand zeigen die dem frühen Mittelalter eigentümliche Bearbeitung. Das Andenken des Stifters wird noch heutzutage jeden Sonnabend in der Wormser Gemeinde durch ein besonderes Gebet geehrt.
Das Äußere des schmucklosen Männerbaus gibt, abgesehen von dem bereits beschriebenen Hauptportal und der karniesgeschmückten, im Osten hervortretenden Nische, keine Veranlassung zur Begeisterung in künstlerischer Hinsicht.
Der Frauenbau schließt sich im Norden an den Männerbau unter rechtem Winkel an (Fig. 18, II). Vier durch Gurtbogen getrennte Kreuzgewölbe überdecken den Raum, und stützen sich einerseits auf eine einzige Mittelsäule, andererseits auf Wandkonsole (Fig. 18; VII). An einer Südseite öffnet sich der Bau in zwei Spitzbogen nach der Männersynagoge, während der Eingang (Fig. 21) in entgegengesetzter Richtung sich befindet, von der Straße aus zugänglich ist und einer kleinen Vorhalle angehört. Da die Formen der Architektur dieses Portals in den Übergangsstil passen, so muss man annehmen, dass wir es hier mit den ältesten Resten des Frauenhauses zu tun haben. Über dieser Vorhalle befindet sich ein zweiter Stock, dessen Fenster aus der Zeit des 17. Jahrhunderts stammen. Älter aber wie diese sind die spitzbogigen Fenster des Hauptraumes.
Im Westen befindet sich eine Blendarkadenstellung mit drei Bogen auf gotischen Pilastern. Steinerne Bänke schmiegen sich in die Blenden ein. Diese unscheinbaren Bänke hatten ehedem eine gewisse Bedeutung, so waren die Gemeindemitglieder angewiesen, am Sabbat nach dem Gebet von hier aus gegebenenfalls Leidtragenden Trost zuzusprechen, auch wurden hier gewisse Akte vorgenommen, wenn es sich um Ehescheidungen handelte.
Von einem Frauenbau und seinen Stiften Meir und dessen Ehefrau Judith spricht eine im äußeren Vorhofe vorhandene lädierte Inschrift. Danach ist das Gebäude 1213 erbaut worden, doch wurde die Synagoge 1349 zerstört, so dass es fraglich bleibt, wieviel sich von dem ursprünglichen Bau bis auf unsre Zeit hinübergerettet hat. Die Vorhalle stammt etwa aus dem 17. Jahrhundert.
Die Raschikapelle schließt sich, wie bereits erwähnt, westlich an den Männerbau an. Dieselbe ist verhältnismäßig spät, erst im Jahre 1624 durch David ben Josua Joseph Oppenheim errichtet. Der Grundriss (Fig. 18, IV) zeigt uns einen rechteckigen, westlich halbrund geschlossenen Raum, der mit zwei spätgotischen Kreuzgewölben überdeckt ist. Eine einfache, mit einem Schlußstein versehene Rippe (Fig. 23) trennt beide Gewölbe. An den Wänden ziehen sich steinerne Bänke entlang. Fünf Fenster tragen dem Raume, dessen Längs- (Fig. 23) und Querschnitt (Fig. 24) wir darstellen, genügendes Licht zu. Die Gestalt  
 
Anmerkung 36) Monatsschrift für die Geschichte und Wissenschaft des Judentums. Breslau, 1896. S. 512. In dieser Abhandlung werden die Inschriften einer erneuten Korrektur unterzogen und vieles richtig gestellt.  
Fig. 23, Längsschnitt durch die Raschikapelle zu Worms
    
Worms Ost und West 101901e.jpg (307306 Byte) 
der Rundbogenfenster ist vollkommen aus den Abbildungen ersichtlich. Genau in der Mitte der Peripherie des Halbrunds befindet sich der Stuhl, von dem aus der berühmte Rabbi Raschi gelehrt haben soll (Anmerkung 37) (Fig. 26). Der Sitz selbst, auf den zwei Stufen hinanführen, ist in die halbrund vertiefte Mauernische eingelassen und mit verzierten Wangen versehen. Diese Stätte wird als besonders weihevoll angesehen.
Das Äußere (Fig. 26) des nur aus einem Erdgeschoss bestehenden und mit Ziegelsteindach abgedeckten Gebäudes ist sehr kahl gehalten; nur die Eingangstür hat eine architektonische Umrahmung, die auf besondere Schönheit keinen Anspruch zu erheben vermag.
Von nennenswerten Kunstobjekten führen wir auf: Die zehn Messingleuchter der Männersynagoge und die sechs der Frauensynagoge, welche etwa in der Zeit des 17. Jahrhunderts fallen mögen. Von diesen Leuchtern sagt Wörner: Anmerkung 38) 'Als Bekrönung tragen sie meistens den Reichsadler; einer der größeren hat an dessen Stelle einen altertümlichen Adler, sitzend, auf dem eine männliche Figur mit dem Blitzstrahl in der Rechten reitet.' An anderen Leuchten ist manches ergänzt und neueren Datums, namentlich die Adler mit den ausgebreiteten Flügeln und einer reitenden Figur in der Männersynagoge und ein Adler in der Frauensynagoge. Besonders hübsch ist der Kandelaber rechts von der Lade, er wurde 1656 geweiht.
Die Gemeinde von Worms ist auch im Besitze mehrerer merkwürdiger Vorhänge (Paroches) für die heilige Lade und von Bekleidungen für die Torarollen, die mehrfach auf ein hohes Alter zurückblicken können. Sehr berühmt ist die Torarolle, von der erklärt wird, dass sie
 
Anmerkung 37) Die Beweise für die Anwesenheit Raschis, eigentlich Rabbi Salomo Jizchaki, geb. 1105, gestorb. 1180 zu Troyes in Frankreich, hat Dr. Levysohn an anderem Ort S. 100 f. Zusammengestellt. Dagegen Monatsschrift für die Wissenschaft des Judentums, 1896, S. 513. Hiernach hätte die Raschikapelle nichts mit Raschi zu tun, was ja mit dem Entstehungsdatum des vorhandenen Baus übereinstimmen würde. Vielleicht klingt in der Sage die Erinnerung an ein älteres Gebäude wieder. Auf eine soeben erschienene Schrift Abraham Epsteins 'Die nach Raschi benannten Gebäude in Worms', Wien, 1901, kann nur hingewiesen werden.
Anmerkung 38) Kunstdenkmäler im GroßherzogtProfessor Dr. D. Joseph: Stiftshütte, Tempel und Synagogenbauten

Fig. 24 Querschnitt durch die Raschikapelle zu Worms
Fig. 25 Sogenannter Stuhl Raschis zu Worms
Fig. 26 Raschikapelle zu Worms             
Worms Ost und West 101901f.jpg (84241 Byte)von Rabbi Meir aus Rotenburg geschrieben worden ist und die etwa nach dem Schriftzügen zu urteilen, vierhundert Jahre alt sein dürfte.
Der romanischen Zeit noch gehören zwei Machsorim (Gebetbücher für die Festtage) an, dieselben sind auf Pergament in hebräischer Quadratschrift geschrieben und zeigen Miniaturmalereien. Dieselben befinden sich in Aufbewahrung in der Raschikapelle. Auch ein geschriebener Siddur (Gebetbuch für die alltäglichen Gebete), der noch heute benutzt wird, weist ein hohes Alter auf, das aber über die Grenze des Mittelalters nicht zurückdatiert, und der Rabbiner hat noch jetzt in Gebrauch ein in Kursivschrift abgefasstes Minhagim-Buch aus dem 17. Jahrhundert. Dieses Buch erhält die Gebräuche der Gottesdienste der Gemeinde Worms, der in vielfacher Beziehung von dem anderer deutschen Gemeinden abweicht.   (Schluss folgt.)".

Weitere Anmerkungen zum Text: - Pilaster: https://de.wikipedia.org/wiki/Pilaster
- Palmette: https://de.wikipedia.org/wiki/Palmette
- Almemor: https://de.wikipedia.org/wiki/Bima
- David Oppenheim: https://de.wikipedia.org/wiki/David_Oppenheimer_(Rabbiner) 
- Silberne Geräte u.a. Torazeiger https://de.wikipedia.org/wiki/Jad, Torakrone https://de.wikipedia.org/wiki/Tora-Krone, Toraschild https://de.wikipedia.org/wiki/Toraschild  Torakrone  https://de.wikipedia.org/wiki/Tora-Krone
- Karnies: https://de.wikipedia.org/wiki/Karnies
Blendarkade: https://de.wikipedia.org/wiki/Blendarkade   
  

  

Worms Israelit 19121901.jpg (343938 Byte)Abbildung in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. Dezember 1901 mit Untertext: "Innere Ansicht der Synagoge zu Worms. Aus dem soeben in zweiter unveränderter Auflage erschienenen Werkchen 'Aus Vergangenheit und Gegenwart der Israelitischen Gemeinde Worms.' Von Samson Rothschild, Lehrer an der Stadtschule zu Worms am Rhein."          

  
Die Restaurierung der Raschi-Kapelle steht bevor (1907)  
Anmerkung: damals wurde diskutiert, ob die Raschi-Kapelle 1624 an Stelle eines Vorgängerbaus errichtet wurde oder ob es sich um einen Neubau gehandelt hat.     

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. August 1907: "(Die Raschi-Kapelle in Worms.) Wie schon kurz mitgeteilt wurde, soll die unter Denkmalsschutz stehende Raschi-Kapelle bei der hiesigen Synagoge ausgebessert werden. Nach einer Verfügung des hiesigen Kreisamts darf die Schrift am Raschi-Stuhl nur gereinigt werden und es soll eine Übersetzung derselben angefertigt werden. Eine daraufhin vorgenommene genaue Besichtigung des Raschi-Stuhles hatte nun das Ergebnis, dass sich nicht nur eine Schrift an der Außenseite des Stuhles vorfand, sondern auch an den drei Innenseiten Inschriften aufgedeckt wurden. Man hofft, diese nach gründlicher Reinigung entziffern und mit Hilfe dieser Inschriften vielleicht einen wissenschaftlichen Streit betreffs der Erbauungszeit der Raschi-Kapelle entscheiden zu können. Durch Urkunden lässt sich nämlich feststellen, dass die jetzige Kapelle im Jahre 1624 von David, Sohn des Josua Joseph Oppenheim, erbaut wurde. Der frühere hiesige Prediger Dr. Levysohn (Stockholm) behauptete nun, dass Oppenheim die Raschi-Kapelle an der Stelle eines früher schon bestehenden Baues wieder aufbauen ließ, indem er das hebräische Wort 'bonoh' mit 'wiedererbauen' übersetzt. Dagegen vertritt der Altertumsforscher A. Eppstein (Wien) die Ansicht, dass das Wort 'bonoh' mit 'bauen' zu übersetzen sei, und dass Oppenheim die Kapelle neu erbaut habe, ohne dass sie mit Raschi in irgendeinem Zusammenhang stehe; das Raschi-Lehrhaus habe sich vielmehr in dem heutigen israelitischen Hospital befunden."            

  
Zur Einrichtung eines jüdischen Museums in der Stadt (1913)      

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 28. Februar 1913: "Worms, 21. Februar. In einer seiner letzten Sitzungen fasste der Vorstand der hiesigen Kultusgemeinde den höchst begrüßenswerten Beschluss, ein Museum zu begründen, das dazu bestimmt sein soll, alle seither an verschiedenen Orten untergebrachten, für die Geschichte des Judentums und der hiesigen jüdischen Gemeinde höchst wertvollen Altertümer unter einem Dache zu vereinigen. Einem Teile von ihnen diente bisher die Raschikapelle als Unterkunftsort. Unter ihnen befinden sich höchst wertvolle Dokumente, mittelalterliche Pergamente, kunstvoll geschmiedete und mit farbigen Initialen versehene Gebetbücher aus längst vergangenen Jahrhunderten, alte hebräische Drucke, kostbare, goldbestickte Vorhänge für das Allerheiligste aus Samt und Seide und Toramäntel, goldene und silberne Kelche aus dem 16. Jahrhundert von hervorragender Goldschmiedekunst und andere mit dem Kultus in Zusammenhang stehende gottesdienstliche Gegenstände. Ferner befinden sich unter der wertvollen Sammlung eine große Anzahl im Jahre 1689 bei der Niederbrennung der Stadt durch die Franzosen unter Mélac* abhanden gekommener und vor etwa drei Jahrzehnten unter dem Dach der Synagoge wieder aufgefundener sogenannter Wimpeln* mit bunter, farbiger Ausführung, die über die Genealogie dieser noch heute existierenden Wormser Familien von hervorragenden Namen Aufschluss geben. Auch das seit über hundert Jahren aus dem hiesigen Archiv verschwundene Minhagbuch* eines namhaften Wormser jüdischen Gelehrten des 18. Jahrhunderts , das die rituellen Sondergebräuche der Juden in Worms im Mittelalter enthält, das erst vor wenigen Jahren von einem Wiener Bibliophilen auf einer Bücherauktion in Amsterdam wieder entdeckt, für eine hohe Summe ersteigert und der Gemeinde zum Geschenk gemacht wurde. Zur Ausführung des Planes wurde eine Summe ins Budget eingestellt und eine mehrgliedrige Kommission gewählt. Das Museum wird allen Interessenten zugänglich gemacht werden." 
*Anmerkungen: Siehe Text auf dieser Seite 'Auffindung eines Tora-Wimpels von 1632' (1894) 
- Mélac vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Ezéchiel_de_Mélac    
- Minhagbuch: https://de.wikipedia.org/wiki/Juspa_Schammes 
https://www.wormser-baeder.de/de-wAssets/docs/kultur/stadtarchiv/Wormsgau/Der-Wormsgau-14-1982-1986/22_Bd.-14WG_-14.-Band.pdf
            

   
Über "Abraham Epstein und die Altertümer der Wormser Jüdischen Gemeinde" (Beitrag von 1921)  

Worms AZJ 22071921.jpg (572431 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 22. Juli 1921: "Abraham Epstein seligen Angedenkens und die Altertümer der Wormser Jüdischen Gemeinde.
Von Samson Rothschild (Worms)
Im Jahre 1895 kam Abraham Epstein* (Wien) zum ersten Male nach Worms, um hier an Ort und Stelle Studien über die Altertümer der Jüdischen Gemeinde zu machen. Die Resultate seiner Forschung legte er als Separatdruck aus der 'Monatsschrift für die Wissenschaft des Judentums' in folgenden Schriften nieder: 1. 'Jüdische Altertümer in Worms und Speyer', 2. 'Die nach Raschi benannten Gebäude in Worms' (Aus dem Gedenkbuch zur Erinnerung an David Kaufmann), 3. 'Die Wormser Minhagbücher*'. Ich habe Epstein in seinen Forschungen gern unterstützt und seit jener Zeit hat sich ein freundschaftlicher Briefwechsel zwischen uns entwickelt, der fast bis an sein Lebensende dauerte. Der mir in dieser Zeitschrift gewährte Raum verlangt Beschränkung des Stoffes, deshalb soll nur einiges Wichtiges hier mitgeteilt werden.
Gleich nach Erscheinen der ersten Schrift setzte eine scharfe Polemik zwischen Epstein und dem früheren Wormser Prediger und späteren Rabbiner in Stockholm Dr. Lewysohn* ein. Epstein behauptete, dass die Raschi-Kapelle gar nichts mit Raschi zu tun habe, da sie erst, wie eine Inschrift an der Wand kündet, 1624 erbaut wurde; auch sei die ganze Anlage stillos.
Dagegen schrieb Lewysohn in der 'Laubhütte': Bei beiden Herren dreht sich der Streit um das Wort bnh, das Lewysohn mit 'wiedererbauen' übersetzt, Epstein hingegen mit 'bauen', indem er mir bei der ersten Besichtigung erklärte: Sollte das Wort 'wiedererbauen' bedeuten, dann hätte etwas dabeistehen müssen: nach seiner ersten Gründung. Diese Meinungsverschiedenheit hat Epstein veranlasst, eine zweite Schrift erscheinen zu lassen, in welcher er mit viel Fleiß und Gründlichkeit nachzuweisen versucht, dass das Lehrhaus von Raschi im heutigen Jüdischen Hospital sich befunden haben müsste. Was die Stillosigkeit der Kapelle betrifft, muss ich der Wahrheit entsprechend bemerken, dass mich bald nach der stattgefundenen Polemik eines Tages Baurat Stiaßny* von Wien, ein Verwandter Epsteins, besucht hatte und beim Eintritt in die Kapelle ausgerufen: 'Nun begreife ich wirklich Epstein nicht, dass er diese Kreuzbogen für 'stillos' erklärt.' Bei einer später stattgefundenen Renovation der Kapelle, die unter Denkmalschutz gestellt ist, erklärte mir der staatliche Kreisbaumeister, dass die steinernen Sitze (Stuhl und Bänke) allerdings dem 11. Jahrhundert angehören. Ob sie schon früher da waren oder ob sie 1624 dahin verbracht wurden, wer vermag das zu sagen, da Schriftstücke hierüber nicht Auskunft zu geben vermögen.
Auf dem Friedhofe war das ganze Interesse Epsteins auf den Grabstein Sagira Bat Rabbi Schmuel ... gerichtet, der nach Lewysohn in seinem nafschot zadikim (Link zur Publikation; siehe auch https://de.wikipedia.org/wiki/Grabstein_der_Sagira_bat_Shmuel) die Jahreszahl = 900 trägt, während Lewysohn irrtümlicherweise 905 angibt (Link zur Dokumentation des Grabsteines von Levysohn). Wir haben zusammen lange nach dem Stein gesucht und ihn nicht gefunden, sodass Epstein meinte, der Stein sei versunken oder gestohlen worden. Er bezweifelte aber sofort die Richtigkeit der Jahreszahl 900, da keine Grabsteine gefunden wurden, die älter waren als 1034 und deshalb die Annahme berechtigt erscheint, dass der Friedhof gleichzeitig mit dem Bau der Synagoge angelegt wurde. Epstein und vor ihm Rapoport vermuteten schon damals, dass der zweite Buchstabe der Jahreszahl nicht ein R, sondern ein T ergeben müsste und sich die Jahreszahl 1100 ergeben würde. Nach vielen Jahren fand ich beim Entziffern der alten Grabsteine den so sehnsüchtig gesuchten Stein, von einem Strauch verdeckt. Da er seinerseits von Lewysohn erneuert worden war, konnte man auch die Jahreszahl TRS (900) deutlich lesen. Einige Wochen später wurde von mir die Inschrift eines anderen Steines, nicht allzu weit von dem ersten entfernt, entziffert, der deutlich die Jahreszahl (1145) trug und einer Frau Peruza, Tochter des Rabbi Samuel, der wegen seines Glaubens ermordet wurde, gewidmet war. Da auf beiden Grabsteinen der gleiche Vater genannt wurde, zwischen dem Tode der einen Tochter und dem der anderen aber ein Zeitraum von 245 Jahren lag, so war es geboten, nochmals die Inschrift des ersten genau zu untersuchen. In der Tat stellte sich heraus, dass Lewysohn an dem Buchstaben das Häkchen übersehen hat, das sich mit dem Finger genau fühlen ließ und wodurch aus dem Buchstaben ein wurde, so dass das Alter des Steines um 200 Jahre herabgedrückt werden musste. Rabbi Samuel ist wahrscheinlich zur Zeit der Kreuzzüge 1096 ermordet worden und seine beiden Töchter sind 1100 und 1145 gestorben. Die Freude Epsteins war groß, als ich ihm die Entdeckung meldete, wodurch seine gleich anfangs ausgesprochene Vermutung sich bewahrheitete.
Ein lebhafter Briefwechsel entspann sich zwischen uns über die Einwanderung der Kalonymiden* nach Mainz und über Bilderschmuck in den Synagogen, über welche beide Punkte Prälat und Domkapitular Dr. Schneider* (Mainz) mit mir längere Zeit korrespondiert hatte. Ich komme nun zu den Minhagbüchern*. Die Gemeinde besitzt das Minhagbuch von Liva Kirchheim, das aus losen Blättern bestand, schwer leserlich und stark beschädigt war, weshalb Sinai b. Isaac Loanz 1746 eine Abschrift angefertigt hatte, die auch von Epstein benutzt wurde. Dieses Buch hatte Lewysohn 1855 beschrieben, später war es nicht mehr vorhanden. Es wurde ungefähr 25 Jahre später der Gemeinde zum Ankaufe angeboten und sie hat es natürlich auch gekauft, was Epstein außerordentlich viel Freude gemacht, nachdem ich es ihm mitgeteilt hatte. Das war aber nicht das einzige Minhagbuch, das abhanden gekommen war; es fehlte auch das von Juspa Schamesch, das nach Mitteilung von Dr. Salfeld (Mainz) an den hiesigen Vorstand im Jahre 1895 in Amsterdam versteigert werden sollte. Im Auftrage des Vorstandes gab ich einem dortigen Bekannte ein Limite; nach einigen Monaten bekam ich die Mitteilung, dass das Werk nach auswärts gekommen sei. Wer der jetzige Besitzer des Manuskripts geworden, konnte trotz mehrfachen Fragens nicht ermittelt werden. Da schreibt mir eines Tages Epstein, dass er mich demnächst von Wiesbaden aus besuchen und den 'Juspa' mitbringen werde. Auch meine Bitte, das Werk wieder dem ursprünglichen Besitzer zurückzugeben, entsprach Epstein nicht nur, sondern er überließ das für viel Geld erworbene Buch der Gemeinde als Geschenk. Über 'Juspa' schreibt Professor Dr. David Kaufmann an Epstein: 'Sie sind also zu meiner großen Freude derjenige,der mir den Wormser Schamasch ausgesteigert hat, den ich der Glossen meines Rabbi Jair* wegen so gern hatte an mich an mich bringen wollen. Elia b. Mose ist bei mir einmal Grifa sonst Grisa gebucht. Sie haben gewiss schärfer gesehen. Ihre Vermutung ist durchaus wahrscheinlich, obzwar ich den Ortsnamen, der hinter dem Worte steckt, nicht kenne.' Darauf schrieb ich an Epstein, dass ich Grisa als 'Kriegsheim', einen Orte in Wormser Kreise, vermute, wo noch 1872, als ich hierher kam, Juden wohnten und das von denselben Grika genannt wurde. Darauf schrieb mir Epstein unter anderem: '...besonders aber interessiert mich, dass es Ihnen gelungen ist, den Ort, den ich und Kaufmann nicht identifizieren konnten, ausfindig zu machen.'
Es waren immer schöne Tage für mich, wenn Epstein, der gern und oft in Wiesbaden weilte, von dort aus hierher kam. Manchmal brachte er noch Bekannte mit, so Markus und         
Worms AZJ 22071921a.jpg (73739 Byte)Elkan Adler, die beiden Söhne des Londoner Oberrabbiner Nathan Adler* seligen Angedenkens. Wir verbrachten herrliche Stunden zusammen, besonders interessant durch die Erzählungen des weitgereisten Elkan Adler.
Das Augenlicht Epsteins nahm immer mehr ab, ein großes Unglück für einen forschenden Gelehrten ; auch sonst ließ sein körperliches Befinden zu wünschen übrig. Die Nachrichten von Wien kamen immer seltener, von anderer Hand geschrieben. Es hat ihm sicher große Freude bereitet, dass die Teilnehmer an dem Ausflug des Vereins zur Förderung der Wissenschaft des Judentums von Frankfurt hierher sich seiner durch einen gesandten Gruß erinnerten, aber der sonst so Heitere war ein stiller Mann geworden. Was Epstein für die Wissenschaft des Judentums während seines langen Lebens geleistet hat, wird in Gelehrtenkreisen unvergessen bleiben. Er hat die talmudischen Worte wahr gemacht: 'der spricht: ich wurde müde und fand es, vertraue darauf'."
*Anmerkungen:  - Dr. Lewysohn: Siehe intern eingestellter Beitrag von 1859  
- Abraham Epstein: https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Abraham_Epstein und https://en.wikipedia.org/wiki/Abraham_Epstein
- Baurat Stiaßny: https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Stiassny
- Kalonymiden: https://de.wikipedia.org/wiki/Kalonymiden
- Prälat und Domkapitular Dr. Schneider: https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Schneider_(Geistlicher)
- Minhagbuch: https://de.wikipedia.org/wiki/Minhag_(Judentum)
- Rabbi Jair: https://de.wikipedia.org/wiki/Jair_Chajim_Bacharach
- Elia b. Mose: https://en.wikipedia.org/wiki/Elijah_Loans und https://www.alemannia-judaica.de/worms_rabbiner_lehrer.htm#Zum 300. Todestag von Rabbiner Elia ben Moscheh Loans (1936) 
- Nathan Adler: https://de.wikipedia.org/wiki/Nathan_Marcus_Adler
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Artikel "In der Stadt Raschis" (Artikel von 1925)       

Worms Israelit 03091925.jpg (535229 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. September 1925: "In der Stadt Raschis. (Mit neun Bildern)
Ein eigener Reiz umgibt die paar Mittelstädte am Rhein. Hinter den neuen Hauptstraßen liegt das Gewinkel der engen Gassen, unterbrochen von Bierecken und freien Plätzen mit monumentalen Brunnen im Mittelpunkt. Alles atmet Geschichte. Rundtürme, Zinnen und Kuppeln erheben sich über reichgeschmückte Portale. An alten Kirchenmauern rankte sich üppiges Weinlaub. Hier hat vor- und aufwärts strebende Menschengeschichte überall ihre Spuren hinterlassen. Auf ihrem Marsche hatten die früheren Menschen keine besseren Wegweiser als den Lauf der Ströme und Flüsse. So wurden die blühenden Gestade zu beiden Seiten des Rheinstromes allzeit Schauplatz großer und grausiger Geschehnisse. Jüdische Geschichte war immer eng verquickt mit der großen Menschengeschichte. Wie Judenleid ja immer nur ein weiterer Bezirk des Weltschmerzes ist. Ein Symbol für diese Leidensgemeinschaft in alten Quadern erleben wir in Worms in den alten jüdischen Denkmälern neben dem Dome und den spätgotischen Kirchen und Burgen, in denen Bischöfe über Leben und Tod geboten, Kaiser und Könige die Krone erhalten, Reichstage getagt haben. Direkt gegenüber dem Dome liegt der alte jüdische Friedhof mit den verwitterten, eingesenkten Steinen, die in verwischter Schrift von gehobenem Leben und heiligem Tode sprechen.
Was bedeutet das heutige Worms, die neue hübsche Hunderttausendstadt mit den hellen Straßenanlagen, hübschen Promenaden und uniform nach Bauplan errichteten Zügen von Wohn- und Geschäftshäusern, ein Vergleich zu unserem Worms, zum 'Wirmaisa'* des Raschi und des Jehuda Hachassid*? Wirmaisa! Wehmütige Kinausmelodien* klingen in der Seele. Doch, man wird dem alten lieben Namen historisch nicht gerecht, wenn man ihn nur in Verbindung mit Leid und Jammer ausspricht. Das Wort bedeutet noch viel mehr Blüte, Größe, Kraft. Die tausend Jahre jüdischer Geschichte waren auch am Rheine nicht anhaltend in Leid getaucht. Wer sprach überhaupt in alter Zeit so viel von Leid und Not? Wo ist in Raschi oder in den 'Tossefoth' nur ein Wort von den todbringenden Horden mit dem Kreuze zu lesen? Wo in den Glossen und Responsen des Rabbi Meir von Rothenburg* nur eine Spur von Moder der Gefängnisse?
Der Tossofisten 'Kosche' gilt nicht dem schweren Leben, und ihr 'Temo'* ist nicht Staunen über eine aus den Fugen geratene Welt.
Tausend Jahre Leid haben uns ein paar winzige, dünne Kinaus*- und Slichausbüchlein* gebracht. Indess, gleiche tausend Jahre Leben, Blüte und Kraft haben uns Folianten gegeben, für die alle Regale der Bibliotheken nicht ausreichen, denen gegenüber auch alle geraden und eingedrückten Mauern, auch die Leichensteine zu Worms, zusammenschrumpfen. Wer spricht von Leid, von Not und schlechten Zeiten? 
                                 Bilder aus Worms – Das Raschitor
Raschi gewiss nicht. Höchstens der Kastellan an der Raschikapelle, der über schlechten Besuch und dementsprechend verminderte Trinkgelder klagt.
Ich ziehe durch das Raschitor (siehe Bild 1), in dem die Stadt in der Nähe der Synagoge ein Denkmal ihrem großen, jüdischen Adoptivsohne errichtet hat. Durch zwei Pforten wälzt sich reger Stadtverkehr. Ein kaltes, starres Denkmal im Vergleich zu den anderen lebendigen Denkmälern, die in kleiner, krauser Schrift Raschis Namen tragen
Dann stehe ich vor der Mauernische (Bild 2) von der man gegen ein Trinkgeld erfährt, dass sie durch ein Wunder entstanden sei, um Raschis Mutter aufzunehmen, als sie hier, das Kind unter dem Herzen, von einem Wagen in die Mauer gedrückt wurde. Das Wunder in Ehren! Aber Raschis Mutter war nie in Worms und der kleine Salomo Izchaki kam in Troyes zur Welt. Darum lasse ich mir gegen ein zweites Trinkgeld die gleiche hübsche Geschichte von der Mutter des Rabbi Jehuda Hachassid* erzählen und denke dabei, wie oft schon unter dem Volk mit dem Lichtkeime unter dem Herzen harte Mauern eingedrückt hat, wenn es in engen Gassen bis zum Erdrücken und Ersticken an die Wand getrieben wurde…
Und nun bin ich in der Raschikapelle drinnen (Siehe Bild 3). Wenn ich nur den Historiker draußen lassen könnte! Was hat er auch da zu suchen, wo Pietät und Liebe und Phantasie ihre Blumenkränze winden und alles kahle Gestein geschichtlichen Gewordenseins von oben bis unten mit der Efeu der Legende belegen und bedecken? Was will er mir da erzählen von einem David ben Izchok Josef Oppenheim, der 1624 den Anbau als Lehrhaus an der alten Synagoge errichtet hat, wer bat ihn um den Dienst, mit Geschichtsirrtümer zu korrigieren? Ich will hier, wie tausend andere vor und nach mir jahrein, jahraus, in der Raschikapelle sein. Und der ehrwürdige Steinstuhl mit der hohen, steilen Steinlehne – den übrigens auch der Historiker immer als den Raschis gelten lässt – erfüllt mich mit Beben der Ehrfurcht. Ich wage nicht, ihn zu berühren. Er ist kurz, knapp und prägnant gemeiselt – Raschistil. Es ist überwältigend, zu denken: Hier auf diesem Stuhl hat Raschi vor seinen Schülern gesessen…
Die Andreasgasse entlang gelangen wir durch eine verwitterte, stellenweise auch verfallene Mauer auf den alten Friedhof (siehe Bild 4). Es ist nicht leicht, sich in diesen Gräberfeldern, wo die verschlungenen und halb verwischten Wege von Bäumen, üppigem Laub und wilden Ranken umsäumt und verstellt sind, zurechtzufinden. Man zeigt uns das älteste Grabdenkmal aus dem Jahr 1077, das des Rabbi Jakob Bachur, dann ein Massengrab von Märtyrern aus der Zeit, von der die Kino von Wirmaisa* in unserem Klagebuch des neunten Aw* kündet. Es waren deren mehr in jenem Schreckensjahr 4856 (Hebräisch). Aber dieses    
Worms Israelit 03091925a.jpg (701139 Byte)Grab umfasst zwölf der Besten, die 'geliebt waren in ihrem Leben und sich im Tode nicht trennten.' Hier bleibt der Blick haften an zwei rohen nebeneinander schief aus dem Gras und Geröll ragenden Steinen (siehe Bild 5). Der eine erzählt in kurzen Worten und lapidarer
                 Bilder aus Worms: Die Mauer des Rabbi Jehuda Hachassid
Schrift vom großen Toten, den dieser Grabhügel birgt, Rabbi Meier von Rothenburg. Kein Wort von seiner Lebenstragödie, nichts von Qual und Anklage und Gefängnismauern. Nur Namen und Datum des Todes und der späteren Bestattung. Und dicht daneben etwas tiefer gesenkt, der Grabstein des Mannes, der vierzehn Jahre nach dem Tode des Maharam Leben und Vermögen einsetzte, um den großen Toten hier in heiliger Erde zu bestatten, Alexander Süßkind aus Wimpfen. Nur eines bat sich dieser Wohltäter zum Lohne aus: Eine letzte Ruhestätte in der Nähe des Rabbi. Sein Stein erzählt in winzigen Zeilen ohne jegliche Geste dieser Heldentat. Er steht etwas tiefer, neigt sich leicht zum vorderen Stein und wieder wie in Ehrfurcht zurück. So dürfte das Verhältnis des tätigen reichen Mannes zu dem Geistesfürsten gewesen sein. Davor ein kleinerer Stein mit ziemlich verwitterter Schrift. Man entziffert mit Mühe den Namen Baruch ben Meier. Es ist der Vater des großen Maharam von Rothenburg.
Ein anderer Grabhügel umschließt nach der schwer leserlichen Schrift des Steines die Gebeine des Rabbi Jacob Moellen, des 'Maharil'. Es ist, als ginge ein Singen und Klingen aus dieser Gruft. Das Singen unzähliger jüdischer Gotteshäuser auf dem Erdenrund, die dieser Meister des Minhag und Nigun Gott in Hymnen und Liedern ohne Worte zu loben gelehrt hat. Und andere und wieder andere, jedes Grab ein Kapitel, eine Welt, eine
                          Bilder aus Worms: Inneres der Raschi-Kapelle
Periode jüdischer Geschichte, ein Zeuge jüdischer Glanz- und Leidenszeit zugleich.
Hinter den wilden Laubbäumen an der Innenmauer senkt sich die Sonne. Die Zinnen des Domes im Hintergrunde leuchten blutig rot. Eine Kirchenglocke setzt hell und werbend ein. Es
                          Bilder aus Worms, Partie aus dem alten jüdischen Friedhof
ist nicht bloße Wehmut, mit der ich dieses alte heilige Gräberfeld verlasse, es ist Stolz und Weihe und das beglückende Bewusstsein mit dabei, dass mir diesen Männern noch andere Denkmäler gesetzt, anderswo überall, die nicht verwittern und deren Schrift nie verwischt wird, solange wir das Erbe der Großen verwalten dürfen.
Hier aber wuchert Geröll und treiben wilde Ranken in die Höhe auf steiniger öder Erde. -
Ich gehe zur alten Synagoge. Die Außenansicht ist alt (siehe Bild 6), ergreifend. Alte, graue Mauern, schief gedehntes Dach eines spätgotischen Bauernhauses, niedere Eingänge durch schwereiserne Kuppeltüren. Kleinscheibige, viereckige Doppelfenster. Über dem Haupteingang eine Tafel. Drinnen ist alter Reichtum (siehe Bild 7 und Bild 8). Viele mächtige Messingkandelaber mit gekrönten Adlerfiguren an der Spitze. Kostbares Brokat am Heiligenschrein. Ein alter silberner Leuchter in Männerraum (siehe Bild 9) fesselt den Blick. Eine große Anzahl herrlicher Schätze hat in dem jüngst eröffneten Jüdischen Museum ihr Alters- und Versorgungsheim gefunden. Und da oben, sagt mir der Kastellan, auf die tiefgrauen Gitterstäbe hinweisend, ist die Orgel. Ich erschrecke, ich hatte sie im Halbdunkel des geweihten Raumes gar nicht bemerkt.
Raschi, Maharam von Rothenburg, Maharil und – Orgel! -
Orgeltöne brausten damals, als die Dominikaner die Juden in Dom und Kirche zerrten. Glockengeläute durchzitterte die Luft und von drüben kam das Gebrause der Orgelpfeifen herüber, als sie sich hier in diesem alten Hause mit ihren Kindern versammelten zu ihren letzten Gebeten, zu ihrer letzten Vorbereitung für die Heiligung des göttlichen Namens (Märtyrertod, Anm. S.R.). Und sie schlossen     
Worms Israelit 03091925b.jpg (170177 Byte)die Ohren, dass sich fremde schrille Töne nicht in die Reinheit ihrer letzten heiligen Gebete mischten!…
Heute wird an Feiertagen dieser Großen und Heiligen in großer Seelenfeier gedacht, und es spielt dabei die Orgel aus dem geweihten Dunkel der Empore. In der Stadt Raschis, in der Synagoge des Maharil.
'In der Lade (Toraschrein, Anm. S.R.) ruht eine alte, heilige Rolle des Maharam…
Solche Geschmacklosigkeit, solche Sünde gegen den gefundenen Sinn und das ästhetische Empfinden', räsonierte ein Mann neben mir, ein Fremder in Loden und Rucksack und hutlos. Ein Mann, der, wie er sagte 'alles überwunden hätte', sich aber über die Sittenwidrigkeit , die technische Disharmonie, diesen Reformvandalismus ärgerte.
Mit wehem Herzen verließ ich das alte Gotteshaus und hätte am liebsten noch einmal Trost zwischen Gestein und Geröll der alten Gräber gesucht, wo frisches jüdisches Leben erblüht und erglüht für Israels Gemeinden auf dem weiten Erdenrunde.
In der Stadt Raschis allein ist das jüdische Lebe begraben – auf dem alten jüdischen Friedhofe…"
     
                      Bilder aus Worms – Grab des Alexander Süßkind Grab des Rabbi Meir von Wimpfen von Rothenburg
Unten
:                  Bilder aus Worms – Die alte Synagoge
                            Bilder aus Worms - Blick in die alte Synagoge
                            Bilder aus Worms – Die Frauen-Synagoge
                            Bilder aus Worms – Alter silberner Leuchter in der Synagoge 
Worms Israelit 03091925c.jpg (176847 Byte)    Worms Israelit 03091925d.jpg (219541 Byte) Worms Israelit 03091925e.jpg (65707 Byte)

*Anmerkungen: Wirmaisa: Hebräisch für Worms
- Jehuda Hachassid:  https://de.wikipedia.org/wiki/Juda_ben_Samuel
- Kinaus:  'Todbringende Horden mit dem Kreuze': siehe Artikel von 1876
- 'Rabbi Meir von Rothenburg nur eine Spur von Moder der Gefängnisse': https://schumstaedte.de/entdecken/grabstein-des-maharam/#view-0
- Tossafisten, Tossefoth: https://de.wikipedia.org/wiki/Tosafot
- Temo:
- Slichausbüchlein: https://de.wikipedia.org/wiki/Slichot
- Folianten: Zum Beispiel das Wormser Machsor https://de.wikipedia.org/wiki/Wormser_Machsor
- Leichensteine = Grabsteine
- Rabbi David ben Izchok Josef Oppenheim: https://de.wikipedia.org/wiki/David_Oppenheimer_(Rabbiner)   
- Rabbi Jakob Bachur:  https://de.wikipedia.org/wiki/Grabstein_des_Jakob_haBachur 
- Aw: https://de.wikipedia.org/wiki/Aw_(Monat)  
- 'Schreckensjahr 4856': siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Gezerot_Tatnu
- Rabbi Meir von Rothenburg: siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Meir_von_Rothenburg
- Alexander Süßkind aus Wimpfen: siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_ben_Salomon_Wimpfen
Rabbi Jakob Moellen (Maharil): siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Jakob_ben_Moses_haLevi_Molin
Minhag: siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Minhag_(Judentum)  
Nigun: siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Niggun 
Maharil: siehe oben unter Rabbi Jakob ben Moses haLevi Molin (= Rabbi Jakob Moellen).  
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Eröffnung eines "Jüdischen Museums"  -  Feier zum 300-jährigen Bestehen der Raschi-Kapelle  -  Publikation zu Raschi (1924)   

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Dezember 1924: "Worms am Rhein, 23. November (1934). Am vergangenen Sonntag wurde in Anwesenheit des Vorstandes der jüdischen Gemeinde, der Beamten und der Vorstände sämtlicher jüdischer Vereine ein 'Jüdisches Museum' eröffnet. - 
Zur Erinnerung an die vor 300 Jahren von David Oppenheim erbaute Raschikapelle fand am gestrigen Sabbate eine gottesdienstliche Feier statt. Aus diesem Anlasse ist auch bei Christian Herbst hier eine Schrift 'Raschi' von S. Rothschild erschienen, die ein Lebensbild des großen Mannes gibt und mit 5 Bildern geziert ist (Preis 1,50 Mark)."        

 
900-Jahrfeier der Synagoge in Worms (1934)     

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Mai 1934: "Worms. Am Sonntag, den 3. Juni (1934) kann die alte Synagoge von Worms auf ihr 900-jähriges Bestehen zurückblicken. Aus diesem Anlass findet in der Synagoge eine gottesdienstliche Feier im engen Kreise der Gemeindemitglieder statt. Wir werden auf das Jubiläum noch zurückkommen."    
   
Artikel in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 1. Juni 1934: 
"900-Jahrfeier der Wormser Synagoge. Am 3. Juni 1934 findet in Worms aus Anlass des 900-jährigen Bestehens der Synagoge ein Weihe-Gottesdienst statt. Die Synagoge, eine Stiftung des kinderlosen Ehepaares Jakob und Rahel, ist im Jahre 1034 vollendet worden. Sie spiegelt in ihrem Bau die wechselnden Schicksale der Wormser Gemeinde wider und bildet ein steinernes Dokument für die Verbundenheit der deutschen Juden mit deutschem Boden und deutschem Schicksal. Die Feier findet nur im Kreise der Gemeindemitglieder statt unter Teilnahme des Vorsitzenden der Reichsvertretung der deutschen Juden und einiger Vertreter jüdischer Korporationen. Der Weihe-Gottesdienst wird aus einer von musikalischen Vorträgen umrahmten Festpredigt bestehen. Aus Anlass dieses denkwürdigen Tages ist eine vom Gemeindevorstand veranlasste Gedenkschrift erschienen, die sich mit der Geschichte der Gemeinde und der Synagoge Worms befasst und an der namhafte jüdische Historiker Deutschlands mitgearbeitet haben.  
Im Geleitwort weist der Vorstand der Wormser Religionsgemeinde darauf hin, dass die Wormser Synagoge die einzige in Deutschland und wohl auch in Europa ist, die vom hohen Mittelalter - die Synagoge wurde 1034 vollendet - bis zur Gegenwart ihrer Bestimmung dient. Als Zeugnis für den ungebrochenen Lebenswillen der jüdischen Religionsgemeinschaft und für den Gottesdienst, der in ihr lebt und wirkt, rage sie aus alter Zeit in die Gegenwart hinein. Einst eine 'Mutter in Israel' so heißt es in dem Geleitworte, hat unsere Gemeinde in ihrer langen und ereignisreichen Geschichte große und glückliche Tage gesehen, aber mehr noch schwere, schmerzvolle Zeiten heroischen Leidens und bekenntnistreuen Martyriums. Diese große Vergangenheit legt ihr Pflichten auch für die Zukunft auf. Der unterzeichnete Vorstand glaubt, eine dieser Pflichten dadurch erfüllen zu können, dass er trotz der großen Sorgen und Nöten, die über das deutsche Judentum gekommen sind, das Jahr des 900-jährigen Bestehens der Synagoge durch Herausgabe einer Denkschrift ehrt und auszeichnet.   
Das Heft, das durch einen Vorspruch von Rabbiner Dr. Leo Baeck* über die Bedeutung des Gotteshauses als Künder bleibender Heimat eingeleitet wird, enthält eine von zahlreichen Illustrationen begleitete Beschreibung der Synagoge aus dem Werke von Richard Krautheimer* über 'Mittelalterliche Synagogen', einen Aufsatz des Nürnberger Rabbiners Dr. Max Freudenthal* über die Eigenart der Wormser Gemeinde, die unter Ablehnung französischer und östlicher Einflüsse frühzeitig einen eigenen deutschen Rituals ausbildete; Rabbiner Dr. Max Dienemann* schreibt über 'Die Geschichte der Einzelgemeinde'; die Rechtsstellung der Wormser Juden im Mittelalter behandelt Dr. Guido Kisch*, der Kölner Rabbiner Dr. Adolf Kober* hat einen Aufsatz 'Die deutschen Kaiser und die deutschen Juden' beigesteuert. Prof. Ismar Ellbogen* schildert Wirken und Bedeutung von drei hervorragenden Persönlichkeiten aus den ersten Jahrzehnten der Wormser Synagoge, des Rabbi Meier Ben Isaak*, des Rabbiners Isaak Halevi*, einer der Lehrer Raschis*, und Elieser Ben Isaak*, der den Beinamen der Große führte. Über den 'Wormser Reichsrabbiner Anselm' schreibt Oberbibliothekar Dr. Moritz Stern, der Wormser Rabbiner Dr. Isaak Holzer* schildert nach dem Minhagbuch des Juspa Schammes* Sitten und Gebräuche in der alten Wormser Judengemeinde. Schließlich enthält das Buch historische Beiträge von I. Kiefer*, Rabbiner Dr. S. Levi*, B. Rosenthal* und Rabbiner Dr. Paul Lazarus*."         * Anmerkungen: 
- Richard Krautheimer: https://de.wikipedia.org/wiki/Richard_Krautheimer und https://www.kunstgeschichte.uni-muenchen.de/forschung/ausstellungsprojekte/archiv/einblicke_ausblicke/biografien/krautheimer/index.html
- Rabbiner Dr. Leo Baeck: https://de.wikipedia.org/wiki/Leo_Baeck  und https://www.dhm.de/lemo/biografie/biografie-leo-baeck.html  und https://www.jmberlin.de/thema-leo-baeck
- Rabbiner Dr. Max Freudenthal: https://de.wikipedia.org/wiki/Max_Freudenthal
- Rabbiner Dr. Max Dienemann:https://de.wikipedia.org/wiki/Max_Dienemann
- Dr. Guido Kisch: https://de.wikipedia.org/wiki/Guido_Kisch
- Rabbiner Dr. Adolf Kober: https://de.wikipedia.org/wiki/Adolf_Kober  und http://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/adolf-kober-/DE-2086/lido/57c936666a8146.07984133
- Prof. Ismar Ellbogen: https://de.wikipedia.org/wiki/Ismar_Elbogen
- Rabbi Meier Ben Isaak: https://de.wikipedia.org/wiki/Meir_ben_Isaak
- Rabbi Isaak Halevi: https://de.wikipedia.org/wiki/Isaak_ben_Eleasar_ha-Levi
- Elieser Ben Isaak: https://de.wikipedia.org/wiki/Isaak_ben_Eleasar_ha-Levi
- Dr. Moritz Stern: http://steinheim-institut.de:50580/cgi-bin/bhr?id=2606
- Dr. Isaak Holzer: http://www.wormserjuden.de/Biographien/Holzer.html
- Minhag: https://de.wikipedia.org/wiki/Minhag_(Judentum)  
- Juspa Schammes: https://de.wikipedia.org/wiki/Juspa_Schammes
- I. Kiefer: https://de.wikipedia.org/wiki/Isidor_Kiefer
- Rabbiner Dr. S. Levi: https://de.wikipedia.org/wiki/Sali_Levi
- B. Rosenthal: https://de.wikipedia.org/wiki/Berthold_Rosenthal
- Rabbiner Dr. Paul Lazarus:  https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Lazarus_(Rabbiner) 
- Prof. Dr. Nathan Stein: https://de.wikipedia.org/wiki/Nathan_Stein_(Wirtschaftswissenschaftler).
    
    
Hinweis: der nachfolgende Artikel aus der konservativ-orthodoxen Zeitschrift "Der Israelit" enthält eine scharfe Kritik, da auch "in schwerer Zeit" zu dieser Feier Orgel und Damenchöre (beides wird von orthodoxer Seite streng abgelehnt) laut geworden sind.  
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Juni 1934: "Die 900-Jahrfeier in Worms. 
Worms
, 5. Juni (1934). Aus Anlass des 900-jährigen Bestehens der Synagoge zu Worms wurde am letzten Sonntag, 11 Uhr, eine 'Weihestunde' in der Synagoge abgehalten. Obwohl sie als Feier im internen Kreise der Synagogenmitglieder gedacht war, waren doch viele Gäste, besonders Rabbiner aus der hessischen, bayrischen und badischen Umgegend erschienen. Von der Reichsvertretung in Berlin war Rabbiner Dr. Leo Baeck* anwesend. Die Feier begann mit einem Orgelpräludium und schloss wiederum mit Orgelklängen und Damenchören in der Schul' von Raschi und im Andenken an diesen Großen und seine Zeit!  
Zwischen Orgelklängen und Damenchorgesängen wurden die Reden und Ansprachen gehalten, und es klang nicht gerade harmonisch, dass der Wormser Gemeinderabbiner, Dr. Holzer*, seiner Festpredigt den Ruf an Moses zugrunde legte: 'Streife deine Schule von Deinen Füßen ab, denn der Platz, auf dem Du stehst, ist heiliger Boden.' Das Bewusstsein, hier wirklich auf heiligem Geschichtsboden zu stehen, hätte die Herren, so sollte man glauben, wenigstens an diesem Tage heiligen Gedenken veranlassen sollen, dieses heilige Gedenken nicht durch fremde, die äußerste religionswidrige Assimilation verkündenden Klänge zu trüben.   
Eindrucksvoll war die Rede von Rabbiner Dr. Baeck*, Berlin, in der er betonte, dass Adel, von dem diese Stätte zeuge, kein Äußerliches, sondern immer ein Geistiges sei. Es sprachen noch die Herren Kommerzienrat Mayer, Mainz, Rabbiner Dr. Freudenthal*, Nürnberg, Dr. Nathan Stein*, Karlsruhe für den Badischen Oberrat und Sanitätsrat Dr. Nickelsburg Worms, der den Rednern und auswärtigen Vertretern dankte. Von den starken Impulsen, die aus solcher Gedenkfeier in schwerer Zeit hätten ausgehen können, erfuhr man nicht die Spur. Es war eine Stunde guter Musik und schönen Reden, weiter nichts. Neun Jahrhunderte  Worms sprechen auf die deutsche Judenheit ein, und sie wird sich diese Sprache anders zu deuten haben, als dies in der Wormser Synagoge am Sonntag geschehen ist."      
 
Artikel in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15. Juni 1934: "Die 900-Jahr-Feier in Worms
Die 900-Jahr-Feier am 3. Juni, die wir in unserer vorigen Nummer ankündigten, gewann durch die Zeitumstände eine über den Tag hinausgehende Bedeutung. Seit dem 4. Jahrhundert sind Juden und Judengemeinden in Deutschland urkundlich nachweisbar. Ihre Verwurzelung in deutschem Boden und ihr Heimatrecht hat bis vor kurzem niemand bestritten. Die Feier in Worms erinnerte an das deutsch-jüdische Dasein, an seine Auszeichnung durch Geschichte und Schicksal seit unvordenklicher Zeit. Die Ansprachen waren in diesem Sinne gehalten. Der Vorsitzende der Reichsvertretung, Rabbiner Dr. Leo Baeck führt u.a. aus:
'Wenn eine Stätte 900 Jahre besteht, zu uns spricht, dann hört sie auf, ein bloßer Anblick zu sein, dem sich das Auge zuwendet. Dann wird sie ein Sinnbild für das, was mehr ist als Zeit und Jahrhunderte, was auf ein Bleibendes im Wandel der Geschichte hinweist. Neun Jahrhunderte, das bedeutet Adel. Und wenn wir uns vom Sinnbild des Tages zum Sinnbild des Bleibenden hinwenden, wenn in solchen Tagen ein Verlangen in uns lebendig wird, dann ist es das Verlangen nach Adel, nach Noblesse. Adel ist ein Geistiges. Bleiben wir 'Adlige', vergessen wir nicht, was das bedeutet, dass Generationenreihen eines Adels, der verpflichtet, aus den Jahrhunderten, zu uns sprechen.
Noch ein anderes bedeutet uns die Stätte als Sinnbild. In ihr und durch sie ist ein Bund geschlossen worden zwischen Heimat und Geist. Heimat, das ist der gemeinsame Boden, der die Tausende trägt und nährt, Geist ist das Mannigfache, die besondere Weise des Menschen. Diese einmal geschehene Verbindung von deutschem Boden und jüdischem Geist wird uns bleiben, wohin immer unser Weg uns führen möge. Die Reichsvertretung der deutschen Juden weiß sich innig verbunden mit dem Geist von Worms und Speyer und Mainz, diesem Adelsstolz der deutschen Juden, dem Geist der Gemeinschaft.
Rabbiner Dr. Freudenthal* (Nürnberg) überbrachte die Grüße des bayerischen Landesverbandes. Er zitierte die Verse Karl Wolfskehls:
'Manchmal in sternhellen Mitternächten
Höre ich die Pulse meiner Ahnen schlagen.
Der Helden, der Händler, der Weisen der Welt
Und die Wellen meines Blutes tragen
Mir ihr Raunen und ihr dunkles Sagen
In meines Herzens offnes Zelt.'

Die Helden des Lebens und die Helden des Sterbens, so fuhr er fort, sie waren in Worms zahlreich, und sie waren überwiegend Händler, kleine und große Kaufleute, einige von ihnen reich, die meisten bürgerlich bescheiden. Vor dem Niedergang der Moral wurde die Judengasse bewahrt durch die Weisen, die in ihr lebten, durch die echten Weisen von Zion*, die ihre Lehre durch das Leben bestätigten, deren Weisheit ein fast immer mühseliges und armseliges Dasein innen her erhob. Sichtlich ergriffen legte dann der Redner, der seine Gymnasialausbildung in Worms erhalten hat, ein Bekenntnis zu seinem Lehrer ab, dem 'letzten heimgegangenen Rabbi aus dieser Reihe der Weisen von Worms', Dr. Alexander Stein*, dessen Sohn, der Vorsitzende der badischen jüdischen Gemeinden, Prof. Dr. Nathan Stein (Karlsruhe) anschließend mit tiefer Bewegung und trotz der naheliegenden Reminiszenzen persönlicher Art mit nobler Zurückhaltung die Grüße seines Verbandes überbrachte."
*Anmerkungen: - Rabbiner Dr. Max Freudenthal: https://de.wikipedia.org/wiki/Max_Freudenthal
- ..durch die echten Weisen von Zion': Anspielung auf das antisemitische Pamphlet 'Die Weisen von Zion': https://de.wikipedia.org/wiki/Protokolle_der_Weisen_von_Zion
- Rabbiner Dr. Alexander Stein: https://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_Stein_(Rabbiner) und http://www.alemannia-judaica.de/worms_rabbiner_lehrer.htm#Zum%20Tod%20von%20Rabbiner%20Dr.%20Alexander%20Stein%20(1914 )  und  https://archive.org/details/bub_gb_t3c7AQAAMAAJ/page/n39/mode/2up?ref=ol&view=theater.  
   
 
Vgl. auch den Beitrag in der "Central-Zeitung" vom 31. Mai 1934: "900 Jahre Wormser Synagoge".
Online zugänglich https://ufdc.ufl.edu/AA00000359/00001
Mit einer Sonderbeilage der "Central-Zeitung" "900 Jahre Synagoge Worms" und den Beiträgen:
-  Haus des Schicksals von S. K.
-  Raschi von Fritz Bamberger
-  Geschichte der Wormser Gemeinde von Dr. Rosy Bodenheimer
-  Die Wormser Judengemeinde - heute   von Dr. Hermann Gundersheimer
-  Alte jüdische Familien in Worms   von Dr. Guggenheim (Offenbach) 
-  Illustrationen von Henriette Mannheimer   

    
Die Rede von Rabbiner Dr. Leo Baeck zur Neunhundertjahrfeier der Wormser Synagoge (1930)        

Artikel in der "Gemeindezeitung für die Israelitischen Gemeinden Württembergs" vom 1. Juli 1934: "Volk auf dem Boden der Ewigkeit.
Die Rede Rabbiner Dr. Leo Baecks zur Neunhundertjahrfeier der Wormser Synagoge.

Wenn eine Stätte, die neunhundert Jahre besteht, zu uns spricht, dann hört sie auf, ein bloßer Anblick zu sein, dem sich das Auge zuwendet. Dann wird sie ein Symbol, ein Sinnbild. Sie kündet von dem, was auf ein Bleibendes im Wandel der Geschichte hinweist. Neun Jahrhunderte, das bedeutet Adel. Und wenn es uns in diesen Tagen ein Bedürfnis wird, vom Bild des Tages zum Sinnbild des Bleibenden uns hinzuwenden, uns über den Tag zu erheben, Jahrhunderte zu uns sprechen zu lassen, wenn in solchen Tagen ein Verlangen in uns lebendig wird, dann ist es das Verlangen nach Adel, nach Noblesse.
Vom deutschen jüdischen Adel spricht diese Stätte. Adel ist kein Äußerliches. Adel ist immer ein Geistiges. In jedem Land und in jeder Zeit und Geschichte hat es Auseinandersetzungen und Kämpfe zwischen Menschen verschiedener Art und verschiedenen Gepräges gegeben. Jede Auseinandersetzung ist schließlich zum Segen geworden, wenn sie erfüllt und belebt war von Adel, von Noblesse, wenn Adelswille und Adelsfähigkeit aus ihr sprechen. 
Wir deutschen Juden, wir sollten es uns, und nicht zum mindesten in diesen Tagen, so gesagt sein lassen. Vergessen wir nicht, was es bedeutet, dass Generationsreihen eines Adels, der verpflichtet, eines Adels aus neun Jahrhunderten, zu uns spricht. - Adel der deutschen Juden: Das ist das Symbol, das in dieser Stunde sich an unser Denken wendet.
Und neun Jahrhunderte des Gotteshauses: Sie bedeuten Heimat. Ein Bund ist in dieser Stätte und durch sie geschlagen, der Bund zwischen Heimat und Geist. Heimat ist der gemeinsame Boden, der diese Tausende von Menschen trägt und nährt: Geist ist das Mannigfache und verschieden Geformte, die besondere Weise des Menschen. Das ist das Bündnis, aus dem alles Große und Bleibende hervorgegangen ist, dieser Bund zwischen Heimat und Geist, zwischen dem Boden und diesem Geprägten, diesem Besonderen. Das ist es, was uns als Eigenes gegeben ist und uns bleiben wird, wohin immer ein Schicksalsweg uns führen möge – diese Verbindung von deutschem Boden und jüdischem Geist.
Ein Weiteres ist das Sinnbildhafte, das Symbolische aus dieser Stunde. Worms, 'jüdisches Worms': Es hat die Bedeutung erlangt: Sinn für die Gemeinschaft, Sinn für Ordnung. Und Ordnung bedeutet immer Einordnung und Unterordnung. Ein deutscher Jude, dem eine Partei, eine Genossenschaft mehr gilt als dieses große Ganze, als dieses Gemeinsame, das die Zeit der Not doppelt und dreifach fordert, der ist kein deutscher Jude, der ist dem Geist von Worms untreu geworden. Ja, das ist Worms, das jüdische Worms für uns, das ist das Gebot für uns, das aus dem Symbolischen dieser Stunde zu uns spricht – Einheit, Gemeinschaft, die Kraft, sich einordnen, sich unterordnen, das Kleine als klein erkennen und das Kleinliche damit überwinden und sich einfügen in das Große, das gemeinsame Ganze. Das ist der Geist von Worms.
Darum haben die Wünsche voller Dankbarkeit und Verehrung, die die Reichsvertretung der deutschen Juden der Gemeinde Worms, der Hüterin dieser Stätte, der Hüterin ihres Symbolhaften, der Hüterin ihres Geistes, darbringen will, ihr ganz Persönliches                                   
und ihr Eigenes. Denn das soll und will die Reichsvertretung der deutschen Juden sein: Verwirklichung des Geistes des jüdischen Worms, des Geistes von Mainz und Worms und Speyer, dieses Adelsstolzes der deutschen Juden. Wenn irgendjemand, so darf die Reichsvertretung der deutschen Juden mit dem wahren Worms, dem Worms, von dem diese neun Jahrhunderte sprechen, sich innig und innerlich verbunden wissen.
Es ist eine eigene Stimmung, die aus diesen Tagen an dieser Stätte uns ergreift. Wenn es zu uns spricht, dieses Gotteshaus zu uns deutschen Juden, dann sind wir in der Seele gewiss, gewiss in Bewusstsein unseres Adels, gewiss im Bewusstsein des Bundes von Geist und Boden, gewiss in unserem Willen zur Einheit und zur Gemeinschaft. Dann werden wir auch das Wort sprechen dürfen, das vielleicht so stolz klingt, aber doch tiefste Demut ist:
'Ein Geschlecht geht und ein Geschlecht kommt, aber das Volk, das auf dem Boden der Ewigkeit steht, Israel, wird immer bleiben.'
Das ist das Wort aus neun Jahrhunderten, die aus dieser Stunde zu uns sprechen.'"
Anmerkung: zu Rabbiner Dr. Leo Baeck siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Leo_Baeck .    

   
Das "Raschi-Tor" soll nach dem Willen von Nationalsozialisten in "Klaus-Selzner-Tor" umbenannt werden (1933)    

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Dezember 1933: "Worms. In der Wormser 'Volkszeitung' fordert der nationalsozialistische Pressewart von Worms-West, dass das vor vielen Jahrzehnten nach Raschi benannte Stadttor künftighin den Namen von 'Klaus Selzner' tragen soll, da dieser sich schon 'vor Jahren gegen den Judengeist in Worms gewandt hatte'."            

    
Die Orgel in der Synagoge wurde stillgelegt (1938)    

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Juli 1938: "Man schreibt uns aus Worms:
'In der uralten Gemeindesynagoge Worms wurde die Orgel stillgelegt. Es gehörte zu den – gelinde gesagt – besonderen Geschmacklosigkeiten des vergangenen Zeitalters, dass man in die alte Raschischul (Synagoge, in der Raschi wirkte, Anm. S.R.) eine Orgel einbaute. Nun hat die Zeit ein Ärgernis von 70 Jahren abgeschafft. Besonders in den letzten Jahren, nachdem das polnische Minjan* zu bestehen aufgehört hatte, gab die Orgel genug Anlass zu Konflikten. Die Umstände, die das Verstummen der Orgel bedingte, sind für die toratreuen Juden unserer altehrwürdigen Synagoge in dieser schweren Zeit eine kleine Aufmunterung. An die Seite der großen Gemeinde Zürich* kann sich nunmehr auch die alte Gemeinde Worms stellen.
Wir registrieren dieses Ereignis mit Genugtuung und in der Hoffnung, dass mit der Orgel auch alles Andere aus Gemeinde und Synagoge verschwindet, was an die Zeitverirrungen* zu Anfang und um die Mitte des vorigen Jahrhunderts erinnert."
*Anmerkungen: - Minjan: https://de.wikipedia.org/wiki/Minjan 
- Zürich: in Zürich wurde die Orgel 1937 aus der Synagoge entfernt, siehe Artikel
- Zeitverirrungen: Gemeint ist die Reformbewegung des 19. Jahrhunderts innerhalb des Judentums mit Orgelmusik, gemischtem Chor u.a.m. im Gottesdienst, vgl. Text unten.
            

 
Artikel zum Abschied von der Orgel in der Synagoge (1938)      

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Juli 1938:  "DAS EPILUDIUM
Im Herbst 1812 spielte zum ersten Mal eine Orgel bei einem jüdischen G'ttesdienste in Deutschland, und zwar in Seesen*, der Reformresidenz Israel Jacobsons*. Einige Jahre später hörte man die Orgelklänge in einer Privatsynagoge zu Berlin, die wieder verstummten, als durch königliches Dekret verfügt wurde, dass an den alten jüdischen Bräuchen beim G'ttesdienste nicht zu drehen und zu deuteln sei. 1817 zog die Orgel zum ersten Mal in eine Gemeindesynagoge ein und zwar in die des Neuen Israelitischen Tempelvereins zu Hamburg*.
Heute, nach 120 Jahren, wird in vielen Gemeinden, zuletzt in Worms, Abschied von der Orgel gehalten. Sollte nicht dieser Wandel Anlass geben zu richtigem Umlernen?
Das Orgelspiel vor über hundert Jahren war ein Präludium für andere tiefgreifende Reformen. Bald hörte man, der alte Messias werde weder erwartet noch gewünscht, die messianische Zeit sei mit der Emanzipation angebrochen. In einer Gemeinde wurde der neunte Aw* mit Lichtern und Liedern begangen: Heute drängen sich in der gleichen Stadt aus dem ganzen Lande die Enkel derer, für die mit der Emanzipation der Messias gekommen war, vor dem amerikanischen Konsulat, um die Erlaubnis zum Betreten neuen Heimatbodens zu erhalten, und in einer großen liberalen Gemeinde kehrt man zur Estherrrolle und den alten Kinaus im Urtexte zurück.
In dem Sichaufstemmen der alten Rabbiner gegen jene Abkehr vom alten Bund und von den altgeheiligten Formen sieht ein Geschichtler unserer Zeit 'den Schwanengesang des alten Rabbinertums, der die ganze Hilflosigkeit seiner Vertreter zeigte, welche nur in ihren Büchern lebten, aber keinerlei Kenntnis davon gewonnen hatten, dass die Menschen ihrer Tage sich denkmündig fühlten.' (Ismar Elbogen*, Geschichte der Juden in Deutschland).
Lebten die Alten heute noch, sie würden gewiss nicht triumphieren und sich selbstgerecht auf die Brust schlagen, sie würden umgekehrt, gleich dem Propheten Jirmijahu* heiße Tränen haben für die, die sich nicht warnen noch raten ließen, und sagen: 'Noch ist's Zeit!'
Vielleicht hätten die Alten – sie hatten einmal die Schwäche, 'in Gedanken aus alten Büchern zu operieren', wie sich jener Geschichtler auszudrücken beliebt – mit Rabbi Schimeon ben Jochi* (Midrasch Schmuel Kap. 13) jene Sätze aus Hosea 3 für ihren Rückruf verwendet, die unsere Situation und unser Leben bis ins Innerste treffen.
G'tt hat dem Propheten Samuel* vorausgesagt, so sagt R.(abbi) Schimeon, dass sich Israel in der Zeitenfolge einer dreifachen Auflehnung schuldig machen wird: Auflehnung gegen das Reich G'ttes, Auflehnung gegen das Davidische Haus, Abkehr vom heiligen Tempel. Es kommt aber die Zeit, - es wird die unmittelbar vor der Erlösung sein, - dass Israel G'tt wieder sucht, die Treue zum Davidischen Hause erneuert und sich nach dem Heiligtume sehnt, wie es im Hosea 3 heißt: (hebräisch und deutsch) 'Nach all dem kehren Israels Söhne zurück und sie suchen G'tt ihren G'tt und David ihren König    .         
und sie zittern G'tt und seiner Güte entgegen, am Ende der Tage!'
Wir haben die dreifache Abkehr in den hundert Jahren Emanzipation nacheinander erlebt. Es begann, gleich nach dem Tode von Mendelssohn, mit der Abkehr von G'tt, mit der Assimilation bis zur Mischehe und zum Taufbecken. Es folgte eine Abkehr vom davidischen Hause und vom heiligen Tempel, mit der Streichung aller Gebete, die vom Messias, von Zion und Jerusalem und vom Bes Hamikdasch (Tempel in Jerusalem) sprechen. Das Orgelpräludium, dass diese Ära einleitete, übertönte laut alle Mahnrufe, alle Warnungen, nicht allzuweit vom Vaterhause abzuirren, Irrlichtern entgegen. Wir hören nun das Epiludium! . . .
Wir sind nicht so optimistisch, um in den obengenannten kleinen Rücketappen die volle Einkehr und Umkehr zu begrüßen. Allein Hosea verstehen wir: (hebräisch und deutsch) nach all dem kehren sie um, (hebräisch 'und sie suchen'), ein Suchen nach G'tt ist es mindestens, ein Suchen nach Halt und Lebensinhalt, ein Suchen nach Heiligkeit, wenn auch Suchen noch nicht letztes Finden ist.
(hebräisch und deutsch) Und David ihren König. Man bekennt sich wieder zu David, zu einer jüdischen Hoffnung und einer jüdischen Zukunft, die an den Messias aus dem Hause Davids anknüpft. Man weiß wieder um die Trauer des neunten Aw* und weiß, dass die Orgelregister die alten hebräischen Klagelieder nicht übertönen können. Als Symptom, als ein (hebräisch 'und sie suchen'), als eine Hoffnung mindestens, wollen wir dieses noch leise Aufdämmern der besseren Erkenntnisse begrüßen.
(hebräisch 'und sie zittern G'tt und Seiner Güte entgegen'): Man zittert Gott und dem von ihm kommenden Glück entgegen. Es wäre wohl besser gewesen, und es war der Wille G'ttes, dass (hebräisch: 'sie kommen zum Zion mit Jubel'), dass wir in Jubel den Gang nach Zion antreten. Wir waren nicht stark und würdig genug für den Jubelzug, so zittern wir nun den letzten g'ttlichen Zielen entgegen. Es sind letzte Ziele am Ende der Tage.
Wir triumphieren nicht. Nicht mit der Freude des Selbstgerechten, aber mit einer gewissen Hoffnung hören wir das uns von allen Seiten entgegentönende Epiludium!"
  * Anmerkungen:  - zu Seesen vgl. Seite über den "Jacobstempel" in Seesen: https://www.stadtverwaltung-seesen.de/?object=tx,1601.131.1 
- Israel Jacobson: siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Israel_Jacobson   http://www.juedischegeschichte.de/html/jacobson-schule.html   https://jacobson.haus/schulgeschichte/
- Israelitischer Tempelverein Hamburg siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Israelitischer_Tempel_(Hamburg)   
- Neunter Aw: https://de.wikipedia.org/wiki/Tischa_beAv
- Estherrolle: https://www.rdklabor.de/wiki/Estherrolle
- Ismar Elbogen: https://de.wikipedia.org/wiki/Ismar_Elbogen
- Jirmijahu: https://de.wikipedia.org/wiki/Jeremia
- Rabbi Schimeon ben Jochi: https://de.wikipedia.org/wiki/Schimon_ben_Jochai
- Midrasch: https://de.wikipedia.org/wiki/Midrasch
- Hosea: https://de.wikipedia.org/wiki/Hosea
- Samuel: https://de.wikipedia.org/wiki/Samuel_(Prophet) 
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 Bericht über den Zustand der Synagoge und der Mikwe nach Kriegsende (1945)   

Artikel in der Zeitschrift "Aufbau" vom 22. Juni 1945: "Worms' jüdische Heiligtümer gerettet!  
Eine Nachricht, die alle jüdischen Herzen beglücken wird, kommt aus Worms. Die uralte, mittelalterliche Stadt am Rhein, Jahrhunderte hindurch als 'Klein-Jerusalem' bekannt, weil in ihren Mauern ein Raschi studierte und lehrte, der größte aller jüdischen Bibel-Kommentatoren, und seine Synagoge die älteste auf dem europäischen Kontinent war, hat die meisten ihrer unschätzbaren jüdischen Heiligtümer und Reliquien retten können.  
Die alliierte Militärregierung hatte in ihrem Katalog der seltenen und kostbaren Gegenstände die jüdische Museumssammlung in Worms bereits als verloren oder zerstört aufgeführt. Als jedoch Major M.A. Braude* aus Chicago, jüdischer Feldkaplan der 7. amerikanischen Armee, die historische Stadt am Rhein betrat, ging er sofort auf die Suche nach der Raschi-Synagoge und der Sammlung des jüdischen Museums. Er ermittelte den Kurator des städtischen Museums und erfuhr, dass dieser schon Jahre zuvor verschiedene jüdische Kostbarkeiten vor den Nazis zu retten vermocht hatte. Der Kurator* zeigte Major Braude* das Versteck im Museumsgarten. Dort stand der weltberühmte Raschi-Stuhl unversehrt. Und unbeschädigt fanden sich auch die Portale der Männer-Synagoge aus dem 12. Jahrhundert.  
Dann führte der Kurator den Major nach dem Rathaus durch mehrere dunkle, unterirdische Keller und Gänge und brachte ihn nach dem Versteck, wo er den unschätzbaren Machsor* aus dem Jahre 1272 verborgen hatte. Er war, bis auf ein paar Wurmlöcher im Pergament, in ausgezeichneter Verfassung. Im gleichen Versteck lagen die kaiserlichen Patente und Privilegien aus dem 15. und 16. Jahrhundert, ebenfalls in bemerkenswert gutem Zustande.  'Der Wormser Kurator hat Großes getan, indem er die Hauptstücke der Sammlung verbarg und rettete', erklärte Major Braude. 'Diese Reliquien sind jetzt nach Paris geschickt worden und werden dort an sicherer Stelle aufbewahrt, bis eine endgültige Entscheidung darüber getroffen ist, wohin sie für ihre künftige Erhaltung gebracht werden sollen.'   
Major Braude begab sich dann zur Raschi-Synagoge zurück, wo man mehrere Fuß tief unter Trümmern vergraben, Kisten mit Torarollen, Torakronen und die im Gefängnis von Rabbi Meir aus Rothenburg geschriebene Tora fand. Man hofft, durch weitere Ausgrabungen, die bereits im Gange sind, noch andere wertvolle Funde zu machen.  
Die Fundamente der 1213 erbauten Frauensynagoge stehen noch, und die 'Mikvah', das 1186 erbaute rituelle Frauenbad, ist intakt geblieben, wenn auch noch durch Trümmer zugedeckt. Die Gräber und Grabsteine von Rabbi Meir aus Rothenburg ('Maharam') und anderen mittelalterlichen jüdischen Gelehrten haben den Nazismus überdauert. Leider aber ist die Sammlung von 600 Torabändern, auf denen die Namen und Geburtsdaten von Generationen Wormser Juden eingestickt waren, verloren gegangen, wahrscheinlich durch Zerstörung." 
*Anmerkungen: - zu Major M.A. Braude: https://www.encyclopedia.com/religion/encyclopedias-almanacs-transcripts-and-maps/braude-max  und
https://www.klinebooks.com/pages/books/28769/n-a/wwii-passover-archive-five-items-from-u-s-army-chaplain-max-a-braudes-1945-seder-service-unique
- Wormser Machsor: https://schumstaedte.de/entdecken/wormser-machzor/  und https://de.wikipedia.org/wiki/Wormser_Machsor
- Der Kurator war Friedrich Maria Illert: https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Maria_Illert
- Zu Rabbi Meir von Rothenburg: https://de.wikipedia.org/wiki/Meir_von_Rothenburg
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Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte sowie weitere Berichte  

Januar 2009: Aktuelles aus der Arbeit des Raschi-Hauses   
Artikel vom 27. Januar 2009 in der "Wormser Zeitung" von Susanne Müller (Artikel): 
Begehrliche Blicke aufs Haus zur Sonne - Jüdisches Museum im Raschi-Haus kämpft mit Platzmangel / Neue Serie startet
Worms blickt auf eine lange Geschichte zurück, die in den Museen der Stadt erschlossen werden kann. Wie steht es mit den Kultureinrichtungen? Wie ziehen sie Bilanz, welche Wünsche und Projekte haben sie für die Zukunft? Heute ist das Jüdische Museum im Raschi-Haus im Fokus..." 
 
Mai 2010: In Worms werden zum fünften Mal "Stolpersteine" verlegt   
Pressemitteilung der Pressestelle der Stadt Worms vom 26. April 2010: "Stolperstein für Herta Mansbacher - Veranstaltung von Warmaisa
Eigentlich ist es erstaunlich, dass bereits zum fünften Mal Stolpersteine in Worms verlegt werden und Herta Mansbacher noch nie dabei war, vielleicht, weil schon die Anlage am ehemaligen Juxplatz nach ihr benannt wurde und auch ihre ehemalige Schule, die Westendschule, durch eine Tafel am Haupteingang an sie erinnert. Doch am Montag, den 3. Mai, ist es soweit..."   
  
Juni 2010: Besuch des in Worms geborenen Walter Gusdorf in seiner Heimatstadt   
Artikel von Ulrike Schäfer in der "Wormser Zeitung" vom 11. Juni 2010 (Artikel): "Lebhafte Erinnerungen.
- WORMS. RUNDGANG Holocaust-Überlebender Walter Gusdorf besucht Worms mit seinen Angehörigen. 

Was bewegt einen Mann wie Walter Gusdorf, wenn er mit seinen Söhnen und seinem Enkel in die alte Heimat kommt, und was zeigt er ihnen? Walter Gusdorf ist nicht irgendwer, er ist einer der wenigen Wormser Juden, die den Holocaust überlebt haben..."   
  
April 2011: In Worms sind nun 77 "Stolpersteine" verlegt  
Artikel von Gernot Kirch im "Nibelungen-Kurier" vom April 2011 (Artikel): "Stolpersteine wider das Vergessen des NS-Terrors
Insgesamt 77 sogenannter Stolpersteine erinnern mittlerweile in Worms an die Vertreibung und Vernichtung von Juden durch die Nationalsozialisten

Es war die sechste Verlegung von Stolpersteinen in Worms durch den Verein Warmaisa. Damit ist die Zahl der mit einer Messingplatte versehenen Stolpersteine seit Donnerstag von 65 auf 77 angewachsen..."  
    
Juni 2011: Ermittlungen zu dem Anschlag auf die Synagoge im Mai 2010 werden eingestellt  
Pressemitteilung vom 16. Juni 2011: "Mainz/Worms. Ermittlungen nach Synagogen-Anschlägen eingestellt
Die Brandanschläge auf die Synagogen in Mainz und Worms bleiben wohl ungeklärt. Die Staatsanwaltschaft Mainz hat die Ermittlungen in beiden Fällen eingestellt. Man habe keinen Täter ermitteln können, teilte die Behörde am Donnerstag mit
.
Im Hintergrund die von dem Brandanschlag in Mitleidenschaft gezogene Wormser SynagogeIn Worms war im Mai 2010 mit einem Brandbeschleuniger an mehreren Stellen des jüdischen Gotteshauses Feuer gelegt worden. Der Brand konnte schnell gelöscht werden, der Schaden hielt sich in Grenzen."   

  

November 2011: Anlässlich des 50. Jahrestages der Wiedereinweihung der Wormser Synagoge: Festschrift von 1961 wird neu aufgelegt   
Zum 50. Jahrestag der Wiedereinweihung der Wormser Synagoge erscheint im Worms-Verlag ein erweiterter Nachdruck der Festschrift von 1961. 
Kernstück sind die damaligen Forschungen zur Synagoge durch Professor Otto Böcher, die ergänzt wurden durch einen Aufsatz von Dr. Gerold Bönnen zur Zeit nach 1961 bis heute, dazu kommt eine aktuelle Bibliografie sowie der Festvortrag von Dr. Anthony D. Kauders, den er bei der Feierstunde am Donnerstag, 1. Dezember, halten wird. Im Anhang finden sich Quellentexte von 1961 und 1934. 
Das Buch kann bereits jetzt zum Preis von 24,90 Euro im Worms-Verlag (Telefonnummer 0 62 41 / 20 00-3 14, oder unter berthold.roeth@kvg-worms.de ) bestellt werden. Erhältlich ist das Buch auch am 1. Dezember Uhr nach der öffentlichen Buchvorstellung in der Synagoge." . 
  
1. Dezember 2011: Feier des 50. Jahrestages der Wiedereinweihung der Wormser Synagoge   
Artikel von Ulrike Schäfer in der "Wormser Zeitung" vom 1. Dezember 2011: 
"Früh an Aufbau gedacht: Schon 1946 erste Pläne für Wormser Synagoge...
Link zum Artikel.     
Interview von Ulrike Schäfer mit Stella Schindler-Siegreich in der "Wormser Zeitung" vom 1. Dezember 2011:  
"Vorsitzende Stella Schindler Siegreich über die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Worms..."  
Link zum Artikel
Artikel von Johannes Götzen in der "Wormser Zeitung" vom 2. Dezember 2011: 
"Gedenken und Mahnen in Worms - Synagoge steht seit 50 Jahren wieder..."  
Link zum Artikel.    
 
Januar 2014: Fragment von Stifterinschrift gefunden   
Pressemitteilung vom 21. Januar 2014 (dpa): "Worms: Fragment von Stifterinschrift gefunden. 
Worms. Nach mehr als 300 Jahren ist ein verschollen geglaubtes Fragment der Wormser Synagoge wieder an den Rhein zurückgekehrt. Der Teil einer steinernen Stifterinschrift der Frauensynagoge war 2013 in Schweden gefunden worden, wie die Stadt am Dienstag mitteilte. Auf dem 40 mal 25 Zentimeter großen Stück ist der Anfang der ersten sechs Zeilen zu lesen. Wie genau das Fragment nach Schweden gelangt ist, kann sich auch Irene Spille vom Institut für Stadtgeschichte nicht erklären. "Die Inschrift wurde im pfälzischen Erbfolgekrieg 1689 beschädigt", berichtete Spille auf dpa-Anfrage. Danach sei es verschwunden. "  
 
November 2016: Die Wormser Mikwe muss restauriert werden  
Pressemitteilung vom 14. November 2016 (dpa/lrs): "Worms: Mikwe muss saniert werden. 
Worms.
Die 1185 entstandene Wormser Mikwe soll in den kommenden Jahren restauriert werden. Das teilten die Stadt Worms und Susanne Urban, Geschäftsführerin des Vereins 'SchUM-Städte Speyer, Worms, Mainz' am Montag mit. Das historische Ritualbad gilt als bedeutendes bauliches Zeugnis jüdischen Lebens in Mitteleuropa.
Laut mehrerer Gutachten befindet sich das Mauerwerk in labilem Zustand. So gebe es etwa durch Feuchtigkeit hervorgerufene Schäden; außerdem Risse und Verformungen. 'Wir gehen davon aus, dass die notwendige Sanierung zwischen 800 000 Euro und 1,5 Millionen Euro kosten wird', sagte Urban am Montag. Noch sei unklar, inwieweit Geld von Stiftungen und aus Bundesmitteln beigesteuert werden kann. 'Ich bin zuversichtlich, dass die Finanzierung bei einem so bedeutenden Kulturdenkmal kein Problem sein wird', sagte Urban. Der Oberbürgermeister von Worms, Michael Kissel (SPD), wies auf die Bedeutung der Mikwe und des jüdischen Erbes für den Unesco-Welterbe-Antrag hin: 'Das jüdische Ritualbad ist als wertvolles Kulturdenkmal wesentlicher Bestandteil des Welterbeantrages', sagte der Rathauschef. (dpa/lrs)."   
 
Vgl. Artikel in der "Wormser Zeitung" vom 28. September 2016: "Die Mikwe in Worms, das jüdischer Kultbad neben der Synagoge, befindet sich in einem sanierungsbedürftigen Zustand..." 
Link zum Artikel  
 
November 2016: Die Sanierung der Mikwe braucht bis zu zehn Jahre  
Artikel von Susanne Müller in der "Wormser Zeitung" vom 14. November 2016: "Sanierung dauert bis zu zehn Jahre: Mikwe in Worms ab Dienstag geschlossen
Morgen wird sie geschlossen - die Mikwe. Bis zu zehn Jahre wird es dauern, bis das erheblich geschädigte jüdische Ritualbad im Wormser Synagogengarten saniert ist. Die Stadt investiert bis zu 750.000 Euro.
WORMS -
Etwa 35.000 Touristen und Besucher jüdischen Glaubens besuchen pro Jahr die Synagoge und auch die Mikwe, das Ritualbad aus dem Jahr 1185/86. Ab sofort ist das nicht mehr möglich. Das historische Bad bleibt wegen umfangreicher Renovierungsmaßnahmen geschlossen – bis zu zehn Jahre. Für erste Sicherungsmaßnahmen müssen 135.000 Euro ausgegeben werden, OB Michael Kissel schätzte am Montag, dass alle noch notwendigen Arbeiten mit bis zu 750.000 Euro zu Buche schlagen werden. Denn der historische Bau, der im Synagogenbezirk acht Meter tief in den Boden reicht, bis an das für Menschen jüdischen Glaubens so wichtige 'lebendige Wasser', das Grundwasser, muss in fünf Schritten umfassend saniert werden. Die Stabilität ist gefährdet, aus den Fugen und von den Steinoberflächen bröckelt es, ganze Steine sind locker. Durch den Bodendruck hat sich im untersten Raum des Wasserbeckens eine Delle in der Wand nach innen gebildet. Noch nie wurden an dem Ritualbad größere Restaurierungsarbeiten durchgeführt, nach Kriegszerstörungen gab es im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau der Synagoge allenfalls Um- und Wiederaufbauten, vor allem an der Treppe in den Jahren 1957 bis 1961. Architekt Jürgen Hamm erläuterte bei der Vorstellung der Sanierungsmaßnahmen den Verlauf der Arbeiten über die Jahre. Seit einigen Jahren seien schon Voruntersuchungen gelaufen, so Hamm, die nun kommende Restaurierung erfolge in fünf Schritten. Ab sofort werden Sicherungsmaßnahmen erfolgen, 'das geschwächte Gefüge wird gesichert' – mit Balken, Spießen und Stützen. Es bestehe die Gefahr, dass sich Steine lösten oder auch Sandstein abbreche. Dann beginnen Untersuchungen zur Konsolidierung des Mauerwerks. Dies alles werde, so Hamm, wohl bis zum Herbst 2017 dauern.
Zerfall prüfen. Alle anderen Arbeiten brauchten dann sehr lange Zeit. In einem der umfangreichsten Abschnitte stehe die Mikrobiologie im Vordergrund. Hier werde es Jahre brauchen, um zu schauen, wie weit etwa der Oberflächenzerfall fortgeschritten sei. 'Es gibt im ganzen Bau organische Schichten, die Putze schädigen – wir haben es auch mit gesundheitlichen Problematiken, mit Schimmel zu tun.' Zwei Jahre lang müsse man sich allein damit befassen, so Hamm – die Gelder hierfür sollen von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt kommen, hofft die Stadt. Von hier aus, so Hamm, sei schon Interesse bekundet worden für dieses 'sehr komplexe Thema'. Nach diesen zwei Jahren stehen die eigentlichen Sicherungsmaßnahmen an: 'Hier wissen wir nicht, wo sie uns hinführen werden', so der betreuende Architekt. Ein viele Meter im Boden stehender Turm sei zu sanieren, der durch die vielen Jahrhunderte in seinen Mauergefüge stark geschwächt ist. Es gelte Methoden zu entwickeln, um das Mauerwerk wieder tragfähig zu machen: 'Hier gibt es noch keine Erfahrungen – Türme im Boden gibt es selten.' Ein statisches Problem sei der Erddruck – der Architekt schloss nicht aus, dass vielleicht sogar von außen her aufgegraben werden muss. Nachdem dann die 'Hülle' stabilisiert sei, gehe es an konservatorische Arbeiten. Und: Auch die gesamte Einbindung in das Umfeld sei dann zu überdenken. 'Das ist dann der fünfte Abschnitt', so Hamm, 'der in acht bis zehn Jahren auf uns zukommt'. OB Michael Kissel betonte, dass die Stadt nach dem Untergang der Nazidiktatur mit der Jüdischen Gemeinde Mainz in den 50er Jahren einen Vertrag geschlossen und sich verpflichtet habe, für die Unterhaltung der Gebäude zu sorgen und aufzukommen: 'Es ist Aufgabe der Stadt, des Landes und des Bundes, diese Verantwortung wahrzunehmen.' Dr. Roswitha Kaiser von der Generaldirektion Kulturelles Erbe regte an, ein 'Fördermanagement' zu betreiben, um an zusätzliche Gelder zu kommen: 'Denn die Mikwe ist tatsächlich sehr beschädigt.' Dr. Gerold Bönnen sicherte zu, dass es im Raschihaus ab dem Frühjahr eine laufend aktualisierte Dokumentation der Bauarbeiten für Touristen und jüdische Gläubige geben werde."  
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April 2018: Über die langjährige Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Mainz Stella Schindler-Siegreich   
Artikel von Ulrike Schäfer in der "Wormser Zeitung" vom 21. April 2018: "Stella Schindler-Siegreich: In Israel geboren, in Worms zuhause.
WORMS -
Für die Öffentlichkeit war es eine große Überraschung, als bekannt wurde, dass Stella Schindler-Siegreich, seit 2004 Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Mainz, im August 2017 ihr Amt niedergelegt hatte. Bedauern und Unverständnis hielten sich die Waage. Intern war ihre Absicht indes schon länger bekannt gewesen. Ein Herzinfarkt Ende 2014 hatte an ihren Kräften gezehrt. Die häufigen Fahrten von Worms nach Mainz, der aufreibende tägliche Kleinkram, aber auch die vielen offiziellen Verpflichtungen ermüdeten sie zusehends. Hinzu kam der Wunsch, mehr für ihre wachsende Enkelschar da sein zu können. In ihrer Amtszeit hat Stella Schindler-Siegreich viel bewegt. So wird mit ihrem Namen immer der Bau der neuen Synagoge in der Hindenburgstraße in Mainz verbunden sein – ein deutliches Signal, dass das Judentum einen Neuanfang mit Deutschland wagt. Aber es ging ihr immer auch darum, dieses neue Haus mit Leben zu füllen, um den Zuwanderern aus der ehemaligen Sowjetunion eine spirituelle, religiöse und kulturelle Identität anzubieten, ihnen eine Heimat zu geben. Auch in Worms hat sie einiges bewegt, die Veranstaltungen zum Raschi-Jahr 2005 und die Bewerbung der Schum-Städte als Weltkulturerbe angeregt, das Haus zur Sonne wieder für die Gemeinde nutzbar gemacht, Gottesdienste und Feste organisiert. Woher kommt sie, was hat sie geleitet?
Stella Siegreich wurde am 17. April 1948 geboren, drei Jahre, nachdem sich ihre Eltern im gemeinsamen Haus in Bedzin/Polen wiedergefunden hatten. Der Vater hatte sich gegen Ende des nationalsozialistischen Schreckensregimes aus einem Arbeitslager im Kattowitzer Land retten können; die Mutter hatte die Konzentrationslager Majdanek und Auschwitz durchleben müssen. Nach 1945 flohen die wenigen Verwandten, die überlebt hatten, vor dem wachsenden polnischen Antisemitismus in die USA und in den neu gegründeten Staat Israel. Auch Stellas Eltern, einst recht wohlhabend, nun fast mittellos, wanderten aus und versuchten, sich in Jerusalem eine Existenz aufzubauen. Doch das war nicht leicht. Ein ehemaliger Lagerfreund, der in Deutschland Fuß gefasst hatte, überredete sie schließlich, nach Europa zurückzukehren. Stella war damals zehn Jahre alt. In Jerusalem habe sie eine sehr glückliche Kindheit verbracht, erzählt sie mit leuchtenden Augen. Der Neubeginn in Deutschland sei ein gewaltiger Einschnitt für sie gewesen, zumal sie damals noch kein Wort Deutsch sprach. Nach einem Intermezzo in Bayern kam die Familie 1960 nach Worms. Die Eltern übernahmen einen gastronomischen Betrieb, den die Mutter nach dem frühen Tod des Vaters allein weiterführte. Die Familie lebte ihr Judentum, hatte Kontakt zur Gemeinde, fuhr an den hohen Feiertagen nach Mainz in die Synagoge. Ein unvergessliches Erlebnis war 1961 die Einweihung der Wormser Synagoge nach dem Wiederaufbau. 'Es gibt noch Fotos von diesem Tag, auf dem auch ich als zwölfjähriges Mädchen zu sehen bin', erzählt Schindler-Siegreich lächelnd. Man feierte erstmals wieder Rosch ha-Schana und Jom Kippur, eine Bar Mitzwa und Hochzeiten. Stella Siegreich besuchte das Eleonoren-Gymnasium, machte Abitur und gründete 1973 eine Familie. Als die beiden Kinder erwachsen waren, änderte sich zunehmend etwas in ihrem Leben. 'Ich weiß noch, dass ich am 9. November bei einer Gedenkveranstaltung in der Synagoge war. Ein Kantor sang das Totengebet El male Rahamim. Das hat mich so berührt, dass ich dachte: Du musst etwas machen.' In dieser Phase kamen die ersten jüdischen Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion nach Worms. 1996 trat Schindler-Siegreich in die Gemeinde ein, parallel dazu wurde sie Gründungsmitglied der Gesellschaft zur Förderung und Pflege jüdischer Kultur in Worms, später Warmaisa. 'Damals wurde mir auch die bedeutende jüdische Geschichte von Worms bewusst', erinnert sie sich. Sie machte eine Ausbildung zur Stadtführerin, absolvierte ein Gastsemester an der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg, traf sich mit den Kindern Überlebender der Shoa. Aufgrund dieses reichen Wissens regte sie im Vorstand von Warmaisa viele interessante Veranstaltungen an, stellte Kontakte zu Künstlern und Referenten her. Gleichzeitig versuchte sie, mit anderen jüdischen Familien ein Gemeindeleben in Worms zu organisieren, Feste wurden gefeiert, jüdischer Religionsunterricht eingerichtet. 'Eine Zeitlang war auch die Selbständigkeit der Wormser Gemeinde ein Thema', erzählt sie. Doch die Pläne waren nicht finanzierbar. 2001 wurde sie als Revisorin vorgeschlagen, drei Jahre später gebeten, für den Vorstand der Jüdischen Gemeinde Mainz/Worms zu kandidieren, am 18. April 2004 wurde sie zur Vorsitzenden gewählt. Ihr Fazit fällt positiv aus: 'Trotz aller Anstrengung schaue ich mit großer Genugtuung auf das Erreichte und bin voller Dankbarkeit für die vielen menschlichen Begegnungen und für die wohlwollende und großzügige Unterstützung, die ich erfahren durfte.'"
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Oktober 2018: 14. Verlegung von "Stolpersteinen" in Worms 
Anmerkung: 
seit dieser 14. Verlegung erinnern Stolpersteine in der: 1. Karmeliterstraße 2: Moritz Bär, gestorben 1940; 2. Berggartenstraße 6: Leo Grünfeld, ermordet 1943; Karoline Grünfeld geb. Bodenheim, ermordet 1942; Agnes Margarete, geflüchtet; Alfred Friedrich Grünfeld, geflüchtet; Otto Wilhelm Grünfeld, geflüchtet; 3. Bahnhofstraße 6: Hilda Herz geb. Lichtenauer, ermordet; Werner Herz, ermordet; 4. Zornstraße 3: Jakob Rosenheimer, gestorben in Theresienstadt; 5. Burkhardstraße 7 a: Albert Lieber, ermordet 1943; Berta Lieber geb. Weil, ermordet 1944; 6. Burkhardstraße 10: Max Meyer, gest. 1942 bei der Deportation; Rosa Meyer geb. Gottschalk, ermordet 1942; 7. Dirolfstraße 13: Moritz Strauß, ermordet 1942; 8. Seidenbenderstraße 52: August Mayer, ermordet; Anna Mayer geb. Strauß, ermordet; Margot Mayer, ermordet; 9. Güterhallenstraße 69: Jakob Levita, ermordet 1942; Minna Levita geb. Schrag, ermordet 1942; Bella Levita, ermordet; 10. Liebenauerstraße 121: Emil Nehemias Sommer, ermordet 1944; Martha Amanda Sommer geb. Reichleser, ermordet 1944.  
Artikel von Ulrike Schäfer in der "Wormser Zeitung" vom 24. Oktober 2018: "Erinnerungen an Menschen und ihr unvorstellbares Leid
Der Künstler Gunter Demnig verlegt in Worms 22 weitere Stolpersteine zur Erinnerung an deportierte und ermordete jüdische Bürger. 
WORMS -
Wer mit aufmerksamen Blicken durch Worms geht, kann die schimmernden Bronzeschildchen der Stolpersteine im Pflaster nicht übersehen. Auch wenn man sich nicht bückt, um die Namen zu lesen, die hier mit Geburts- und Todesdatum eingraviert sind, weiß man doch, dass in diesem Haus Verfolgte des Nazi-Regimes, meist jüdische Bürger und Bürgerinnen, lebten, ehe sie ausgegrenzt, beraubt, deportiert und ermordet wurden, flüchteten oder sich aus Verzweiflung das Leben nahmen.
Kinder fliehen, Eltern werden ermordet. 2006 hat Warmaisa, die Gesellschaft zur Förderung und Pflege jüdischer Kultur in Worms, mit der Verlegung von Stolpersteinen durch den Kölner Künstler Gunter Demnig begonnen. Dessen 1992 gestartetes Projekt ist mit fast 70 000 Steinen in 1265 deutschen Kommunen und in 21 Staaten Europas mittlerweile das größte dezentrale Mahnmal der Welt. In Worms hat Demnig bereits 195 Steine verlegt. Am kommenden Freitag werden weitere 22 dazu kommen. Die Stolpersteingruppe des Vereins Warmaisa hat sich bei ihrer Recherche für die 14. Verlegung in einem Radius bewegt, der fußläufig gut zu bewältigen ist. Es gab also dieses Mal – außer im Fall Jakob Rosenheimer, Zornstraße 3, für den sein Enkel Richard Isaak, USA, die Biografie erstellte – keine Angehörigen, Freunde oder sonstige Anlässe, die die Auswahl beeinflussten. Vertieft man sich in die Schicksale der einzelnen Familien, kann man sich der Tränen kaum erwehren. In vielen Fällen gelang den Kindern noch im letzten Moment die Flucht, oft über Umwege und unter Lebensgefahr. Sie versuchten auf alle mögliche Weise, die zurückgebliebenen Eltern nachzuholen, doch es war vergebens. Joan Kamens, Enkelin von Hilda und Felix Herz, die anlässlich der Vorstellung des Buches 'Die Juden vom Altrhein' im Juli 2018 mit ihren Töchtern das Grab ihres Großvaters auf dem jüdischen Friedhof in Osthofen besuchte, berichtete, wie schmerzlich es ein Leben lang für ihren Vater Rudolf und seine drei Geschwister gewesen sei, dass sie die Mutter und den jüngsten Bruder nicht retten konnten.
Von Frankreich nach Auschwitz deportiert. Ähnlich das Schicksal der Familie Grünfeld: Die drei Kinder von Leo und Karoline Grünfeld konnten fliehen. Leo Grünfeld, der in die seit 1828 in Worms ansässige Ledergroßhandlung Bodenheimer eingeheiratet hatte, zeitweise auch Handelsrichter war und in der Jüdischen Gemeinde aktiv mitwirkte, entging der Deportation aber genauso wenig wie seine Frau. Beide starben in Theresienstadt. Wie Leo Grünfeld hatte auch Jakob Rosenheimer schon bald nach der Machtübernahme der NSDAP sein gutgehendes Geschäft (Kurz-, Weiß- und Modewaren) nicht mehr halten können. Den Kindern gelang die Flucht; Jakob, seine Frau Selma und sein Bruder Adolf wurden nach Theresienstadt verschleppt. Die Brüder wurden ermordet. Nur Selma überlebte das Inferno.
Moritz Strauß hatte fünf Kinder, vier von ihnen gelang die Auswanderung. Auch Sohn Kurt und seine Frau Barbara emigrierten nach Frankreich. Bei Kriegsbeginn wurden sie aber interniert und am 26. August 1942 aus dem Lager Drancy bei Paris nach Auschwitz deportiert, wo sie mit über 900 weiteren Menschen sofort vergast wurden. Vater Moritz Strauß, damals schon Witwer, war für kurze Zeit im KZ Osthofen, danach verbot man ihm jede Berufstätigkeit. Sein ehemaliger Arbeitgeber Johann Rathmacher sorgte heimlich für seinen Lebensunterhalt bis zur Deportation 1942. Strauß starb in Theresienstadt. Überaus schmerzlich endete auch das Leben Max und Rosa Meyers. Er war Prokurist bei Langenbach gewesen und 1933 schon im Ruhestand. Wie viele jüdische Wormser wurde das Paar zwangseingewiesen ins jüdische Altersheim und musste miterleben, wie viele Mitbewohner bereits am 20. März 1942 abgeholt wurden. Die beiden selbst – er 83, sie 70 Jahre alt – wurden am 24. September 1942 zum Güterbahnhof gebracht. Max Meyer starb noch während des Aufenthalts in Darmstadt; seine Frau musste schon zwei Tage später nach Theresienstadt weiter, wo sie kurz darauf verstarb. An alle diese Menschen, wie auch an das Ehepaar Lieber, die Familie Mayer, die Familie Levita und das Ehepaar Sommer, die Unvorstellbares erlitten haben, sollen künftig die Stolpersteine erinnern, die am Freitag verlegt werden." 
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November 2018: Gedenken an den Novemberpogrom 1938  
Artikel von Ulrike Schäfer in der "Wormser Zeitung" vom 9. November 2018: "Reichspogromnacht in Worms: Synagoge zweimal angezündet
Schlägertrupps zerstören am 9. und 10. November 1938 nicht nur den Besitz der Juden, sondern verhöhnen und misshandeln auch die Menschen.

WORMS - Vor 80 Jahren, am 9. und 10. November, wurden auf Befehl des verbrecherischen Hitlerregimes in ganz Deutschland die Synagogen angezündet. Willkommener Vorwand für das skrupellose Vorgehen war das tödliche Attentat des 17-jährigen polnischen Juden Herschel Grynszpan auf Ernst Eduard vom Rath, Legationssekretär der Deutschen Botschaft in Paris und Parteimitglied der NSDAP.
Auch in Worms kam es zu hemmungslosen Ausschreitungen. Schlägertrupps tobten sich in ungezählten verwirrenden Einzelaktionen aus, schreiben Karl und Annelore Schlösser in ihrer Dokumentation 'Keiner blieb verschont'. Aber alle hatten das Ziel, sowohl die religiösen und geistigen als auch die materiellen Existenzgrundlagen der jüdischen Bürger zu vernichten. Danach konnten diese sich keine Illusionen mehr über die Absichten des Regimes machen. Die alte Synagoge, die gerade vier Jahre zuvor ihr 900-jähriges Bestehen gefeiert hatte, brannte erstmals am Morgen des 10. Novembers um 5.45 Uhr. Weil die Feuerwehr angeblich keine Zeit hatte auszurücken, löschte Rabbiner Dr. Helmut Frank gemeinsam mit Schülern der Bezirksschule und jungen Gemeindemitgliedern selbst die Flammen. Gegen halb 10 Uhr brannte die Synagoge zum zweiten Mal. Henry Hüttenbach, Herta Mansbachers Biograf, schreibt, dass sich die Lehrerin in beispiellosem Mut der SA entgegengestellt habe. Verhindern konnte sie nichts, die Synagoge brannte vollständig aus. Fotos von diesem Morgen zeigen, dass die Feuerwehr den Wasserstrahl auf das benachbarte Gebäude richtete, und auch die zahlreichen Zuschauer unternahmen nichts, um das ehrwürdige Gotteshaus zu retten. Ebenfalls im Morgengrauen des 10. Novembers begannen Schlägertrupps, die Schaufenster und Auslagen jüdischer Geschäfte zu zertrümmern und Einrichtungen und Warenbestände zu zerstören. Noch Schlimmeres richteten sie in vielen Wohnungen an, zerschlugen das Mobiliar, schlitzten das Bettzeug auf und warfen Geschirr und andere Wertgegenstände aus dem Fenster. Pfarrer i.R. Norbert Hufnagel berichtet, dass er als kleiner Junge beobachtet habe, wie an der Ecke Röder-/Mozartstraße ein ganzer Flügel auf die Straße geworfen worden sei. Gewalt wurde aber auch gegen die völlig verängstigen Menschen ausgeübt. Oft wurden sie verhöhnt, gestoßen, geschlagen, wie zum Beispiel der Herrnsheimer Wilhelm Gutmann, der beim Aufräumen seines zertrümmerten Mobiliars von mehreren Leuten angegriffen und so übel verletzt wurde, dass er im Krankenhaus behandelt werden musste (siehe ausführlich Heimatjahrbuch 2015). In der Moltkeanlage 11 wollten brutale Eindringlinge das vier Monate alte Baby der Familie Hochheimer aus dem Fenster werfen. Der Mutter gelang es, ihnen das Kind zu entreißen und in das nahegelegene Martinsstift zu flüchten, wo es in Sicherheit war. Abraham Sedel, Goethestraße 10, versteckte sich in seiner Not in einem Schrank und wurde mit dem Möbel aus dem Fenster geworfen. Trotz seiner Verletzungen wurde er zusammen mit insgesamt 86 Männern jüdischen Glaubens aus Worms und Umgebung, darunter auch Rabbiner Frank, verhaftet und vorübergehend ins KZ Buchenwald gebracht. Einen Monat nach seiner Rückkehr starb er an den Folgen der erlittenen Misshandlungen, wie auch Edgar Frohnhausen und Ludwig Gutmann. Der Möbelfabrikant Hermann Gusdorf, der infolge seiner Teilnahme am Ersten Weltkrieg schwer asthmaleidend war, starb bereits während seiner Gefangenschaft in Buchenwald, wo die Häftlinge Kälte, Hunger und übelster Behandlung ausgesetzt waren.
Die Verwüstungen des November-Pogroms mussten nicht von den Tätern, sondern von den Opfern beseitigt werden. Sie hatten auch selbst für die Kosten aufzukommen. Noch schlimmer, so Karl und Annelore Schlösser, habe die Verordnung 'zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben' vom 12. November 1938 die damals noch in Worms lebenden jüdischen Geschäftsleute betroffen. Sie mussten ihre Läden schließen und durften auch nicht mehr beschäftigt werden, sodass sie endgültig ihre Existenzgrundlage verloren. Wie zum Hohn mussten sie dann noch eine 'Sühneleistung' in Höhe von einer Milliarde Reichsmark ans Deutsche Reich entrichten."  
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November 2018: Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag des Novemberpogroms 1938  

Artikel von Ulrike Schäfer in der "Bürstädter Zeitung" vom 10. November 2018: "Gedenkveranstaltung zur Pogromnacht in der Wormser Synagoge.
Zum 80. Mal jährte sich die Reichspogromnacht, und so viele Menschen wie nie nahmen in Worms an der Gedenkveranstaltung teil.
WORMS
- An der Gedenkveranstaltung zum 9. November, zu der für Donnerstagabend die Stadt, die Jüdische Gemeinde, der Verein Warmaisa und das Bündnis gegen Naziaufmärsche in die Synagoge eingeladen hatten, nahmen so viele Menschen teil wie nie zuvor. Sei es, weil sich die Reichspogromnacht zum 80. Mal jährte, sei es, weil man empfindet, dass es mehr denn je notwendig ist, zusammenzustehen und Haltung zu zeigen. Eingestimmt und begleitet wurde die Veranstaltung von dem vorzüglichen Duo Allegro, Rolf Fritz (Piano) und Alexander Galushkin (Geige), die die Rhapsodie aus der Suite hébraïque von Ernest Bloch, das Hora-Hatikvah aus dem Israeli Concertino von George Perlman und zum Schluss das ergreifende Kaddisch von Maurice Ravel spielten. In ihrer bewegenden Rede führte Anna Kischner, Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, aus, dass Gedenken und Gebete an diesem Tag fester Bestandteil jüdischer Erinnerungskultur seien. 'Das Trauma der Schoa sitzt noch tief in uns', sagte sie. 'Es gibt kein einziges Gemeindemitglied, das davon nicht betroffen wäre, und es ist schmerzlich zurückzuschauen.' Doch in Zeiten von zunehmender Fremdenfeindlichkeit und wachsendem Antisemitismus sei das Erinnern aus Gründen der Humanität eine unerlässliche Aufgabe der Zivilgesellschaft.
TOTENGEBET. Nach dem letzten Musikstück erhoben sich die Menschen in der Synagoge zum Totengebet, dem Kaddisch, das Rabbiner Aharon Ran Vernikovsky mit wunderbar klarer Stimme intonierte. Auch wenn man die hebräischen Worte nicht verstehen konnte, so war doch die Klage um das große Leid des jüdischen Volks unüberhörbar und erschütterte die Herzen zutiefst.
Aufruf zur Zivilcourage. Dabei sei es irrelevant, von wem das hasserfüllte Gedankengut verbreitet werde. 'Unsere tolerante Gesellschaft muss zeigen, dass die Toleranz da endet, wo sich Intoleranz zeigt', betonte sie. 'Sie darf weder geduldet noch schöngeredet werden.' Die neue Ideologie sei sogar noch gefährlicher als die alte, weil der Hass trotz Auschwitz geschürt werde. Doch wolle sie nicht nur mahnen, sondern auch der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass so etwas niemals wieder passieren könne. Dem stimmte auch OB Michael Kissel nachdrücklich zu. Er erinnerte daran, dass die Synagoge mehrfach in blindem Hass zerstört worden sei, zuletzt am 10. November 1938. Auch gedachte er der Menschen, die in den Jahren ab 1933 unter fortwährenden Schikanen und systematischer Ausgrenzung zu leiden hatten und schließlich, sofern sie sich nicht in die Emigration retten konnten, Opfer von Verschleppung und Ermordung geworden seien. 'Mit der Reichspogromnacht kippte Deutschland endgültig in menschenverachtende Tyrannei', sagte er. Mit der staatlich organisierten systematischen Verfolgung und Ermordung von über sechs Millionen europäischer Juden habe der Rassenhass seinen schrecklichen Höhepunkt gefunden, der mit keinem anderen Ereignis in der gesamten Menschheitsgeschichte vergleichbar sei. Die Lehre daraus sei: Wer Gewalt gegen eine religiöse Minderheit dulde oder gar fördere, stürze erst eine Minderheit und dann das gesamte Staatswesen ins Verderben. 'Wir alle sind aufgerufen, gegen Angriffe auf unsere jüdischen Mitbürger oder andere Minderheiten aktiv vorzugehen.' Er schloss mit den Worten: 'Uns eint der feste Wille, dass sich Ereignisse wie im November 1938 niemals wiederholen dürfen.' Nelly Granson, Selin Yasar und Eren Yayli, Schüler des Gauß-Gymnasiums, hatten sich unter Leitung von Katja Baumgärtner mit dem Schicksal der mutigen Lehrerin Herta Mansbacher und des Kinderarztes Dr. Fritz Gernsheim befasst und trugen ihre Erkenntnisse vor. Während die Lehrerin deportiert und ermordet wurde, begingen Gernsheim und seine Frau Rosa aus Verzweiflung Selbstmord." 
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Februar 2019: Vortrag von Michael Brocke über den Bellette-Pfeiler
Artikel von Ulrike Schäfer in der "Wormser Zeitung" vom 26. Februar 2019: "Erinnerung an eine Märtyrerin.
Michael Brocke referiert in Worms über den Bellette-Pfeiler. Der Name stammt aus einem berühmten Klagelied eines jüdischen Mystikers.
WORMS
- Mit großer Leidenschaft kniet sich Prof. Dr. Michael Brocke vom Steinheim-Institut seit Jahren in die Erforschung des Jüdischen Friedhofs Heiliger Stand. Alle noch lesbaren alten Grabsteine hat er entziffert und immer wieder Aufsehen erregende Entdeckungen gemacht. Fasziniert hat ihn aber auch schon seit langem der sogenannte Bellette-Pfeiler, ein reich ornamentiertes Sandsteinfragment, das 1957 im Schutt des zerstörten Gotteshauses aufgefunden worden war und derzeit in der sogenannten Frauensynagoge steht. Mörtelspuren lassen die Annahme zu, dass das Teil bereits in der Vorgängersynagoge zweckentfremdet verbaut worden war. Dieses außergewöhnliche Stück war nun Gegenstand eines Vortrags beim sechsten Workshop der Arbeitsgruppe Mittelalter im Netzwerk Jüdisches Kulturerbe unter dem Titel 'Esrat Nashim – Frauen in der Synagoge: eine Frage der Heiligkeit?' im Raschihaus.
Bellette wurde von Kreuzfahrern ermordet. Der zierliche Pfeiler, seinerzeit auch schon von Otto Böcher beschrieben, zeigt auf der Vorderseite eine stilisierte Palme, auf der Rückseite eine tiefe Fuge und eine Halbsäule. Die linke Seite ist mit einem Zickzack-Doppelflechtband, die rechte mit einem Ölbaum als Sinnbild des ewigen Lebens geschmückt. Die nicht mehr ganz vollständige Inschrift ist einer jungen Frau namens Bellette aus vornehmem Hause gewidmet, die besonders erinnerungswürdig war. Die Vermutung, dass es sich dabei um eine Märtyrerin handele, erschließe sich allerdings weniger aus dem Text als aus dem Reliefschmuck, insbesondere der symbolhaften Darstellung des Lebensbaums, führte Brocke aus. Der eher seltene Name Bellette sei bekannt aus dem berühmten Klagelied des Mystikers, Halachisten und Dichters Eleasar ben Juda ben Kalonymos, genannt Rokeach (1160-1230), über den Verlust seiner Frau Dolza und seiner beiden Töchter Bellette (13 Jahre) und Hannah (6 Jahre), die 1196 von Kreuzfahrern ermordet wurden. In rühmenden Worten beschreibt der Vater, einer der letzten Vertreter der Wormser Chassidim (Frommen), die Tugendhaftigkeit Bellettes. Bei der anschließenden Besichtigung des Pfeilers, der genau genommen keiner ist, kam es zu einem angeregten Disput unter den Wissenschaftlern, denn wo mag sich die steinerne Würdigung für Bellette, die stilistisch in die späte Romanik einzuordnen ist, befunden haben? Die Frauensynagoge, die laut Stifterinschrift älter ist als das erste schriftliche Zeugnis darüber, wurde erst 1212/1213 angebaut. Gehörte das Fragment vielleicht zur Zwischenwand, die den Frauen- vom Männerbau trennte? War sie Teil eines Fensters und hatte noch ein Pendant? Oder hatte sie zur Bima gehört, vielleicht sogar, als es den Frauenbau noch nicht gegeben hatte? Ein weiteres Fragment, das ebenfalls das Palmenmotiv zeigt, allerdings wesentlich kleiner ist, wird noch im Museum aufbewahrt. Es wurde angeregt, zu untersuchen, ob sich unter den noch vorhandenen Spolien weitere Bruchstücke finden, die Hinweise auf die Funktion des Bellette-Pfeilers geben könnten.
Wie wenig man im Grunde über die Rolle der Frau in der Synagoge weiß, machte Rabbinerin Professor Birgit Klein, Uni Heidelberg, deutlich. In ihrem Vortrag ging sie der Frage nach, aus welchem Grund der Anbau der Frauenschul' erfolgt war. Bedeutete er eine Ausschließung der Frauen aufgrund verschärfter Reinheitsgesetze oder aber eine Aufwertung? An welchen Teilen der Liturgie, die unterschiedliche Grade der Heiligkeit hatte, durften (menstruierende) Frauen teilnehmen, an welchen nicht? Wie veränderte sich die Einstellung im rabbinischen Schrifttum dazu? Und können Wormser Gebräuche auch auf andere Gemeinden übertragen werden? Am Nachmittag und am folgenden Freitag wurde das Thema in Speyer und Heidelberg noch einmal ausgiebig diskutiert. Auf die Ergebnisse darf man gespannt sein."
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November 2019: Gedenken an den Novemberpogrom 1938 
Artikel von Ulrike Schäfer in der "Wormser Zeitung" vom 11. November 2019: "Gedenkstunde vor der Wormser Synagoge. Oberbürgermeister Adolf Kessel mahnt: Die Verrohung der Sprache ist der Anfang der Gewaltbereitschaft.
WORMS -
'Hüte dich nur und bewahre deine Seele gut, dass du nicht vergisst, was deine Augen gesehen haben, und dass es nicht aus deinem Herzen kommt, dein ganzes Leben lang.' Mit diesem Wort aus dem 5. Buch Mose eröffnete Pfarrerin Dr. Erika Mohri die Gedenkstunde, die, wie schon seit Jahren, vom Bündnis gegen Naziaufmärsche zur Erinnerung an die Reichspogromnacht am 9. November 1938 ausgerichtet wird. Nicht von ungefähr hatten sich rund 100 Menschen vor der Synagoge eingefunden. 'Wir wissen, wofür wir hier stehen', war sich Mohri, Sprecherin des Bündnisses, mit den Anwesenden einig. In bewegenden Worten sprach sie von den Opfern, von den Tätern und von der Lehrerin Herta Mansbacher, die sich den Brandstiftern am Morgen des 10. November vor der Synagoge entgegenwarf: 'Sie wusste, was Recht ist.' Der Tag der Befreiung sei nicht für alle gleich gewesen. Die einen seien damals von Hass und Verfolgung befreit worden, die anderen hätten von Hass und Irrtum freiwerden müssen. Dies sei aber nicht durchgängig gelungen. Noch heute hätten 27 Prozent aller Deutschen antisemitische Vorbehalte; täglich würden jüdische Menschen in Deutschland angegriffen, müssten in ihrem eigenen Land von der Polizei beschützt werden. Das Bibelwort erneut aufgreifend, appellierte sie an die Zuhörer, die Augen offen zu halten und gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus aufzustehen. Oberbürgermeister Adolf Kessel (CDU) nannte Zahlen zur Reichspogromnacht, erinnerte an geschlagene und geschundene Menschen, verwüstete Häuser und Geschäfte, zerstörte Synagogen, an Nachbarn, die sich bereicherten, Mitbürger, die die Gewalt guthießen oder selbst gewalttätig wurden.
Der 9. November sei der Auftakt zur folgenden systematischen Ausrottung der jüdischen Bevölkerung gewesen, betonte Kessel, aber er habe auch ein Vorspiel gehabt, das nicht vergessen werden dürfe. Schon vor seiner Wahl 1933 habe Hitler in seinem Buch 'Mein Kampf' die Juden als Krankheitserreger bezeichnet, die ihr Wirtsvolk umbrächten. Selbst Deutsche, die dieses Menschenbild nicht geteilt hätten, hätten aber Hitler gewählt. Strafbares Verhalten sei mehr und mehr geduldet worden und schließlich auch erwünscht gewesen.
Das Grundgesetz habe mit Artikel 1 die Lehre aus dieser Zeit gezogen, fuhr Kessel fort. Dieser Artikel sei seither Richtschnur unseres Handelns. Wer in diesem Staat lebe, müsse sich konsequent daran halten. Heute sei eine Zeit tief greifender Veränderungen, viele fühlten sich zurückgelassen. Die Verrohung der Sprache sei aber der Anfang der Gewaltbereitschaft. Grenzüberschreitungen dürfe man nicht hinnehmen, müsse ihnen entschieden entgegentreten. 'Jeden Tag müssen wir uns daran erinnern, dass Rassismus und Menschenhass nie wieder die Oberhand bekommen dürfen.'"  
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Januar 2020: Bewerbung der Schum-Städte Speyer, Worms und Mainz als Unesco-Weltkulturerbe wird eingereicht
Artikel von Dagmar Gilcher in der "Rhein-Pfalz" vom 14. Januar 2020: "Auf der Zielgeraden.
Am 23. Januar ist es so weit: Der Welterbe-Anfrag "SchUM-Stätten Speyer, Worms und Mainz" wird bei der Unesco in Paris eingereicht. Fristgerecht. Gestern hat ihn die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer unterzeichnet. Es sind über 1000 Seiten, die dem Erbe des jüdischen Mittelalters am Oberrhein im Sommer 2021 die begehrte Auszeichnung bringen sollen...".
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Februar 2020: Weitere "Stolpersteine" werden verlegt  
Anmerkung: es handelte sich um die 15. vom Verein Warmaisa organisierte Verlegung von "Stolpersteinen" in Worms 
Artikel in der "Wormser Zeitung" vom 6. Februar 2020: "Neue Stolpersteine werden in Worms verlegt
WORMS
- (red). Gunter Demnig, der 'Vater' und Hauptinitiator der Stolpersteine, ist am Freitag, 7. Februar, ab 9 Uhr in der Seidenbenderstraße 31 zur Verlegung von Stolpersteinen in Worms. Danach folgen Verlegungen in der Burkhardstraße, Kriemhildenstraße, Karmeliterstraße, Gymnasiumstraße, Kämmererstraße, am Neumarkt, in der Mähgasse, der Bärengasse, der Judengasse und der Hinteren Judengasse. Wann genau, hängt jeweils von der Dauer der vorherigen Arbeiten ab. Ab 19 Uhr hält Gunter Demnig dann im Raschi-Haus in der Hinteren Judengasse 6, einen Vortrag zum Thema 'Stolpersteine-Spuren und Wege' im. Der Vortrag steht allen Bürgern offen, der Eintritt ist frei." 
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Artikel von Ulrike Schäfer in der "Wormser Zeitung" vom 11. Februar 2020: "25 neue Stolpersteine in Worms verlegt
Rund 75000 Stolpersteine hat Gunter Demnig bisher in Deutschland und Europa verlegt. Nun war er auch wieder in Worms. Routine sei das Ganze für ihn aber nicht.
WORMS
- Das Bild ist vielen Wormsern mittlerweile sehr vertraut: Gunter Demnig, im unverwechselbaren Outfit mit braunem Hut, kniet auf dem Pflaster, neben sich allerlei Werkzeuge im Kasten, Eimer mit verschiedenen Sanden und schnell härtendem Zement. Mit geübten Griffen setzt er Stolpersteine in vorbereitete Löcher und klopft sie behutsam fest. Am Freitag fand die 15. vom Verein Warmaisa vorbereitete und organisierte Verlegung in Worms statt. 25 Steine wurden vor zwölf Häusern im Gehsteig eingearbeitet, die letzten vorm Raschihaus, dem einstigen Altersheim, in das viele jüdische Bürger 'umziehen' mussten, ehe sie deportiert wurden. Zumindest auf dem ersten Teil der langen Wegstrecke begleitete eine größere Menschengruppe die Aktion, die nicht nur gedenken, sondern auch mahnen will, dass Ausgrenzung, Verfolgung und Deportation in der Mitte unserer Gesellschaft geschahen.
Abends hielt Gunter Demnig einen Vortrag im Raschihaus [...]
Der Vorstand von Warmaisa freut sich über jede Spende, die zur Schaffung und Verlegung eines weiteres Stolpersteins beiträgt. Aktuell kostet jedes Exemplar 132 Euro."
Link zum Artikel  

  
Videos    
 
Die Synagoge Worms - Eine Zeitreise (hrsg. SchUM-Städte e.V. Speyer, Worms, Mainz):
Link zu https://www.youtube.com/watch?v=Fy3_bFF0iO0   
 
  
  
Impressionen aus der Judengasse und der Synagoge in Worms 
Link zu https://www.youtube.com/watch?v=yHzaMAGXhUY  
  
   
  
   

Links:  

bulletWebsite von WARMAISA - Gesellschaft zur Förderung und Pflege jüdischer Kultur in Worms 
bulletWebsite http://mikwe-worms.schumstaedte.de/      
bulletWebsite "Die Wormser Juden 1933-1945"  www.wormserjuden.de   
bulletZur Seite über den jüdischen Friedhof in Worms (interner Link) 
  
bulletArtikel von Birgit E. Klein in der "Jüdischen Allgemeinen" vom 18. Mai 2018: "Die Rabbanit von Worms. Was wäre, wenn Belette 1196 nicht ermordet, sondern spirituelle 'Meisterin' ihrer Gemeinde geworden wäre?"  
Link zum Artikel    
bulletAnnelore und Karl Schlösser: Keiner blieb verschont. Die Judenverfolgung 1933-1945 in Worms. In: Der Wormsgau Beiheft 31. Stadtarchiv Worms 1987 (1989). Online zugänglich (eingestellt als pdf-Datei).     

   
       

                   
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Stand: 30. Juni 2020